Bei den Themen Krankheitsrisiko Übergewicht sowie Fett-Akzeptanz laufen mir gleichermaßen regelmäßig die Abonnentinnen weg. Was soll mir das sagen? Beides ist offenbar nichts, womit man einen Blumentopf gewinnt. Ist ja klar. Sonst gäbe es davon ja auch mehr auf Hochglanz-Titelblättern zu sehen. Wäre ich also Redakteurin eines Frauenmagazins, dessen Kampf um die Auflage täglich gefochten wird – was würde ich tun? Riiichtig: Tun, was sie alle tun und noch einen schicken Diät-Plan und noch mehr Motivationstips posten…Oder noch mehr zum Thema Pro Ana, denn das scheint ein echter Renner zu sein. Es stellt sich die Frage, was die meisten neuen Leserinnen hofften zu finden, als sie über die Eingabe des Suchbegriffs Pro Ana via Google bei uns gelandet sind. Ich frage mich auch, wie es mit den Leserinnenzahlen aussehen würde, wenn ich es machen würde wie Kenneth Tong.
Im Jahr 2009 war der Herr Tong sage und schreibe 5 Tage im britischen Big Brother Camp. Der für die Sendung zuständige Psychologe bezeichnete ihn danach als einen „Soziopathen wie aus dem Lehrbuch“. Seine warholschen 15 Minuten im internationalen Scheinwerferlicht verschaffte er sich allerdings, als er Anfang des Jahres bei Twitter eine Kampagne startete, in der er angeblich den baldigen Vertrieb einer „Size Zero Pill“ ankündigte, im Vorfeld von „kontrollierter Anorexie“ schwafelte und fässerweise Häme und Bösartigkeiten über nicht-dünnen Menschen ausschüttete. Was folgte war – wie nicht anders zu erwarten – eine Welle von Empörung. Prominente, allen voran Rihanna, verlangten von Twitter, den gemeingefährlichen Herrn Tong zu stoppen und sein Konto zu sperren. Der hatte innerhalb weniger Tage mehr Presse generiert, als sich vermutlich selbst einer wie er je in seinen wildesten Träumen ausgemalt hätte: Von Grazia, über die Sunday Times bis zum Guardian sprangen sie alle auf den Zug des Soziopathen Tong. Und hätten letztendlich allesamt kostenfrei Werbung für ihn und seine Diät-Pille gemacht. Denn wo viel laute Missbilligung wütete, da war natürlich ebenso viel Neugier, Interesse und Zuspruch – u. a. direkt von der zukünftigen Zielgruppe auf Twitter. Doch Tong beendete das Ganze, bevor der Rummel noch größer wurde, indem er erklärte, es habe sich alles nur um ein „Medienexperiment“ gehandelt, das allerdings erschreckend glatt gelaufen sei. Er distanzierte sich von „Managed Anorexia“ und kündigte an, einer britischen Organisation zur Bekämpfung von Essstörungen einen substantiellen Betrag spenden zu wollen. Die Frage, ob Tong wirklich vorgehabt hatte, eine Size Zero Pill auf den Markt zu bringen, wird ungeklärt bleiben. Wenn das tatsächlich sein ursprünglicher Plan gewesen sein sollte, dann war er längst nicht so skrupellos, wie alle gedacht hatten. Denn er musste schließlich die Küche verlassen, weil es ihm dort zu heiß wurde. Offenbar ist es unter bestimmten Voraussetzungen unmoralisch, Menschen zu sagen, sie sollen dünn werden. Es sei denn, sie sind dick - dann ist es quasi eine Bürgerpflicht. Oder man nennt es „komplette Nahrungsumstellung“. Dann ist es auf so gut wie jeden anwendbar, aber scheinbar längst nicht so anstößig wie Tong’s „You deserve a skinny body“. Ich habe es schon einmal gesagt, aber ich sage es immer wieder gern: Die Küche, die Tong zu heiß wurde, ist die selbe, in der sich Fotoredakteurinnen, Modelagenten und Modeschöpfer Tag für Tag gemütlich einrichten.
