Freitag, 25. Dezember 2015

Follow me around 37: In der Hitze der Weihnacht



Zur Geisterstunde bin ich bei elf Grad Außentemperatur in der heiligen Nacht zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder zum Fitness-Studio gefahren. Das beweist zwei Dinge: Ich bin sehr viel alleinstehender als alleinstehend. Und außerdem kann ich mich sehr wohl zu Vielem durchringen, wenn man mir nur die Straßen freiräumt und ich davon ausgehen kann, dass mir auch am Zielort keiner dumm im Weg rumsteht. 

Bei McFit an der Eiffestraße war nicht einmal mehr jemand am Empfang, obwohl es zwischen ein und fünf Uhr eigentlich zumindest eine Aufsicht geben soll. Dafür saß im Eingangsbereich allerdings noch ein fröhlicher Herr, der eine halbe Stunde lang einsam in sein Mobiltelefon schrie - wahrscheinlich Verwandtschaft, die am anderen Ende der Welt wohnt. Da beginnen Menschen mitunter ja auch heute noch instinktiv, am Telefon zu brüllen.

Im Umkleideraum für Damen traf ich auf eine einzige Geschlechtsgenossin, deren Spur sich dann aber verlor. Weil ich ja noch nie zuvor in den Räumen gewesen war, sah ich mich ein wenig um. Erstaunlicherweise hatte alles einen eigenartig subtil-muffigen Geruch - so wie ein altes Schulgebäude.

Im Raum für schwere Jungs, der neben den Umkleiden im oberen Stockwerk liegt, traf ich auf eine Hand voll von eben jenen, stellte dann aber fest, dass ich vermutlich doch  nur selten die Gelegenheit haben werde, mich dort aufzuhalten, weil sich die Abteilung mit den klassischen Mädchengeräten auf der unteren Ebene erstreckt, wo sich übrigens auch der Hantelbereich für Frauen befindet. Blickgeschützt und abgeschirmt (!?). Dort unten herrschte fast durchgängig gähnende Leere. Und als ich um halb zwei Uhr mit echten Schwierigkeiten kämpfte, mich unter den vielen freien Laufbändern für eins zu entscheiden (mit Blick auf diesen oder jenen Gang, oder den Bildschirm?), hatte ich auch schon den ganzen Laden für mich allein. 

Das Laufband ist tatsächlich meine neue Freundin. Mit der richtigen Musik und der Vorstellung, dass ich mich auf einem unendlichen Laufsteg befinde, war es erstaunlich, wie man von innerhalb 30 Minuten einen Rhythmus finden und sich in der Geschwindigkeit schon ganz schön steigern kann.

Zuvor hatte sich einer der Muskelmänner für einige Minuten in meine Gegend verwirrt. Er hatte reich bebilderte Arme und trug eine putzige Wollmütze. Wenn jedoch alle Exemplare seiner Peer-Group ähnliche Geräusche beim Bewältigen von Gewichten machen, bin ich ganz froh, dass sie eine Treppe höher unter sich bleiben. Das laute Stöhnen war ungezügelt und schwer einzuordnen. Beim ersten Mal zuckte ich zusammen und wusste nicht recht was zu tun sei. Oder wo ich hinsehen soll.Brauchte er Hilfe? Hatte er Schmerzen? War es Angabe? Dann stellte ich meine Musik im Kopfhörer lauter, um ihn zu übertönen, während ich meine Oberschenkel gegen den fitzeligen Widerstand von 25 kg zusammendrückte. Ich habe mittlerweile insgeheim ziemlich hochfliegende Hoffnungen für meine Oberschenkel.Vermutlich komplett ungerechtfertigterweise. Außerdem lief auf dem hauseigenen Kanal genau vor meiner Nase dieses Video - sieht schon elegant aus, so viel Körperkontrolle und -kraft.

Heute tut alles weh, als hätte man es zum ersten Mal benutzt. Was im Prinzip vermutlich auch so gut wie zutreffend ist. 


Allein, allein auf dem nächtlichen Parkdeck.


NH