Sonntag, 25. Oktober 2015

Follow me around 34: Budenkoller

Ich habe es getan - ich habe mich wieder im Fitness-Studio angemeldet. Hach, wie haben sie mir gefehlt, die aufgepumpten Männer mit den Halbkörpertätowierungen und den gezupften Augenbrauen.... Nicht wirklich. Aber nun habe ich nach 20 Jahren mal wieder einen Ausweis fürs Drehkreuz.

Ich spielte laut mit dem Gedanken, in den kommenden Monaten gern ein paar Geräte für bestimmte Körperteile nutzen zu können, bräuchte aber ein Studio, das wirklich günstig da liegt, wo ich auch oft und sozusagen natürlicherweise vorbeikomme, wo es niemals, wirklich niemals Parkprobleme und vor allem großzügige Öffnungszeiten gibt. Teuer sollte es bittesehr auch nicht sein. Ich hatte da auch schon eins im Auge, und ein schwuler Bekannter sagte dann, da würde er nicht hingehen wollen, denn er habe gehört, dass sei eine echte "Muckibude" voll mit lauter hypereitlen Muskelmännern, die dort voreinander angeben würden. Und schwupp - gekauft! Wenn ich schon turnen muss, dann will ich wenigstens die passende Show dazu sehen. Tatsächlich weiß ich zufällig, dass zwei meiner verpatzten Ex-Dates dort auch Mitglied sind/waren. Einer von ihnen litt bedauernswerterweise an einer Testosteroninsuffizienz, der andere an einer Gehirnzelleninsuffizienz. Aber das Risiko, einem von ihnen dort zu begegnen, halte ich angesichts all der anderen Vorteile jetzt einfach mal aus. Überhaupt muss man ja erst einmal hingehen.

In Eile

Und dann noch: Speed Dating. Ach, geh' mir wech.

Nicht die Männer waren das Problem. Die waren nämlich zu 50% gar nicht angetreten. Hatten tatsächlich die Schwänze eingezogen und waren der Veranstaltung ferngeblieben. Doch dann begannen die Dates in meiner Altersgruppe auch noch viel zu spät und wurden kurzerhand von zehn auf fünf Minuten verkürzt, vermutlich, weil "Love Angel" Arthur auch irgendwann mal Feierabend haben wollte. Die Organisation war schlecht. So schlecht, dass wir Gutscheine für ein weiteres, kostenfreies Speed Dating in Anspruch nehmen können. Wenn wir unbedingt wollen. Ich überlege noch.

Unter den fünf Männern, die anwesend waren, waren drei durchaus freundliche Gesprächspartner, sowie eine Nervensäge ohne böse Absicht, die ich aus einem Dating-Forum vom Sehen (auf meiner Besucherliste) schon kannte. Er erkannte mich auch - das war klar, aber wir haben es lieber nicht angesprochen. Der zweite echte Flop war ein Zahnarzt, der Golftennispolo spielt, pausenlos in die exotischsten Länder reist, schnelle Autos fährt und ansonsten sehr, sehr, sehr, sehr, sehr viel arbeitet. Hinterher waren sich in der "Frauenlounge" (also einer Ecke in der Turmbar) alle einig - das war DER ARSCH DES ABENDS. Überhaupt - Freundinnen hätte frau auf dem Event sehr viel leichter finden können, als einen Mann. Und es war ja auch mal interessant zu sehen, mit was für Frauen ich in meiner Altersklasse so oben auf dem Single-Regal sitze. Und ja, da scheinen sie sich wirklich zu tummeln, die starken Weiber mit dem trockenen Humor ; ).

Mein letztes Fünf-Minuten-Date hatte ich übrigens mit dem - einen Tusch bitte und das Augenrollen nicht vergessen - Vertreiber eines Diätprogrammes... Der hielt mich für gefundenes Fressen und wandelte unsere Unterhaltung mit leichtfüßigem Pragmatismus in ein Verkaufsgespräch um. Seufz. Darauf kam es aber dann auch schon nicht mehr an. Zumindest war er ganz hübsch und brachte eine zum Lachen.

Nach der Veranstaltung hatte jeder 48 Stunden lang Zeit, seine Dates im Internet zu bewerten. Erstens konnte man angeben, ob und wen man gern wiedersehen würde. Und zweitens konnte man einen ganzen Fragebogen zu den anderen Personen abarbeiten und ihren Sympathiewert, das Aussehen, die Kleidung, die Körpersprache und noch irgendetwas bewerten. Von den fünf Männern hatten nur zwei von dieser Möglichkeit überhaupt Gebrauch gemacht. Von diesen beiden (und ich weiß nicht, wer sie waren, weil man diese Informationen nur bei Übereinstimmung bekommt) wollte mich einer gern treffen und einer fand offenbar, dass ich ziemlich Scheiße aussehe.

Der Gründlichkeit halber hatte ich ja zwei Termine gebucht, bei zwei verschiedenen Veranstaltern. Der zweite Termin wäre heute gewesen. Ist aber abgesagt und auf den 22. November verschoben worden. Vermutlich gab es von vornherein nicht genug männliche Anmeldungen und ich war fast froh, mich heute nicht mehr aufrüschen zu müssen.

Trotzdem, wenn ich an das Universum glauben würde, würde ich mittlerweile den Verdacht hegen, es will schlicht verhindern, dass ich jemanden neues kennenlerne.

