Sonntag, 11. Dezember 2016

Follow me around 53: 45


Selfie, 29.11.2016

Schneckenpost

Die Weihnachtskarten aus meiner kleinen Schneckenpostaktion sind nun alle geschrieben und verschickt. Die Resonanz war erheblich größer, als ich erwartet hatte. Das hat mich natürlich sehr gefreut, aber ich hatte auch Sorge, dass mir irgendetwas logistisch entgleitet (und nicht nur am Ende meine Handschrift), bzw. dass ich etwas übersehe oder verwechsle. Wenn jemand von euch, die mir ihre Adresse haben zukommen lassen, bis Anfang kommender Woche aus irgendeinem Grunde keine Karte erhalten hat, dann sagt bitte einfach Bescheid - noch ist ja Zeit. : ) Ach, und an die, die mir mitteilten, ich solle sie bitte wissen lassen, ob ich ihre Adresse haben möchte, um ihnen dann eine Karte schicken zu können: Nö, will ich nicht. What the hell, ladies?!

Für die lieben Antworten, von denen ich auch bereits einige bekommen habe, möchte ich mich hier bereits schon einmal ganz herzlich bedanken. (Das tue ich auch noch persönlich, aber das wird noch ein wenig dauern.) Das gilt auch für eure vielen freundlichen und ermunternden Nachrichten, die ihr zusammen mit euren Adressen geschickt habt. Ich bin auch deshalb ausgesprochen fröhlich darüber, dass ich die Idee mit den Karten hatte, weil ich plötzlich von so vielen "stillen Mitleserinnen" gehört habe. Das war ein wirklich schönes Geburtstagsgeschenk. Und bewegend war es auch.Dafür noch einmal vielen, vielen Dank!

Gute Fragen

Und schwupp, ist es schon wieder Zeit für den alljährlichen Fragebogen. Seit 2011 fülle ich ihn nun aus - immer mit kleinen Abwandlungen. Die vorangegangenen Ergebnisse sind hier zu finden.

1. Auf einer Skala von 1 bis 10, wie war Dein Jahr? 4. 

2. Zugenommen oder abgenommen? Abgenommen. 

3. Haare länger oder kürzer? Gleich. Und auf dem Weg zurück zu Mausbraun.

4. Mehr Geld oder weniger? Weniger.

5. Mehr Blogleserinnen, oder weniger? Mehr.

6. Was war das beste Buch, das du 2016 gelesen hast? The Sound of a Wild Snail  eating von Elizabeth Tova Bailey.

7. Dieses Jahr etwas gewonnen und wenn, was? Nichts und wieder nichts.

8. Mehr bewegt oder weniger? Weniger. Schockstarre sozusagen.

9. Die teuerste Anschaffung: Ein Notebook, weil das alte unerwartet den letzten Schnaufer getan hat. 

10. Der beste Film, den du 2016 gesehen hast: Where to Invade Next? von Michael Moore.

11. Das schönste Geschenk: Vielleicht kommt es ja noch.

13. Die meiste Zeit wo verbracht? Alles wie zuvor. Schreibtisch, Auto, Bett. Und im Keller, um auszumisten.

14. Die größte Enttäuschung: Wo anfangen?

15. Die beste Investition: Ein Einhorn-Körnerkissen mit ziemlich gereiztem Gesichtsausdruck. Wir werden uns gut verstehen.


16. Die wichtigste Erkenntnis: Ich brauche einen Mann tatsächlich so dringend wie ein Fisch ein Fahrrad.

17. Was machst du zu Weihnachten? Noch immer Kartoffelsalat, Michel in der Suppenschüssel, selbstbestellte und von Amazon liebevoll verpackte Geschenke...wieder keine Reise.

18. Was wünschst du dir für das kommende Jahr? Mehr Geld. Weniger Kram. Mehr Klarsicht. Und die eiserne Härte einer Margaret Thatcher in eigener Sache.

19. Was ist dein wichtigstes Ziel für 2017: Urlaub. Irgendwie. Irgendwohin.

20. Und was jetzt? Jetzt bin ich offiziell Mittvierzigerin. Ich habe keine Ahnung, wie das passiert ist. Ich habe keinen blassen Schimmer, wo die Jahre geblieben sind, aber das bringt eine Orientierungslosigkeit und Verblüffung mit sich, die ich auch zu Themen des Blogs machen werde. Im kommenden Jahr werde ich mein Bloggerei wieder regelmäßiger betreiben. In den Kommentaren gab es außerdem eine Frage zum Stand des Thin Privilege Projects. Nachdem ich in letzter Zeit  immer mal wieder der irrigen Annahme aufgesessen bin, es könnte da in meiner Zukunft womöglich jemanden geben, der es bedauern würde, wenn ich meinen Körperumfang verringere, ist es nun doch mein erklärter Plan, damit weiterzumachen. Außerdem bin ich seit Beginn meiner letzten Ausräumphase bei 2140 Gegenständen angekommen. Und das ist auch längst noch nicht das Ende.

Gute Vorsätze

Ich saß in meinem Auto auf einem Parkplatz vor einem öffentlichen Schwimmbad in Hamburg-Volksdorf. Minuten zuvor war ich in eine Parklücke gefahren und kramte gerade meine sieben Sache zusammen, als einer von diesen panzerartigen Geländewagen mir gegenüber links ranfuhr und hielt. Ihm entstieg ein junger Mann mit wallendem Bart und ernster Miene. Er kam auf mich zu und klopfte an meine Beifahrerscheibe. Als ich sie verwundert herunterließ, erklärte er mir mit einer sonoren Mischung aus unterdrückter Anklage und Appell, dass ich den Parkplatz zu Unrecht besetzt hätte, denn am anderen Ende des Parkplatzes sei eine Familie mit drei kleinen Kinder in einem Kleinbus, die schon viel länger nach einem Parkplatz suchen würden als ich. Außerdem war er darüber unterrichtet, dass die Familie zum allem Überfluss auch noch in größter Eile war, weil sie nämlich auf dem Weg in den Kindergottesdienst war, der gleich beginnen sollte, und er war der Ansicht, dass ich ihnen angesichts all dieser Faktoren meinen Platz überlassen müsste.

Ich bin schließlich keine Frau mit Mann und Kindern und Kleinbus und christlichem Glauben. Und so habe ich in den Augen von  bestimmten Leuten gefälligst Platz zu machen für die, die wichtiger sind, weil sie so viel mehr gesellschaftlich anerkanntes Gedöns bei sich tragen. Ich war, bin und bleibe für immer die alleinstehende Frau im Kleinwagen. Was kann die schon Wichtiges vorhaben? Allerdings würde ich jede Wette machen, dass auch Ersatzjesus sich niemals dazu verstiegen hätte, einem männlichen Mittvierziger im, sagen wir mal Porsche Cayenne, die selbe Botschaft zu überbringen. "Frau im Kleinwagen" ist eben nicht nur ein symbolischer Status. Er wirkt sich auch immer wieder verdammt real aus.

Das Blöde ist, dass man trotz aller Antennen und Sirenen mitunter über die nassforsche Unverschämtheit der Welt so verblüfft ist, dass man es in den ersten Schrecksekunden auch nach jahrzehntelangem Training mitunter nicht schafft, sich gedanklich angemessen zurechtzurütteln und aufzubäumen. Ich war zunächst sprachlos. Und mich durchzuckte stattdessen tatsächlich ein schlechtes Gewissen. Hatte ich den Leuten womöglich ihren Platz gestohlen, ohne es zu bemerken? Ich starrte dem Bartträger erst unschlüssig hinterher, als er wieder zu seinem Auto stapfte...und dann gab ich meine Parklücke auf. Ich fuhr raus, und der Minibus fuhr rein.

Was ich hätte sagen sollen, ist natürlich dieses: "Gott ist tot. Und ich gehe jetzt schwimmen." Und das nächste Mal (und das kommt bestimmt) werde ich auch ganz genau das tun. So wahr mir die Göttin helfe.

NH

Samstag, 22. Oktober 2016

Zurück in die Zukunft



2009 Dinge weniger


Und noch immer arbeite ich daran, Gegenstände auszusortieren und dann angemessen abzugeben und abzuwickeln. Wobei sich in der Zwischenzeit in meinem Wohnzimmer ein regelrechter und buchstäblicher Entsorgungsstau gebildet hat - in Form von 18 aufgestapelten, schwarzen Klappkisten...eine Art temporäres Mahnmal, sich nie wieder so mit emotional überfrachteten Gegenständen und den eigenen Verarmungsängsten einzumauern.

Trotzdem oder gerade deswegen ist der Rest noch immer eine Mammutaufgabe, durch die ich mich Stück für Stück durchwurstle und versuche, angesichts der Tatsache, dass sich mitunter alles so schleppt, stoisch zu bleiben. Räumt man hier aus, entsteht am anderen Ende wieder Chaos. Räumt man da wieder ein, hat man keine Ahnung mehr, wie in den selben Ort vorher mal so viel Material gepasst hat, denn jetzt kriegt man es nicht mehr hin, alles zu verstauen.

