Sonntag, 18. August 2013

Oh, wie spät es schon ist

 
Alberto Giacometti: Le palais à quatre heures du matin (Der Palast um vier Uhr morgens)
Ich werde nicht einen Tag mehr abwarten. Ich werde nicht einen Abend mehr an einem Ort vertun, von dem ich nicht weiß, was um alles in der Welt ich dort eigentlich soll. Ich werde nicht eine Nacht mehr verlieren.

NH

Freitag, 16. August 2013

THE UGLY GIRL PROJECT: Noch nasser / Even wetter

 
 
 
Das einst so kamerascheue "Seemonster" ist diesmal direkt ins Bild geschwommen und konnte nun auch einwandfrei identifiziert werden: Es handelt sich ganz offensichtlich um ein Exemplar aus der Familie der dicken Damen...wer hätte das gedacht. Was vor so ziemlich genau einem Jahr noch eine Mutprobe war, kann nun auf der Liste der herzustellenden, dicken Lebensnormalitäten abgehakt werden: Den runden, delligen, welligen Körper in einem öffentlichen Schwimmbad im Badeanzug herzuzeigen. Was bei mir von nun an auf der Wasser-Wagnis-Wunschliste steht, ist nur noch Nacktbaden im Hotelpool in einer Gewitternacht. Oder so. ; ) Eigentlich dürfte der alltägliche Besuch in der Badeanstalt oder an den Stränden von Teichen und Meeren gar keinen Mut und jahrelanges Ringen um das nötige Selbstbewusstsein erfordern. Aber die Umwelt macht es weiterhin zur Herausforderung. Nicht umsonst sind Badebekleidung und der Schneid, diese sichtbar zu machen, bei zahlreichen dicken Bloggerinnen ein Thema (z.B. hier).
 
 
 
 
 
Ich habe Kunst gefunden!
 
 
 
 
Mönchsteich, Sommer 2013
 
© Nicola Hinz 2013

Donnerstag, 8. August 2013

THE UGLY GIRL PROJECT: Wallflower / Mauerblümchen

So, meine Lieben - nackig komme ich jetzt wirklich klar. ; ) Die Formel, wie ich endlich zu meinem unbekleideten, dicken Körper nach Hause fand, scheint im Rückblick fast ein wenig zu einfach: Selbstauslöser, Sex und das Glück, trotz aller eingebrannter Scham und Selbstverachtung über ein solides, hochnarzistisches Quantum exhibitionistischer Neigungen zu verfügen - wer hätte gedacht, dass auf mein inneres Showgirl nach Jahren und Jahren im Verließ doch noch so viel Verlass ist? Aber natürlich war es in Wahrheit doch schwer. Es war auch eine Menge Arbeit, sich umzuprogrammieren. Und so merkwürdig das nun klingen mag: Die nächste Mutprobe ist, sich wieder anzuziehen. Und zwar so, dass einen niemand mehr so leicht übersieht. Und zwar am besten täglich. Auf der Straße. In Läden. In Besprechungsräumen. In Restaurants. Ausschnitte. Breite Gürtel. High Heels. Mehr klimpernde Accessoires. Womöglich sichtbare Knie (oh, Göttin...).

Ich habe jetzt bereits seit Monaten einen Kleiderschrank, in dem sich fast nur noch Kleider befinden, die mir auch passen. Das allein war ein Triumph. Gern große Größen einzukaufen, ist die halbe Miete. Sie jetzt endlich auszuführen und sich so als dicke Frau ganz im rebellischen Sinne von Fatshion bemerkbar zu machen - das war ein bisher ehrlicherweise eher vernachlässigtes Projekt. Vor zwei Wochen trug ich zum ersten Mal seit Jahren einen Rock. Um in ihm auf einer einsamen Wiese zu sitzen und zu picknicken - aber immerhin ein Anfang. Das "Outfit Of The Day" für die folgende Serie von Fotos war übrigens Fair Trade Schleierkraut. Und Rosen von gestern, denn auch für die weitere Arbeit an der Selbstakzeptanz der dicken Dame gilt selbstverständlich DAS HIER.

So, jetzt gehe ich wieder in die Sommerpause...

NH


















© CANDYBEACH.COM N. Hinz 2013

Montag, 5. August 2013

Das Schweigen der Männer


"Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst."   
(Marie Antoinette)

Ich spreche ja kein Schweigen. Ich verstehe es weder in Wort noch Schrift, und in meiner Welt ist keine Antwort genau das, was sie ist - KEINE Antwort.

