Sonntag, 6. März 2011

Wartet Ihr etwa schon lange?

Es ist fast genau sechs Jahre her, dass ich begonnen habe, ein öffentliches Diät-Tagebuch zu führen. Dann kam eine Buchveröffentlichung. Und dann kam lange nichts. Bis auf die Pfunde – die kamen zurück.

Susanne Fröhlich hat in der Zwischenzeit ein Buch darüber geschrieben, warum sie sich nun doch mit ihrem Moppel-Ich abfinden will. Regierungen verschiedener europäischer Länder haben tatsächlich versucht, Modeschöpfern vorzuschreiben, dass sie ihre Kreationen nicht mehr an spargeldürren Mannequins präsentieren dürfen. Die Brigitte hat sich entschieden, ihre Modestrecken nicht mehr mit professionellen Models zu produzieren, sondern mit „echten Frauen“. Das heißt vermutlich, Olivia Jones muss sich hier nun wirklich keine Hoffnungen mehr machen. Fraglich bleibt, ob eine 19-jährige Studentin auf dem Cover der traditionellen Brigitte-Leserin tatsächlich näher ist, als ein – sagen wir mal 27-jähriges – Model. Der Tag, an dem ich glaube, dass es hier eine aufrichtige Bereitschaft gibt, wirklich etwas zu verändern, ist der Tag, an dem es offiziell keine weitere Auflage der Brigitte-Diät mehr geben wird.

Is‘ aber auch eh alles völlig egal, denn währenddessen werden die Models auf den Laufstegen der Welt nachweislich immer noch ein wenig dünner. Es mag zwar „ein Leben jenseits der Konfektionsgröße 40“ (Frau Fröhlich) geben – nur dummerweise gibt es noch immer nichts Anständiges zum Anziehen. Wie, das stimmt nicht? In letzter Zeit mal versucht, ein einfaches, schwarzes Business Kostüm in Größe 48 zu bekommen? Womöglich sogar eins, dass nicht komplett aus dehnbarem Plastik ist? Eins, bei dem nicht die Funken zu sprühen, nur weil man die Arme ein wenig zu hektisch bewegt? Also bitte – damit wären wir wieder beim alten Thema. Alle, die mal schlank waren, wissen, dass das Leben in der Regel einfacher und damit besser ist, wenn man weniger wiegt. Und für die, die irgendwann, irgendwie als Dicke Damen programmiert wurden, bleibt es verdammt schwer, dünner zu werden und zu bleiben.

Die Pfunde kommen zurück, wenn man nicht IMMER, IMMER, IMMER am Ball bleibt. Seien wir ehrlich: It ain’t over till the fat lady sings. Und das Lied der Dicken Dame, so scheint es, geht NIE vorbei. Es sei denn, sie fällt tot um. Was andererseits schneller passieren kann, als man denkt. Ich wäre vor ein paar Wochen fast in voller Fahrt in einen plötzlich vor mir bremsenden Lastwagen gekracht, bin dann jedoch durch eine wundersame Eingebung in letzter Sekunde stattdessen über den Bürgersteig gekesselt und hinter einem Bushaltestellenhäuschen zum Stehen gekommen. Vor Peinlichkeit fast gestorben wäre ich unlängst, als ich auf jemanden traf, den ich bewundere und wirklich gern beeindruckt hätte – und ein Foto gemacht wurde. Erst wollte ich die Mail mit dem Anhang gar nicht öffnen, aber ich war natürlich doch zu neugierig. Und dann sah ich sie – meine erstaunlichen Hamsterbacken...

Im Auto sitzend, einer wahrscheinlichen Katastrophe gerade um Haaresbreite entkommen, war die erste Überlegung: „Puh, das war eng.“ Und dann fuhr ich weiter. Beim Anblick des Fotos nahm ich meine letzte halbe Valium und legte mich für den Nachmittag ins Bett. Später schrieb ich dann auf ein großes Stück Pappe: DAS passiert mir nicht noch einmal. Man könnte an seinen grundsätzlichen Prioritäten und Einstellungen arbeiten. Oder wieder abnehmen…

Abnehmen ist leichter.

Bestimmt. Und klar will das was heißen.

Mir steht ein Primaballerina-Moment zu, VERDAMMT! So wie allen anderen, die ihn auch wollen. Davon bin ich weiterhin überzeugt, obwohl ich nicht einmal genau weiß, was genau dieser Moment ist. Ich vermute zwar, es hat etwas damit zu tun, sich einmal im Leben uneingeschränkt großartig in seiner Haut zu fühlen, wenn alle gucken und jemand obendrein ein Foto macht, aber sicher bin mir nur: Er war noch nicht da. Und ich weigere mich, diesen Wunsch aufzugeben.

Vor sechs Jahren dachte ich, dass ein öffentliches Diät-Tagebuch den nötigen Druck erzeugen könnte, um endlich abzunehmen (damals wog ich über 120 kg). Das tat es auch – allerdings schreckte ich auch regelmäßig nachts schweißgebadet aus dem Schlaf hoch. Diesmal machen wir es anders. Diesmal machen wir es uns nett. Es gibt kein Zielgewicht. Ich beginne, wie gesagt, mit einer Größe 48 und Körperkonturen, an denen das Auf-und Ab der Vergangenheit natürlich nicht spurlos vorbeigegangen ist. Die Größe soll kleiner werden. Das ist alles. Aber auf dem Weg gibt es erfahrungsgemäß immer wieder viel zu erzählen. Fett bleibt ein weites Feld. Besonders für die, die es loswerden wollen. (Vermutlich aber auch für die, die sich doch endlich so akzeptieren wollen, wie sie sind.)

Und bunt werden soll es dann auch. Website und Blog sind noch Baustellen – egal, man musste jetzt halt irgendwo mal anfangen. Aber wenn ich an all die Dinge denke, die vor sechs Jahren (zumindest bei mir) noch gar nicht auf dem Programm standen: Diashows, Vlogs, Liegestütze im live stream – oh, die Möglichkeiten! Mal sehen, was ich mich getraue. Und mal sehen, wer überhaupt zuschaut . NH