Moral hin und/oder her. Das Schuld-Karussell in den Medien dreht sich für alle Körperformen. Zu dick, was immer das ist, ist in der Regel schlecht. Aber zu dünn, was immer das ist, ist es mitunter auch! Wobei hier bei der Bewertung oft schlicht und ergreifend die Platzierung der Kamera den Ausschlag gibt. Wird Angelina Jolie, um deren aderdurchzogene, magere Unterärmchen* sich alle Jahre wieder Journalisten in aller Welt so große Sorgen machen, tatsächlich nun schon seit Anbeginn der Zeit immer dünner und dünner UND kränker und kränker UND gestörter und gestörter? Und wenn ja, wie schafft sie es bloß, dabei am Leben zu bleiben und Filme zu drehen? Oder ist sie seit Jahren einfach nur…dünn? Und wieso können wir sie es nicht einfach sein lassen? Weil wir alle wissen, was gut für sie ist, aber sie einfach nicht hören will? Das kommt der dicken Dame irgendwie bekannt vor. Während die Maßregelung des übergewichtigen Körpers allerdings in der Hauptsache auf echter Abscheu basieren dürfte (sowie auf der Angst und Selbstverachtung des „normalgewichtigen“ Betrachters), ist es beim untergewichtigen Körper vielleicht doch eher Neid. Weil da jemand verdammt nah am medial vermittelten Ideal dran ist. Dass man den eigenen Körper nicht kurzerhand gestalten kann, wie man will, ohne dass man sich rechtfertigen bzw. erklären muss, dürfte auch fast jeder wissen, der jemals eine Schönheitsoperation hat machen lassen. Schönheitsoperationen sind wie Crash-Diäten: Das Ergebnis ist oftmals durchaus erstrebenswert. Der Weg dahin jedoch ist in den Augen des Publikums weiterhin eigentlich unzulässig. Unehrlich. Riskant.
Ein GUTER Körper wäre einer, in dem sein-e Besitzer-in Frieden und Selbstbestimmtheit leben kann, egal was für eine Form er hat. Wer hat so einen Körper? Ich nicht. Nicht weil er dick ist. Weil mir Mut und Kraft dazu fehlen. Noch.
Hilf‘ mir, dünn zu werden, damit ich endlich einmal das Gefühl habe, verdammtnochmal irgendetwas wert zu sein.** Wer hat sich je wertlos gefühlt, weil irgendetwas an seinem Körper zu dick war? Wem kommen solch tiefe Verzweiflung und Verletztheit bekannt vor? Einfach mal die Hand heben…na also. Muss man eine 16-jährige Drama-Königin, um die Dringlichkeit und tiefe Traurigkeit dieses Wunsches zu begreifen? Ich denke nicht.
