Donnerstag, 14. November 2013

The Shoe Must Go On

Ich räume weiter aus. In den letzten Tagen abermals meinen Kleiderschrank. Nun musste alles gehen, was aktuell wirklich nicht passt. Ich habe jedes T-shirt, bei dem Zweifel bestanden, anprobiert. Was nicht über den Busen ging, flog raus. Die Maßnahme war notwendig, um auch die letzten betonfüßigen, womöglich in dunkler Tiefe verschütteten Diät-Pläne und Dünnsein-Phantasien aus ihren Ecken zu fegen und zur Strecke zu bringen. Meine Zukunft mag alles Mögliche sein, rosig oder grottig, aber dünn ist sie auf jeden Fall nicht. Denn während intuitives Essen zwar nicht zur Gewichtszunahme geführt hat, nehme ich damit auch nicht mehr ab. Der Diätterror hat ein veritables Ende gefunden. Die letzten wabernden, hinterhältigen Vorstellungen, womöglich doch noch eine "fitte 44" zu werden, allerdings auch.

Und dann waren auch noch einmal die Schuhe dran.

Was ich an meinem Gewicht weiterhin nicht mag, sind die platten, geschwollenen Füße, die es mit sich bringt - besonders im Sommer. Aber auch die wären mittlerweile nicht mehr gar so eine Kümmerniss, wenn es nicht um meine Leidenschaft für unbequeme Absätze ginge. Das ist die Fitness, um die es mir wirklich geht: Auf 15 cm hohen Absätzen schnell genug über eine befahrene Straße zu kommen.

Ein wichtiger erster Schritt, auch im Sinne von Selbstakzeptanz, war, mich dazu durchzuringen, Schuhe endlich in gemütlichen Größen zu kaufen, und nicht in der, die ich halt irgendwann mal hatte. Ich hatte mal Größe 38. Heutzutage kaufe ich am liebsten 40, oder zur Sicherheit manchmal sogar 41. Zwanzig Paar Schuhe mussten sodann gestern gehen, weil sie irgendwo drückten. Ich lasse mich nicht mehr unter Druck setzen. Schon gar nicht von einem dahergelaufenen Pump.

Um nach der bodenlosen Handtasche gleich noch ein weibliches Klischee zu bedienen: Jetzt besitze ich nur noch 87 Paar. ; ) Bei vier davon handelt es sich um Gummistiefel. Zwei Paar sind Turnschuhe. 36  haben einen Absatz über 9 cm. Fast genauso viele sind Ballerinas/"Flatties". Nicht mitgerechnet habe ich die vier Paar von meiner Mutter, die ich aufgehoben habe.

Lebenslauf 

Wie der Inhalt einer Tasche, erzählen auch Schuhsammlungen mitunter mehr oder weniger komplexe Geschichten über die Kuratorin, die sie zusammengetragen hat. Nicht umsonst gilt der Rat, erst einmal eine substanzielle Strecke in den Schuhen eines anderen zu gehen*, bevor man sich ein Urteil über ihn und seine Situation erlaubt. Meine Schuhe haben immer viel darüber erzählt, wer ich gerne gewesen wäre. Sie waren, wie meine Kleider, nur allzu oft Zukunfts- oder Belohnungsschuhe und in der trüben, dicken Gegenwart ohne Nutzen. So verrückt es klingt, aber bis vor nicht allzu langer Zeit wäre es mir beim Leben der Katze nicht in den Sinn gekommen, einfach High Heels in 41 zu kaufen. Für JETZT. Stattdessen war ich ja bekanntlich die meiste Zeit wie Aschenputtels Stiefschwester damit befasst, mir die Hacke abzuschneiden, um endlich PASSEND zu sein. Eine treffendere Metapher für Schlank- und Schönheitswahn, die fast zwangsläufig in Selbstverstümmelung münden, gibt es wohl kaum. Dass das nun jedoch anders ist und jeder Schuh hier auch endlich passt, kommt mir vor, wie ein Wunder.


*Ist außerdem der Name einer äußerst bemerkenswerten Gruppe von Aktivisten: Walk a mile in her shoes.

Meine alten Laufschuhe, in denen ich durch Los Angeles gerannt bin - auf der Flucht vor meinem eigenen Hinterteil. So war und ist es noch immer: was in Kuddewörde ein normaler Po ist, hat dort gefühlsmäßig die Größe eines Billboards. Ein Umstand, der noch immer maßgeblich weltweit dafür sorgt, dass Frauen sich im eigenen Körper fühlen, wie im falschen Film.


Letzter Neuzugang und Schnäppchen: 14,- statt 80,- Euro.


Oh, dem golden slippers! Angeblich gemacht für goldene Straßen... ; )


Warum meine Mutter nie nach China gereist ist, obwohl sie es immer wollte, weiß ich nicht. Aber offenbar gibt es viele Gründe, sein Leben aufzuschieben. In jedem Fall ist es eine Art Selbstbestrafung. Und führt buchstäblich ins Nichts. Ich habe nach ihrem Tod ihre Schuhe genommen - und bin damit über die Chinesische Mauer gelaufen. Es musste sein.


True Vintage: Schuhe von meiner Mutter aus den 70ern.


Geschenkte Schuhe. Angeblich rennt der Beschenkte ja damit davon. In diesem Fall nicht. Die Schuhe sind ungetragen. Und gut 15 Jahre alt.
 

Schuhe für ein Date, das nicht stattfand. Außerdem hat Schneewittchen genau die gleichen.

 
Schuhe in Startposition.


Schuh-Porn: Der längste Absatz im Schrank.


"Motivationsschuhe" anstelle eines Motivationskleides. Aus den Anfangszeiten des Blogs. Die Frage der Verkäuferin war damals, ob die dünnen Absätzchen mein Gewicht wohl (er-)tragen können. Die Antwort kommt mit ca.7 Jahren Verspätung : Ja. Können sie.


Als Kindergartenkind und Vorschülerin zählte ich sie zu meinen wichtigsten Besitztümern: Schwarze Lackschuhe. Und auch heute finde ich, kann es nicht schaden, ein Paar vorrätig zu haben.


© Nicola Hinz 2013