Ja, ich habe mich über die Oberflächlichkeit klassischer Beauty-Blogs beschwert. Und ja, ich nehme sie mitunter nicht besonders ernst. Aber jetzt, wo ich eigentlich shopping-faste, habe ich plötzlich zumindest Gefallen daran gefunden, anderen beim Auspacken ihrer Einkäufe zuzusehen.
Um genau zu sein, habe ich Trisha Paytas auf YouTube entdeckt. Paytas ist eine runde, blonde Vloggerin mit Sitz in Kalifornien, und sie präsentiert fast täglich ein schrilles Konsumtheater, das schwer zu toppen ist. Außerdem haben wir beide den selben Lieblingsplatz: Beverly Center in Los Angeles. An sich sind ihre Hauls ebenso unbeabsichtigte wie absichtslose Kunstform. Sie sind eingebettet in eine Flut von mittlerweile über 900 Videos, die sie produziert hat. In vielen von diesen beschäftigt sich Paytas mit Religion, Politik, Beziehungsfragen sowie ihrer Sicht der Dinge im Allgemeinen. In ihren Haul-Videos könnte man den Eindruck bekommen, sie sei eine zwar überkandidelte aber im Grunde bodenständige, warme und gelegentlich fast selbstreflektierte junge Frau. Gräbt man sich weiter durch ihren Kanal, begreift man jedoch schnell, dass sie auch zutiefst verstört ist und sich zwischen religiösem Fundamentalismus und ihrer Lebensrealität als Ex-Pornodarstellerin/Prostituierte aufreibt. Sie verteilt die Fragmente ihrer persönlichen Tragödie in kleinen aber erschütternden Portionen zwischen ihren pinkfarbenen und quietschigen Abenteuervideos.
"My energy just comes from the mall." (Trisha Paytas)
Die meisten ihrer Werke handeln von Make-up, parfümierten Kerzen und Handtaschen, für die sie Tausende ausgibt. Paytas lebt fürs Einkaufen. Und davon. Denn Haul-Videos sind für die richtig erfolgreichen Vloggerinnen Big Business. Wer regelmäßig sechsstellige Klickzahlen mit seinen Filmchen erreicht, kann erstaunliche Einnahmen durch Werbung und Sponsoring erzielen.
In meinem eigenen und EINZIGEN kleinen Haul-Experiment für blutige Anfängerinnen sage ich, dass ich glaube, dass die Hauptattraktion von Hauls tatsächlich in den Geschichten liegt, die jemand über sich erzählt, wenn er andere in seine Einkaufstaschen gucken lässt. Der Hintergrund der Präsentation (oft das Schlafzimmer der Vloggerin) verrät eine Menge, ebenso wie die Vorliebe für bestimmte Produkte oder die Akribie und die besonders in Paytas' Fall offenbar werdende Besessenheit, Dinge in nutzlosen und erdrückenden Mengen zu erwerben. Zehn verschiedene Lippenstiffte sind vielleicht noch nützlich, einhundert sind es nicht mehr. Ich weiß, wovon ich rede. Und es ist diese im tiefsten Kern substanzlose Komplexität, die Paytas selbst zwischendurch immer wieder thematisiert, wenn sie über ihre "Kaufsucht" spricht. An einem bestimmt Punkt filmt sie eine große Menge von Einkaufstüten, deren Inhalt sie einfach nicht mehr ausgepackt hat - ihr fehlte dazu am Ende die Lust.
Dass ein Haul Produktinformationen liefert, scheint eher zweitrangig. Die Gründe für die große Beliebtheit dieser Videos dürften eher auf voyeuristischer Ebene zu finden sein. Viele Vloggerinnen entsprechen dieser Nachfrage durch konsequentes "Oversharing" ihrer Geschichten. Dass die Requisiten aus den Videos oft im nächsten Drogeriemarkt gekauft oder mit einem Klick im Internet bestellt werden und so auch von der Zuschauerin besessen werden können, füttert die Illusion einer besonders engen Verbindung und gemeinsamer Interessen. Und natürlich sind viele der "Beauty Gurus" auf Youtube verhältnismäßig leicht zugängliche "Berühmtheiten", die auf Kommentare und Tweets durchaus noch persönlich reagieren.
Black Friday ist der Freitag nach Thanksgiving und in den USA der wichtigste Einkaufstag des Jahres, denn er gilt als Auftakt für das Weihnachtsgeschäft. Laut Yahoo Shine wurden allein am letzten Thanksgiving-Wochenende 6000 Haul-Videos bei YouTube hochgeladen. Die Konkurrenz unter den beutejagenden Frauen ist im Internet also mittlerweile überwältigend groß - ebenso wie das interessierte Publikum.
