Mittwoch, 2. Oktober 2013

Scherenschnitt

 

Das hier sind meine Umrisse. Ich lag auf dem Papier, und meine Therapeutin hat sie nachgezeichnet. Dann wurden sie ausgeschnitten, ein paar Einzelteile, die Arme und ein Stück der Hüfte, um genau zu sein, wurden angeklebt, weil sie über die Unterlage hinausragten und ihre eigenen Bögen benötigten. Natürlich diente die Übung unter anderem der Erkenntnisgewinnung über die tatsächliche (ungefähre) Form des eigenen Körpers. Wie sieht das aus, und kann man damit leben? Und wenn das mit den Grenzen nach außen dann angemessen begutachtet worden war, sollte das Innere ausgefüllt werden. Mit einer spontanen Darstellung der eigenen Gefühlslage.

Zu diesem Zweck nahm ich die Pappkameradin mit an meine Farbtöpfe - und hätte sie am liebsten mit Farbkugeln beschossen, denn ich fühlte ganz urplötzlich veritable Verachtung für sie. Statt dessen schleuderte ich sie jedoch nur noch halb aufgerollt auf den Boden des Schlafzimmers, als ich mit ihr nach Hause kam, um dann dort ungefähr eine Woche demonstrativ auf ihr herumzutrampeln, bevor es mir gut genug ging, um sie zu glätten und zu bemalen. Der Abend an dem das geschah, war einer, an dem ich offenbar ausreichend freundlich zu mir sein und mich über meinen Körper freuen konnte. Wobei ich selbst noch immer oder schon wieder wirklich erschrocken bin, was für eine riesige Ambivalenz und tiefen Zwiespalt diese Übung trotz aller Bemühung um Selbstakzeptanz ans Licht befördert hat.

Die Mitte scheint für den dicken Durchbruch und die damit verbundene Lebensfreude zu stehen, aber die roten Umrisse - das sind handfeste Spannungen. Ich habe sie so eingezeichnet, wie ich sie fühle, und am Ende stellt sich nun also heraus, dass sie doch nach wie vor beinahe die ganze Hülle betreffen. Das ist keine Haut, in der man sich wohlfühlt und wohnt. Das ist hektisch und schmerzhaft. Und es ist obendrein unklar, ob das Innere oder die Außenwelt blockiert wird. Und weil alles so unklar war, gab's auch nur ein Auge. Mir fehlt doch anscheinend noch immer der Durchblick. Dem Kater vermutlich nicht. Der versuchte in weiser Voraussicht und mit allen Tricks, die Gestaltung der Puppe gleich ganz zu verhindern. Nicht dass sie mir jetzt nicht gefällt. Nicht, dass ich nicht etwas über den Stand meiner Körperakzeptanz lernen wollte. Aber weiß war sie einfach viel weniger stressig, wenn offenbar aber auch schon aufregend genug.......Es ist halt doch noch ein ziemlich weiter Weg. ; )

NH





© Nicola Hinz 2013