Es ist offenbar eine Sprache der Sprachlosen, und wie sprachlos Männer sein können, war mir bis zu meinem Online-Dating-Projekt gar nicht so klar. Dass jemand nicht anruft, obwohl er es angekündigt hat, war mir so gut wie nicht passiert. Dass jemand mitten in einer schriftlichen Kommunikation per E-mail oder Chat ohne Warnung und auf Nimmerwiedersehen verschwindet, war mir nicht untergekommen. Dass jemand zu einer Verabredung nicht auftaucht und sich hinterher nicht entschuldigt, war ziemlich unvorstellbar - es sei denn, er lag tot im Graben. Heutzutage und vor allem mit Internetbekanntschaften scheint das überhaupt keine ungewöhnliche Sache zu sein. Das bestätigen auch Freundinnen, die ich zum Thema befragt habe. Ich selbst habe dann ja zeitnah einmal nachgehakt, was sich derjenige dabei gedacht haben mag, nicht aufzutauchen und dann auch noch zu schweigen. Um dann doch noch folgende aufschlussreiche Antwort zu erhalten: "Ich war mir nicht sicher, ob du kommst." Das ergibt Sinn - er hat mich schlicht verdächtigt, genau so dysfunktional zu sein, wie er. Sein Fernbleiben war sozusagen vorausschauende Selbstverteidigung. Dumm nur, dass ich halt nicht bin, wie er und seinerzeit pünktlich aber leider versetzt und vor Wut in meinen Wein schnaubend im Restaurant saß.

Also halten wir an dieser Stelle erst einmal fest: Jemanden anzuschweigen, weil man nichts mehr von ihm will, aber zu feige ist, dieses klipp und klar (und mit ein wenig Respekt) bekanntzugeben, ist ein Umstand, der letztendlich nicht allzu sehr verblüfft. Der Typ bleibt wortlos weg, weil ihm die Eier, die Worte und die Kinderstube fehlen. Und er steht einfach nicht auf dich. Schon klar. Wenn es halt wirklich so einfach wäre...

In seinem wissenschaftlichen Meisterwerk "Brunftzeit" (kürzlich in der Hoffnung auf spontane Erleuchtung als Mängelexemplar vom Grabbeltisch erworben) setzt der Autor Humfrey Hunter verwirrte Frauen denn auch mit brutaler Klarheit in Kenntnis: "Das Einzige, was Sie ganz sicher wissen, wenn ein Mann Sie nicht anruft ist, dass er Sie nicht anruft."...Aaah ja...Der Autor legt immerhin noch nahe, dass ein Mann, der nicht anruft, wahrscheinlich "nicht sonderlich interessiert ist. Oder rufen Sie etwa Leute, die sie mögen, nicht an?" Nun, mein lieber Humfrey, ich rufe seit Monaten 24 Stunden am Tag jemanden, den ich mag, nicht an. Weil ich mich nicht traue. Das einzig Gute daran ist, dass der andere auch nicht auf den Anruf wartet. So viel dazu. Und sogar der Herr Hunter räumt einige Seiten später ein, "dass es tatsächlich Geschlechtsgenossen gibt, die Frauen nicht anrufen, obwohl sie sie nett finden." Grrr...oh du Hölle...3,95 für nix.

Wirklich frustrierend wird es, wenn nach einer persönlichen Begegnung alle Zeichen klar auf Sympathie stehen und es sogar Abmachungen über eine Fortsetzung gibt - und DANN der Rest trotzdem und unvorhersehbar nur noch Schweigen ist. Hätte sich eine Bekannte im Rahmen einer wahren Wirbelwindromanze in der Nähe einer Drive-In-Hochzeitskapelle befunden, wäre sie am Ende eines stürmischen Wochenendes vermutlich verheiratet nach Hause gekommen. Im Anschluss hörte sie dann jedoch nie wieder etwas von ihrem großen Fang. Sie fragt sich noch immer, wie sie die Situation so komplett missdeuten konnte. Aber hat sie das? Vielleicht sollte man sich eher fragen, was im Kopf des Schweigenden in der Zwischenzeit explodiert ist, dass er nicht einmal mehr eine angemessene (oder auch holprige) Verabschiedung hinbekam?

