Rückblick September: Ach, und ich war ja in London. Und ich habe noch gar nichts darüber geschrieben. Nun, dieses hier ist auch eigentlich kein Reiseblog. Aber erstens: Ist ja mein Blog, kann ich hier schließlich machen, was ich will. Und zweitens reist man ja auch immer ein wenig zu sich selbst, wenn man unterwegs ist. Natürlich lernt man an einigen Orten mehr über sich als an anderen. Drittens geht es hier um Essen, das es eigentlich verdient, ohne wabernde Schuldgefühle gegessen zu werden. Ein englisches Sprichwort behauptet ja, man könne seinen Kuchen nicht behalten und ihn obendrein essen. Darum ist es natürlich clever, dahin zu gehen, wo der Nachschub an Kuchen nicht abreißt. Und überhaupt: Wo könnte die Revolution gegen den Diät-Terror* besser geübt werden, als in einem Haus voller kunstvoller Cupcakes, Tartes und Torten? Vive la revolution!
Michele Wade und eine ihrer Mitarbeiterinnen |
Maison Bertaux wurde 1871 gegründet – das macht es zur ältesten Konditorei Londons. Ihre
jetzige Besitzerin, Michele Wade,
begann mit 14 Jahren, dort als Girl
Saturday (Wochenendaushilfe) zu arbeiten und kaufte den Betrieb 1988.
2007 startete
ihre Schwester, die Schauspielerin Tania Wade, ihre Karriere als Galleristin und
Kunsthändlerin (hooliganartdealer.com) – u.a. mit der ersten und ausverkauften Ausstellung der Arbeiten
des Künstlers und Comedians Noel Fielding, den sie bis heute exklusiv vertritt,
und nutzt seitdem die Räume des Maison Bertaux als außergewöhnliche
Ausstellungskulisse. Ich selbst bin von der Kunst zum Kuchen gekommen, als ich zu
einer Ausstellungseröffnung eingeladen
wurde, und so die Konditorei zum ersten Mal sah.
Arbeiten von Maria Rosa Kramer |
Lithographie und Wandtext von Noel Fielding |
Trotz
der Schönheit der Kuchen esse ich hier übrigens am liebsten ein herzhaftes „Dijon
Slice“. Und ich trinke immer Jasmintee. Immer. Aber nur hier. Denn nur hier
schmeckt er mir. Und auf jedem Tisch stehen frische Blumen.
(Maison Bertaux, 28 Greek St., Soho, London, W1D 5DQ)
* Was ich aber auch noch gelernt habe: Ich bin noch immer zu schwer, um so weit zu laufen, wie ich gern ohne Pause gelaufen wäre. Und das gilt erst recht für die Schuhe, in denen ich zumindest gern einen sehr viel größeren Teil des Weges zurückgelegt hätte. Ich sage nur "leopardengemustert" und "pinkfarbene Sohlen".
Camden |
Also hatte
ich mir den Denkzettel am Arm verpassen lassen, um später im Hotelzimmer, das
im dritten Stock lag und zu dem es keinen Fahrstuhl gab, zu begreifen, dass ich
mich eben nicht nur von gedanklichem Ballast befreien muss. Ich will verdammt
auch frei sein von den Einschränkungen geschwollener Füße, knarrender Knie und
mangelnder Kondition. Dazu muss ich entweder noch immer Gewicht verlieren. Oder
ich muss sehr viel fitter werden. Es ist eine Sache, sich nicht hübsch zu
fühlen. Es ist (und das vergisst man gern mal, bis man daran erinnert wird) viel gravierender, wenn man den Gang durch das British Museum nicht
mehr schafft, weil einen die National Gallery ehrlich geschafft hat. Reisen macht mich müder als früher. Und das macht nicht freier. So ein Mist.
British Museum |
Trafalgar Square, die National Gallery im Rücken. Schwimmen ist nicht erlaubt. Sollte Thomas womöglich Recht behalten? |
NH