Ein Schwein ruft mich an

Allerdings ist es ja nun in den letzten Tagen nicht wirklich so gewesen, dass ich zuwenig männliche Aufmerksamkeit bekommen hätte. Und als Krönung kriegte ich dann doch nach 20 Jahren plötzlich auch mal wieder einen "obszönen" Anruf. Nachts um zwölf - da ruft hier sonst nur noch Ilse an, denn die sieht ja immer, ob noch Licht ist. War das wohl ein Zufall nach all dem, was hier auf dem Blog vorangegangen war? I think not. 

An all die besserwisserischen Heulsusen und Spinner, die hier in den letzten Tagen vorbeigetrieben sind, und die heutzutage offenbar noch immer Bücher kaufen müssen, um überhaupt zu wissen, dass Wenigessen oft dünner macht: Immer schön die Lippen zusammenpressen, damit ihr nicht am Ende zu viel von meinem Staub schluckt!

Es sei denn, da kommt mittendrin noch ein richtig schicker und schlauer Fettliebhaber mit wedelnden Armen um die Ecke gerannt und  ruft "Neiiiin!" - dann wäre das Thin Privilege Project nämlich mit einem Schlag sowas von gestorben, das kann ich euch aber versprechen. ; )


NH

Schwamm drüber



"Schwamm drüber" ist quasi eine Bravo Girl in Buchform. Und aus den 50er Jahren. Es gehörte meiner Mutter, die beim Erscheinen des Buches gerade in der Pubertät und damit die Zielgruppe war. Ich selbst habe es "geerbt" und als Mädchen öfter mal darin geblättert, aber eher geschaut als gelesen. Die nostalgischen Illustrationen haben mir immer besonders gefallen. Auf denen waren natürlich alle Taillen winzig, aber Schönheitsideale, ihre Entstehung, Manifestierung und wie sie - damals und heute weiterhin - vorrangig gegen Frauen verwendet werden, haben mich damals naturgemäß nicht so umgetrieben wie heute, obwohl ich mich zu der Zeit natürlich mit meinem eigenen Körper auch bereits seit Jahren mitten im Krieg befand.

Rosemarie Harbert, die Autorin des Buches, war streng und hatte natürlich viele komplett unmögliche Ansichten. So war sie z.B. ohne Umschweife dafür, dass Eltern ihren Töchtern durchaus eine klatschen können, wenn die sich daneben benehmen. Bemerkenswerterweise verbuchte sie die Teilnahme an Miss-Wahlen als schlechtes Benehmen. Insgesamt wollte sie Mädchen halt lieber an- und bodenständigals als glamourös. Und sie riet, etwas Sagrotan ins Waschwasser zu schütten, wenn man seine Tage hat. Für so neumodischen Kram wie Tampons hatte sie auch nicht viel übrig. Und sie war strikt gegen lila Unterwäsche: "Lila (...) ist nichts anderes als ordinär, trage niemals Lila. Es ist noch häßlicher als schwarze Leibwäsche."

Andererseits betrachtete sie "Schönheit" an vielen Stellen aus erstaunlich moderner und im Vergleich zur Bravo Girl regelrecht feministischer Perspektive. Eigentlich, so berichtet sie in der Einleitung, sollte der Titel des Buches "Sei gefälligst schön". Das aber habe ihr ihre Tochter ausgeredet - mit Hinweis darauf, dass sich moderne Mädchen gar nichts vorschreiben ließen.

Über die Sorge, zu dick zu sein, sagt sie etwas, was sich erstaunlich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen jüngerer Zeit deckt: "(...) deine vielbeklagte Dicke  ist (...) Kükenfett, das zu vielen Mädchen deines Alters einfach dazugehört, um so besser sind deine Nerven. Es läuft sich demnächst ab, wenn du Studentin bist oder Schuhkartons vom Lager herauftragen musst."

Auch mahnt sie dazu, sein Geld nicht ausschließlich für Mode und Kosmetik auf den Kopf zu hauen: "Eines Tages brauchst du eine Aussteuer, und es wird bereits Zeit, damit anzufangen. Nicht gleich mit drei Dutzend Küchentüchern (...); aber vielleicht ist schon ein kleines Bücherregal da, das dir allein gehört. Und sieben oder vierundzwanzig Bücher, in denen dein Name steht." ...Hatte ich eigentlich schon einmal erwähnt, dass in meiner Familie ausnahmslos alle (Mutter, Vater und ich) ihre Bücher immer umgehend beschriftet und mit dem Datum des Erwerbs versehen haben?

Und dann kommt sie zu Schönheitswettbewerben und wird mehr als deutlich: "Schönheitsköniginnen sind nicht schön, das ist ein Irrtum. Sie sind Mädchen, die im Badeanzug über einen Laufsteg gehen (...) und dafür prämiert werden. Das hat nichts mit Schönheit zu tun. Es handelt sich um eine Fleischbeschau, die von der Badetrikot- und Strumpfindustrie finanziert wird. (...) Die Leute, die solche Veranstaltungen arrangieren, haben (...) die Vorstellung, daß die Schönheit des Menschen in Zentimetereinheiten festlegbar und feststellbar sei (...). Daß also Zollstock und Maßband das Maß für die Qualität von Menschen seien."

Und dann noch etwas, was meiner Auffasung nach damals wie heute ausgesprochen wahr war/ist: "In Antiquitätengeschäften sieht man schöne Granatringe, oder Ringe mit Gemmen, auch kunstvolle Korallenstücke. Diese so altmodisch wirkenden Dinge sind gerade für junge Mädchen , die ja nicht leicht in den Verdacht der Altjüngferlichkeit geraten, sehr apart (...)." : )

NH