Beim Ausmisten bin ich dann auf etwas gestoßen, das mir immer sehr viel Freude gemacht hat, aber wie es scheint, seine beste Zeit wirklich ein für allemal gesehen hat. Ich rede natürlich von... WEIHNACHTSKARTEN! Wovon denn wohl bitte sonst? : )

Ich habe noch eine ganze Kiste voll, aber keine Liste mit würdigen Empfängerinnen mehr. Denn die Zahl der Karten, die ich selbst erhalte, ist in den letzten Jahren so zusammengeschrumpft, dass ich sie an einer Hand abzählen kann. Also, ich rede hier von den echten Karten. Nicht von denen, die ich von Versicherungen und Autohändlern bekomme. Grüße auf Papier, so scheint es, sind einfach zu aufwendig und hoffnungslos veraltet. Meinen geliebten, englischen Weihnachtskartenhalter mit den Hasen, Igeln und Dachsen in wolligen Rollkragenpullovern kann ich mittlerweile nur noch angemessen füllen, indem ich mir die Karten zum Halten selbst besorge.

Weil mir also seit Jahren fast keiner mehr antwortet, verschicke ich auch seit einiger Zeit so gut wie keine Karten mehr. Das Blöde ist halt, dass ich trotzdem noch immer welche kaufe. Ich kann nicht anders. Ich weiß nicht, wie mir geschieht, aber plötzlich komme ich aus Geschäften und  bin ich doch wieder im Besitz eines weiteren englischen (die Briten können das halt besonders gut) Kartensets mit drei Motiven und zwölf Umschlägen zum halben Preis. Hübsches Papier und Weihnachten - das ist eine explosive Mischung, die mir die längste Zeit meinen Aufstieg in die überlegenen Höhen des Minimalismus vermasselt hat. Nun ja - zusammen mit den 2000 Büchern, den Schuhen, Handtaschen, bunten Brotdosen und Bettüberwürfen...

Zurück zum Punkt: Ich werde meine umfangreichen Bestände nun auflösen. Und zwar mit Hauruck und Tücke. Ich verschicke die Karten kurzerhand an meine Leserinnen - also die, die in der Adventszeit einen menschelnden Weihnachtsgruß von mir per Schneckenpost bekommen wollen - und mir zu diesem Zweck ihren Namen und ihre Adresse mitteilen. (Keine Angst - da folgt dann in Zukunft auch keine Werbung für Internatsschulen oder Immobilienmakler.) Schickt mir eure Daten entweder per Mail: office (at) nicola-hinz.com oder über das Kontaktformular oben rechts. Ich würde mich freuen. : )

NH

Samstag, 10. September 2016

Follow me around 52: Neid



Für einen winzigen Augenblick dachte ich, ich hätte plötzlich doch jemanden gefunden, mit dem vielleicht irgendwann unter Umständen eventuell eine Beziehung möglich werden könnte. Das Gefühl dauerte genau einen Tag. Und dann floppte zunächst alles wieder ins verhaltene, zwischenmenschliche Chaos, um danach, wie gewöhnlich, zu freudloser, grotesker Leere zu werden.

Warum kann ich nicht wenigstens einmal im Leben genau das bekommen, was ich in der gegenwärtigen Lebenssituation auch am dringendsten will? 

Einer meiner Nachbarn, Endreißiger, stockig und stumpf, trüber Tassenblick, langsamer Kopf, fragwürdige Grammatik, kümmert sich einen Scheiß um irgendwas auf der Welt, Socken in den Sandalen zum Iron-Maiden-T-shirt, verkauft übrigens seine Wohnung, um mit seiner (eigentlich noch recht neuen) Freundin zusammenzuziehen. Die beiden tragen schon Parkettmuster in einer Plastikwanne mit sich herum und stellen sie gelegentlich im Treppenhaus ab, so dass ich aus dem Staunen nicht mehr herauskomme. Irgendwann erwischt es offenbar jeden. Niemand kommt auf Dauer ohne Deckel davon. Nur an mir bliebe offenkundig auch dann keiner hängen, wenn ich fortan ausschließlich mit einer magnetischen Rüstung durch die Gegend liefe.

Man fragt sich, wie der Rest der Welt es schafft, doch am Ende immer wieder zumindest zeitweise in konventionelles Fahrwasser zurückzufinden, während man selbst seit seiner Geburt nicht im Stande gewesen ist, aus dem Strudel, der einem damals offenbar zugewiesen wurde, herauszurudern. Das ist selbstverständlich eine gänzlich sinnlose Frage, die sehr viel Realität ausblendet, das weiß ich auch, danke sehr - aber so fühlt sich nun einmal an. Und ich werde grün vor Neid, wenn ich mir vorstelle, wie die beiden (mein Nachbar und seine Freundin) in ihren Caterpillar-Sandalen durch Möbelhäuser laufen, auf der Suche nach einem Eckalcantarasofa in Rost, auf dem sie dann beide genug Platz haben, um sich beim Fernsehen lang auszustrecken.

Einmal würde ich noch gern so richtig gewollt werden, bevor ich komplett ergraut und verschrumpelt bin. Aber es sieht verdammt nicht gut aus. Und eigentlich hatte ich das Unterfangen ja auch aufgeben wollen.

Die hier ja schon öfter bemühte Rebecca Niazi-Shahabi macht sich natürlich zu Recht darüber lustig, dass Beziehungsfähigkeit aus ihrer Sicht wirklich nur von einer Sache abhängt, nämlich von der Bereitschaft, die eigenen Erwartungen an einen Partner möglichst radikal herunterzuschrauben. Wie ich dereinst schon berichtete, habe ich das sogar versucht...und bin dann abserviert worden, weil der, den ich gar nicht so schrecklich gern wollte, sich kurzerhand in jemand anderen verliebt hat, die sich erstaunlicherweise auch in ihn verliebt hat. Offenbar verlieben sich pausenlos Leute ineinander. In mich allerdings nicht. Aber ich kann das nicht ändern. Das wenigstens habe ich begriffen.

Mit der Akzeptanz hingegen  tue ich mich weiterhin denkbar schwer. Und habe mich so gestern in durchwachter Nacht bei Gleichklang.de angemeldet, den Mitgliedsbeitrag für ein Jahr bezahlt und es nach kaum mehr als 15 Minuten auch schon bereut. Ich hatte offenbar überlesen, dass man sich bei Gleichklang.de nicht selbst auf die Suche nach einem Partner machen darf, sondern dass einem basierend auf den persönlichen Angaben, die man auf einem recht langen Fragebogen hinterlegen muss, Partnervorschläge unterbreitet werden. Wenn man Glück hat. Ich habe bisher ganze sechs Vorschläge erhalten. Einer der für mich ausgewählten Kandidaten hat übrigens das Asperger-Syndrom. Oh, wie sehr ich mir ein paar Wendungen und Ereignisse in meinem Leben wünschen würde, die sich mal ausnahmsweise nicht automatisch zur Satire eignen.

Aber es geht nicht nur um nicht funktionierende Beziehungen. Gepaart mit beruflichen Pleiten, stetig zunehmender Dünnhäutigkeit und Empfindlichkeit, sowie unendlicher Müdigkeit haben sie mich nach jahrelanger Pause mal wieder ins Sprechzimmer meines Psychiaters gebracht. Der fragte mich, was er mich auch zuvor immer gefragt hat: "Warum darf es Ihnen denn eigentlich nicht gut gehen?" Ich glaube, dabei kommt er sich verwegen kryptisch vor, also lasse ich ihn. Gleichwohl wusste ich, auch wie immer, natürlich keine Antwort darauf. Dann fand er, ich sei reif für eine stationäre Behandlung. Sechs Wochen mit Gruppensitzungen und Kunsttherapie. Yippie! Als ich das ablehnte, riet er mir zu einem Yoga-Kurs ("Den bezahlt vermutlich sogar Ihre Kasse."), und ich erinnerte mich wieder, warum ich ihn so lange nicht aufgesucht hatte.

Mein Leben steht weiterhin wie ein Sumpf. Während die Welt um mich herum aus den in diesem Jahr besonders zahlreichen und gefühlt unendlich langen Urlauben wiederkehrt, entwickelt und ergibt sich hier rein nichts - außer den Neurosen. Ich gehe nirgendwohin. Außer nach nebenan zu Ilse, die mir einen Kaffeebecher mit einem Froschkönig darauf geschenkt hat, als Glücksbringer, "damit mein Prinz bald kommt". Das Ergebnis war, dass ich über ihrem Pflaumenkuchen Rotz und Wasser geheult habe. Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich nun tun soll. Mit mir, dem Blog und auch sonst.

Und morgen ist schon wieder Flohmarkt. Diesmal direkt vor meiner Haustür; das ist wenigstens nicht so anstrengend. Und man muss nicht bereits um sechs Uhr mit dem Aufbau beginnen. 1890 Gegenstände weniger...immerhin.

NH

Sonntag, 21. August 2016

Follow me around 51: Herbst wäre mir lieber

Angeblich soll es nächste Woche noch einmal heiß werden. Von mir aus muss das wirklich nicht mehr sein. So lange ich denken kann, atme ich immer auf, wenn das Licht gelber und milchiger wird, und ich zum ersten Mal im Jahr ganz sicher den Herbst riechen kann. Seit über zehn Jahren habe ich zu meinem persönlichen, gefühlten Herbstanfang immer das distinkte Bedürfnis, eine große Kanne süßen Tee zu kochen und einen Vicar Of Dibley-Marathon abzuhalten. Ohne Kuhmilch im Tee ist das allerdings nicht ganz so befriedigend, wie sonst.

