Sonntag, 17. August 2014

Follow me around 6: Heul-doch-Haul



Mir ist eiskalt.

Darum all die neuen, kuscheligen Schals. Ich habe das drängende Bedürfnis, mich vor weiterer seelischer Auskühlung zu bewahren. Und mir fiel zunächst nichts Besseres ein, als einfache Symbolik in Form von wärmendem Stoff. Zwischendurch hätte man trauernde Wetterfühligkeit nicht vermutet. Rage vielleicht schon. Ich habe heute im Regen mit wildem Eifer meine Büsche beschnitten (ich habe noch die Blätter im BH, um es zu beweisen) und mich dann klitschnass und barfuß mit dem Computer an eine zugige Stelle gesetzt, so als wollte ich unbedingt krank werden. Tatsächlich dachte ich auch bei mir, was sonst immer Eltern sagen: "Du holst dir den Tod." Dann wurde mir klar, dass es sich nicht lohnt, krank zu werden, wenn da ohnehin keiner kommt und Suppe macht. Also, symbolische Suppe.

Ich gebe es zu: Ich will jemanden, der mir warme Suppe bringt. Der sagt, das ist doch alles nicht schlimm. Der sagt, lass mich das mal machen. Der sagt, das ist doch kein Problem. Und der recht hat. Und dann ist auch auf einmal alles gar kein Problem.

Wenn ich es jedoch ganz genau bedenke, hätte ich, lieber noch als Suppe, gern ein Feuer. Ja, das ist es: Ich will jemanden, der ein Feuer für mich macht, und mir Geflügelwürstchen und Auberginenscheiben auf den Grill wirft! Ich will jemanden, der sich sorgt und mich füttert. Mit Neuigkeiten, Erkenntnissen, Freude und Anwesenheit.

Das klingt nicht sehr emanzipiert. Ist es vermutlich auch nicht. Das Bemerkenswerte ist jedoch, dass einen als Frau ohnehin weder ausgeprägte Selbständigkeit noch eingestandene Bedürftigkeit für Männer besonders interessant zu machen scheinen. Es ist mitunter wohl eher doch angepasste Verfügbarkeit, die einen da so richtig nach vorn bringt. Aber weil ich dann eben doch so eine fürchterliche Zicke und Kampfemanze bin, hat natürlich genau die - im Gegensatz zu meiner Bedürftigkeit - ziemlich klar umrissene Grenzen.

Die Schals sind aber auch gut für Fatshion-Gehversuche. Das ist mir bei meiner letzten Bemühung , mich sichtbarer anzuziehen, klar geworden. Ein körperbetontes Kleid trägt sich für mich leichter, wenn ich einen Schal dabei habe. Nicht einmal um den Hals. Sondern einfach in der Hand oder gar in der Tasche.Wenn es ganz schlimm kommt, habe ich eine Schutzhülle dabei. Die Vorstellung hilft mir.

Samstagnacht LIVE

Ich brauche bekanntlich all die Hilfe, die ich kriegen kann. Und jetzt erst recht. Denn ich habe beschlossen, dass ich so bald an keinem Samstagabend mehr allein zu Hause hocken werde. Oder auf der Terrasse meiner bald achtzigjährigen Nachbarin. Eine Freundin sagte mir unlängst: "Man kann bei der Suche nach der Liebe halt nichts erzwingen. Entweder es passiert, oder es passiert nicht." Hat man je etwas Deprimierenderes gehört? ; ) Geduld ist nicht wirklich ein Programm auf meinem Rechner. Akzeptanz noch viel weniger. War es noch nie. Und nun erst recht nicht mehr, denn man wird bekanntlich nicht jünger. Und zumindest meiner Erfahrung nach gibt es in der Tat nichts Gutes, außer man tut es. Klar kann man was tun, und trotzdem oder gerade deshalb in der Hölle landen. Aber wie wahrscheinlich ist das? Ich rede ja immerhin auch nicht von "einfach machen". Ich rede von "machen und denken".

...Und weißt du eigentlich, was mich auch ärgert? Dass wir den Wein nie aufgemacht haben.

Ich werde ab jetzt samstags konsequent ausgehen. Mit männlicher Begleitung oder ohne. Abgesehen vom Internet werde ich mich auch in der Welt verschärft auffindbar machen. Ich werde buchstäblich barhoppen. Ich werde zu Ausstellungseröffnungen gehen.Vielleicht werde ich doch wieder Mitglied im Fitnessstudio. Vielleicht höre ich ganz auf zu essen und gehe stattdessen mal auf eine Single-Städtereise. Womöglich belege ich am Ende auch noch irgendwelche Wochenend-Yogakurse. Und ich gehe wieder zu Ü100-Partys. Ich werde die Männerjagd zum Projekt machen. Und, wie es so meine Art ist, zum semi-wissenschaftlichen Experiment. Was ich im letzten Jahr so unternommen habe, war nur Anlauf. Und ja, während ich das hier schreibe, steht mir schon vor Anstrengung der Schweiß auf der Stirn.

