Sonntag, 22. Juni 2014

Follow me around*



*"Follow me around" ist mittlerweile eine YouTube-Variante des filmischen Tagebuches. Vorreiterin oder zumindest Erfinderin der Überschrift war vermutlich die Vloggerin Bunny Meyer. Es schien mir die treffendste Bezeichnung für mein eigenes Vorhaben, im Internet wieder regelmäßig Schilderungen aus meinem persönlichen und unmittelbaren Leben zu veröffentlichen. Es waren noch andere Titel im Rennen: "Tagesnotizen". Und: "Ein ungeprüftes Leben...", das bekanntlich laut Sokrates nicht lebenswert ist.

Tagesnotizen müssten vielleicht täglich gemacht werden. Das schien mir dann doch zu viel verlangt. Und das "ungeprüfte Leben" war mir am Ende zu kalendersprüchig. Vlogs sind zumeist Alltagsgeschichten. Ihr Kern ist das Alltagsbanale, das allerdings erstaunlich spannend werden kann. Ich gehe z.B. furchtbar gern mit Vloggerinnen durch amerikanische Einkaufszentren, Fast-Food-Restaurants und Vergnügungsparks. So wie der gefilmte Haul an sich, erzählen auch diese beliebigen Ausflüge Geschichten, die mich auf ganz erstaunliche Weise unterhalten. Leute tun normale Dinge. Aber Leute sind eben nicht normal. Private Vlogs sind besser als Reality-Soaps. Sie sind zwar unpoliert, aber dafür oft klüger und interessanter. Natürlich hängt das aber auch maßgeblich von der Vloggerin ab, die so ihr Selbstportrait zeichnet und das eigene Leben observiert.

Ich habe eine Menge bisher noch unbetrachteten Alltag. Jeden Tag sammle ich aus meiner Perspektive als von Natur aus grimmige, dicke Dame Fragmente und Merkwürdigkeiten. Ich habe vor, sie hier in Zukunft regelmäßiger auszubreiten, weil ich glaube, dass mir das unter Anderem zu mehr Selbsterkenntnis verhelfen kann. So wie es hilfreich ist, über das Auf und Ab dicker Selbstakzeptanz zu schreiben. Das Ganze könnte natürlich aber auch ein wenig chaotisch werden. Und grell. Denn obwohl ich in meiner Selbstakzeptanz in den letzten anderthalb Jahren ziemlich große Fortschritte gemacht habe, starte ich heute noch immer aus einer Position der kläglichen Bedürftigkeit. Ich muss mich noch mehr trauen, denn ich brauche von allem mehr: Mehr Liebe, mehr Geld, mehr Zeit, mehr Frieden und insgesamt mehr Freude. Und übrigens auch mehr Sex. Viel mehr Himbeeren. Und mehr neue Schauplätze.

Natürlich könnte ich allein mit meiner Alltagsempörung weiterhin eine Menge Platz füllen. Das werde ich vermutlich auch tun, weil ich gar nicht anders kann.

Im diesem Sinne möchte ich mich sodann auch gleich noch einmal bei der männlichen Politesse bedanken, in deren persönlichen Ermessen es lag, mein Auto von der Stelle an der ich in der hamburger Hafencity stand, abschleppen zu lassen, oder mir doch nur einen Strafzettel unter die Scheibenwischer zu klemmen. Und zwar dafür, dass ich nun um eine haarsträubende Erfahrung und sehr viel Gesprächsstoff reicher bin.

Wenn man übrigens bei der hamburger Polizei anruft und sagt: "Sie haben mein Auto abgeschleppt!", dann bekommt man automatisch folgende Antwort: "ICH habe Ihr Auto nicht abgeschleppt." Ich habe es getestet: Drei verschiedene Beamte am Telefon - immer die selbe Antwort. Offenbar hat man ihnen beigebracht, die auf sie von aufgeregten Bürgern projezierte Schuld umgehend von sich zu weisen. Wer immer der hierfür verantwortliche Kommunikationsexperte war - er versteht offenbar nichts von Konfliktentschärfung, oder ist daran schlicht nicht interessiert. Denn womit kann man wohl jemanden, der unverhofft ohne Auto dasteht, noch ein wenig mehr auf die Palme bringen? Richtig: kindische, rhetorische Spitzfindigkeiten.

Was man den Polizisten der zuständigen Wache vielleicht lieber hätte beibringen sollen, ist die Adresse des Autoknastes, denn statt zur korrekten Hausnummer 179 schickte man mich zunächst zur 28. Dabei kann man jedoch schon froh sein, wenn die Polizei wenigstens eine ungefähre Ahnung hat, wo sie den Besitz anderer Leute hinschiebt. Vor ein paar Jahren hatten sie mein Auto vorübergehend ganz und gar verlegt. Allerdings musste man damals noch kein Lösegeld zahlen, um es erst einmal wieder in Besitz zu nehmen. (Als wir es dann endlich wiedergefunden hatten.)

Wie es überhaupt mit den Prinzipien eines Rechtsstaates vereinbar ist, die Herausgabe eines für so viele Menschen in ihrer Alltagsbewältigung essentiellen Gebrauchsgegenstand an die vorherige Zahlung von 278 Euro zu koppeln, ist und bleibt mir ein Rätsel. (Dass man durch solch eine Unverhältnismäßigkeit im ungünstigsten Falle sogar kurzerhand ganze Existenzen zerstören  kann, ist eine Überlegung, die offenbar nicht für jede männliche Politesse zu bewerkstelligen ist.) In meinem Fall beinhaltete dieser Betrag eine "Verwahrungsgebühr" von 73 Euro - für die Geiselhaft meines Wagens, die ca. ganze 90 Minuten dauerte. Der Autoknast Tiefstack ist übrigens eine privat betriebene Anstalt und gehört zur APCOA. Drum prüfe künftig, wer sich  in ein Parkhaus begibt. Privat fahre ich so bald  nicht mehr in die Innenstadt von Hamburg. Ich kaufe zukünftig nur noch dort ein, wo man keinen Psychokrieg gegen die eigenen Bürger führt.