1635 Gegenstände weniger

Und den gestrigen Samstag habe ich im Keller verbracht. Hin und wieder besuchten mich der Kater oder neugierige Nachbarn, die alle paar Stunden ausriefen "Du bist ja noch iiiimmer hier!" und die Gelegenheit nutzten, sich über ihr Zusammenleben mit ihrem eigenen Kram auszubreiten. Offenbar kann dazu jeder etwas beitragen. Allerdings hat offenbar kaum jemand so viele Kisten voll mit Weihnachts- und Osterdekoration, wie ich. Das Publikum staunte jedenfalls nicht schlecht. Und Herr Zeymer brachte mir am Ende eine Flasche Bebivita-Saft mit Eisen. Ich muss ausgesprochen bedürftig gewirkt haben. Und ich war dankbar für den gelegentlichen Small Talk. Es war irgendwie tröstlich. Ich bin zwar nicht von Leuten umgeben, mit denen ich zumeist wenig gemeinsam habe und die mir die meiste Zeit gehörig auf den Wecker gehen, aber allein bin ich hier im Haus nicht.

Dabei lief es nicht besonders gut.Von fünfzehn Kisten sind dreizehn noch da. Elf davon voll mit Weihnachtskugeln in jeder Form und Farbe (ich meine das so), Rehen, Eichhörnchen, Adventskalendern, verschneiten Häusern mit Beleuchtung und allem anderen. Mir war nicht klar, wie sehr die 
Feiertage und was sie atmosphärisch und in meiner Geschichte repräsentieren, an mir kleben. Natürlich nicht im religiösen Sinne. Sondern im Hinblick auf Idealvorstellungen. Insbesondere die Feiertage am Jahresende sind ja oft überfrachtet von Hoffnungen auf Harmonie, Ruhe und Frieden. Und diese innere Perfektion soll sich auch noch im Äußeren wiederspiegeln. Traditionell waren Erwartungen und Enttäuschungen im Angesicht der Realität in meiner Familie stets besonders hoch und groß. Wenn man hinzuzählt, dass die Weihnachtsfeierei vor allem für mich auch immer als Übergang ins neue, noch unbeschädigte Jahr und damit in eine frische und viel erfolgreiche Zukunft fungierten, wird mir noch deutlicher, warum ich erstens selbst so viel Weihnachtskrempel habe (denn das meiste davon stammt nicht mehr aus dem Nachlass meiner Mutter), und warum ich ihn auch jetzt nicht wirklich rauswerfen kann. Obwohl meine Weihnachtsdekoration seit dem Tod meiner Mutter ohnehin eher spärlich ausfällt. Die Hoffnung dass alles irgendwann besser wird, gepaart mit der immerwährenden Überzeugung, dass auch alles auf jeden Fall besser werden MUSS, ist diejenige, die sich in diesem Haus noch immer am verbissensten behauptet. Da gibt es weiterhin die Vision, dass ich eines Tages den deckenhohen Weihnachtsbaum meiner Kindheit, der, obwohl er komplett gerade, symmetrisch und perfekt geschmückt war, dummerweise die meiste Zeit mitten auf einem familiären Schlachtfeld stand, für mich zurückerobere, den Anlass und den Platz für ihn finde, und ihn mit all meinen bunten und exzentrischen Ornamenten zum ersten Mal zum Mittelpunkt einer gänzlich glücklichen Festivität mache. Wer weiß...vielleicht brauche ich einfach auch nur noch ein Jahrzehnt, um das ganze Zeug dann doch bei ebay zu verkloppen. Hoffnungen und Ansprüche werden bekanntlich automatisch kleiner, wenn einem die Zeit ausgeht.

Außerdem ist der Keller natürlich noch lange nicht fertig. Während die gestrige Aktion nun sehr langwierig war, aber platzmäßig wenig Fortschritt beschert hat, hoffe ich (mal wieder), dass die verbleibenden Kisten und Gegenstände sich weniger gegen meine Bemühungen stemmen werden, sie endlich freizusetzen. Es ist mein erklärtes Ziel, meinen Keller in Zukunft vom Eingang bis zum Fenster an der gegenüberliegenden Wand durchschreiten zu können, ohne irgendetwas aus dem Weg räumen, bzw. ausweichen zu müssen. 

Gesund und reich

Bekanntlich gibt es in meiner Wohnung selbst ja auch noch genug Baustellen. In der letzen Woche habe ich meinen Schreibtisch und die Rollschränke mit dem Bürobedarf  bearbeitet. Das war nicht annähernd so schwer, wie die Weihnachtskisten, hat aber auch mal wieder sehr eindrucksvoll gezeigt, wie penetrant die Zeuginnen gescheiterter Selbstverbesserung hier überall um mich herum lauern. Ich hatte für 2016 drei Kalender angelegt, um die Fortschritte in drei verschiedenen Kategorien genau zu dokumentieren und zu "steuern". Das waren Finanzen, Gesundheit, sowie berufliche Weiterentwicklung. Beim Ausräumen habe ich sie gefunden. Und sie waren alle leer. Nun sind sie alle im Müll. Vom Stapel Pro- und Contra-Blöcke, um effizienter Entscheidungen zu treffen, habe ich mich dagegen nicht trennen können. Ebenso wenig vom Formularblock für Bestellungen beim Universum. Ich weiß natürlich immer nicht, ob ich lachen oder heulen soll, wenn er mir in die Hände fällt, aber trotzdem...er ist Anschauungsmaterial für die Spirale der Selbstverbesserung, die leicht mal bis hinab ins magische Denken führt.

Im Auto höre ich in diesen Tagen die Hörbücher von Rebecca Niazi-Shahabi. Immer wieder von vorn, weil ich hoffe, dass ich etwas Grundsätzliches mitnehmen werde. Sie rät bekanntlich, den Kampf um Selbstoptimierung schlicht an den Nagel zu hängen, und damit ein zufriedeneres Leben zu führen. Aber so wie das Aufgeben von Diäten, ist das Aufgeben von Selbstoptimierung selbstverständlich ebenfalls alles andere als einfach. Denn auch hier muss man am Ende Hoffnungen und all die wunderbaren, ausgedachten Märchen über das eigene eigentliche Leben und die wilden Phantasien über persönliche Möglichkeiten, die man alle hätte, wenn man nur ganz anders oder zumindest ganz dünn wäre, aufgeben. Das ist schmerzhaft und erfordert viel Übung. Und ist natürlich ironischerweise genau genommen auch eine Art Selbstverbesserungsprojekt. 

Das alles hat mich dann aber auch nicht davon abgehalten, beim Besuch einer Buchhandlung vor ein paar Tagen, zusätzlich zu den Filofax-Einlagen für 2017 auch noch einen kofferschweren, in faux Leder gebundenen Planner zu erwerben - im DIN A4 Format und mit genug Platz für To-Do-Listen und Notizen. Ich kann halt (noch) immer nicht anders.

Mir wurde übrigens klar, dass ich offenbar schon verdammt lange nicht mehr besonders gründlich durch einen Buchladen gegangen war - ich weiß, man soll den Einzelhandel um die Ecke im Existenzkampf gegen das Internet unterstützen. Aber erstens gebe ich ohnehin nicht mehr viel Geld aus, weil ich wenig habe und dummerweise ist der Service von echten Menschen um die Ecke meiner Erfahrung nach durchaus öfter mal so schlecht und regelrecht unfreundlich, als ob sie diese Unterstützung wirklich nicht nötig haben. Obendrein sind Buchläden jetzt offenbar in der Hauptsache Papeterie- und Geschenkartikelhandlungen mit Regalen voll mit Kaffeebechern, Döschen mit Pfefferminz und vorrangig leeren Büchern, auf denen die selben verzweifelten Motivationssätze stehen, wie in den Werken in der Selbsthilfe- und Esoterik-Abteilung: "Wer in die Fußstapfen anderer tritt, hinterlässt keine Spuren." Wenigstens ist es um solch ein Geschirr nicht schade, wenn man es an die Wand wirft.

Die Frauenabteilung war angesichts all der vielen pastelligen Illustrationen auf den Deckblättern der aufgestapelten romantischen Komödien schwer von der für Mädchen zu unterscheiden. Zu meiner Zeit standen da ja noch lauter Taschenbücher aus dem Fischer Verlag. Die hatten ein Programm, das "Die Frau in der Gesellschaft" hieß und durch das Venussymbol am Buchrücken leicht zu erkennen war (ich weiß, ich weiß - zuletzt haben die Hera Lind gedruckt). Bei Rowohlt hieß die entsprechende Buchreihe "Neue Frau". Die wurde 1997 eingestellt...seufz. Und als mittelalte, elitäre Kampfelse glaube ich in der Tat, dass wir momentan direkt und immer tiefer in den verdummten Salat steuern, den wir dann haben werden...

Klug und erfolgreich

Meine Prüfung zur Psychotherapeutin HP kann ich hier in Schleswig Holstein übrigens allem Anschein nach erst in über einem Jahr ablegen. Weil die Prüfung nur einmal im Jahr stattfindet. Und in diesem Jahr fand sie statt, als ich noch im Unterricht saß. Das gibt mir jetzt also Zeit bis Oktober 2017, um mich vorzubereiten. Mir ist natürlich schon wieder unbegreiflich, wie hier von Behörden mit den persönlichen Biographien und der Lebensplanung der Bürgerinnen umgegangen wird, und ich könnte mich seitenweise echauffieren. Stattdessen werde ich jetzt mal ein Formular ausfüllen, um beim Universum jemanden zu bestellen, der mich beizeiten abfragt. Und zwischendurch auf mich aufpasst, so dass ich bis zum Prüfungstermin nicht schon längst entweder im Gefängnis oder in einer Burnout-Klinik gelandet bin.