Ach, und übrigens: TheKissingBooth (Meine Kussbude) in der Kategorie "Heißer Flirt" bei LiveJasmin.com öffnet nächsten Dienstag zwischen 16 und 19 Uhr.

NH

Montag, 11. August 2014

Follow me around 4



Mir ist schlecht

Die englische "bucket list" (Eimerliste) ist ja eigentlich eine Aufstellung der Dinge, die man erledigen will, bevor man ins Gras beißt ("kicking the bucket"). Auf meiner stehen z.B. so Sachen, wie: "Mit Krokodilen schwimmen". Wenn meine Mutter und ich in der selben Situation erkennbar dasselbe unerträglich fanden, sagte fast immer eine von uns: "Reich mal den Eimer rüber." Als ich mich gestern durch den Supermarkt schleppte, dachte ich für einen Moment, ich bräuchte wirklich einen und hielt nach Sandspielzeug Ausschau.

Nahrung war immer der Feind. Und just in dem Augenblick, in dem ich mich entschieden hatte, meine Beziehung zum Essen endlich zu neutralisieren, und auch gerade ganz gute Fortschritte machte, wurde alles schon wieder ganz anders. Wenn ich in den vier Jahrzehnten meines Lebens zuvor schon eine prekäre Esserin war, dann bin ich nun auf meinem erhöhten Zuckerwert erst recht so verdammt  ins Schliddern geraten, dass ich mich selbst gedanklich und gefühlsmäßig nicht mehr wirklich einholen kann. Zumindest nicht zwischen den Regalen eines Lebensmittelgeschäftes.

Meine Eimerliste:

Bei dem Gedanken, irgendwann womöglich Insulin spritzen zu müssen, wird mir übel.
Bei dem Gedanken, für immer Medikamente nehmen zu müssen, wird mir übel.
Bei dem Gedanken an Schokolade und Pommes wird mir vor Angst übel.
Bei dem Gedanken an Essen überhaupt wird mir vor Angst übel.
Bei dem Gedanken, Schokolade, Bananen und Pommes nicht mehr essen zu dürfen, wird mir vor Wut übel.
Bei dem Gedanken, dass ich naturgemäß das, was ich nicht mehr essen darf, immer mehr wollen werde, wird mir vor Verzweiflung übel.
Beim Blick in die Fleischtheke wird mir übel. Beim Blick auf den Tiefkühlfisch auch.
Beim Gedanken daran, Fleisch und Fisch zu kochen, wird mir übel.
Beim Gedanken an dreckiges Geschirr und Töpfe wird mir übel.
Bei der Vorstellung, mich für den Rest meines Lebens ohne Kohlenhydrate zu ernähren, wird mir übel.
Beim Gedanken an Tofu wird mir auch übel.
Bei dem Gedanken an die Herausforderung, auf Speisekarten zukünftig etwas Passendes zu finden, wird mir erst recht übel.
Bei dem Gedanken an Berge aus grünem Gemüse wird mir übel.
Bei dem Gedanken an meine sich leerende, hängende Haut wird mir übel.
Bei dem Gedanken an meine Küche wird mir übel.
Bei dem Gedanken an all das symbolisch verkohlte Essen der letzten Monate wird mir übel.
Ich wünschte, ich könnte einfach aufhören zu essen. 
Ich wünschte, ich könnte mich intravenös ernähren.
Oder doch von Lichtenergie...sofern diese zuckerfrei ist.

Auf Anraten eines bodybuildenden Bekannten hatte ich mir unlängst einen Topf Magerquark besorgt. Das schien neutrale, friedliche, erlaubte Nahrung zu sein, die man nicht zubereiten muss. Allerdings enthält er offenbar doch noch mehr Kohlenhydrate, als bei einer ketogenen Diät erwünscht. Besonders abends. Milchzucker halt. Die Welt der Lebensmittel ist ein Minenfeld...

Obwohl ich schon glaube, dass sich das Chaos im Kopf irgendwann lichten wird - die Wut wird so leicht nicht verrauchen. Und so gibt es  im Augenblick schlicht kein Gewinnen. Wenigstens wird mir beim Gedanken daran, auf meinem Ergometer zu strampeln, nicht übel. Ich habe mir dafür frische Musik besorgt und die Trainingszeit auf 60 Minuten pro Tag erhöht.