NH

Samstag, 21. Juni 2014

Alles eine Frage der Perspektivität*

Irgendwie ist es einfach passiert. Ich sehe die Welt mit anderen Augen. Als jahrzehntelange Vogue-Anschauerin (denn wer liest denn bitte die Vogue?), fiel es mir jetzt nach ungefähr zwei Jahren Bemühungen um eine neue Sicht, wenn es um meine eigene und die Körperformen anderer geht, wie Schuppen von den Augen. Ich kann neu sehen! (Ja, ich weiß - Redewendungen-Overkill. Aber ich kann mir einfach nicht helfen. ; ))

Um genau zu sein - bestimmte Anblicke kommen mir gar nicht mehr neu/außergewöhnlich vor. Meine unmittelbare Bewertung hat sich komplett geändert. Ich denke nicht mehr: Das sieht ja auch ganz gut aus. (Also dafür, dass das Model keine Größe 34 trägt). Ich denke: Sieht toll aus, das Kleid will ich auch. Spätestens ab hier sollten alle Moderedakteurinnen mitschreiben - und zwar hinter ihren Ohren. Denn was ich kann, können wir selbstverständlich alle. Wir können unsere inneren Programme tatsächlich ändern. Und wenn wir es alle machen, dann wird die Erde rund. 

Die folgenden Bilder sind aus einem Persona-Katalog, den ich im Vorbeigehen aus einem Modegeschäft für "Übergrößen" mitgenommen habe. Ich würde sagen, die Models tragen ungefähr Größe 40/42. Da würde ich natürlich nicht reinpassen. Und im Prinzip ärgert es mich selbstverständlich, dass man Mode für Dicke noch immer nicht konsequent auch an dicken Frauen präsentiert. Aber zumindest passiert hier etwas, von dem die Modeindustrie mit ihrer unerträglichen Hochnäsigkeit und Dummheit noch immer in weiten Teilen behauptet, dass es eigentlich gar nicht geht: Es ist sehr wohl möglich, statistisch "normale" Frauenkörper im High-Fashion-Modus abzulichten. Und der Blick der Allgemeinheit auf sie kann sehr wohl "normal" werden. Und das vermutlich sogar seeehr viel schneller, als so manchem lieb wäre. 

Lassen wir uns also bloß keine Märchen mehr erzählen, dass es tatsächlich eine Frage von objektiven Attraktivitätsstandards sei, wie dick oder dünn jemand sein darf, um vor die Kamera und dann auf unseren Kaffeetisch zu kommen. Das ist es nicht. Dünn ist nicht schöner als dick. 34 ist nicht schöner als 42. 34 ist lediglich das, was wir kennen. Es ist eine Frage von (Seh-)Gewohnheit. Wer glaubt, er erträgt den Anblick des eigenen Fettes und das von anderen nicht, der muss nur lange genug hinsehen. Ist alles ein Frage der Übung und der Öffnung für neue Ausblicke. Wer immer auf den selben Punkt starrt, kriegt halt einen steifen Nacken. Und verpasst viel.

NH




*"Perspektivität und Perspektivismus bezeichnen philosophische Lehren, die besagen, dass die Wirklichkeit von Standpunkt und Eigenschaften des betrachtenden Individuums abhängig ist." (Wikipedia)

Sonntag, 8. Juni 2014

Körper malen

Es war 2011, als ich mich mit Fingerfarbe bestrichen und meinen Oberkörper auf Leinwände gepresst habe. Im letzten Jahr habe ich mich u. a. mit farbigem Hinterteil auf Leinwände gesetzt. All dieses geschah in der Absicht, irgendwann aus den vorläufigen Ergebnissen des Körperdrucks "richtige" Bilder zu machen, also alle Leinwände noch einmal zusätzlich zu bearbeiten.

Das habe ich nun gestern und heute endlich getan. 26 Bilder sind es nun, die ich maßgeblich mit meinem Körper gestaltet habe. Und die natürlich meinen Körper ziemlich deutlich zeigen. Mitunter in ganz erstaunlichem Detail - so kann man z.B. in einigen Fällen die Dehnungsstreifen sehr genau erkennen - die werden dadurch sozusagen zum Teil des Designs.

Die Handabdrücke geben den Darstellungen in einigen Fällen etwas besonders "Insektenartiges" - und sie zeigen natürlich, wie die Bilder enstanden sind (langsame Absenkung auf die Leinwand und keine schmerzhaften Bauchklatscher, bei denen ich womöglich auch quer durch das Zimmer geschliddert wäre). Jedenfalls habe ich mich in den meisten Fallen dafür entschieden, sie nicht zu übermalen.

Zwar zeige ich hier jetzt nicht alle Bilder, aber weil ich so stolz bin, dass das Projekt jetzt zu guter Letzt doch noch abgearbeitet worden ist, zeige ich ziemlich viele. Noch bin ich unschlüssig, was mit ihnen geschehen soll/kann...aber die Übung als solche kann ich, wie schon zuvor, jeder runden Dame empfehlen, die mit ihrer Fülle uneins ist, nur empfehlen. Man lernt sein Fett so richtig neu kennen - und das, was es alles kann. ; )







Eines der "Brustbilder" ; )

© Nicola Hinz 2014