Mir geht es weiterhin ziemlich mies. Die Medikamente müssen überdacht werden und die Lage schwankt gewaltig. Es gibt auch bemerkenswert weite Ausschläge nach unten. Diese werden allerdings fast immer durch äußere Faktoren getriggert. (Kommt alles ins Buch.)
In den letzten Wochen habe ich ein für allemal begriffen und begreifen wollen, was bekanntlich nicht das Selbe ist, dass in der aktuellen Phase meines Lebens das wahre Problem und gleichsam am Ende wirklich die Lösung für fast alles - dieses ist:
Geld.
Ganz ehrlich, auch der abgehauene Ex ließe sich mittlerweile gefühlsmäßig durch einen vintage Jeep Cherokee Wagoneer mit Verkleidung in Holzoptik mehr als angemessen ersetzen. Siehe oben. Das alles war irgendwie schon ewig klar, aber nun hat sich das Nachdenken über Geld auf Platz 1 der To-Do-Liste eingenistet und ist mittlerweile sogar bestimmendes Thema in der Therapie.
Dabei geht es natürlich nicht wirklich um die Anschaffung von Luxusartikeln zur Kompensation inneren Leidensdrucks; es geht konkret darum, dass Geld bzw. ein real eintretender oder befürchteter Mangel daran den größten Stressfaktor in meinem momentanen Leben darstellt. Meine Verzweiflung ist nur anteilig das Ergebnis einer persönlichen Disposition. Sie scheint im Gegenteil, oh Wunder, so gut wie komplett käuflich zu sein. Wenn ich keine Angst vor der nächsten Werkstattrechnung hätte, die anfällt, damit das unbedingt benötigte Auto durch den TÜV kommt, wäre mir schon viel wohler. Wenn ich mich und meine MS regelmäßig in den Urlaub schicken könnte, wäre ich vermutlich gesünder. Wenn ich nicht immer Angst hätte, dass mir jederzeit Aufträge und damit der Lebensunterhalt für mich und die Katzen kurzfristig wegbrechen könnten, wäre ich nicht täglich im Kampf- oder Fluchtmodus. Wenn ich nicht immerzu Angst haben müsste, dass ich mir angesichts überraschender Sonderumlagen das Wohnen in meiner Wohnung womöglich irgendwann nicht mehr leisten kann, obwohl sie mir gehört, fände ich es vermutlich auch einfacher, mich wenigstens in meinen eigenen vier Wänden sicher zu fühlen. Wie sich das wohl anfühlen würde, ist mir nicht wirklich bekannt, aber ich stelle es mir ziemlich geil vor.
Ich weiß, ich bin - wie immer - nicht allein mit diesen Sorgen. Ich weiß, dass Rücklagen etwas sind, wovon inzwischen mehr und mehr Haushalte nur noch träumen können. Und mir ist aus meiner Arbeit mit Menschen ziemlich bewusst, dass beim Wegfall finanzieller Ungewissheit häufig vermutlich auch die Einnahme von Psychopharmaka sofort eingestellt werden könnte. Es ruiniert das Leben, wenn die zuverlässige Finanzierung einer normalen, würdigen Existenz immer auf der Kippe steht und frau nicht über genug Resilienz und Grundvertrauen verfügt, um sich damit zu beruhigen, dass sich schon immer alles irgendwie finden werde.
Geld wird ein neues Themenfeld auf diesem Blog sein. Es ist bekanntlich ein Empfindliches - übrigens auch im Hinblick auf die Erwartungen von Leser*innen und die gefühlte Integrität bzw. den Idealismus von Content-Creator*innen.
Es stellen sich einige Fragen: Darf ich überhaupt über Geld reden? Darf ich zugeben, dass ich nicht genug habe, bzw. mehr brauche? Darf ich womöglich sogar sagen, dass ich schlicht mehr Geld verdienen und haben will? Soll ich darüber reden, wie ich meine eigene finanzielle Situation verändern will oder muss? Was ist meine Arbeit wert und wie bekomme ich das, was ich wert bin?
Natürlich kann frau auch die Systemfrage stellen. Warum müssen wir überhaupt in einer Welt leben, in der irgendwer jemals Angst um seine Existenz haben muss? Aber die Veränderung des Systems wird sie nicht erleben.
Meine persönlich größte Frage ist dieser Tage somit eine dem System total angepasste: Wie schaffe ich es, meine wirtschaftliche Situation, die mich oft so sehr bedrückt und meine Anxiety* in immer neue Höhen treibt, trotz dieser psychischen Beschwerden zu verbessern? Wie ergreife ich Maßnahmen gegen äußere Umstände, deretwegen ich mich eigentlich viel zu kraftlos fühle, um Maßnahmen zu ergreifen? Hinweise in den Kommentaren sind (meistens) erwünscht.
Was mich an dieser Stelle noch zum Begriff "Selbstsabotage" bringt. Da hieß es vor einiger Zeit in den Kommentaren, dass ich meine Kraft (die vermutlich schon besäße) gegen mich "selbst drehe". Das war als Ratschlag gegen meine "lebenslange Selbstsabotage" gemeint. Auf Nachfrage wurde noch ausgeführt, dass es sich hierbei nicht um einen Vorwurf handle, sondern um einen "sanften Hinweis" dass, wenn bei einer Person, die, so wie ich, über vermeintlich viele Ressourcen verfügt und einen "sehr privilegierten Start ins Leben" hatte, im Leben dann alles so schief läuft bzw. sie so unglücklich ist über den Verlauf der eigenen Biographie, hier eine innere Verweigerung bzw. Blödheit im Spiel sein muss, die verhindert hat, dass die dumme Nuss eben jene überreichen Ressourcen hat nutzen können.
Es mag ja sein, dass in manchen Kreisen unwissenschaftlicher Motivationsscharlatanerie der Begriff "Selbstsabotage" noch modern ist, aber kein*e Therapeut*in, die ihr Geld wert sind, würde damit arbeiten, weil es sich hier natürlich um nichts anderes, als um eine verächtliche Umdeutung mit eingebauter Schuldzuweisung handelt. Natürlich kann ich es Selbstsabotage nennen, wenn ich unglückliche und/oder erfolglose Menschen nicht mag. Alle anderen reden hier wohl lieber von Trauma und Depression. Und darüber haben wir wiederum nur bedingt Kontrolle. Mitunter, frau mag es kaum glauben, fast genauso wenig Kontrolle, wie über Schicksalsschläge, Erkrankungen, Wetterkatastrophen, Todesfälle, unsere Eltern und andere dumme Zufälle.
Wie frau auf die Idee kommt, dass Privilegien vor Unglück retten, ist mir zusätzlich schleierhaft. Ich kriege jeden Tag Werbe-E-Mails von der Firma, die Kate Spade einst gegründet hat. Erstens, weil ich ihre Taschen gerne ansehe. Und zweitens, weil mich ihre Geschichte berührt hat. Sie hat sich im Alter von 55 Jahren in einem Luxusapartment in Manhattan erhängt, obwohl sie wirklich alles zu haben schien, was wir gemeinhin als Zeichen eines erfolgreichen Lebens deuten würden. Vielleicht sollte frau sich lieber noch einmal gründlicher in der Welt umschauen, bevor sie anderen als Rat getarnte Zurechtweisungen in die Kommentare schreibt.
*Generalisierte Angststörung
PS: Zum Thema Geld und Bloggen fiel mir dieser Post von Ragen Chastain wieder ein - nicht komplett zur Thematik oben passend, aber dennoch interessant, finde ich.
NH