NH



Samstag, 30. Juli 2016

Follow me around 50: Life Update


So nennt man das ja unter Blogger- und Vloggerinnen, wenn man sich länger nicht gemeldet hat, und mal schnell vorbei kommt, um Bescheid zu sagen, dass man noch lebt.

Ja, ja - ich lebe noch. Gerade so. So fühlt es sich an. Tatsächlich habe ich gestern morgen in Endlosschleife gedacht: "Jetztsterbeichgleichjetztsterbeichgleichjetztsterbeichgleich..." Ich fühlte mich bei Aufstehen so mies, dass ich mir nicht mehr sicher war, ob ich es bis über die Schwelle zum Badezimmer schaffen würde.

Der desolate Zustand ist zu zwei Dritteln seelisch und zu einem Drittel körperlich begründet. Die Mischung macht's: Sehr wenig und schlechter Schlaf, die Schwüle der letzen Tage, viel Bücken, Schleppen und auf dem Boden-Herumgerutsche, Sorgen um die berufliche Zukunft, Sorgen um Geld, Sorgen um den Kater (der fraß plötzlich nicht richtig), relative persönliche Einsamkeit, relative persönliche Enttäuschung und (bekanntlich) eine Art Grundverbitterung über den Stand meines Lebens, eine wachsende Unfähigkeit, der Flut der täglichen Ärgernisse etwas entgegenzusetzen, und all das natürlich entscheidend und unablässig befördert durch die psychischen Anstrengungen beim Aussortieren.

1321 Gegenstände weniger 

...seit Beginn meiner letzten von unendlich vielen Ausmistaktionen, die übrigens im März begonnen hat und deren Ziel es war, sich in 30 Tagen um 500 Gegenstände zu erleichtern.

Aussortieren ist und bleibt das Stichwort. Und obwohl Ausmisten schwer ist und dieses ohnehin schwere Zeiten sind, muss es gerade jetzt sein. Oder besser: Gerade deswegen. Der Kram ist Denkmal und Anklage und Hindernis und Energieräuber. Er muss erledigt werden, damit die Dinge hier anders laufen. Ich kann ihn nicht länger im Weg herumstehen lassen und denken, ich könnte mein Leben erfolgreich um ihn herumleben. Er ist Symptom und Ursache zugleich.

Dass der Prozess so lange dauert (mitunter eben sogar Jahre) mag für Außenstehende unverständlich sein, aber besteht nun einmal aus einer Vielzahl von Schritten, von denen jeder mehr oder weniger emotional besetzt ist.

Zunächst muss man alles hervorkramen und begutachten, dann entscheiden, ob man den Gegenstand behält oder nicht. Um dieses zu bewerkstelligen, gibt es verschiedenen Methoden, die je nach Situation greifen können. Uff. Wenn man ihn behält, muss man entscheiden, wie er in Zukunft verwahrt, bzw. mit den anderen Dingen, die bleiben, organisiert werden soll, so dass der Alltag mit ihm reibungslos läuft.

Bei den Gegenständen, die gehen, stellen sich natürlich noch viel mehr Fragen. 1.783.655 Fragen, um genau zu sein: Soll das gespendet, verschenkt, verkauft oder weggeworfen werden? Wer soll es kriegen? Wer könnte es wollen? Wenn es in den Müll soll, in welchen Müll? Wenn verkaufen, wie? Und wo bis dahin lagern? Grundsätzlich gilt es, aussortierte Dinge so schnell wie möglich wegzuschaffen, damit man gar nicht erst auf dumme Gedanken kommt, und sie doch behalten will.  Das finale Abwickeln der Dinge ist aber fast nie so leicht, wie man sich das vielleicht vorstellt. In der Tat kann es gerade da ganz schön höllisch werden, es sei denn man bestellt einen Container, wirft alles hinein und denkt sich "Nach mir die Sintflut". Aber wer das so einfach kann, der hat vermutlich ohnehin kein Problem in diesem Bereich. Ich muss mich nun für kommenden Monat für die Teilnahme an Flohmärkten anmelden, obwohl ich mir geschworen hatte, dass ich das im Leben nie wieder tun würde.

Grüße von Gustav 

Beim Impfbesuch beim Tierarzt haben mich die großartigen Helferinnen wieder auf den letzten Stand darüber gebracht, wie es Gustav bei seinen neuen Menschen so geht. Und alles läuft prima. Er darf mittlerweile raus, kommt aber immer wieder zuverlässig nach Hause und verträgt sich sogar mit dem anderen Kater im Nachbarhaus. Natürlich bin ich noch immer und immer wieder unendlich erleichtert. Es sticht ein wenig, dass er und Corbinian sich nicht vertragen konnten...aber was hatten wir am Ende wirklich für ein unendliches Glück in dieser Sache.

Und dann auch noch das...

Wie durch Zufall bin ich in den letzen Wochen mit drei Männern kollidiert (zwei neu, einer alt). Das war vor allem im Abgang nicht schön - in keinem der drei Fälle. Wobei ich es bei einem hätte wissen können - bei dem war es jetzt der zweite Anlauf nach langer Zeit. Ich bin auch echt zu bescheuert.

Aber egal wie sorgfältig und, anders lässt es sich fast nicht sagen, kleinlich frau auswählt, mit wem sie ja wenigstens mal telefonieren oder einen Kaffee trinken könnte - am Ende implodiert stets alles. Gerne mal über einer Diskussion über weibliche Endungen in der deutschen Sprache und darüber, ob es denn nun wirklich nötig sei, Ampelweibchen einzuführen. Wohlgemerkt, diese Themen werden nicht von mir auf den Tisch gebracht. Im Leben käme ich nicht darauf. Vielmehr ist es so, dass Männer in einer Kennenlernsituation, die eigentlich im Idealfall zu einer Partnerschaft führen sollte, unbegreiflicherweise gern beginnen, mit mir zu streiten. Es ist, als ob auf meiner Stirn plötzlich der Schriftzug "radikale Feministin" (was ich vermutlich auch bin) sichtbar wird. Und dann geht es los. Dann fangen sie an, sich ganz und gar ohne Angriff zu verteidigen, was das Zeug hält. Obwohl sie mich kurz vorher noch für ganz hübsch und freundlich gehalten haben. Dass ich ab dem Punkt dann schnell genervt bin von all dem aufgewiegelten Gejaule um Privilegien und dieses auch äußere - das gebe ich unumwunden zu.

Die letzen männlichen Flops - ich habe sie mir, wie fast alle zuvor, nicht selbst gesucht. Sie haben mich, wie immer, auf einer Dating-Seite im Internet gefunden. Warum ich mich bei all dem Ungemach, und obwohl ich es schon lange vorhabe, nicht endlich bei finya.de abgemeldet habe? Ach, wer weiß...es wäre halt so schön und buchstäblich wunderbar, wenn doch noch der Richtige käme und mich dann auch noch ertragen könnte. Irgendwer, ich glaube, es war eine Freundin, nannte es "dem Schicksal zumindest eine Chance geben".

Zur Strafe für meine Inkonsequenz und Trudelei bekam ich dann von der Plattform unlängst als "Partnervorschlag" meine letzte und zutiefst traurig verlaufene große Liebe untergeschoben. Ich blinzelte, schluckte und klickte dann auf das Bildchen, obwohl ich das sicher nicht hätte tun sollen...whatever. Sieht ganz so aus, als ob wir beide ähnlich unverkäuflich sind. Was damit zu tun haben könnte, dass wir uns in vielerlei Hinsicht verdammt ähnlich sind.

Jetzt guck doch nicht schon wieder so empört, weißt du doch selber.

Der Himmel verschwindet

Das Haus nebenan wird immer höher. Die Vermutung ist, dass auf den ersten Stock nun noch so eine Art Penthouse gesetzt wird. Was auch immer es ist, ich werde danach von meinen Fenstern aus den Himmel nicht mehr sehen können. Wie es möglich war, eine Genehmigung für einen solchen Bau an dieser Stelle zu bekommen, ist mir schleierhaft.

Ich hatte vor Monaten bereits ein Informationsverfahren bei der Bauaufsicht angestrengt, und als es in die zweite Phase gehen sollte, den Vorgang an unsere Hausverwaltung abgegeben, weil die sich angeboten hatte, mir die Arbeit ab da abzunehmen. Ich war erstaunt und dankbar. Danach kam nix mehr. Weil die Hausverwaltung offenbar Besseres zu tun und ich schlicht keine Energie mehr hatte, um sie auf angemessene Weise zu erinnern...Irgendwann in meinem Leben möchte ich mal die sein, die sich anderen auf massive und permanente Art aufzwingt, sei es durch Lärm, Dreck, Gestank Verrücktheit, Mauern oder Hindernisse, und damit einfach so davon kommt. Ich wüsste gern, wie sich das anfühlt. Es muss eine Befriedigung sein, die ich gern kennen würde. Wahrscheinlich könnte man diese aber ohnehin nur so richtig spüren, wenn man nicht zu sehr über sich selbst nachdenkt und nicht womöglich Zweifel oder ein schlechtes Gewissen hat.

