Donnerstag, 6. März 2014

Einfach essen


Mein Hausarzt sagte am Telefon: "Hatten Sie denn doch schon gefrühstückt, bevor Sie zur Blutabnahme gekommen sind?" Und ich sagte: "Nein." Denn ich frühstücke nie. Dann gab er mir einen Termin, um eine eventuelle Medikation zu besprechen, weil mein Blutzucker erhöht war. Zwar besteht die Möglichkeit, dass ich erst drei oder vier Stunden vor der Blutabnahme um 7:30 Uhr ins Bett gegangen bin - und kurz davor tatsächlich noch etwas gegessen habe. Aber ich kann mich nicht erinnern, ob es so war. Darum mache ich mir nun Sorgen.

Die Situation macht mich in der Tat sehr wütend. Weil ich halt nicht gern zuckerkrank sein will. Aber auch, weil ich ja nie, nie, nie mehr nach einem übergestülpten Programm essen wollte. Und weil ich obendrein natürlich schon hören kann, wie einige Idioten sich regelrecht freuen werden: "Aha, Fett macht also doch krank, und jetzt hat es sie auch erwischt! Geschieht ihr recht, wo sie immer über Diäten  herzieht und behauptet, die ach so böse Welt sei fettphobisch. Fett zu bekämpfen hat eben doch im Grunde nichts mit Oberflächlichkeit zu tun, sondern ist notwendig, wie man sieht, blablabla."

Ich habe es schon einmal gesagt: Intuitives Essen funktioniert. Ich war in den letzten Monaten satt, frei von Nahrungsmittelzwanghaftigkeiten, Schuldgefühlen, nahm weder zu noch ab, und ein einwöchiges Nahrungstagebuch hat ergeben, dass auch die Kalorienzufuhr ganz von selbst fast jeden Tag gleich war, nämlich so um die 2500. Ich hatte Quarkbrötchen-, Bananen- und Spiegelei-Phasen, aber am Ende blieb alles bunt und vielfältig. Ich habe öfter mal was weggeworfen, weil ich einfach keinen Appetit mehr darauf hatte. Und manchmal bin ich ziemlich weit gefahren, um genau das Essen zu bekommen, das ich wirklich wollte. Aber für nichts würde ich etwas ändern, was mein Leben qualitativ so verbessert hat...

Es sei denn - Diabetes.

Ich werde gegebenenfalls den Zuckerwert mit passender Ernährung in den Griff bekommen. Ich will keine Medikamente. Ich weiß ja, wie es geht. Meine Mutter bekam Diabetes mit 50plus. Sie war eine schlanke, ziemlich fitte Frau, die allerdings, solange ich sie kannte, NIE regelmäßig Sport betrieben hatte (außer Garten- und Hausarbeit). In meiner Familie gibt es eine genetische Disposition für Diabetes: Meine kleine, dünne Großmutter und meine Tante hatten/haben die Krankheit auch. Meine Mutter und ich hatten eine sehr enge Beziehung, und ich fühlte mich immer für sie verantwortlich, so dass ihr Diabetes nach der frischen Diagnose irgendwie automatisch in meinen Zuständigkeitsbereich fiel - und ich sie in der Konsequenz zu einer Ernährung aus fettarmem Eiweiß, Vollkornbrot und Grünzeug verdonnerte. Außerdem fingen WIR an, gemeinsam zu joggen, denn allein hätte sie das nie getan, obwohl sie mir dann regelmäßig davongelaufen ist. Ich ging mit ihr einkaufen und kochte mit ihr - und nach ungefähr einem Monat schrien wir uns im Supermarkt an, weil ich wollte, dass sie ewig lebt. Und weil sie SO nicht leben wollte. Unter meiner Überwachung brauchte meine Mutter keine Medikamente, denn sie hatte Superwerte. Vermutlich besser, als jemals zuvor. Der Plan ist, dass das bei mir genauso sein wird. Aber sie entschied sich dennoch, Medikamente zu nehmen (und irgendwann Insulin zu spritzen), weil sie auf eine für sie so freudlose Ernährung langfristig keine Lust hatte. Und das war, nur so nebenbei bemerkt, die selbe Frau, die ihr Kind mit vier Jahren auf Diät gesetzt hatte. Als schlanke Diabetikerin hatte meine Mutter übrigens statistisch schlechtere Langzeitaussichten, was die Entwicklung der Krankheit anging, als ich. Auch so eine Variante des Adipositas-Paradoxons: Das Fett, das vermeintlich die Entstehung der Krankheit begünstigt, sorgt im Endeffekt dann aber für einen leichteren Verlauf eben dieser bzw. statistisch für ein längeres Leben.


Natürlich werde ich dabei auch abnehmen. Bereits am ersten Tag nach dem Telefongespräch war eine Abnahme von 2 kg zu verzeichnen. Das alte Spiel - zuerst verliert man schnell viel Wasser. Zunächst war mir der Appetit total vergangen und dann gab es am Abend vor Schreck nur noch Putenfleisch und Rosenkohl. Man kann sich mit Rosenkohl halt nicht rundessen. Das wahre Problem ist natürlich, dass ich mich damit auch nicht sattessen kann. Weder körperlich noch gefühlsmäßig. Wenigstens muss ich mir um Jojo-Effekte keine Gedanken machen, denn wenn ich wirklich ein Zuckerproblem habe, dann ist diese "Ernährungsumstellung" ohnedies eine lebenslange Angelegenheit.

Ach, und wenn ich dann an all die Kleider in kleineren Größen denke, die ich erst aussortiert und weggegeben habe...Ein Bekannte hat zu mir gesagt: "Na, dann gibt es eben etwas Neues. Das ist doch auch schön, sich neue Kleider zu kaufen, wenn man abgenommen hat." Sie meinte natürlich, dass man sich schließlich eine Belohnung verdient hat, wenn man Gewicht abwirft. Und ich hätte mich fast vergessen und geschrien: JA, VERSTEHT EIGENTLICH IRGENDWER VON EUCH, WORUM ES MIR HIER DIE GANZE ZEIT WIRKLICH GEHT!?!?!

Lasst es mich noch einmal wiederholen: Es ist meine absolute Überzeugung, dass es die richtige Entscheidung ist, Diäten aufzugeben, sich so zu akzeptieren, wie man jetzt ist - und JETZT sein Leben zu leben. Mir mag etwas dazwischen gekommen sein, aber das ändert nichts daran, dass ich das für den richtigen Weg halte. 

Hm,... was für ein Glück, dass ich noch ein paar anständige Fotos von meinem Bauch gemacht habe, bevor ich mich jetzt womöglich doch wieder verkleinere. ; )

NH