NH
Um genau zu sein, habe ich Trisha Paytas auf YouTube entdeckt. Paytas ist eine runde, blonde Vloggerin mit Sitz in Kalifornien, und sie präsentiert fast täglich ein schrilles Konsumtheater, das schwer zu toppen ist. Außerdem haben wir beide den selben Lieblingsplatz: Beverly Center in Los Angeles. An sich sind ihre Hauls ebenso unbeabsichtigte wie absichtslose Kunstform. Sie sind eingebettet in eine Flut von mittlerweile über 900 Videos, die sie produziert hat. In vielen von diesen beschäftigt sich Paytas mit Religion, Politik, Beziehungsfragen sowie ihrer Sicht der Dinge im Allgemeinen. In ihren Haul-Videos könnte man den Eindruck bekommen, sie sei eine zwar überkandidelte aber im Grunde bodenständige, warme und gelegentlich fast selbstreflektierte junge Frau. Gräbt man sich weiter durch ihren Kanal, begreift man jedoch schnell, dass sie auch zutiefst verstört ist und sich zwischen religiösem Fundamentalismus und ihrer Lebensrealität als Ex-Pornodarstellerin/Prostituierte aufreibt. Sie verteilt die Fragmente ihrer persönlichen Tragödie in kleinen aber erschütternden Portionen zwischen ihren pinkfarbenen und quietschigen Abenteuervideos.
"My energy just comes from the mall." (Trisha Paytas)
Die meisten ihrer Werke handeln von Make-up, parfümierten Kerzen und Handtaschen, für die sie Tausende ausgibt. Paytas lebt fürs Einkaufen. Und davon. Denn Haul-Videos sind für die richtig erfolgreichen Vloggerinnen Big Business. Wer regelmäßig sechsstellige Klickzahlen mit seinen Filmchen erreicht, kann erstaunliche Einnahmen durch Werbung und Sponsoring erzielen.
In meinem eigenen und EINZIGEN kleinen Haul-Experiment für blutige Anfängerinnen sage ich, dass ich glaube, dass die Hauptattraktion von Hauls tatsächlich in den Geschichten liegt, die jemand über sich erzählt, wenn er andere in seine Einkaufstaschen gucken lässt. Der Hintergrund der Präsentation (oft das Schlafzimmer der Vloggerin) verrät eine Menge, ebenso wie die Vorliebe für bestimmte Produkte oder die Akribie und die besonders in Paytas' Fall offenbar werdende Besessenheit, Dinge in nutzlosen und erdrückenden Mengen zu erwerben. Zehn verschiedene Lippenstiffte sind vielleicht noch nützlich, einhundert sind es nicht mehr. Ich weiß, wovon ich rede. Und es ist diese im tiefsten Kern substanzlose Komplexität, die Paytas selbst zwischendurch immer wieder thematisiert, wenn sie über ihre "Kaufsucht" spricht. An einem bestimmt Punkt filmt sie eine große Menge von Einkaufstüten, deren Inhalt sie einfach nicht mehr ausgepackt hat - ihr fehlte dazu am Ende die Lust.
Dass ein Haul Produktinformationen liefert, scheint eher zweitrangig. Die Gründe für die große Beliebtheit dieser Videos dürften eher auf voyeuristischer Ebene zu finden sein. Viele Vloggerinnen entsprechen dieser Nachfrage durch konsequentes "Oversharing" ihrer Geschichten. Dass die Requisiten aus den Videos oft im nächsten Drogeriemarkt gekauft oder mit einem Klick im Internet bestellt werden und so auch von der Zuschauerin besessen werden können, füttert die Illusion einer besonders engen Verbindung und gemeinsamer Interessen. Und natürlich sind viele der "Beauty Gurus" auf Youtube verhältnismäßig leicht zugängliche "Berühmtheiten", die auf Kommentare und Tweets durchaus noch persönlich reagieren.
Black Friday ist der Freitag nach Thanksgiving und in den USA der wichtigste Einkaufstag des Jahres, denn er gilt als Auftakt für das Weihnachtsgeschäft. Laut Yahoo Shine wurden allein am letzten Thanksgiving-Wochenende 6000 Haul-Videos bei YouTube hochgeladen. Die Konkurrenz unter den beutejagenden Frauen ist im Internet also mittlerweile überwältigend groß - ebenso wie das interessierte Publikum.
*Mein Beutezug
Im Zuge der Vorbereitungen auf meinen "Haul" sind meine guten Vorsätze, nichts Unnötiges mehr zu kaufen, natürlich wieder aus dem Fenster geflogen. Allerdings ist Hauling auch keine Disziplin, in der ich es je zu großer Virtuosität bringen werde. Dafür fehlen mir für diese Art des Herzeigens das Herzblut und die Dringlichkeit. Ich mache lieber noch ein paar Fotos von mir in Unterwäsche - die geben (vermutlich) auch weniger preis. ; )NH