Sonntag, 1. April 2012

Keine Aprilscherze mehr

Also, zunächst ein Update zum vorangegangenen Beitrag - das dazugehörende Video kann man jetzt endlich auch in Deutschland sehen, und zwar nach wie vor hier.

Und dann noch das:

Ich mag ja immer das Erste von etwas. Jedem Anfang wohnt bekanntlich ein Zauber inne…wobei fraglich ist, ob das beim tausendsten Diät-Beginn immer noch stimmt. Und ob das dann ein echter Anfang ist. Oder doch wieder nur das Ende…

Aber wisst ihr was? Die vorangegangene Übung, das gestrige Erstellen der „Thinspiration“ aus purer Empörung, stellt sich heute für mich als wertvoller Katalysator heraus. Gerade unter der Dusche habe ich – vermutlich zum ersten Mal überhaupt – gedacht „ICH HAB‘ DIE NASE SO VOLL VON ALL DEM MIST!“ und es NICHT sofort wieder gedanklich zurückgenommen! Ich habe die erste Hälfte meines Lebens damit verbracht, mich in meinem Körper schlecht zu fühlen, und das passiert mir in der zweiten, wenn ich eine habe, nicht noch einmal! Mit 40 fängt das Leben an, und ich rede hier nicht mehr von Kleidergrößen. Und manchmal schlägt die Weisheit ein, wie ein Blitz. Ich habe meine Entscheidung getroffen – nach all dem Hin und Her seit dem Beginn des Liedes der dicken Dame: Dünn werd‘ ich nicht mehr.

Und morgen räume ich aus: Alles, was kleiner ist, als eine 44, fliegt aus dem Kleiderschrank und wird an dünnere Frauen gebracht – ohne Groll und ohne Zweifel. Mein Platzproblem im Schrank wird sich buchstäblich in Luft auflösen. Vieles von dem, was da drin ist, ist noch gar nicht alt – so wie die gelben Jeans in Größe 40, die ich als neues Motivationsstück erst vor ein paar Tagen nach Haus getragen habe, getrieben von einem jahrzehntelangen Programm, dass das alles schon irgendwie irgendwann klappen wird – weil es das einfach MUSS. Ich bin nicht groß darin, mich von Lebensträumen und -zielen zu verabschieden. Dass ich es freiwillig tue, dürfte für mich das erste Mal sein. Ich verbeiße mich gern in der Wade des Lebens, und lasse wirklich nur äußerst widerwillig etwas ziehen, was ich für unerledigt halte.

Ich war immer mal wieder schlank. Einfach so – als Kind und als Teenager. Und später nach Diäten. Im zweiten Fall bin ich immer schneller wieder dick geworden, als ich in den Spiegel gucken konnte. Im ersten, und das bedauere ich heute wirklich besonders, wusste ich es einfach nicht. Für mich und für alle anderen um mich herum war es irgendwie immer klar, dass ich zu dick war. Heute sehe ich mir Fotos an und wundere mich. Und wünschte mir schon, ich könnte mit diesem Körper noch einmal von vorn anfangen. Und mit dem, was ich heute weiß.


Das bin ich mit meiner Mutter in Portugal, als ich 9 war.


Hier war ich auf Sylt und 11 Jahre. Wenig später gibt es keine Strandbilder mehr von mir – Fotos im Badeanzug waren mir dann zu peinlich.

Ich hätte niemals eine Diät machen sollen. Meine erste im Kindergarten nicht – und die, die ich eisern über viele Monate eigehalten habe, um zum Abitur in ein rotes Kostümchen Größe 36 zu passen, erst recht nicht. Denn danach ging der Jojo-Ärger erst richtig los. Das mit dem Kostüm hat übrigens nicht hingehauen – das passte zur Abschlussfeier noch immer nicht ganz. War ich wieder mal zu dick – dick ist halt auch und vor allem eine Frage des Standortes. Und nun ist es ohnehin zu spät, über verschüttetes Slim Fast zu jammern. Was ich jetzt will, ist eine gemütliche 44 (realistisch betrachtet noch immer die größte Größe, die in regulären Geschäften noch zu bekommen ist) – für meine Knie, und um gut Langstreckenflüge und Theaterbesuche auszuhalten. Denn DAS ist mir im Leben wichtig. Allerdings muss ich dieses Ziel, die Größe 44, nun auch erst einmal erreichen. Und anders, als mit einer Diät im weitesten Sinne wird auch das nicht zu schaffen sein. Aber ich denke mir, nachdem der perfektionistische Überhang nicht mehr mitgeschleppt werden muss und das wahre und endgültige Ziel in Sichtweite gerückt ist, kommt Suppe kommt Rat.

NH

Auf der Suche nach der Mopsfledermaus

Ja, hat bisher super geklappt, mit meinem Vorsatz, in diesem Jahr mehr zu schreiben, ich weiß… ; ). Aber so geht es mir mit all meinen Vorsätzen, sogar damit, endlich meiner inneren Crazy Cat Lady mehr Raum zuzugestehen.

