Jaaa, also jetzt kommen wir doch langsam mal voran! Vor ungefähr anderthalb Jahren habe ich mich auf den Weg gemacht. Aus der Diät-Falle heraus. Irgendwie. Ich
wusste, es lag etwas in der Luft. Ich erkannte
nur den Geruch nicht. Und ich fand DAS KLEID (rechts). In das wollte ich rein. Ich war mir nur nicht mehr ganz und gar sicher, in was für
einer Größe. 36 oder 46?
Ich habe mich immer darüber beklagt, dass es für
Dicke nichts Anständiges anzuziehen gibt. Und ich habe mich immer lustig gemacht über Bärchen auf T-Shirts
und knisterndes Polyester, das die meisten Produzenten von Übergrößen ihren
Kundinnen / Opfern weiterhin zumuten. Als ich DAS KLEID vor einem Jahr kaufen wollte, wusste ich
nicht wo. Ich dachte daran, es für mich nähen zu lassen. Aber das ist nun nicht mehr nötig, denn hier
ist es (oder zumindest in sehr ähnlicher Ausführung). Und das gerade rechtzeitig zum Eintritt in eine weitere Entwicklungsphase
als neue, ermutigte Dicke. Es gibt tatsächlich schöne Kleider jenseits der 46.
Nicht so oft in deutschen Fußgängerzonen, aber im Internet. Das habe ich nur
nie gewusst, weil mein Hauptinteresse als Dicke bisher immer gewesen ist, mich
in meiner Kleidung unsichtbar zu machen. Nun ist die Situation wie folgt:
Ich habe das Kleid, aber nicht die verdammte Chuzpe, es anzuziehen.
Lesley Kinzel zitiert in „Two Whole Cakes“ eine Leserin, die
sich als Dicke in Rock und hohen Schuhen vorkam, wie ein „elephant in drag“.
Aber die Tatsache, dass eine große Menge Körperfett grundsätzlich gängigen
Vorstellungen von Weiblichkeit entgegensteht, kann auch befreiend sein. Wenn
dicke Körper femininen Standards ohnehin nie entsprechen können und zumindest
bis die Hölle zufriert keinen Blumentopf in dieser Disziplin gewinnen werden,
warum sich dann nicht endlich aus dem Wettbewerb verabschieden und eigene
Regeln aufstellen? Und wenn Dicken die Möglichkeit der modischen Selbstgestaltung
und Selbstrepräsentation von Designern und der Modeindustrie weitgehen
vorenthalten werden sollen, warum dann überhaupt noch den Versuch machen, sich
anzupassen? Wenn Mode eine Sprache ist, warum nicht selbst eine eigene, laute
und deutliche erfinden?
Die Antwort war/ist: Fatshion (fat + fashion).
Man könnte nun denken, dass es bei Fatshion in der
Hauptsache darum geht, als Dicke das Recht auf Mode als kreatives
Ausdrucksmittel einzufordern. Aber laut Kinzel geht es um unendlich viel mehr,
als nur „auch schick“ sein zu dürfen. Es geht im Wesentlichen um die oben
bereits erwähnte eigene Sprache. Ein Körper, der öffentlich in einem Kleid steckt, in dem er in
den Augen des Publikums eigentlich nicht zu stecken verdient, weil er die
Voraussetzungen nicht erfüllt, ist eine Botschaft an eben jenes Publikum – die Gesellschaft.
Fatshion ist oftmals bunter, schriller, kühner UND ENGER als bloße
Mode. Da ihre Trägerinnen im Rennen um standardisierte Weiblichkeit ohnehin
keine Chance haben, re-interpretieren und überspitzen viele Fatshionistas diese
Standards auf spielerische und oft ironische Art und gehen damit in der Tat ähnlich
vor wie Drag Queens. „Femmeness“ (als Alternative zur restriktiven, ausschließenden und diskriminierenden
Definition von Weiblichkeit) hat denn
auch ihren Ursprung in der LGBTQ Community.
Damit kaschiert Fatshion den dicken Körper endgültig und
definitiv nicht mehr, sondern macht ihn weithin sichtbar. In Blogs im Internet –
und auf der Straße, wenn man sich auf eben jene traut. Diese Erhöhung der
Sichtbarkeit von Dicken gegen den verächtlichen Widerstand und die ungnädigen
Sehgewohnheiten der Umwelt macht Fatshion politisch und zu einer feministischen
und fettaktivistischen Strategie. Fatshion hat als wahres Ziel nichts
Geringeres als eine auf Sichtbarkeit und Abbildung basierende Revolution.
Fatshionistas brauchen Mut. Auf den Seiten vieler Fatshion-Bloggerinnen
beschreiben diese, was für eine mühsame innere Reise sie hinter sich gebracht
haben, um das Selbstbewusstsein zu entwickeln, das sie jetzt trägt.
Und ich frage mich nun: Wenn ich täglich ohnehin eine
Extraportion Mut benötige, um aus dem Haus zu gehen, wie viel brauche ich dann
wohl erst in einem engen, knielangen, knallgelben Kleid?Und was ist das eigentlich für eine abgefahrene Welt, in
der IRGENDWER Mut braucht, um sich ein gelbes Kleid anzuziehen?
Hier noch einige Fatshion-Blogs:
NH