Coming soon

Heute kam ein Mängelexemplar von Nadja Hermanns "Fettlogik überwinden" mit der Post. Amazon macht natürlich auch immer fleißig Vorschläge - und offenbar "kauften Kundinnen, die Nicole Jägers Schwindeldiätbuch gekauft haben, auch dieses", was nicht ohne Ironie ist, da die beiden "Camps" von Anhängern sich augenscheinlich auf den Tod nicht ausstehen können, und einer der höchstbewerteten  und längsten Kommentare zu Nicole Jägers Buch ein negativer ist - und den Titel "Fettlogik" trägt.

Bereits beim ersten Durchblättern von "Fettlogik" wird klar, dass das Werk vermutlich ganz genauso toxisch sein wird, wie ich es mir gedacht habe. Und ich habe mir für eine Sekunde überlegt: "Warum willst du dir das eigentlich antun?" Aber hey, dazu sind wir ja eigentlich hier...Ich werde jetzt erst einmal den "Forscher Rüther" googeln. Der wird im Buch auf Seite 153 augenscheinlich mir nichts, dir nichts als wissenschaftliche Quelle in den Ring geworfen, hat aber keine Fußnote und ist im Quellenverzeichnis unter seinem Namen nicht zu finden. Der "Forscher Rüther"...?! Ehrlich jetzt? Das kann ja heiter werden.


NH

Freitag, 1. Juli 2016

Follow me around 49: Baustellen


Gustav geht es gut.


Frau Behr, ihres Zeichens Tierarzthelferin, Pferdebesitzerin und Vermittlerin von Gustavs neuem Zuhause hatte ja gesagt, dass ich mich in ca. einer Woche melden solle, um zu erfahren, ob Gustav in der neuen Umgebung zurecht kommt. 

Ja, eine Woche ist der tränenreiche Abschied nun schon wieder her. Aber ich weine gelegentlich noch immer ein wenig vor mich hin und hatte von gestern auf heute eine unruhige Nacht, weil mich zunehmend gruselige Fragen und horrende Befürchtungen plagten: Was, wenn irgendetwas schief gegangen ist? Was, wenn es ihm da nicht gefällt? Was, wenn er weggelaufen ist?...Um 9:30 Uhr stand ich heute auf der Matte, bzw. am Empfang der Praxis. 

Frau Behr, die Liebe, rannte gerade von einem Behandlungszimmer zum nächsten, winkte, rief, sie habe jetzt leider gar keine Zeit, aber Gustav gehe es sehr gut, und alles habe sich ganz wunderbar eingespielt. Dann hob sie beide Daumen, um sicherzustellen, dass ich die gehörten Informationen auch ganz sicher richtig einordnen konnte, und ich wischte mir imaginären Schweiß von der Stirn und rief: "Vielen, vielen Dank!"

Puh, das scheint geschafft.

881 Dinge weniger.


Bis jetzt. Und eigentlich wären es mehr, wenn ich nicht manchmal Gruppen von Gegenständen als nur einen Posten vermerken würde. Aber ich arbeite mich auch noch immer und immer weiter vor. Und ich blase das, was in dieser Organisationsphase vor ein paar Wochen als "30 Day Decluttering Challenge" begann, erst ab, wenn ich hier fertig bin. Mit allem. An diesem Wochenende ist vielleicht die Küche dran. Oder zumindest ein Teil von ihr. Auch da gibt es Schubladen, über dessen Inhalt ich nichts mehr weiß, weil ich seit dem Umzug vor sechs Jahren nicht wirklich hineingesehen habe. 

Oh, leere Oberflächen! Nach einem Leben voller Kampf gegen die Übermacht der Dinge, sehe ich jetzt endlich Land. Irgendwann erreicht man den Punkt, da will man nur noch Platz (da!), Ordnung und reibungslose Alltagsabläufe - auch im Kleinsten. Besonders, weil ohnehin kaum jemals etwas leicht zu sein scheint, und ich nun wirklich keine Energie mehr zu verkleckern habe. 

Die Wirkung wird täglich deutlicher. Weniger Kram führt zu mehr Ordnung, Ordnung zu Vereinfachung, Vereinfachung zu weniger Stress, weniger Stress zu mehr Freude, Klarheit und Zeit. Und zumindest Klarheit und Zeit meine ich tatsächlich schon fühlbar etwas mehr zu haben - das mit der Freude kommt vielleicht, wenn ich erst einmal die Abstellkammer zum Xten Mal bezwungen habe.

Tonnen - in Worten: TONNEN von Modeschmuck habe ich unlängst aussortiert. Dabei bin ich nach der Konmari-Methode vorgegangen. Man nimmt jedes Teil aus einer bestimmten Kategorie in die Hand und fragt sich, ob es "Freude in einem entfacht". Nur Dinge, die das tun, können bleiben. Für Modeschmuck eignet sich die Methode gut, weil man den ja niemals wirklich braucht - während man aber z.B. den Dosenöffner sehr wohl braucht, obwohl ich den trotzdem nicht besonders leiden kann. Eigentlich habe ich eine regelrechte Abneigung gegen ihn, wenn ich es recht bedenke...

Anders als zu früheren, reicheren Zeiten werde ich mich in naher Zukunft daran machen, den Schmuck zu fotografieren und Ohrring für Ohrring bei Ebay zu verscherbeln. Ich bin bekanntlich alt und brauche das Geld - und dieser Tage nun ganz besonders, denn:

Der Computer ist hin.


Ja, der Albtraum wurde wahr. Und ich bin selbst am erstauntesten, dass ich das offenbar überlebt habe. Der Bildschirm wurde einfach schwarz, das heftige Schnaufen der Lüftung verstummte, aber die Maschine ging nicht aus. Als ich sie dann ausstellte, um sie neu zu starten, was ja vorher noch immer geklappt hatte, machte es auch nicht mehr ärgerlich "Ping", sondern seufzte nur noch leise und resigniert mit schwachem Stimmchen... Das war das letzte, was ich von ihr gehört habe. Sie lässt sich nicht mehr hochfahren, und ich habe nun die Aufgabe, eine Entscheidung hinsichtlich der Verschrottung zu treffen. 

In einem lichten Moment habe ich mich daran erinnert, dass die Festplatte noch bis zum Rand voll ist mit hausgemachter Pornographie, an die mich die Maschine jetzt ja nicht mehr heranlässt, um sie zu löschen, bevor ich das Gerät aus den Händen gebe. Und dann habe ich natürlich auf irgendwo gelernt, dass man eine Festplatte ohnehin nicht wirksam und vollständig leeren kann...der Computer muss aber weg, weil er in mir schlicht keine Freude mehr entfacht. 

So, wer hierzu im eigenen Interesse u. U. noch ein paar Lösungsvorschläge zu unterbreiten hätte, möge jetzt sprechen (oder so). Oder für immer schweigen...

NH


Sonntag, 26. Juni 2016

Follow me around 48: Traurige Tage


Ich bin mir sicher, dass Gustav bis dahin schon etwas geahnt hat, aber als ich sein Terrassenkörbchen reingeholt und mit seinem Futter und Spielzeug gefüllt habe, wusste er es auch ganz sicher - irgendetwas Einschneidendes würde passieren. Er lag lang auf dem Teppich und keuchte ein wenig. Ich weiß nicht, ob wegen der Hitze, oder ob ihn die Panik ergriff.

Er hörte auf, sich zu beschweren, dass er nicht mehr raus durfte und ging plötzlich auch Corbinian aus dem Weg. Der entspannte sich zusehends, als ob er begriffen hatte, dass es nicht sein Koffer war, der gepackt worden war und jetzt auf die Abreise wartete.

Erst vor einigen Tagen hatte ich durch Zufall herausbekommen, was Gustavs Lieblingsessen ist - gekochtes Huhn. Damit habe ich ihn dann bis zum Aufbruch den Tag über vollgestopft. Ich weiß, dass die Chancen, dass ihm so bald wieder jemand Huhn kocht, nicht sehr groß sind. So freundlich und fürsorglich die Leute, die ihn aufgenommen haben auch sein mögen, so viel Aufwand wie bei mir, wird dort vermutlich nicht betrieben werden.

Er konnte nicht mehr bleiben.

Er hat es sich selbst vermasselt. Er hätte Corbinian einfach aus dem Weg gehen müssen, anstatt ihn zu triezen, ihn im Garten und in der Wohnung zu scheuchen und zuletzt sogar richtig zu attackieren. Corbinian hatte sich in den letzten Tagen nur noch verkrochen. In Ecken oder auf Schränken. Er hat auch nur noch auf dem Tisch gefressen, um Gustav stets im Auge zu behalten. Und er hatte sich nicht mehr in den Garten getraut, weil Gustav ihn auch da verfolgte. Da wird man selbst zutiefst unvernünftig und verlangt Vernunft vom Tier: "Warum bist du nur so dumm!? Warum, warum, warum nur!? Hör doch einfach damit auf, und du kannst für immer bei uns bleiben!!" Und ich hätte es mir so gewünscht, dass er bleibt.