Zu meinem Erstaunen hat das faktische Brachliegen des Blogs jetzt aber nicht unbedingt dazu geführt, dass die Klick-Zahlen weiter abgesackt sind – tatsächlich sind sie so (hoch oder niedrig) geblieben, wie sie waren. Die Pessimistin würde nun sagen, es ist also völlig egal, ob du für diese Seite noch Texte produzierst oder nicht. Die Optimistin sagt sich – ist doch toll, ist nichts verloren. Und die Leserinnen schauen immer mal wieder, was du so machst. Beides stimmt wohl ein bisschen, aber tatsächlich sind die halbwegs unveränderten Leserinnenzahlen insbesondere in letzter Zeit das Ergebnis der Nachfrage für einen bestimmten Beitrag: AUS DEM ARCHIV: Pro Ana - die Religion des Verhungerns. Seit Bestehen dieses Blogs, ist er nicht nur der meistgelesene Eintrag, er wurde tatsächlich über ACHTMAL öfter angeklickt, als der zweitmeistgelesene. Weil er in Suchmaschinen unter dem Begriff „Pro Ana“ aufgeführt wird. Und das interessiert offenbar sehr viel mehr (meiner Vermutung nach weibliche) Menschen, als Fettakzeptanz, „politische Körper“, oder…naja, tote Katzen.

Eine weitere Erkenntnis der letzten Wochen ist, dass Bilder vielen Menschen sehr wohl erheblich mehr sagen, als Worte. Vielleicht hätte man das wissen können, aber ganz so klar war es mir dann doch nicht. Jeder Post eines Bildes auf dem frischen und ja auch noch immer gänzlich unerklärten und unkommentierten THE UGLY GIRL PROJECT hat mehr Publikum, als ein Blogbeitrag hier (na ja, mit einer Ausnahme eben). Gleichzeitig habe ich bestimmte Blogs von, zumeist amerikanischen, Fettaktivistinnen, verwaist vorgefunden. Oder Homepages von Projekten zur Fat Acceptance sind plötzlich nicht mehr auffindbar. Ich kann mir natürlich gut vorstellen, dass es oft einfach zu viel Energie kostet, mit einem dicken Körper zu leben und diesen dann auch noch in einem Umfeld verteidigen zu wollen, das entweder ablehnend oder schlicht überhaupt nicht interessiert ist. Und ich gebe gern zu, dass ich es bis heute ja noch nicht einmal groß versucht habe. Stattdessen koche ich wieder Kohlsüppchen zum Abnehmen…aber dazu kommen wir dann später.

Die Revolution der Dicken, sie findet nicht statt. Auch und schon gar nicht in der Welt der Frauenzeitschriften. Was Leserinnen bekommen, sind leere Versprechungen und die gelegentliche Dicke, die einem dann als Errungenschaft angepriesen wird und im Gesamtspektrum der Modemagazine dennoch exotischer ist als eine Mopsfledermaus.

Die These des Beitrags von 2007 war, dass wir alle ein wenig pro Ana sind. Und er beschreibt ein wichtiges Motivationsinstrument der „Bewegung“: Thinspos (Thinspirations) – Sammlungen von Bildern von dünnen Frauenkörpern, die dabei helfen sollen, die eigene Diät durchzuhalten, um das vorgegebene Schönheitsideal selbst zu erreichen. Ungeachtet all der Dinge, die ich auch gern hier erzählen würde, habe ich gestern ein kleines Experiment begonnen und mich durch die aktuellen Ausgaben der folgenden Frauenzeitschriften gearbeitet: Für Sie, Freundin, Petra, Brigitte, Lisa, Gamour, Elle, und die amerikanische März-Vogue (mit der dicken Adele auf dem Titel, aber das ändert nichts am Inhalt). Dabei war ich auf der Suche nach Material, das für Thinspos geeignet wäre, aber auch nach Abbildungen von „fülligeren“ also mindestens normalgewichtigen Frauen. Das Ergebnis habe ich erst markiert, dann gescannt und dann zu einer Thinspo (der besonderen Art) verarbeitet - mit der für dieses "Mini-Genre" charakteristisch dramatischen Musik (P.S. da hat die GEMA mir nun einen Strich durch gemacht, die Musik ist jetzt nicht mehr ganz so mitreißend ; )). Pro Ana folgt, wie erwähnt, rigiden ästhetische Richtlinien – das heißt, es muss auffällige Magerheit gezeigt werden. Stockdünne Beine und Arme, Schlüsselbeine oder Rippen sollten deutlich erkennbar sein. Ich habe mich zum Schluss hauptsächlich an Beine gehalten – Oberschenkel, deren Umfang dem meiner Oberarme zu gleichen scheint. Und ich bin fündig geworden. Insbesondere Anna Wintour, nunmehr legendäres Chefredakteurinnenmonster der US-Vogue, lässt einen diesbezüglich nie im Stich. Grundsätzlich gilt natürlich: je teurer die Publikation, desto aufwendiger die Modestrecken – und desto dünner die Models. Ich habe jede Abbildung berücksichtigt, also auch die enthaltene Werbung. Die gelben und organgefarbenen Streifen stehen übrigens für „dünn“, die pinkfarbenen für „dick“.


Das Ergebnis spricht für sich. Wir haben nach wie vor alle unsere tägliche „Thinspiration“ auf dem Kaffeetisch rumzuliegen. Hier ist nun das Ergebnis meines Filmschaffens; "Triggerwarnungen" kann ich mir angesichts der oben genannten Quellen der Bilder eindeutig getrost sparen.

NH