Und - habt ihr’s schon gelesen? Na was wohl - Charlotte Roches „Schoßgebete“…Ich? Na um Himmels Willen…ich hab’s natürlich nicht gelesen...seid ihr verrückt, oder was? ; ) Man muss sich ja nun nicht noch extra Ärger aufhalsen, wenn im Leben eh schon alles so beschwerlich ist – der Kater hat eine Altersallergie und wir wissen nicht wogegen, und ich ändere dauernd die Stühle vorm Schreibtisch, weil ich dort so viel Zeit verbringe, dass ich nicht mehr weiß, wie ich sitzen soll. Mein Hintern, anders als der der Frau Roche, ist plattgesessen ein wie Mühlenrad.
Alice Schwarzer bezeichnet das Werk übrigens als „verruchte Heimatschnulze“…Und ich neige dazu, ihr zu glauben. Dass das deutsche Feuilleton sich beinahe geschlossen dazu verstiegen hat, mit vereinten Kräften aus dem Buch nach Roches „Feuchtgebieten“ einen zweiten Megaseller machen zu wollen, ist obendrein verdächtig…den Erfolg des Vorgängers des aktuellen Buches hatte die Autorin ja noch so erklärt: „Pimmel, Muschi und Aua – das interessiert doch alle.“
Woher ich nun über den Hintern der Frau Roche Bescheid weiß? Tja, in Ermangelung größerer Zeitfenster lese ich im Augenblick nur noch auf dem Klo. Und was liegt bei mir auf dem Klo? Die Zeit. Auf dessen Magazin-Cover Frau Roche als strenge Handarbeitslehrerinnenkarikatur verkündet: „Wenn ich keinen Sex habe, habe ich Angst.“ Ja…hm…bedauerlich für sie.
Im Gespräch mit Jana Hensel kommt dann heraus, dass sie in der Tat voller Angst ist. Angst, nicht ernstgenommen zu werden („Ich hasse Schriftsteller, die ernstgenommen werden wollen.“). Oder Angst, nicht krass genug zu sein („Aber wie so viele Süchte, die ich hatte, ging auch die (Anorexie) Dank der Therapie vorbei und wurde durch andere Süchte abgelöst: Alkohol, Shopping – you name it, I had it!“). Frau Roche ist also nach eigenen Angaben eine Sucht-Hopperin, bei der die „Süchte“ kommen und gehen, wie Mückenstiche. Das scheint der Natur einer Sucht grundsätzlich zu widersprechen. Aber das schreckt die Frau Roche nicht. Sie war „bis vor Kurzem noch magersüchtig“. Jetzt isst sie aber „was sie will, wann sie will.“ (Wie oft haben wir den abgegrabbelten, unfairen und überheblichen Satz eigentlich schon von Prominenten gehört?) Insgesamt kann man angesichts dieser Ausführungen nur staunen, wenn man selbst sich fast sein ganzes Leben lang mit einer Essstörung oder einer anderen Sucht herumgeschlagen hat.
Aber wovor hat Frau Roche nun am meisten Angst? Und warum ist sie im thematischen Rahmen dieses Blogs überhaupt von Interesse? Naja, sie hat halt obendrein eine SCHEISSANGST, hässlich zu sein. Es ist diese Angst, die sie – anders als alle anderen, die sie eher herzeigt wie Trophäen – versucht zu leugnen. Gleichwohl ohne Erfolg. Sie mag ein Opfer von Schönheits- und Schlankheitswahn gewesen sein. Aber sie besteht darauf, dass das jetzt nicht mehr so ist. Und dann wird das Ganze wirklich ärgerlich: „Ich verachte Frauen, die Yoga machen, um keine schlaffen Oberarme zu bekommen.“
Verräterisch ist jedoch auch der Raum, den die platitüdenfarbene Erörterung der Problematik körperlicher Attraktivität im Gespräch mit Frau Hensel einnimmt. Die sagt ihr, dass sie einen „geilen Arsch“ habe und dieses auch wisse. Vorher hat uns Frau Roche allerdings gerade mitgeteilt, dass sie für eben jenen Hintern gar keine Übungen mehr mache – da haben wir es wieder, dass Märchen von der Frau, die sich vom Schönheitszwang befreit hat, aber trotzdem ein straffes Hinterteil besitzt. Es war die Allgegenwart retuschierter Frauenbilder, die sie krank gemacht hat, aber nun ist sie ja wieder gesund. Sie findet Frauen, „die langsam verfallen viel schöner“. Dummerweise sind es die gerade diese „Verfallenden“, denen sie bereits am Anfang des Gesprächs sanfte Geringschätzung entgegenbringt: „Einsamkeit, (…) das ist doch was für alte Leute, die zur Massage gehen, damit sie mal von jemandem berührt werden.“ Sexuell nicht attraktiv zu sein, davor hat sie selbst möglicherweise am meisten Angst – und macht Sexualität zu einem exklusiven Bewertungskriterium, das als Alternative zur bloßen Schönheit dient und das offenbar nur Auserwählte auf obskure Art und Weise anzuwenden wissen: „Ich sehe Menschen an, wenn sie lange Zeit mit niemandem geschlafen haben.“ Frau Roche kennt sich aus: „Mit 35 oder 40 ist die Gefahr, körperlich zu vereinsamen (…) sehr groß.“ Ich bin mir nun ziemlich sicher, dass sie regelmäßig beides – zumindest gedanklich – gegen andere verwendet: deren uncoole Vereinsamung sowie ihre fetten, klumpigen Pos. Im Leben würde ich ihr jetzt kein Buch mehr abkaufen, weil man ihr schlicht nichts abkaufen sollte. Alice Schwarzer hofft indessen auch, dass junge Frauen sich nicht zu sehr auf die gestörte Charlotte verlassen mögen, sollten sie auf der Suche nach Lösungen für persönliche Verwirrung sein, denn, so wendet sie sich an die ehemalige Freundin, „du hast nicht die Lösung, du hast das Problem.“
Ich sag es jetzt einfach mal – der „Ehrlichkeit bis zur Selbstaufgabe“ halber: Bloß weil Papier bedruckt ist, heißt das noch lange nicht, dass es irgendetwas anderes ist als Klopapier. ; )
NH