Und weil ich jetzt immer weniger für Essen ausgebe, habe ich mir stattdessen endlich einmal eine anständige Aktentasche gekauft (siehe oben). Denn alles, was meine täglichen Unterlagen zuletzt über mehrere Wochen hinweg schleppen musste, hat vor Anstrengung irgendwann seine Henkel von sich geworfen. (Ja, Zara verkauft ganz hübsche Dinge. Deren Herstellung ist bekanntlich ethisch fragwürdig. Und zumindest die Taschen, die ich zuletzt dort gekauft habe, sind obendrein qualitativ ramschiger, als ihr gar nicht so geringer Preis vermuten lassen würde.) Nun habe ich eine in Rosa, grundsolide und mit zwei Jahren Garantie. Mit ihr werde ich mich wie wild in die Arbeit stürzen. Und mein großes Ziel ist es ja noch immer, das irgendwann auf hohen Absätzen und mit abgeschwollenen Füßen zu tun.

Zu irgendetwas muss der ganze Mist ja gut sein...

NH

Montag, 4. August 2014

Selbstbespiegelung (die eigene und die anderer)



Verdünnt 

Ich gehe ja nicht oft aus. Also "aus"-aus. Also so, dass man sich vorher länger überlegt, was man anzieht. Und dabei habe ich viele, viele Kleider. Also, "Kleider"-Kleider. Zum ersten mal habe ich einen Schrank voller partytauglicher Kleider, die ich aktuell auch (noch) alle anziehen könnte. Schließlich war das ein entscheidender Teil meiner dicken Selbstakzeptanzreise. Die meiste Zeit meines Lebens habe ich ja keine Kleider getragen. Denn da guckte halt immer was raus. Und Arme und Beine zu verhüllen, war ein festgeschriebener Teil meiner Garderobenreligion. Die Idee, gar Busen oder Taille zu zeigen, war weiter von mir entfernt als Jupiter. Und ich tue mich noch immer schwer. Ich bin nach wie vor nicht wirklich mutig genug für das gelbe Kleid. Das Lieblingskleid von Manon Baptiste besitze ich übrigens inzwischen auch in Rot und Schwarz. Es ließe sich zum Glück mit dem einfachen Versetzen von zwei Knöpfen etwas verkleinern. Das war ja allerdings auch immer einer der Gründe, es nicht anzuziehen. Man war stets auf zwei dünne Lochschlaufen angewiesen und realistischerweise nie weit davon entfernt, der Welt den Bauch und den Schlüpper gleich mit entgegenzustrecken.

Aber jetzt müsste ich  die Kleider in diesen Größen endlich anziehen, bevor sie mir nicht mehr passen. Denn ich werde weiter abnehmen müssen, um meinen Zuckerwert ohne Medikamente in den Griff zu kriegen. Und am Ende könnte ich mich in der Situation befinden, wieder mal einen Schrank voller ungetragener Kleider zu haben, die mir nicht passen. Nur diesmal in umgekehrter Konstellation. Was aber genauso bescheuert wäre. Denn wenn ich mich nicht jetzt im Hinblick auf Fatshion endlich mal auch im Alltag angemessen ausrüste, bringe ich mich mit einem Körper, der irgendwann weniger (auffällig) sein wird, vielleicht gar um die volle Selbstakzeptanzerfahrung.

Andererseits: Wenn ich nun wirklich den nötigen Schwung zur kühneren Selbstdarstellung entwickle, muss ich mich gleichzeitig  aber womöglich auch fragen, ob das mit dem bereits verringerten Körperumfang zu tun hat. Das wäre aus Sicht eines Selbsterfahrungs- und Selbstakzeptanzprojektes jetzt ehrlich nicht besonders gut, wenn der plötzliche Mut zum gelben Kleid sich tatsächlich aus ausgerechnet dem speist, aus dem heraus das sich das Selbstbewusstsein vorher auch schon immer und fast ausschließlich definiert hat - aus dem Verlust von Körpermasse. Und nicht so sehr aus vermehrter Freundlichkeit dem eigenen, runden Spiegelbild gegenüber.Vielleicht sieht das eine oder andere Kleid jetzt schon anders an mir aus, als beim Kauf (auf jeden Fall sitzen sie lockerer), und da schleicht sich möglicherweise unterbewusst der alte, fiese Wertungskatalog hinter die Kulissen und man sagt sich: Och, das geht ja jetzt schon besser.







