"Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr."
(Rilkes Herbsttag)
Vor ein paar Tagen habe ich nach einem Spaziergang um den Block mit meiner Nachbarin Ilse (77) auf der Bank im Dorfzentrum neben der Apotheke gesessen, und auf verzweigten Wegen sind wir irgendwie auf das Thema gekommen, was ich tun würde, wenn ich die wirtschaftliche/berufliche Unabhängigkeit hätte, ganz genau so zu leben, wie es mir gefällt. und das Ergebnis war einerseits nicht sehr erstaunlich: Ich lebe im Augenblick nicht so, wie ich es als ideal empfunden würde.
Andererseits war es ziemlich überraschend, weil sich an meiner Vorstellung vom
wirklich guten Leben nicht viel geändert hat, seit ich ein Kind bin. Offenbar auch nicht im Zuge all der Selbstbespiegelung, der Analysen und all der Versuche der letzen Jahre, erwachsene und gesunde weil realistische Ziele und Pläne zu entwickeln. Obwohl ich mich lange nicht mit ihnen aufgehalten habe, sind die alten Vorstellungen und Wünsche nicht nur gar nicht aufgegeben, sie haben auch kein echtes
vernünftiges Update erhalten: Haus mit wildem Garten und Pool, Katze(n), Hund, vom Schreiben leben,...
Ein Kleiderschrank voll mit Kostümen, so dass frau nie darüber nachdenken muss, was sie anzieht, war ja auch schon immer Teil des Märchenplans, der sich scheinbar nicht wirklich abschütteln lässt. Er bricht immer wieder durch. Dünnsein ist übrigens wirklich nicht mehr auf der Liste. Das wäre zumindest geschafft. Obgleich in letzter Zeit die Erkenntnis (egal wie das jetzt klingt, seien wir einfach ehrlich), dass ich insbesondere als junge Frau durchaus als norm-attraktiv hätte durchgehen können, wenn ich nicht dank Jojo wirklich immer mehr zugenommen und mich in dünneren Zeiten trotzdem verunsichert und traumatisiert durch die ständige negative Bewertung von außen in Sack und Asche versteckt hätte, immer mehr an mir nagt. Ich hätte in den Genuss der wissenschaftlich gesicherten, gesellschaftlichen Bevorzugung gutaussehender Menschen kommen können. Ich hätte von positiven Vorurteilen und womöglich einem ganz natürlich von außen gestärkten Selbstbewusstsein profitieren und getragen werden können. Aber daraus ist ja nun bekanntlich nichts geworden. Erst kam das von meiner nächsten Umgebung imaginierte Fett dazwischen, später das tatsächlich vorhandene.
Ich weiß, dass ich es in frühen Blogposts am Anfang meiner Selbstakzeptanz-Reise für absolut schlüssig hielt, was ich insbesondere in Ausführungen der Aktivistin
Kate Harding gelesen hatte. Was im dicken Leben nicht gelingt, gelingt auch im dünnen nicht, weil Dünnsein nicht der Schlüssel zu Erfolg und Glück ist. Persönlichkeit und Talent sind wichtiger und am Ende maßgeblich. Und es ist für Dicke eine heilsame Übung, dass großartige, dünne Fantasieleben im Kopf endlich zugunsten der Realität aufzugeben. Wirklich? Ist das alles so? Heute würde ich das nicht mehr ganz so schnell und auch nicht mehr in vollem Umfang unterschreiben.
Denn natürlich ist man in einer fettphobischen Gesellschaft als dicker Mensch grundsätzlich im Nachteil, wenn es darum geht, das zu erreichen und zu bekommen, was man will. Und allein die Arbeit und Energie, die Dicke zumeist investieren müssen, um gegen den eigenen Selbsthass UND den der Gesellschaft anzukämpfen, bzw. sich darüber hinwegzusetzen und trotz dieser Hindernisse ihr Leben in die Hand zu nehmen, stellen eine Erschwernis dar, die ich nicht mehr unterschätzen, geschweige denn großzügig abtun würde. Schon gar nicht nach vier Jahren dicker Selbstakzeptanz. Ich weiß jetzt, wie hart die Arbeit ist.Und wie gigantisch die Widerstände.
Die Frage ist und bleibt: Wie viel einfacher wäre mein Leben wirklich gewesen? Wie viel unbeschwerter und glücklicher? Und wäre ich dünn womöglich mittlerweile doch zu meinem Swimming-Pool gekommen?