In den letzten Tagen ist mir gleich zweimal das passiert, was ich vorher eigentlich nur aus den Berichten anderer dicker Menschen kannte – spontane Beschimpfung und Beleidigung durch wildfremde Leute. In Geschäften. Das eine war in der Tat eine Verkäuferin, die sich bei ihrer Kollegin über mich und meine Kleiderwahl ausließ (genau genommen echauffierte sie sich über die Größe des Kleides, das ich kaufen wollte), während ich im Prinzip neben ihr stand. Sie wusste, dass ich sie genau hören konnte. Aber es war ihr egal. Erst begreift man es nicht so recht. Und dann weiß man echt nicht, was man machen soll. Ärgert mich immer noch, aber so war es. Und ich habe nichts gesagt. Nur erstaunt geguckt...Allerdings halte ich mir noch immer die Option offen, ihrem Arbeitgeber mitzuteilen, dass es vermutlich langfristig besser fürs Geschäft ist, wenn das Personal erst dann lautstark über die Kundschaft herzieht, wenn diese die Ware bereits bezahlt hat…Und dann ging ich gestern in ein Möbelgeschäft, weil ich dachte, da sei man sicher vor den Verkäufern – zumindest solange man sich mit seinem Elefantenhintern nicht auf Kinderstühlchen quetscht. Dummerweise hatte ich nicht mit den anderen Kunden gerechnet. Ich ging an einem Tisch vorbei, an dem eine andere Frau auch vorbeigehen wollte. Sie wich dann zwar aus, aber nicht ohne mir etwas entgegen zu zischen, von dem ich nur das letzte Wort verstand: FETT! Erstaunlich wie weh das tut, wenn man ehrlich ist. Und dann ertappt man sich dabei, wie man darüber nachdenkt, dass man doch schon viel fetter war als heutzutage - warum geschieht einem das denn ausgerechnet jetzt? Als ob man es früher eher verdient hätte, so behandelt zu werden. Man sucht doch tatsächlich nach Gründen, oder gibt sich gar selbst die Schuld. Wie ein dickes, fettes Veilchen zieht man beschämt den Kopf ein und versucht, sich im moosigen Schatten unsichtbar zu machen. Nach all der Zeit und der Erfahrung, die man hat. Dabei gibt es nur einen Grund, warum einem so etwas passiert: Die, die da pöbeln, sind Idioten. So einfach ist das. Das nächste Mal, wenn jemand dir als dicker Dame auf welche Art und Weise auch immer nahelegt, dich zu verstecken, dich zurückzunehmen, den Mund zu halten, oder es endlich gut sein zu lassen, verpass‘ ihnen eins – ein Veilchen.
Aber wo wir gerade über Kleider sprechen: Ich bin ja immer noch auf der Suche nach MEINEM Kleid, nach dem Kleid, das wirklich sagt, wer ich bin und das ich TROTZ MEINER GRÖSSE GERN IN MEINER GRÖSSE HÄTTE, aber im Laden nie bekommen werde, so dass ich es werde nähe lassen müssen. Und ich glaube, ich habe es u. U. doch schon gefunden. Vielleicht sogar in Gelb. Aber vielleicht auch eher in Mauve. Da bin ich noch unentschieden. Na, was meint ihr - wie würde das hier wohl in einer Größe 46 aussehen? Die Vorstellung muss man auch erst einmal aushalten, nicht wahr? ; )
Grundsätzlich habe ich ja gesagt, dass ich weiterhin plane, Gewicht zu verlieren. Was allerdings das Rohkostprogramm betrifft...da werde ich nun doch lieber auf Entwarnung warten. Ich hasse eigentlich Panikmache und habe trotzdem schweren Herzens Gurken entsorgt. Aber über den nächsten Salat werde ich dann auch aus gegebenem Anlass den wunderbaren Veilchenessig gießen, von dem ich durch Shushans Blog erfahren habe.
*Ist ganz interessant! Einfach mal googeln: Angelina Jolie veins – der letzte Eintrag auf der ersten Ergebnisseite ist bereits von 2006.
**helpmegetthin.tumblr.com ist ein Pro Ana Motivationsblog
NH
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Sonntag, 29. Mai 2011
Freitag, 27. Mai 2011
Zwischenruf: Guten Abend, ich bin das Seemonster
Wenn schon Witze über Dicke, dann von jemandem, der weiß, was er tut:
NH
NH
Sonntag, 22. Mai 2011
AUS DEM ARCHIV: Pro Ana - die Religion des Verhungerns
Der folgende Text wurde 2007 bereits bei candybeach.com veröffentlicht - damals (bezeichnenderweise) unter der Rubrik "Body Watch". Er beschäftigt sich mit der Subkultur Pro Ana, deren Ausgangspunkt und Grundlage Magersucht ist. Ich stelle den Artikel hier aus gegebenem Anlass nochmals zur Information für alle Interessierten ein, weil ich gerade an einem neuen Blogpost arbeite, der sich ebenfalls mit dem Thema "Essstörungskultur" beschäftigen wird.
