Another day, another drama...
(Britney Spears)
Kipperkarten zum Wahrsagen - Ausgabe von Regula E. Fiechter und Urban Trösch |
Ich schlurfe seit geraumer Zeit durch mein
Leben und habe das dringende Gefühl, dass es Zeit ist, etwas abzuschließen. Ich
weiß zwar nicht was das „etwas“ wirklich ist, existiere aber in der Atmosphäre
einer auslaufenden Lebensphase – ein wenig diffuse Erleichterung, ein wenig Desorientierung,
eine stark verwackelte Aussicht auf Transformation. Etwas mehr Desorientierung
als alles andere, vermutlich.
Fettakzeptanz. Been there, done that.*
Beim Durchgehen meiner
Sprachmemos habe ich folgende Nachricht vom 24. April an mich selbst gefunden:
"Das Blog hilft mir nicht mehr." Das stimmt übrigens immer wieder
mal. Vielleicht sogar öfter als nicht. Ich habe aus meinen Zweifeln und meiner
Frustration eigentlich nie ein
Geheimnis gemacht. Die Tatsache, dass sich Fettaktivismus auf Deutsch nicht realistisch
etablieren und ausweiten lässt und dass er sich weitgehend darin erschöpft,
sich in Community-Schutzräumen zusammen zu tun und sich „trotzdem hübsch“
anzuziehen – all das lässt mich pausenlos an meinen Nägeln kauen, mit den
Zähnen knirschen und mir meine Haare raufen.
Darüber hinaus stößt frau wieder
und wieder auf das Phänomen, dass die Gemeinschaften und Foren von Dicken
erstaunlich unzugängliche, ja geradezu elitäre und obendrein von Konkurrenz
geprägte Strukturen haben können. Das mag natürlich auch auf das übergroße
Bedürfnis zurückzuführen sein, sich zu schützen. Vor schlechten Gefühlen. Vor
Negativität. Aber eben auch vor der Wahrheit über das Dicksein in unserer
Gesellschaft. Leah hat mehrere Beiträge über dieses Thema und ihre gelegentlich
aufflammende Enttäuschung darüber geschrieben. Sie und ich haben im Internet mithin ähnliche Beobachtungen gemacht. Wie startet man z.B. ein so richtig erfolgreiches „Fettakzeptanz-Blog“? 1. Sei nicht zu dick. 2. Lächeln,
lächeln, lächeln.
Obwohl ich für mich selbst
riesige Schritte in Richtung Selbstakzeptanz gemacht habe, und ich mein Blog tatsächlich
für richtig und manchmal auch richtig wichtig halte, komme ich doch in beiden Disziplinen an
Grenzen, die mich nun immer öfter anhalten lassen. Und dann sehe ich mich um – nach
neuen Wegen. Wie setze ich in Zukunft die Reise zu dicker Akzeptanz für mich
selbst fort? Und wie viel Energie kann ich zukünftig investieren, um andere
ebenfalls aufzuwiegeln, sich auch auf die Reise zu machen? Wie wichtig kann es
mir weiterhin sein, andere trotz ihres offenkundig nur zögerlichen oder ambivalenten Interesses irgendwie doch in den
fahrenden Zug zu zerren? Denn so fühlt es sich mitunter an, wenn man sich
pausenlos quasi in Vertretung für andere echauffiert. Und das ist etwas, was
ich nicht nur im Hinblick auf Fettakzeptanz tue. Mir antue. Damit ist jetzt erst einmal Schluss.
Und garantiert nie wieder werde ich meine Nase in ein Weight Watchers Magazin stecken, nur um noch mehr über Fettphobie zu begreifen. Obwohl ich sagen muss, dass mir schleierhaft ist, wie weite Teile der Leserinnenschaft diese Art von Lektüre, die im Hinblick auf weiblichen Selbsthass jede konventionelle Frauenzeitschrift weit in den Schatten stellt, offenbar regelmäßig überstehen, ohne sich die Pulsadern aufzuschneiden. Wie man wiederholt derartige sektengesteuerte Attacken auf das eigene Selbstwertgefühl aushält, ist mir ein Rätsel...
Aber wo war ich eigentlich gerade?
Ach, ja...ich muss meine Zuständigkeiten
klären. Und ab jetzt bin ich radikal für mich selbst zuständig. Und wenn es in
diesem Blog natürlich auch jetzt schon meistens irgendwie um mich geht, dann
wird es in Zukunft sogar so sein:
I’m
sorry if that sounds selfish, but it’s ME, ME, ME!
(Jennifer Saunders,
Absolutely Fabulous)
Der Stand:
- Ich bin 43 Jahre alt.
- Ich bin Single. Das ist nicht das, was ich mir wünsche.
- Beruflich und finanziell befinde ich mich in einem desorientierten und eigentlich auch ziemlich desolaten Zustand.
- Gesundheitlich arbeite ich daran, einen erhöhten Zuckerwert unter Kontrolle zu bringen. Außerdem fühle ich mich bei Weitem nicht so stark und körperlich fit, wie ich gern wäre.
- Und was ich trotz aller Fortschritte auf meinem Weg zu dicker Selbstakzeptanz an meinem Körper wirklich gern ändern würde, das sind die ballonartigen, omahaften Wasserfüße, die ich am Abend habe. Da! Ich hab’s gesagt! Diese Füße vertragen sich auch heute einfach nicht mit meinem Selbstbild. Und schon gar nicht mit dem, was von meiner Schuhsammlung übrig ist.
- Ich hätte wirklich gern mehr Spaß im Leben.
Zunächst einmal werde ich wohl das UGLY GIRL PROJECT abschließen. Da braucht es nun noch ein Finale. Und dann leere ich die Hälfte der Bilderrahmen, die hier in meinem Zuhause herumstehen, und mache Platz für zukünftige Erinnerungen. (In den meisten Rahmen steckt übrigens meine Mutter.) Dann werde ich (u.U. zeitgleich) beginnen, zu trainieren und zu vloggen. In den kommenden Monaten lese ich nur noch Krimis und National Geographic. Womöglich buche ich mir zwischendurch auch noch einige Coaching-Termine mit ein paar Pinguinen. Und dann sehen wir mal weiter.
*Kenn' ich alles schon. / Erledigt.
NH