Vision Thing III
Mittlerweile ist es schon zwei Jahre her, dass ich mein letztes Vision Board erstellt habe. Vision Boards sind eine Visualisierung aktueller, persönlicher Ziele und Prioritäten. Sie sind ein Werkzeug zur Selbsterkenntnis, aber auch zur Motivation und zum Selbstmanagement. Zum Vergleich befinden sich hier
Teil I und
Teil II. Ich selbst sehe schon eine Entwicklung, glaube ich. Während ich nicht all das habe, was ich mir wünsche, ist die Liste doch, so mein Eindruck, knackiger und konsequenter geworden.
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Eindrücke |
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Ordnung |
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Abgrenzung |
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Partnerschaft |
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Unabhängige Arbeit |
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Haltung |
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Heimkehr |
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Liebesbriefe |
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Freiraum |
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Bücher |
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Netzwerk |
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Geschichten |
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Swimmingpool |
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Selbstverteidigung |
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Sicherheit |
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Sichtbarkeit |
Verlegenheit
Was mein dringendes Vorhaben angeht, mehr zu schreiben UND zu veröffentlichen, so werde ich nun zunächst einmal übungshalber meine ersten Schritte in die für mich bisher ambivalente Welt des Selbstverlegens machen. Ich habe Bücher in mir und auf der Festplatte. Und bislang war es ein wenig schwierig, einen Agenten hinreichend für das Thema Fettakzeptanz zu begeistern. Zumindest auf die Art und Weise, wie ich mir das so vorstelle.
Bisher gab es drei Buchveröffentlichungen in meinem Leben. Einen Gedichtband, einen Roman und einen Diät-Ratgeber. Zwar wurde jedes von einem Verlag angenommen und herausgebracht, aber Buch 1 und 2 waren, wenn man ehrlich ist, Flops. Das letzte war ein wenig erfolgreicher, aber das war eben auch nicht schwer. Was die Chancen angeht, schreibend zukünftig auch nur einen substantiellen Teil meines Lebensunterhalts zu bestreiten, mache ich mir wenig Illusionen. Aber ich erlaube mir auch, ein wenig zu träumen.
Der kleine Roman wurde 2003 unter dem Titel "Mirjas Macht" veröffentlicht. Das war der Titel des Verlags. Meiner war "Hexe im Regen", aber der wurde abgelehnt, weil sie fanden, er sei gleich doppelt negativ belegt. Ich liebe ja beides: Hexen und Regen. Nun werde ich die "Hexe" vielleicht neu überarbeiten und als, wie gesagt, ersten selbstverlegerischen Gehversuch und als Kindle-Version im Netz verfügbar machen.
Ach, und hier noch zwei Gedichte aus dem Bändchen, das 2000 erschienen ist. Ich kann mir nicht helfen - die Möglichkeit, Texte mithilfe des Internets heutzutage zumindest theoretisch der gesamten Welt zu zeigen, ist zu verführerisch. Für wen Lyrik nichts ist, dem wünsche ich schon mal eine gute Nacht! ; )
Erkältung
Seine dünnen langen
weißen Hände (mit dem tätowierten
Drachen über dem Daumen) graben
den Strand um auf der Suche
nach Kieselsteinen. Zum Spielen.
Geduldig blicken
die ältesten Geschöpfe über
das schwarze Wasser.
Todd sagt: Es wird gleich regnen. Und
du hast den Schirm im wagen gelassen.
Sie haben Altersringe in ihren
Panzern. Wie Bäume. Der
Strand ist leer. Was ist
im Herzen einer Schildkröte.
Meine Mutter
hat mich der Erde
übergeben bevor ich geboren
wurde. Sie vergrub mich
und kam nie zurück um nach mir
zu sehen. Wir alle
tragen unsere Leben
in Schachteln herum. Todd sagt:
Wenn wir jetzt nicht gehen
bin ich morgen erkältet. Ich
weiß es einfach.
Für Harry Hinz
Hey
alter Mann auf deine
Gesundheit.
Jetzt da sie dich
sicher unter die Erde gebracht
haben. Sieht so aus
ich werde du. Haben uns beide
in meiner Nabelschnur
verheddert. Hatte immer Angst
mir könnten über Nacht die Zähne
wegfaulen. Kindheit im Bad
verbracht. Bürste im Mund. Bukowski
auf den Knien. Was soll's.
Nu wird meine Tochter auch
ne Gauklerin.
Hey alter Gaukler
danke für die Stimmen
in meinem Kopf. Danke
dass du mir die
Revolution gegen die Frauen
beigebracht hast. Danke
dass du nicht so getan hast
als wären deine Hände
nicht leer. Wo wäre ich heute
wenn ich gewusst hätte
wo es lang geht.
Auf dich.
NH