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„Man kann nie zu reich oder zu dünn sein.“ Wallis Simpsons Zitat ist einfach so wunderbar zickig, ironisch und übertrieben, dass ich es gerahmt und auf meine Fensterbank gestellt habe. Ironie muss man allerdings als solche erkennen und verstehen. Fehlt dieses Verständnis, kann es verdammt unangenehm werden – sowohl für die direkt Betroffenen als auch für das erschrockene Publikum. Das Publikum wäre in diesem Fall ich – und wie es einem manchmal im Kabarett oder bei Zaubervorstellungen passieren kann, besonders dann wenn man in der ersten Reihe sitzt, gerät man leicht in Gefahr, unbeabsichtigter Weise ein Teil des Spektakels zu werden.
Pro Ana (Pro Anorexie) ist kein ganz frisches Phänomen. Die „Bewegung“, deren Anhängerinnen Anorexie nicht (nur) als gefährliche Essstörung verstanden wissen wollen, sondern vielmehr als ästhetisches Manifest und Lifestyle, entstand bereits vor Jahren in den USA und hat sich seitdem mit rasendem Tempo ausgebreitet – auch deshalb, weil nicht geringe Teile des Publikums im Verlauf der Entwicklung in die Show eingestiegen sind – schlicht weil sie ohnehin anfällig und damit leichte Beute waren. Weil sie sich zu dick und hässlich fühlten und davon träumten stattdessen schön und schlank zu sein und die Nahrungsaufnahme des eigenen Körpers endlich unter Kontrolle bringen wollten, um dieses Ziel zu erreichen. Pro Ana macht ihrem Namen alle Ehre und leistet ganze Arbeit im Dienste der Mitgliederrekrutierung und der Verbreitung einer lebensgefährlichen Krankheit – der Magersucht. Es gibt eine eigene Pro Ana Subkultur, die ihre eigenen Symbole hat (Libellen, Schmetterlinge, Feen sowie einen Farb-Code, der anzeigt, ob man Pro Ana (rot) oder Pro Mia (Bulimie, lila) ist) und ihre eigene spezifische Bilderwelt, in der Mode und Märchenromantik mit einer morbide-schicken Szenerie der stilisierten Selbstzerstörung und Verzweiflung kombiniert werden.
„Thinspirations“ – Sammlungen von Bildern von superdünnen Mädchen und Frauen sind ein zentrales Element der Subkultur. Manche Bilder sind zusätzlich bearbeitet, um die abgebildeten Frauen noch abgemagerter aussehen zu lassen. Hervorstehende Beckenknochen und deutlich hervortretende Rippen sind hierbei offenbar von besonderem Interesse. Die Bilder sollen dazu motivieren, „durchzuhalten“ und natürlich immer dünner zu werden. Gleichzeitig schaffen und stützen Sie den grundsätzlichen atmosphärischen Hintergrund für die Bewegung. Pro Ana ist eine weibliche Kultur, und sie romantisiert konsequent das Leiden des ewigen Mädchens in einer rauen, plumpen Welt. Außerdem gibt es da Anas zehn Gebote. Gebot 1 lautet: Wenn du nicht dünn bist, bist du nicht attraktiv. Gebot 2 besagt: Dünn zu sein ist wichtiger, als gesund zu sein. Und - als hätte man es nicht schon geahnt – lautet das 9. Gebot: Du kannst nie zu dünn sein. Die Bewegung hat sogar ihre eigene Ernährungspyramide, der zu entnehmen ist, dass das Hauptnahrungsmittel Wasser sein sollte, gefolgt von Diät-Pillen und Light-Getränken.
