Dienstag, 5. Mai 2015

Wie man so richtig schlechten Sex hat

"Some people have real problems" (Sia)

Hin und wieder betreibe ich ja bekanntlich Feindbeobachtung - und kaufe mir dazu eine herkömmliche Frauenzeitschrift. Nicht zu oft, denn das ist schlecht für meinen Blutdruck und die allgemeine Stimmung für den Rest des Jahres. Manchmal sind die Bösartigkeit und Blödheit, die einer aus den Seiten entgegen schwappen eben einfach so haarsträubend, dass man vorübergehend so unsagbar sauer auf das eigene Geschlecht wird, dass man nicht übel Lust hätte, die eine oder andere Redakteurin während ihres fettfreien Lunches vom Nachbartisch mit vollen Windeln und Büchern von Birigit Kelle zu bewerfen.

Die Tipps für ein beschisseneres Frauen(sex)leben kommen heute aus der Mai-Ausgabe der Shape. Zu finden ist der fragliche Text unter der Überschrift "Heißer aussehen beim Sex" auf Seite 108 - eigentümlicherweise in der Kategorie "Psychologie". Das ist meiner Auffassung nach nicht sehr passend, aber vermutlich war der Kram halt schlecht einzuordnen - eine (offensichtliche) Rubrik für "Selbsthass" gibt es ja nicht.

Mir ist natürlich klar, dass solche Magazine davon leben, dass wir unsere Körper nicht leiden können. Mich überrascht nicht, dass sie im Hinblick auf das Überleben ihres Blattes kein echtes Interesse daran haben, daran wirklich etwas zu ändern. Was mich überrascht, ist nicht das, was sie nicht für Frauen tun. Aber was mich mitunter (fast) sprachlos macht, ist das, was sie tun. Gegen Frauen. Und damit gegen sich selbst.

Christy Forers (das ist die Verfasserin des Artikels) "schlimmster Albtraum" ist, dass sie "eines Tages Sex mit einem Mann (hat), der vergessen hat, seine GoPro-Kamera auszuschalten." Nicht, weil sie etwa Angst davor hat, der Mann könnte sein Werk womöglich im Internet in Form von Rache-Porn veröffentlichen, oder sowas. Nein, sie befürchtet vielmehr, dass sich unwiderlegbar herausstellen könnte, dass sie beim Sex scheiße aussieht. Ihre sorgenvolle Frage, die aber doch uns alle regelmäßig umtreibt, ist: "Ob mein Körper immer so sexy und durchtrainiert wirkt, wie er wirklich ist?"

GÄHN.

Dazu würde ich zunächst einmal gern dieses einwerfen:

1. Meiner ja!*

2. Es ist immer gut, wenn der/die mit der Kamera auch ein wenig Talent im Umgang mit eben jener hat.

3. Ich würde tatsächlich jeder Frau, die an ihrer körperlichen Selbstakzeptanz arbeitet, empfehlen, sich auch mal beim Sex zu filmen. Meiner Erfahrung nach, kann das die selbe heilende Wirkung haben, wie Selbstportraits und Nacktbilder. Man kann besser akzeptieren, was man auch kennt. Und wie soll man sich der Welt endlich in voller Größe zumuten, wenn man sich vor sich selbst immer weiter versteckt? Das eigene Bild zunächst auszuhalten und sich dann daran zu gewöhnen und es anzunehmen, ist in meinen Augen noch immer einer der ersten und wichtigsten Schritte.

Bei der Aufzeichnung von Sex kommt hinzu, dass man sich währenddessen in einer Situation mit jemandem befindet, der den Körper, den man selbst gerade hat, offenbar aufregend und attraktiv genug findet, um...mit ihm Sex zu haben! Während man also vielleicht vom eigenen Anblick zunächst nicht begeistert oder gar erschrocken ist, muss man zumindest zur Kenntnis nehmen, dass das Gegenüber das vermutlich anders gesehen hat. Dass das also möglich ist. Sich dieses klar zu machen, hilft. Sogar ungemein.

