Das letzte Mal, dass mir jemand gesagt hat, ich solle doch mal lächeln, war vor ein paar Wochen. Er sagte außerdem, ich würde einen Blick haben "als wolle ich das Meerschweinchen töten". (Ja, jetzt fragt mich doch nicht, ich hab es auch nicht begriffen. Schon gar nicht, welches (das!) Meerschweinchen gemeint sein könnte...Für ne Weile habe ich gegrübelt, ob es wohl ein anzüglicher Euphemismus war.) Ganz falsch lag er allerdings nicht. Ich wäre durchaus in der Stimmung gewesen zu töten...
Die Verweigerung des vorsätzlichen Lächelns - du meine Güte, was hat sie mich schon in Schwierigkeiten gebracht. Ich glaube, ich habe schon einmal erwähnt, dass sie mich einst gar eine vielversprechende Karriere als Model gekostet hat? Jedenfalls hatte an jenem Tag keiner im Fotostudio Geduld mit einer Zweijährigen, die sich vor der Kamera so aufführte, wie Naomi Campbell dahinter.
Wenn ich lächle oder lache, werden meine Augen klein. Das ist vermutlich bei jedem so, aber meine verschwinden mitunter fast. Was später dazu führte, dass mir der eine oder andere Fotograf erst zurief: "Lächeln, lächeln!" Und sofort im Anschluss: "Aber große Augen! Nicht vergessen - GROOOSSE AUGEN!!! Das Ergebnis war dann immer so natürlich, wie der Busen von Pamela Anderson. Um genau zu sein, muss ich wohl oft so ausgesehen haben, als würde ich gerade einen Anfall manischer Hysterie durchleben. Das störte aber außer mir offenbar niemanden.
In dünneren Zeiten wollte ich also lieber nicht vor Kameras lächeln. In dickeren Zeiten wollte ich lieber gleich gar nicht aufs Bild. Fotos, die mich mit 133 kg zeigen, existieren nur, weil ich mich in der fraglichen Situation nicht schnell genug unter den Tisch ducken oder auf den Boden werfen konnte. Tatsächlich schätze ich es auch heute noch nicht besonders, von plötzlicher Knipserei überrascht zu werden. Ich kriege es fertig und fetze mich mit Partyfotografen, die mir dann sagen: "Reg' dich ab. Das können wir ohnehin nicht verwenden, bei dem Gesicht, das du ziehst." Da haben wir es wieder...ich bin offenbar die ewige Meerschweinmörderin und einfach nicht gut genug drauf, um mir von dumpfbackigen Möchtegern-Paparazzi meine Seele klauen zu lassen. Es gibt schließlich genug Menschen auf dieser Welt, die glauben, dass Fotografie genau das tut. Und ich weiß sogar, dass sie es tut. Misslungene und unerwünschte Bilder von einem selbst sind schlecht, schlecht, schlecht für die Seele. Das eigene Abbild hat erstaunliche Macht über Selbstwertgefühl und Identität. Da kann man vermutlich fast jede dicke Dame fragen.
Eine der wichtigsten Übungen auf dem Weg zu dicker Selbstakzeptanz war dann ja bekanntlich auch das Erschaffen und gleichzeitige Rückerobern des eigen Bildes durch das eigene Objektiv und unter eigener Regie. Ohne Selbstauslöser wäre ich noch nicht so weit, wie ich jetzt bin.
Wenn man, wie ich, noch immer für gewöhnlich Haken schlägt, um nicht auf den Aufnahmen anderer zu landen, braucht man verdammt viel Vertrauen zum Betreiber einer Kamera, um ihm allen Ernstes vorzuschlagen, er könne doch mal ein paar Bilder von einem machen. Das Ergebnis war für mich eine kleine Offenbarung. Die Fotos lächeln! Und zwar mit allem, was sie zeigen! Ungefragt und unermahnt! Die Augen sind nicht groß, und ansonsten sieht man eben auch so aus, wie man halt aussah. Aber das kann ich jetzt wirklich gut aushalten. ; ) NH
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