Trotz periodischer öffentlicher Aufschreie, wenn das Thema mal wieder zum Thema gemacht wird, blüht Pro Ana weiter. Daran hat auch die Tatsache, dass z. B. Internet-Service-Provider und Suchmaschinen wie Google versucht haben, Pro Ana-Inhalte zu begrenzen bzw. zu entfernen, nicht viel ändern können. Viele der einschlägigen Webseiten schotten sich mittlerweile mit Passwörtern ab, und so manches Pro Ana Forum gleicht einem elitären Club, für dessen Aufnahme man sich bewerben und dann empfohlen werden muss. Die meisten der Pro Ana Internet-Angebote, fordern Besucher auf, sich zunächst eine Erklärung durchzulesen, in der einerseits erklärt wird, dass man nicht wirklich „Pro Ana“ sei, sondern sehr wohl wisse, dass man es hier mit einer Krankheit zu tun hat, die man nicht verherrlichen sollte. Andererseits werden Besucherinnen gewöhnlich aufgefordert, wieder zu gehen, wenn sie nicht schon anorektisch sind, weil der Besuch der Website eine Essstörung „triggern“, also erst hervorrufen könnte. Dass es auf den meisten dieser Seiten nicht um Romantisierung der Anorexie und des Verhungerns geht, sondern um das „Leben mit einer Krankheit“ geht, dürfte mehrheitlich ganz klar eine Schutzbehauptung und somit schlicht nicht wahr sein – ihre optische und auch inhaltliche Ausstattung sprechen zumeist eine andere Sprache. Dass diese Seiten „triggern“, also zu einem Ausbreiten der Magersucht erheblich beitragen, ist hingegen erwiesen.
Nun hatte ich ja eigentlich vor, mich an dieser Stelle auch mal mit Themen zu beschäftigen, die nicht Diät-bezogen sind, aber nun geht es heute doch nicht anders. Denn: Ich sitze in der ersten Reihe – das wurde mir bei der Recherche in der schaurigen Welt der „Pro Ana“ klar. Ich bin eigentlich AUCH immer wieder mit meiner Kleidergröße befasst. Ich würde AUCH gern weiterhin Gewicht verlieren. Ich will AUCH auf keinen Fall wieder zunehmen. Ich wünsche mir AUCH immer mal wieder, meine Selbstkontrolle in Bezug auf Essen wäre verlässlicher und besonders die im Internet zu findenden Pro Ana „Thinlines“, die helfen sollen, diese Kontrolle über den eigene Hunger auszuüben, kommen mir irgendwie bekannt vor: „Nichts schmeckt so gut, wie dünn zu sein sich anfühlt.“ Oder: „Der Unterschied zwischen Wollen und Brauchen ist Disziplin.“ So etwas hatte ich garantiert auch schon am Kühlschrank zu stehen – zumal ich ohnehin eine Freundin der positiven Selbstsuggestion bin. Vor diesem Hintergrund jedoch, muss man doch schlucken. Und ist ein bisschen entsetzt. Ich finde sehr schlanke Körper AUCH schön (schöner als meinen) – und vieles von dem, was den Pro Anas als „Thinspiration“ dient, sehe ich mir AUCH gern an. Jede Frau, die ein Abo für ein beliebiges Hochglanz-Modemagazin hat, tut das. Deshalb ist Pro Ana so erfolgreich und so gefährlich: Weil die meisten von uns ohnehin schon ein wenig Pro Ana sind. Wie gesagt, man muss verdammt gut auf sich aufpassen. Der Weg von der Überesserin zur Nichtesserin, von der einen Essstörung zur anderen ist weniger unwahrscheinlich, als man vielleicht denkt. Ich würde gern schließen mit einem Zitat aus meiner Lieblings-Fernsehsendung „Absolutely Fabulous“: Es muss ein wirklich besonderer Moment sein, wenn Frauen auf dem Friedhof endlich das Gewicht erreichen, das sie immer haben wollten.“ Wallis Simpson war keine Idiotin – sie hat es NICHT ernst gemeint. Wer zu dünn ist, wird sterben. Punkt.
NH
Samstag, 14. Mai 2011
Körper sind politisch!
"Fat Bottomed Girls" von Kim Selling:
NH
"SKINS" Open Mic: Kim Selling from Champ Ensminger on Vimeo.
NH
Eat rice!