Als ich mich dann angesichts der verzweifelten Lage, in der sich Corbinian befand, steinschweren Herzens und heulend entschieden hatte, Gustav ins Tierheim zu bringen, und erst mit dem Tierheim Süderstraße und danach mit der Göttin und der Welt telefonierte, stellte ich fest, dass Tierheime ganz offensichtlich nicht in jedem Fall für Tiere zuständig sind, sondern in der Regel eher dafür, sie sich vom Leib zu halten: "Damit haben wir ja gaaar nichts zu tun!", "Da sind wir ja gaaar nicht zuständig!", "Da sind Sie bei uns ja gaaanz falsch!". Der Ton gedehnt bis patzig. Der Hamburger Tierschutzverein herrschte mich an, dass meine 22 Jahre Mitgliedschaft hier überhaupt keinen Unterschied machen würden. Vielleicht hätte ich American Express um Hilfe bitten sollen ("Membership has its privileges") - weniger sinnlos und unerfreulich wäre das auf jeden Fall nicht geworden.

Man ist verzweifelt und ziemlich allein mit einem echten Problem, und es ist mal wieder niemand zuständig. Alle anderen sind zuständig. Sollen die doch machen. Die Polizei zumindest hätte Gustav dann doch abgeholt, und wenn die ihn ins Heim bringt, so erkärte mir ein hilfreicher Beamter, "müssen die das Tier auch aufnehmen". Aber ich wollte den Kater eigentlich ja ohnehin gar nicht so recht hergeben - und ihn schon gar nicht verhaften lassen.

Wer mir dann wirklich half, waren zwei Mitarbeiterinnen unserer Tierarztpraxis. Eine von ihnen hat ihre Pferde auf einem Hof untergebracht, der Gustav dann nach einem Anruf von ihr ein Zuhause angeboten hat. Dort wohnt er zukünftig umgeben von Kühen, Schafen, Pferden und Reitern. "Bekommt er dort denn auch Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten?" - "Ja, natürlich!" - "Gibt es denn dort noch mehr Katzen, wo er doch gerade solche Probleme mit Corbi hatte?" - "Ja, eine andere Katze. Aber die wohnt im anderen Haus auf dem Gelände. Und auf dem Hof können die sich gut aus dem Weg gehen." - "Er wohnt also auch drinnen?" - "Ja, er kann raus und rein. Und er bleibt auch erst einmal ein paar Tage drinnen, um sich an die neuen Menschen zu gewöhnen." - "Und er wird auch ein ruhiges Plätzchen speziell für sich haben?" - "Ja!"

Er wird seinen Namen behalten, er konnte sein Körbchen, sein Spielzeug und sein Futter mitnehmen. Er bekam vor seiner Abreise einen frischen Chip (weil er bis dahin keinen gehabt hatte), und ich kann mich in ein paar Tagen in der Praxis erkundigen, wie er sich eingelebt hat...eigentlich hatten wir unfassbares Glück. Trotzdem rannen mir während der Übergabe am Freitagabend ohne Unterlass die Tränen über das Gesicht. Es war kein wirkliches Weinen. Kein Schluchzen und Rotzen mehr. Vielmehr ein stetes Rinnsal, wie aus einem Wasserhahn.

Obwohl sie furchtbar nett waren, müssen sie mich in der Praxis für einen wunderlichen und komplett überemotionalen Kontrollfreak halten.Und buchstäblich sowie auch ganz allgemein für nicht ganz dicht. Ich weiß, dass sie es entweder schon tun, oder kurz davor waren. Und ich würde es ihnen nicht übel nehmen. Ich betrachte mich im Spiegel und denke, vielleicht bin ich es ja auch nicht. Dicht. Aber ich habe auch immer wieder das kleine entsetzte Gesichtchen von Gustav vor Augen, das mich auf der Fahrt in die neue, unbekannte Zukunft vom Nebensitz verzweifelt und anklagend anstarrte und anschrie, während er gleichzeitig vor Angst den Katzenkorb mit Pipi tränkte.

Und dann beobachte ich Corbinian, der sich in seinem Zuhause und im Garten scheinbar wieder wohl fühlt und bereits am Freitag alles darin innerhalb von ein paar Stunden für sich zurückerobert hat. Ich kann mir trotzdem nicht helfen - fast halte ich es für möglich, dass Gustav jetzt am Ende sogar das bessere Katzenleben erwartet. In unaufgeregter Umgebung, mit relativ großer Freiheit und im Kontakt mit mehreren bodenständigen Menschen, während Corbi weiterhin ziemlich unmittelbar und ungefiltert mir, meinen Neurosen und meiner schier bodenlosen Verlustangst ausgesetzt sein wird.

...

Ich habe mir mein Leben anders vorgestellt.


NH

Sonntag, 12. Juni 2016

Follow me around 47: Räumungen


Plötzlich habe ich so viel Platz, dass ich gar nicht weiß, wohin damit. Ich habe quasi gar keinen Platz für den Platz. Ja, Platz kann man natürlich bewegen und verschieben. Ich tue das bereits seit Tagen - und nun auch schon den ganzen Nachmittag. Und ich habe schlicht überhaupt gar keine Übung darin, Teile meines Raumes einfach leerstehen zu lassen. Es verwirrt mich regelrecht.

Aus den angepeilten 500 Gegenständen, die ja innerhalb eines Monats meinen Haushalt verlassen sollten, sind nun, mit mehrwöchiger Verspätung, am heutigen Tag 700 geworden. Das hängt auch maßgeblich mit den ca. 250 Büchern zusammen, die ich in den letzten paar Tagen habe gehen lassen, und obwohl das nur gut 10% der Bibliothek waren, macht sich das Verschwinden der Dinge im Ganzen nun doch langsam bemerkbar.

Ich bin mit der Verwaltung eines Übermaßes an Dingen beschäftigt, so lange ich denken kann. Ich habe bereits als Kind sortiert und umgeräumt und organisiert und gelagert. Wenn Dinge gingen, verhielt es sich ironischerweise immer ganz genauso wie mit meinem Gewicht nach Diäten - sie kamen multipliziert wieder zurück.

Als ich noch zu Hause wohnte, war ich außerdem involviert in die Verwaltung der Dinge meiner Mutter. Wie viele Nachkriegskinder hatte sie eine Hang dazu, Gegenstände zu horten, "weil man sie ja irgendwann noch einmal brauchen könnte." Das führte auch zu ewigen Kreisläufen des vernunftgetriebenen Aussortierens und des anschließenden, fast trotzig anmutenden Wiederanhäufens. In der Doppelgarage, die zur Wohnung gehörte, die wir einige Jahre bewohnten, nachdem sich meine Eltern getrennt hatten, war jedenfalls nicht einen Tag lang Platz für ein Auto.

Meine Mutter wohnte vor ihrem Tod allein in einem kleinen Haus auf ca. 120 Quadratmetern. Ihre Wohnräume waren nicht vollgestopft mit Kram. Er lag nicht überall offen herum. Das wahre Ausmaß ihres Festhaltens an Gegenständen eröffnete sich mir erst nach ihrem Tod, als ich ihre Schränke öffnete und zwei Monate lang jedes einzelne ihrer Besitztümer in die Hand nahm, bevor ich entschied, was damit geschehen sollte.

Sie besaß ungefähr 50 BHs. Weil man nie weiß, ob man nicht auf der Straße umkippt und ins Krankenhaus muss, war es in ihrer Welt eine Frage der Ehre, auch in einem medizinischen Notfall unter keinen Umständen in abgewetzten Unterkleidern erwischt zu werden. Aber die alten Dinge wurden mal wieder nicht weggeworfen, sondern für schlechte Zeiten aufgehoben. Die älteste Dose in den Tiefen ihres Vorratsschrankes war übrigens 10 Jahre alt.

Ihr Haus beherbergte neben allem anderen auch einige Sammlungen: Eine Glassammlung, eine Hühnergöttersammlung (Steine, die natürlicherweise ein Loch haben), eine Stuhlsammlung, eine Sammlung chinesischer Glücksbringer,...irgendwann fand ich mich am Glascontainer wieder und warf - quasi in Selbstverteidigung - Cocktailgläser aus den 50er Jahren hinein. Denn man kann halt nur so viele Kisten mit Spenden überall in der Stadt anliefern.

Und ich fand Gebirge aus Bett- und Tischwäsche - hoch und scharf gebügelte Kante auf Kante aufgestapelt. Der Besitzerinnenstolz, die Tiefe der Verschriebenheit und der Bemühungen im Dienste der Dinge erschütterte und rührte mich zugleich. Einen Stapel antiker Leinenhandtücher habe ich damals, so wie er war, mitgenommen und in meinen Schrank gelegt. Er war ein Denkmal an die Liebe für die Dinge, die im Leben meiner Mutter immer eine übergeordnete Rolle spielten. In der Zwischenzeit bin ich dazu übergegangen, die streng aufbereiteten Handtücher in der Küche zu verwenden und habe das Denkmal damit aufgelöst.

Sich jetzt noch einmal gezielt und systematisch von Gegenständen zu trennen, ist auch deshalb weiterhin so anstrengend, weil die Dinge nach wie vor mit Gefühlen und Erinnerungen und Plänen aufgeladen sind. Und je mehr ich meine Besitztümer und vor allem auch die ererbten gehen lasse, desto schwerer und emotional geladener werden die Entscheidungen für oder gegen die Dinge, denn vieles von dem, was jetzt wieder zur Disposition steht, habe ich in einem vorherigen Aussortierungsprozess nicht aufgegeben, und dafür gab es zum jeweiligen Zeitraum eben Gründe, die jetzt vielleicht weniger schwer wiegen, aber sich deswegen noch lang nicht komplett aufgelöst haben. Seit zwei Tagen habe ich nun einen blasigen, juckenden Ausschlag an beiden Händen, der, wenn man dem Internet glauben darf, zu einem erheblichen Anteil stressinduziert sein dürfte. Mit den Dingen gerät einem halt auch die eigene Geschichte wieder in die Finger.