Dass jemand alle zwei Wochen oder so für einen halben Tag offenbar ganz verrückt nach mir ist, aber in der Zwischenzeit scheinbar so gar kein Bedürfnis verspürt, sich mit mir zu befassen, ist mir allerdings im Prinzip auch unverständlich. Und es stört mich natürlich. Und ewig wird das Ganze so dann auch nicht Bestand haben. (Darum würde ich mich weiß Göttin auch nicht zur Geliebten eignen.) Er hat zumindest versucht, es zu erklären, als ich mich am Anfang unserer Geschichte beklagte: Er sagte, ich sei unentspannt. Und er wolle die Spannung erhalten (?!?)...AAALSO, während ich mir ziemlich sicher bin, dass ihm an dieser Argumentation bis heute nichts Eigenartiges auffallen würde, muss ich doch zugeben, dass er zumindest teilweise recht hat. Ich bin tatsächlich nicht sonderlich entspannt, wenn ich jemanden dringend will. Und ich halte das - ja hört nur und staunt - für absolut normal und regelrecht wünschenswert. (Und ich freue mich übrigens auch wie blöde, von jemandem zu hören, den ich ihn dringend will.) Nicht dass Sprachlosigkeit in jedem Fall bedeutet, dass die Betroffenen nicht in der Lage wären, aus dem Stand ausladende Vorlesungen zu halten und einem im Restaurant oder im Bett die Welt zu erklären. Aber sie haben oft keine Fragen. Und sie beantworten auch ungern welche. Sprachlosigkeit in diesem Sinne ist die Verweigerung von tatsächlichem Austausch. Manchmal gekoppelt an den Anspruch, der/die Angeschwiegene möge bitteschön ein wenig besser im Gedankenlesen werden. Denn dafür braucht man kein Telefon. Und es spart Zeit.

So manch einer will also die Spannung erhalten, indem er schweigt...Nun, in dem einen oder anderen Fall mag es unter Umständen grundsätzlich die bessere Strategie sein, die Klappe zu halten, um überhaupt irgendetwas und nicht zuletzt den Schein (aufrecht) zu erhalten. Dummerweise sind es meiner Erfahrung nach jedoch gerade oft nicht die, von denen man sich wünscht, sie würden verstummen, die es dann auch tun.

Aber auch sonst ist das alles natürlich nur eine Frage der Art von Spannung, die erzeugt werden soll. Nicht ohne Grund spricht man von "Schweigefolter". Und jedes Kind weiß, dass es schmerzhafter ist, ignoriert zu werden, als sich anschreien zu lassen. Schweigen mag gelegentlich ein Ausdruck von Hilflosigkeit oder zwar ärgerlicher, im Kern jedoch unschuldiger Gedankenlosigkeit sein. Aber viel wahrscheinlicher ist es zumeist eine (zumindest unbewusst eingesetzte) Machtgeste und eine autoritäre Disziplinierungsmaßnahme. Wer schweigt, bestraft und weist in Schranken. Wer schweigt, kontrolliert, aber konserviert die Situation auch wie einen toten Schmetterling, indem er sie einfriert und eine Klärung/Befreiung unmöglich macht. Schweigen ist eine Waffe. Warum es eine Frau nach einem fraglos überkuscheligen Wochenende womöglich "verdient", wie ein ungezogenes Kind bestraft und weggestoßen zu werden, bzw. warum Mann sich urplötzlich mit Waffengewalt gegen sie verteidigen muss, ist vermutlich mehr eine gender-philosophische Frage als alles andere. Warum jemand andere Menschen allein dafür bestraft, dass sie ihn gern haben, ist wiederum eine Frage für die nächste Therapiesitzung...

Ich jedenfalls will quasseln und mich gegebenenfalls auch gern ein wenig herumstreiten. Ich will TEXT. (Zur Not nehme ich auch Symbole.) Und ich will einen beinharten, unerschrockenen Kerl, den ich jederzeit anrufen (weil ich weiß, dass er sich im Prinzip freut und dadurch nicht emotional überfordert ist) und fragen kann: "Und wie war dein Tag?" Und der dann sagt: "Du glaubst nicht, was jetzt schon wieder passiert ist!" Ja, DAS ist in der Tat der Grad an Intimität, den ich langfristig wieder anstrebe. Offenbar in diesen Zeiten eine ziemlich große Bestellung - ich weiß. ; )

Ich gehe jetzt wieder zurück in die Sommerpause. Mal sehen, was ich da noch so finde... ; )


NH