So, nun kommt die große Frage: Kann man auch dann noch Fett-Akzeptanz-Aktivistin sein, wenn man dünn ist? Oder ist das, als würde man als Tierschützerin Pelz tragen?
Denn, Kinners, so großartig ich die gerade erst entdeckte Möglichkeit finde, endlich eine stolze dicke Dame zu werden – meine Gesundheit macht mir nun doch in der Tat einen fetten Strich durch die Rechnung. Undefinierte Verdauungsprobleme, Brustkrebsverdacht, polyzystische (ups, Spuckeregen!) Eierstöcke, die offenbar aussehen wie Gewürzgurken, eine Gebärmutter, die in einer nie abebbenden Flut von Östrogen macht was sie will, ächzende Knie, geschwollene Füße und ein Blutzuckerspiegel, der unweigerlich eines schönen Tages zum Angriff blasen wird, wenn ich ihn lasse.
Das Ausmaß der Misere war nicht spürbar. Ich dachte eigentlich, ich wäre halbwegs gesund. Und dann ging ich zum Arzt. Das war vor anderthalb Jahren. Und seitdem bin ich tausend Tode gestorben. Hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Man könnte sich natürlich einfach dafür entscheiden, zukünftig wieder einen weiten Bogen um jede Arztpraxis zu machen. Theoretisch. Aber wer erst einmal im Panikkarussell sitzt, der steigt da so leicht auch nicht mehr aus. Schon gar nicht bei voller Fahrt. Wenn einem Heerscharen von medizinischem Personal im Team mit Medien und Fachliteratur nahelegen, dass man „das alles unbedingt abklären muss“, damit man sich im Falle eines Supergaus (soll für gewöhnlich heißen Krebs) nur ja nicht um die Möglichkeit einer Heilung bringt, dann springt man nicht mehr ab. Ehrlich, wer soll so viel Mut und Seelenstärke aufbringen?
Panik ist natürlich das Stichwort. Dicke Damen und Herren werden damit ja ohnehin gern übergossen – wie aus Kübeln. Mit Tabascosauce, damit es auch schön brennt. Wir wissen es ja bereits – wir sind alle des Todes (Krebs, Herzversagen, Narkoserisiken, Nierenversagen, Lungenembolien, usw.) – und besonders dicke Damen mittleren und höheren Alters laufen sozusagen stündlich Gefahr vom im Fettgewebe selbstproduzierten Östrogen über die Wupper befördert zu werden. Oder zumindest ordentlich Federn und Eierstöcke zu lassen – so wie ich gestern.
Das Problem ist und bleibt: Nicht Genaues weiß man nicht. Und auf dem Schlachtfeld der wissenschaftlichen Studien wird richtig Dicken wenig Hoffnung gemacht, dass ihr Gewicht nicht doch irgendwann zu Schwierigkeiten führen könnte. Selbst Udo Pollmer, die Stimme der Anti-Diät-Vernunft, legt sich bei einem BMI über 40 lieber nicht fest, und redet stattdessen sehr viel davon, dass ein paar Kilo mehr auf den Rippen besonders bei Senioren eher positiv zu bewerten sind. Was bitte genau sind „ein paar Kilo mehr“? Mein Verdacht ist: Auf die meisten von uns hier trifft weder das eine noch das andere zu. Als Errungenschaft gegen den Diätwahn galt vor zwei Jahren das Ergebnis einer kanadischen Studie (BMI and Mortality: Results From a National Longitudinal Study of Canadian Adults) das besagt, dass man mit einem BMI von 25 bis 29 die längste Lebenserwartung hat. Wobei alles über 25 weiterhin schon als übergewichtig gilt. Eine echte Revolution sähe anders aus. Eine echte Beruhigung auch.