Aber es muss sein. 

In diesem Jahr gewinne ich ihn ein für allemal - den Kampf gegen die Macht der Dinge. Am Ende dieses Jahres bin ich nur noch von Dingen umgeben, die mir wirklich gut tun, und deren Anwesenheit einen Zweck und Sinn hat. Außerdem werden es nur noch so viele Dinge sein, dass der Alltag komplett reibungslos und störungsfrei organisiert werden kann. Dazu muss übrigens noch sehr viel mehr Kram hier raus, denn: "You cannot organize the clutter, and if you want to live an organized life, you have to minimize the things that you have."* (Kathy Roberts, TheTidyTutor.com)

Wissenschaftlich erforscht und herausgefunden wurde in der Tat, dass Frauen auf unübersichtliche Räume voll mit Kram und Unordnung mit einer vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen reagieren. Männer tun das übrigens nicht. (UCLA)

Wobei man bei einigen Dingen schon eine geistesblitzartige Eingebung haben muss, um sie überhaupt eines schönen Tages als überflüssiges Gerümpel zu erkennen. Bei mir ging heute nun endlich der hässliche Mixer, in dem der letzte Smoothie vor ungezählten Monden angerührt wurde. Smoothies my ass...


*Du kannst Krimskrams nicht organisieren, und wenn du ein organisiertes Leben führen willst, musst du die Dinge, die du hast, minimieren."

NH

Sonntag, 15. Mai 2016

Follow me around 46: Hohe Erwartungen


Philosophenturm Uni Hamburg

Ich bin müde, müde, müde. 

Im Philosophenturm der Uni Hamburg habe ich einst studiert - tatsächlich u.a. auch Philosophie. Am Donnerstagabend war ich nach Jahren mal wieder auf dem Campus, um an all den schwarzen Brettern meine Flyer aufzuhängen. Ein merkwürdiges Gefühl. So war das bekanntlich nicht gedacht - dass ich mich in mittleren Jahren Studenten mit selbstgedruckter Werbung als preiswerte Korrekturleserin anbiete. Im Moment läuft es aber nun einmal so. Im Augenblick gilt es, sich irgendwie über Wasser zu halten. Darum mache ich neuerdings ja auch hier unverdrossen und schamlos Werbung: Wenn jemand Übersetzungen, Korrekturen oder insbesondere Englischunterricht benötigt - ich helfe gern. : )

In einem vorherigen Beitrag hatte ich erwähnt, dass ich mich auf eine IHK-Prüfung vorbereite. Tatsächlich gehe ich auch zur Schule und befinde mich mitten in einem Vorbereitungsprogramm zur Psychotherapeutin HP ("kleiner Heilpraktiker"). Ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Also, das Pauken und die Prüfungsvorbereitung. Die Schulbank zu drücken, gefällt mir eigentlich wirklich gut. Ich finde es toll, auch mal nicht vorne zu stehen. Trotzdem steigt die Panik wöchentlich mit der Menge des Stoffes. Und über die schieren Ängste im Hinblick auf die Mühen einer eventuellen Praxiseröffnung will ich hier gar nicht erst reden. Obwohl ich natürlich schon weiß, worauf ich mich spezialisieren werde (Selbstakzeptanz und Essstörungen) und meine Dienste als Zuhörerin und Unterstützerin auch schon jetzt, sozusagen zu Übungszwecken, anbiete. Also auch Versuchskaninchen zahlen weniger.

Dann ist da noch der neue Kater.



Er tat genau das, was fast alle anderen Katzen in meinem Leben getan haben. Er fand den Weg zu meiner Terrassentür und zog ein. Er war komplett ausgehungert, zerstochen von Flöhen und Zecken und forderte lauthals jammernd und verzweifelt ein ruhiges Plätzchen sowie etwas Zuwendung. Er lief mir im Garten kreuz und quer hinterher wie ein Hund und kannte sich sofort bestens aus mit Katzenkorb, Katzenklo und Kratzbaum - nur mit Corbinian läuft es nicht so gut. Da will der Neue schlicht nicht begreifen, dass er besser einen Bogen machen sollte, und weil das so ist, ist Corbinian gestresst und kommt nun oft stundenlang nicht mehr von selbst nach Haus, sondern lässt sich regelmäßig von mir aus dem Garten abholen. Das ist ihm offenbar irgendwie sicherer. Wenn er in der Wohnung auf den neuen Mitbewohner trifft, kommt es in der Regel zu kleinen bis mittelschweren Fauchereien - nicht immer, aber immer mal wieder. Die Tatsche, dass der Kater Stress hat, stresst selbstverständlich auch mich. Und zwar wahnsinnig. Es scheint mir alles fürchterlich unfair, schließlich war Corbinian zuerst da. Und ich überlege, ob ich dem Neuen vielleicht doch woanders ein gutes Zuhause verschaffen könnte/sollte. Aber auch der Gedanke daran, ihn wegzugeben, erfüllt mich mit vorauseilendem Bedauern und mit Schuldgefühlen. Wenn der rote Kater bleibt, wird er Gustav heißen.

Nebenan schleppen sich die Bauarbeiten so dahin. Was seit letzter Woche aber immer ohne nennenswerte Unterbrechung läuft, ist das Radio. Dummerweise haben die Betreiber der Freilichtdisco (die Bauarbeiter) einen scheiß Musikgeschmack. Als heute "Ein bisschen Frieden" durch die Straße hallte, dachte ich für einen Moment, das Ende meiner Zündschnur sei erreicht. War sie nicht. Das kommt dann aber noch - ich kann es spüren. Irgendwann werde ich vor Wut über den ganzen Lärm und Dreck anfangen, so zu kochen, wie mein Computer.

Jepp, in einer wirtschaftlich zutiefst angespannten Situation gibt mein wichtigstes Arbeitsmittel nun beinahe täglich wegen Überhitzung den Geist auf, und steht neuerdings auf vier kleinen Füßchen, damit die Luft darunter besser zirkulieren kann. Es bleibt spannend, ob die Maschine und ich es gerade noch schaffen, über die  Ziellinie zu humpeln, oder ob wir vorher zusammen im Chaos versinken werden.

Was das Aussortieren angeht, bin ich jetzt übrigens bei 387 Gegenständen angelangt.

Während ich all dieses erzähle, denke ich, dass ich das vielleicht gar nicht sollte. Insbesondere nach der Veröffentlichung meines letzten Vlogs und des Monologs über Online Dating und enttäuschte Liebe hatte ich das bisher eher seltene Gefühl, mich womöglich doch zu sehr ausgeliefert zu haben, und dass es vielleicht in Zukunft womöglich gesünder wäre, mein Innenleben weniger im Außen zu verbreiten. Man muss nämlich nicht nur regelmäßig die eine oder andere unangemessene Reaktionen aushalten, sondern vor allem auch das mögliche Schweigen. Bloß weil man sich entscheidet, seine Seele ins Schaufenster zu legen, hat man keinen Anspruch darauf, dass andere sich die Nase am Glas platt drücken, um sie zu sehen. Es kann sein, dass sie gar nicht von besonders großem Interesse ist, egal wie sehr sie glüht. Und so kann es offenbar auch passieren, dass von tausend Menschen, die einen Blogpost über ein Video lesen, nur ein paar das Video auch wirklich ansehen. Es ist ein Rätsel, aber ich habe das Gefühl, ich will die Lösung auch gar nicht unbedingt wissen.

Und so werde ich mich zukünftig wieder und noch sehr viel mehr auf die Betrachtung und Analyse von medialem Fatshaming konzentrieren. Ein besonders ärgerliches Beispiel fand ich dann auch vor ein paar Tagen in einer Broschüre, die in meiner hamburger Bücherhalle (aber auch an der Uni quasi stapelweise) auslag: "Vegan - Die gesündeste Ernährung" herausgegeben vom Mediziner Ernst Walter Henrich.

Henrich unterspritzt beruflich offenbar Falten, betreibt eine Stiftung, die in Spanien eine Art Gnadenhof unterhält, hatte einen veganen Hund, der mit neunzehn Jahren verstarb und ist mittlerweile berühmt für seine Militanz, die ihn immer wieder, und auch in besagter Broschüre, dazu verleitet, die Haltung von Nutztieren mit dem Holocaust gleichzusetzen. Auf Seite 4 und 17 finden sich zwei Abbildungen. Ich werde sie hier nicht zeigen, aber auf der Homepage von Henrich (die ich nicht verlinke) sind sie auch zu sehen: Die eine stellt einen schlanken, nackten männlichen Oberkörper mit stark definierten Bauchmuskeln und einem Apfel in den Händen einem dicken, ebenfalls nackten und männlichen Bauch gegenüber, dem die Hose fast platzt und der einen Hamburger in der Hand hat. Die zweite stellt dem Portrait eines Mannes mit ketchup- oder impliziert blutverschmiertem Doppelkinn ein schwarzes, weinendes Kind mit einem Hungerbauch gegenüber. Ich schrieb dem Autor die folgende Nachricht:

Hallo Herr Henrich,
ich finde das Fatshaming, das Sie mit Ihren beiden zentralen Abbildungen auf der Homepage und in der Broschüre (S. 4 und inbesondere S. 17) betreiben, unerträglich. Offenbar nehmen Sie es mit der Menschenwürde aller Menschen nicht ganz so genau, wie man vielleicht erwarten dürfte.
Es gibt mittlerweile sehr viele dicke Veganer und weiterhin nur vergleichsweise wenige mit einem Sixpack. Die wahre Welt wäre hier vielleicht mal einen Blick wert. SO dürften Sie der Sache mitunter eher schaden als nützen. Und das ist obendrein ausgesprochen ärgerlich.
Mit freundlichen Grüßen
Nicola Hinz

Ich erhielt darauf die folgende Antwort:

Das ist bewusst so ausgewählt. Und es bleibt so.
Mit den besten Grüssen
Ernst Walter Henrich

Mein erklärtes Ziel ist bekanntlich, dass es nicht so bleibt. Jedenfalls nicht immer und überall.