Zur Auswahl des Ausgehkleides habe ich den Spiegel aus dem Bad ins Wohnzimmer gestellt. Ja, ich bin eine fürchterlich schlechte Modebloggerin. Da kommt der fehlende Kleidermut auch ganz deutlich ins Spiel. Und ja, der Spiegel war ungeputzt - das hat mich bisher nicht gestört. Ich benutze ihn halt noch immer nicht besonders oft. Was ich mir bei dem tantigen weiß-gelben Teilchen gedacht habe, weiß ich wirklich nicht mehr. Das schwarze, kurze Kleid ist aus London von M&S und bislang ungetragen, obwohl es eigentlich das Zeug zum Lieblingsstück hätte. Mit Schuhen sieht natürlich ohnehin immer alles anders aus. Geworden ist es dann letztendlich wenig überraschend das schwarze, lange Jerseykleid mit seitlicher Raffung. Wenigstens zeigte es ordentlich Dekolleté. In das mir dann auch gleich fast einer hineingefallen wäre, den ich da ganz bestimmt nicht hätte haben wollen...

Fußnote: Aufgeregte Männer

Ich weiß auch nicht, was es genau ist, aber offenbar hängt schon beim Betreten einer Party regelmäßig über meinem Kopf der Hinweis: Natural Born Bitch. Das hält frau viele vom Leib. Eine ganz bestimmte Sorte Mann nicht - die, die sich beim Busengucken gern ein wenig auf ZEIT-Leser-Niveau streiten will, weil sie eigentlich Angst vor Busen und insbesondere vor den daran befestigten Frauen hat. Wenn sie dann jedoch bei einem verbalen Gerangel mit der Bitch die Oberhand behalten, verringert das kurzfristig ihre allgemeine Verunsicherung. Was ihnen in ihren 50 Jahren auf diesem Erdball jedoch noch immer nicht klar geworden ist, ist die Tatsache, dass Mann Leuten, denen man eigentlich gern an die Wäsche will, vorher keine sinnlosen, ausgeleierten Debatten aufdrängen sollte. Die zwei Themen, an denen sich solche Hobby-Maskulinisten am liebsten und zumeist ohne Veranlassung und Einleitung (denn ICH habe das Thema ganz bestimmt nicht angeschnitten) abarbeiten, sind, frau höre und staune, die Frauenquote (warum sie NATÜRLICH Quatsch ist) und feministische Linguistik (warum sprachliche Varianten wie "LeserInnen" NATÜRLICH Quatsch sind). Dabei gibt es bemerkenswerte Stürme in den Weingläsern, wenn sie von den ungefragten Rednern mit wilden Gesten durch die Luft gerissen werden, die, genauso wie die Stimme des sich in Rage palavernden Mannes, an diesem Punkt leicht ein wenig dünn zu werden droht. Was müssen diese Typen sich angefasst, ja geradezu betatscht fühlen, von eben jener Welt, in der sie als weiße, privilegierte Männer leben müssen...

PS: Tote Frauen 

NATÜRLICH bin ich für eine Frauenquote in den Führungsetagen. NATÜRLICH war und ist die Arbeit der Sprachwissenschaftlerin Louise F. Pusch (z.B. Das Deutsche als Männersprache, 1984) prägend für meine Selbstpositionierung in der Welt. Denn ich weiß sehr wohl, dass die Sprache, die ich einerseits so sehr liebe, mich andererseits eben KEINESWEGS automatisch mitmeint, wenn sie weibliche Formen aus "Gründen der Vereinfachung" weglässt. Ich lebe halt damit und mit dem Bewusstsein, dass es vermutlich total anders für das Selbstverständnis ist, in einer Umgebung aufzuwachsen und zu existieren, in der Mann von der eigenen Muttersprache ganz offensichtlich immer und zuallererst gemeint ist. In meinem eigenen Umgang mit Sprache habe ich mich entschieden, sie nicht durchgängig konsequent umzuformen. Ich mache das einfach so, wie ich lustig bin. Das heißt nicht, dass ich da nicht trotzdem für wirklich gerechte Ansätze und eine entsprechende Erneuerung der Sprache wäre.

Aber das alles sage ich dem doch nicht. 

Ich trage in meinem Erbe als Frau die Bilder von anderen Frauen wie Emily Davison und Olympe de Gouges bei mir. Und übrigens auch das Bild der zwei Mädchen, die im vergangenen Mai im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh von einer Gruppe von Tätern vergewaltigt und dann an einem Baum erhängt wurden...

Ich diskutiere mit so einem nicht über Frauenrechte. Wie käme ich dazu? Ich vertue meine Zeit ungern mit Blödmännern. Das Einzige, was wohl zu sagen bliebe: "Wow, bei so viel Frusttoben hat es dir aber auch schon lange KEINER mehr so richtig besorgt, oder?"

...

Ich sagte ja, ich bin eine echt schlechte Modebloggerin.

NH