Mittwoch, 26. Juni 2019

Decluttering: Unter der Spüle

Ich arbeite weiter an meiner Wohnung und den Dingen darin. Ist ja nicht so, dass ich nur gegen Erbstücke, Schuhe und emotional aufgeladenen Nippes kämpfen würde. Ich bin auch im Bereich Haushalt aus unerklärlichen Gründen komplett über-ausgestattet mit Produkten, deren Kauf mir vermutlich das Gefühl geben sollten, dass ich in Sachen Dreck und Wohnungspflege gar nicht so nachlässig bin und schon irgendwie alles im Griff habe(n werde). Das ideale Ich lässt grüßen.

Allerdings: Mit Putzmitteln muss man etwas putzen, wenn sie nützlich sein sollen. Duuuh. Sonst werden sie alt und verstopfen die Umgebung. Von der Verschwendung, etwas doppelt und dreifach einzukaufen, weil man angesichts der Menge und der Unübersichtlichkeit gar nicht mehr auf dem Radar hat, wie viele Flaschen und Packungen man vom Gleichen schon besitzt, ganz zu schweigen.

Hier ist der filmische Beweis - für das Dilemma UND den Bearbeitungsversuch.

PS: Ich würde mich wirklich sehr über ein paar neue AbonnentInnen und Däumchen bei YouTube freuen. Denn ich mache jetzt doch eine Serie aus dem Kampf gegen die Dinge.




Mehr zum Thema: PLATZ DA!


NH

Mittwoch, 12. Juni 2019

Decluttering: Haben Sie auch so ein Problem mit Anthropomorphismus?



Seit Beginn des Jahres habe ich 639 Dinge aussortiert. Regelmäßige Leserinnen wissen, dass es über die letzten Jahre tausende und seit meiner Kindheit Zehntausende Dinge waren, mit denen ich mich auseinandersetzen und über die ich Entscheidungen fällen musste, weil die Dinge sich immer und immer wieder ausgebreitet haben, wie eine massige Hydra über deren schnarchende Köpfe man pausenlos stolpert und im eigenen Zuhause einfach nicht vorankommt. Mit dem Putzen nicht. Mit der Selbstorganisation nicht. Mit Entspannung und Freude nicht. Denn Dinge im Übermaß erzeugen Stress. Das ist wissenschaftlich untersucht worden und stimmt tatsächlich für Frauen mehr als für Männer.

Mir wurde bereits mein Kinderzimmer regelmäßig zu voll und zu unübersichtlich. Vor allem die Bücherregale quollen in Blitzgeschwindigkeit immer wieder über, nachdem ich eingeschult worden war und richtig lesen konnte. Erst packte ich den Überschuss in Kisten und lagerte diese im Keller. Später wurden regelmäßig Dinge gespendet. Oder auf dem Flohmarkt angeboten.

Oh, die Zahl der Flohmärkte, auf denen ich in meinem Leben herumgesessen habe. Oh, die Sonntage, an denen man um vier Uhr aufsteht, um sich am Zielort mit anderen VerkäuferInnen über die Platzvergabe zu streiten. Oh, die Hitze, der Regen, der Wind, die alles durcheinander bringen...und oh, die Erleichterung bei jedem Teil, das den Tapeziertisch im Austausch für einen Minimalbetrag verließ. Finanziell lohnte sich das Ganze selten. Unterhaltsam war es zumeist weniger als anstrengend und ärgerlich. Die letzten Male bin ich mit übereifrig und verbissen um Centbeträge handelnden KundInnen zunehmend regelrecht aneinandergeraten. Tatsächlich habe ich ihnen Gegenstände aus der Hand genommen und ihnen erklärt, ich würde das Ding lieber der nächsten, die es will schenken, als es ihnen zu überlassen. Ich sah ein, dass das ein sicheres Zeichen dafür war, diese Phase meines Lebens endgültig abzuschließen. Keine Flohmärkte mehr. Jedenfalls nicht hinter dem Verkaufstisch.

Ohnehin war der Flohmarkt immer nur eine von einer Reihe mehr oder weniger erfolgreicher Strategien, Dinge, die man für wertvoll hielt, nicht kampflos und umsonst dem roten Kreuz zu überlassen. Dabei setzte sich der empfundene Wert in der Regel zu verschiedenen Anteilen aus emotionalen und echten monetären Erwartungen zusammen. Schließlich hatte man für den Pullover selbst 80 Euro bezahlt. Damals vor zwanzig Jahren. Weil er so schön orange und kuschelig war, und man sich damit im Winterurlaub in einer verschneiten Hütte visualisiert hatte. Nun war er ungetragen, der Traum dahin, der Kleiderschrank viel zu voll und der Pullover nichts mehr wert. Wenn man sowas tausendmal aushalten und dann einen Entscheidung über die Gegenstände fällen muss, kann das schon ganz schön schlauchen.

2009 war das Jahr der großen Flut der Dinge, denn da starb meine Mutter. Ich erbte den Inhalt eines mittelgroßen Hauses voll mit Dingen und verbrachte über zwei Monate vor Ort, um sie zu sichten und zu sortieren. Jeder Gegenstand in dem Haus ist durch meine Hände gegangen, bevor über sein Schicksal entschieden wurde. Und während das Haus meiner Mutter überhaupt nicht unordentlich oder vollgestopft gewirkt hatte, wurde sehr schnell klar, was für Geheimnisse Schränke und Abstellräume im Zaum gehalten hatten.

Eigentlich dachte ich am Ende, dass ich gar nicht so viel von ihr behalten hatte - bis die Umzugsleute weg waren und der Rest des Nachlasses meiner Mutter mein gesamtes Wohnzimmer von Wand zu Wand (und bis zur Decke) füllte und nur noch ein sehr schmaler Gang bis zu Fenster freigeblieben war. Am Abbau dieser Festung aus Sachen arbeite ich bis heute. Ich musste meinen eigenen Haushalt verkleinern, um ihren (und zum Teil den meines Vaters) zu integrieren. Trotzdem war der Kram noch immer zu viel für den Platz, den ich hatte und habe. Und der Kram, der alles verstopfte, war, selbstverständlich, hochemotional besetzt. Habe ich eigentlich schon einmal erwähnt, dass ich noch Tupperware aus den Sechzigern besitze?

Wie dem auch sei - 2019 wird das Jahr sein, in dem ich den Kampf gegen die Tyrannei der Dinge gewinne. Eine Niederlage kommt nicht in Frage. Ende 2019 werde ich in einer klar strukturierten, organisierten Wohnung wohnen, die leicht zu managen ist und in der keine Schublade klemmt, weil sie zu viel enthält. Ich werde in meinen Keller hineingehen können, und einfach so das finden, was ich brauche. Und ich werde Kleider auf ihren Stangen locker hin und her schieben können.

Dass das weiterhin eine schwierige Angelegenheit ist, die mit viel Seelensuche, Selbsterkenntnis und Verhaltenssteuerung einhergeht, ist klar. Ich habe noch einmal ein Video dazu gedreht - in dem rede ich auch über Anthropomorphismus und darüber, dass der nichts als Scherereien macht...




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NH