*Ja, mein Körper wirkt im Film immer genauso sexy und untrainiert, wie er wirklich ist. Ich brauche also keinen der "5 kleinen Tricks", um mich beim Sex "super in Szene zu setzen". Außer der verunsicherten Christy selbst braucht die ohnehin keine andere Frau mehr, als ein Loch im Kopf.

Schockstarre

1. Dicke Hintern
Hier rät die Christy Frauen "mit etwas mehr Po" zur Seitenlage, denn die ist "schmeichelhafter, weil sie Hüftknochen und Taille betont". Wer seinem Partner unbedingt sein mächtiges Hinterteil entgegenstrecken will, der sollte wenigstens einen "langen Rücken" machen, um insgesamt "schmaler zu wirken".

2. Doppelkinn
Kissen unter dem Kopf sind bei Rückenlage verboten.

3. Keine Kissenschlacht
Für einen straffer wirkenden Busen, muss man ein Hohlkreuz machen (beim Sitzen auf ihm oder in der Rückenlage) und dieses dann bitte auch bis zum Ende durchhalten, damit nicht womöglich doch noch irgendein schwer erziehbares Fettgewebe anfängt, in bewegten Zeiten wild herumzuschlackern. Für scheinbar mehr Busen bitte "gerade liegen bleiben". Ich frage mich, ob man hier nicht realistischerweise grundsätzlich "bewegungslos" einfügen müsste, um den gewünschten Effekt zu erhalten.

4. Sitz gerade!
Wer will, dass der Bauch flacher wirkt, muss sich liegend oder sitzend grundsätzlich "gerade halten". Wem das auf oder unter dem Partner nicht gelingt, hat der Christy zufolge gute Chancen auf eine ganz besondere Auszeichnung: "Plauze des Jahres".

5. Posen
Wer hat der hat, und darf dann nicht nur, sondern soll sogar mit dem Becken kreisen, "denn gerade bei trainierten Frauen zeichnen sich (auf diese Weise) wunderschöne Muskeln (am Bauch) ab".

Wahrheitsfindung

Natürlich geht es in der Shape ausschließlich um Frau/Mann-Sex. Umso mehr müsste man mal einen Mann fragen, was er eigentlich so von Hohlkreuzen und verschämter Seitenlage im Bett hält. (Wo ist denn eigentlich gerade mal der Theo?) Nicht dass ich womöglich irgendjemanden dazu ermutigen möchte, sich primär an männlichen Präferenzen zu orientieren, wenn es um die eigene Sexualität und Selbstakzeptanz geht, aber wenn uns die giftigen Schwestern aus den Redaktionen weismachen wollen, dass Männer fraglos und mehrheitlich ganz besonders auf stocksteife Frauen mit ordentlichem Muskelspiel am Bauch abfahren, lohnt sich hier womöglich doch mal wieder eine praktische Überprüfung dieser Behauptungen. Könnte ja sein, dass das am Ende gar nicht stimmt, und dass es aus seiner Perspektive ebenfalls komplett umsonst wäre, auch nur den Versuch zu unternehmen, aus ästhetischen Gründen kerzengerade auf seinem Schwanz sitzen zu bleiben.

Obwohl die Christy in ihrem Artikel wirklich alles gegeben hat, damit ihre Leserinnen in Zukunft wieder das Licht beim Sex ausmachen, stimmt der folgende Satz selbstverständlich: "Wer sich selbst gut findet, hat mehr Spaß an Sex." Das ist übrigens eine Bildunterschrift und dürfte den meisten Leserinnen entgehen. Sie ist ja auch nicht gut gemeint. Ich glaube ja außerdem, wer mit dem richtigen Partner Sex hat, hat mehr Spaß an Sex. Richtige Partner sind die, bei denen man sich schön fühlt. Ganz besonders dann, wenn es wackelt und bebt.


NH