Oh, ist es wirklich schon wieder so spät?...



NH

Montag, 2. Mai 2016

Walking Vlog #2: Die dicke Dame sucht die Liebe (nicht mehr)

Ich habe mich also wieder auf die Socken gemacht und habe die Kamera mitgenommen*. Dummerweise hatte ich vom letzten Mal wenig gelernt (oder schon wieder alles verdrängt) und so habe ich auf den Wind das himmlische, nervige Kind natürlich wieder überhaupt nicht geachtet. Mit dem unbefriedigenden Ergebnis, dass ich an einigen Stellen Untertitel einblenden musste, so als wäre ich mit einem sehr exotischen Dialekt in eine Doku-Soap geraten...

Die Themen Liebe und Partnerschaft sind bekanntlich keine, bei denen ich zu den Gewinnerinnen gehöre. Und dieser Beitrag wird vermutlich der letzte zum Thema sein - es sei denn, ich mache im Zuge des Thin Privilege Projektes noch erhellende Erfahrungen auf dem Gebiet.

Oder ich schwinge mich doch noch einmal einsam und verfügbar dreinblickend auf einen Barhocker. Das passiert aber nicht absehbarer Zeit - auch deshalb nicht, weil mir Zeit und das Geld für Cocktails fehlen - und bei meinem Glück mit den Männern müsste ich mich vermutlich den ganzen Abend auf eigene Kosten mit Flüssigkeit versorgen. Selbst dann, wenn einer anbeißt...

Das ist überhaupt ein Punkt, den ich im Vlog gar nicht angesprochen habe, obwohl ich ihn mir auf meine Stichwortliste gesetzt hatte: Wenn Männer mit einem einzigen Aspekt der Emanzipation WIRKLICH GANZ UND GAR NICHT UND NIEMALS UND UNTER KEINEN UMSTÄNDEN EIN PROBLEM haben, dann damit, dass sie nicht mehr automatisch diejenigen sind, die die Rechnung zahlen. Eigentlich ist es meiner Erfahrung nach eher so, dass sie automatisch nicht mehr die sind, die einladen. Dafür finden sie aber überhaupt nichts dabei, sich automatisch einladen zu lassen und so lassen Professoren, die zehn Jahre älter sind als ihr Date, dieses anstandslos den Kaffee zahlen. Nicht alle, wohlgemerkt. Aber fast alle und unabhängig davon, wie gut es ihnen finanziell geht...Seufz.

Das war es also. 

Ein "Lebens-Update" gibt es im nächsten Blogbeitrag. Ich bin schon gefragt worden, wo ich denn bin, und dazu kann ich nur sagen: Weiterhin so ziemlich außer mir. Aber dazu später mehr. Hier kommt jetzt das Filmchen. Links zu alten Beiträgen aus meiner Dating-Geschichte findet ihr darunter.

Dienstag, 12. April 2016

Follow me around 45: Homestory





Was ich unter meinem Computer fand

2 Blaubeeren - halb matschig, halb vertrocknet.

Das Projekt, in dreißig Tagen 500 Gegenstände aus meinem Haushalt zu entfernen, ist zunächst einmal gescheitert. Die dreißig Tage sind seit 4 Tagen vorüber, und ich bin noch immer erst bei Gegenstand Nr. 243. Ich hatte mir das Ganze leichter vorgestellt. Aber das entmutigt mich nicht wirklich, denn ich werde einfach weiter Buch darüber führen, was rausfliegt, weil es einen dazu erzieht, genau hinzusehen, wo sich die Möglichkeit jeweils ergibt, den Haushalt auszudünnen. Und irgendwann werde ich die 500 erreichen. Und vermutlich noch immer weitermachen. An einigen Stellen, vielleicht auch im Keller, den ich in den letzten Jahren Xmal aber eben in den vergangenen Wochen noch nicht ausgemistet habe, werde ich womöglich die Methode der Beraterin Marie Kondō anwenden. Beim Aussortieren rät sie dazu, in Kategorien vorzugehen und alle Mitglieder der Kategorie, die sich im Haus befinden, an einem Ort zusammenzutragen. So beginnt man die Arbeit dann mit einem Haufen aller Bücher oder aller Küchenutensilien. Der dann folgende Auftrag ist, den Haufen in einem Rutsch abzuarbeiten, indem man sich bei jedem Gegenstand fragt, ob er "einem Freude bereitet". Alles, was diesen Test nicht besteht, muss raus. Während mir das für die meisten Bereiche zu rabiat und auch nicht sehr realistisch erscheint, wäre es für die Kisten mit Weihnachtsdekoration vielleicht ganz sinnvoll.

Was ich beim Aussortieren allerdings auch immer deutlicher lerne und über mich selbst erkenne, ist, dass ein plötzlicher Verlust von Dingen oder ein deutlicher Rückgang der Vorräte (z.B. Gesichtscreme oder insbesondere Katzenfutter) tatsächlich mitunter ein regelrecht nagendes, irrationales Gefühl der Unsicherheit und sogar Armut, aber auch des Verlassenseins erzeugen kann. Darum füllen sich hier bei mir Lücken auch immer wieder so schnell. 

Andererseits habe ich einen  Horror vor "dunklen Ecken" (z.B. hinterm Klo oder unter dem Waschbecken in der Küche) und vor der Ungewissheit über die Inhalte von Behältnissen...darum auch der weiterhin andauernde Prozess, alles mit Etiketten zu versehen. 

Mitterweile bin ich zu dem Schluss gekommen, das ich schlicht ein diffiziles Gleichgewicht erreichen (noch lange nicht da) und dann erhalten muss. Und obwohl ich mich viel mit Minimalismus in der Lebensgestaltung beschäftigt habe und die Idee wirklich attraktiv finde (ich war schon vor über 10 Jahren eine begeisterte Leserin von Küstenmachers "Simplify Your Life"), ist sie vermutlich nicht gut für mich. Und ehrlich auch unmöglich.

Ebay 

...war früher besser. Da - ich hab's gesagt. Ich bin eine nörgelige Omama, und ich habe ebay echt satt, nachdem ich den Service nach Ewigkeiten mal wieder und erst seit zwei Wochen genutzt habe. Ich finde die Seite, ihre Menüpunkte, Führung und Abfolge zum Teil erstaunlich unübersichtlich, unlogisch und sie scheint technisch ohnehin oft am Rande des Zusammenbruchs vor sich hinzuschlottern. Aber vielleicht hatte ich auch nur sehr viel Pech.

Dann war da noch das Ärgernis, dass von bisher sieben Verkäufen zwei nicht zustande kamen, weil die Käufer ihre Rechnung nicht mehr bezahlt haben. Das war mir in den zehn Jahren davor noch nie passiert. Hm, moderne Zeiten...

Konsumstreik

Obwohl ich nun schon das letzte 30-Tage-Selbstoptimierungsprojekt nicht wirklich zufriedenstellend abgeschlossen habe, spiele ich mit der Idee, schon wieder eine weitere Herausforderung anzunehmen. Diesmal geht es darum, für dreißig Tage nichts zu kaufen, bzw. kein Geld für irgendetwas auszugeben, das nicht zu den fixen monatlichen Kosten (Miete, Versicherungen, etc.) gehört. Also...für fast nichts. Es ist sehr wohl zulässig, ein paar Einschränkungen zu machen, damit das Leben nicht gar zu unerträglich wird. Ich würde hier weiter Klopapier, Katzenfutter, Cola Light und Benzin auf der Einkaufsliste erlauben. 

Abgesehen davon müsste ich aber tatsächlich Vorräte aufbrauchen und verzichten. Das würde mit einer Klatsche gleich mehrere Biester erwischen. Ich sollte wirklich sparen, und würde es im Zuge dieses Experiments zwangsläufig tun. Ich muss Sachen aufbrauchen, um alte Bestände loszuwerden und mich weniger eingeengt zu fühlen, und das würde ich auf diese Weise schaffen. Außerdem käme, wenn alles glatt läuft, kein neuer Kram dazu. Und ich würde mir mal wieder vergegenwärtigen, mit wie viel weniger ich auskommen kann, wenn ich muss / es mir fest vornehme. 

Ein Hauptgrundsatz bei der Umsetzung dieses Projektes ist natürlich, dass man spontan beginnen muss. Ohne Vorbereitung und selbstverständlich ohne vorherige Hamsterkäufe für die Vorratskammer. Und darum beginne ich...jetzt.

NH