Richard Klein, amerikanischer Literaturprofessor und Autor eines frühen Fett-Akzeptanz-Werkes (Eat Fat, 1996) stellte im Postskriptum seines Buches fest, dass „wenn Fett in medizinischer Hinsicht gefährlich wird und Abnehmen zu einer Frage von Leben und Tod, (…) nur noch eine Entziehungskur“ hilft. Zu diesem Schluss kam er trotz seiner Verehrung für dicke Schönheit, als seine Mutter im Schlaf beinahe an ihrem Übergewicht erstickte, weil es in bestimmten Lagen ihre Lunge zusammendrückte. Was er zu ihr ab da sagte, war:
„Eat rice.“
Kurzum: Ich hätte gern Frieden mit meinem dicken Körper geschlossen. Aber die Entscheidung kam just in einem Augenblick, in dem mein Körper mir, womöglich gerade weil er dick ist, scheinbar keinen Frieden mehr gönnen will. Ich mag keine Lebensangst. Ich mag keine Schmerzen. Ich mag keine Wartezimmer. Ich mag keine Krankenhäuser. Ich will in Zukunft möglichst wenig mit ihnen zu tun haben.
Um auf meine Frage eingangs selbst zu antworten: Die amerikanische Organisation NAAFA (National Association to Advance Fat Acceptance), die bereits seit 1969 gegen die Diskriminierung dicker Menschen kämpft, definiert ihre Ziele so: Unser Ziel ist es, eine Gesellschaft zu erschaffen, in der Menschen aller Körpermaße in allen Lebensbereichen Akzeptanz, Würde und Gleichheit erfahren.
Ich denke, das müsste eigentlich jeder unterschreiben können. Auch jeder, der nicht dick ist.
Nun werde ich also doch wieder dünn. Weil es für mich nicht anders geht. Ich habe vorsorglich den Abdruck meines dicken Körpers auf ein weiteres halbes Dutzend Leinwände gepresst...schließlich ist es nun der Plan, solche Bilder bald nicht mehr produzieren zu können.
Wenn die Fäden sich aufgelöst haben, filme ich dann meine ersten Push-ups - was für eine Freude. ; ) NH
Freitag, 6. Mai 2011
Der Club der dicken Damen
Die Mitgliedschaft kündigen und sich weiter auf der Straße zum Mittelmaß durchhungern, oder einfach Frieden mit dem Fett schließen? Das ist weterhin die Frage. Der Club der dicken Damen ist voll mit großartigen, schönen Frauen. Das hatte ich bisher überhaupt nicht wirklich begriffen. Hier ist jedenfalls als Zwischengang eine sehenswerte Doku zum Thema von Margitte Kristjansson:
ANMERKUNG (hinzugefügt am 15.01.2012): Leider ist an dieser Stelle nur noch der Trailer für den Film zu sehen - und der Erwerb der DVD ist offenbar auch ausschließlich für öffentliche Institutionen (Universitäten, Bibliotheken, etc.) vorgesehen, zu einem unerschwinglich hohen Preis. Eigentlich unverständlich. Sicherlich gäbe es eine große Zahl privater Käuferinnen. So bringt man eine Botschaft jedenfalls nicht flächendeckend unter die Leute. Und verdient vermutlich auch weniger Geld mit diesem Projekt, als man eigentlich könnte (sollte es darum gehen).
Die Website zum Film ist hier: The Fat Body (In)visible Website
NH
The Fat Body (In)visible from Margitte Kristjansson on Vimeo.
ANMERKUNG (hinzugefügt am 15.01.2012): Leider ist an dieser Stelle nur noch der Trailer für den Film zu sehen - und der Erwerb der DVD ist offenbar auch ausschließlich für öffentliche Institutionen (Universitäten, Bibliotheken, etc.) vorgesehen, zu einem unerschwinglich hohen Preis. Eigentlich unverständlich. Sicherlich gäbe es eine große Zahl privater Käuferinnen. So bringt man eine Botschaft jedenfalls nicht flächendeckend unter die Leute. Und verdient vermutlich auch weniger Geld mit diesem Projekt, als man eigentlich könnte (sollte es darum gehen).
Die Website zum Film ist hier: The Fat Body (In)visible Website
NH