Samstag, 17. September 2011

7 Leben

Also das hier hat jetzt nichts mit Diät zu tun. Aber - ist ja mein Blog - plötzlich fiel mir ein/auf, dass ich hier ja machen kann, was ich will. Und ich will ein bisschen etwas über den Kater schreiben, denn er ist am vergangenen Montag gestorben.

Knapp zehn Jahre haben wir miteinander verbracht. Er ist an dem Tag bei mir eingezogen, an dem wir die letzte von vier alten und kranken Katzen hatten einschläfern lassen müssen. Er war wie ein pelziger Rettungsring, und den Vorbesitzern, die ihn vermutlich einfach im Stich gelassen hatten, so dass er sich eine neue Bleibe suchen musste und mich wie durch ein Wunder fand, werde ich für ihre Verantwortungslosigkeit ewig dankbar sein.


Ich hatte Kasi verdient. Und er mich. Er hatte eine wuchtige, freundliche Persönlichkeit. Er hat mich regelmäßig morgens um vier geweckt, weil er halt fand, dass das eine gute Zeit war, um wach zu sein. Erst patschte er mir mit der Pfote ins Gesicht und stieg dann immer von links über meinen Kopf, sprang auf den Boden, lief ums Bett herum und begann die Prozedur von vorn - bis ich aufstand und eine frische Dose aufmachte. Wir waren wie ein altes Paar. Hätte er sprechen können, wir hätten regelmäßig die Sätze des anderen beendet. Er hat meiner kranken Mutter jeden Abend durchs Telefon etwas vorgeschnurrt, bevor sie vor zwei Jahren starb. Die beiden waren im letzten Jahrzehnt meine Familie. Und nun sind beide weg.

So wie sechs weitere Katzen vor Kasimir:

Molly war meine erste Katze. Sie war eine Amazone. Sie versteckte sich in Büschen und sprang einem plötzlich an die Füße. Aber sie war heißgeliebt. Sie mochte uns auch. Sie lief unserem Auto hinterher, wenn wir in den Urlaub fuhren, so dass wir umdrehen und sie ins Haus bringen mussten. Und dann mussten wir uns aus dem Staub machen, bevor sie durch die Katzenklappe im Keller wieder hervorschoss. Leider wurde sie nicht sehr alt, weil sie von Jägern auf dem Feld hinterm Haus erschossen wurde. Wo ich jetzt schon einmal dabei bin: Es ist NICHT NORMAL, Freude daran zu haben, Tiere zu töten. Es ist roh, unzivilisiert und falsch.


Pünktchen und Anton waren Geschwister. Wir nahmen sie als Babys zu uns, um die Trauer um Molly besser zu bewältigen. Anton war schön und stolz. Pünktchen war schlau. Die beiden hingen aneinander, und als Pünktchen mit 16 an einer Nierenerkrankung starb, hatte Anton auch keine Lust mehr, wurde schwach und folgte seiner Schwester.



Wenn es irgendwo gemütlich ist, spricht sich das unter Katzen herum, so dass unsere WG über die Jahre drei neue Mitglieder bekam. Nach und nach saßen sie alle irgendwann vor dem Fenster und wollten einziehen.

Moses kam zuerst dazu. Er war der freundlichste Kater, den ich je getroffen habe. Gutmütiger sogar als Kasimir. Er rollte sich auf den Schultern, Rücken und Hüften seiner Leute zusammen, sobald sie sich irgendwo hinlegten. Er wurde recht alt, und wäre noch älter geworden, wäre er nicht vor ein Auto gelaufen.


Pietzke zog einige Jahre nach Moses in die Katzen-WG. Mit Getöse erreichte er uns durch die Nacht. Laut klagend und ausgehungert lief er mir im dunklen Garten entgegen, als ich gerade panisch und auf der Suche nach Anton war, der mal wieder nicht pünktlich nach Hause gekommen war. Er schlang drei Dosen Futter hinunter, hörte auf zu jammern - und dann setzen wir uns zusammen vors Haus und warteten auf Anton. Pietzke und ich waren ab da Verbündete. Wir hatten eine geheime Zeichensprache. ; )


Zuletzt kam Bobby. Bobby entschloss sich, aus der Nachbarschaft zu uns zu ziehen, weil es ihm, dort wo er war, nicht gut ging. Seine schlechten Erfahrungen hatten ihn misstrauisch gemacht. Er lebte fortan mit uns, aber hielt vornehme Distanz zu allen - bis auf Pietzke, mit dem er schließlich Rücken an Rücken auf Pietzkes Lieblingssessel schlief.


Bobby hatte eine Immunschwäche, und nachdem wir in kurzen Abständen Moses, Pünktchen, Anton und Pietzke verloren hatten, die offenbar alle ungefähr im gleichen hohen Alter gewesen waren, mussten wir auch ihn einschläfern lassen.

Und was mache ich jetzt? Ich bin absolut frei. Ich bin für niemanden mehr zuständig. Freunde sagen einem, man soll sich am besten gleich ins Auto setzen und zum Tierheim fahren. Und ich habe auch daran gedacht. Aber der Tod ist bekanntlich nichts für Feiglinge. Mensch oder Tier - die Wahrheit ist, dass die Seele da mitunter keinen großen Unterschied macht, wenn die Verbindung zu dem, der gestorben ist, stark genug war. Und irgendwo habe ich dieses Zitat gelesen - ich weiß nicht mehr, wer es gesagt hat - dass es viel Mut braucht, sein Herz an etwas zu hängen, das man vermutlich überleben wird. Ich bin mir nicht sicher, ob ich diesen Mut noch einmal aufbringe. Insgeheim hatte ich in den letzten Tagen immer gehofft, das die Antwort einfach wieder plötzlich auf meiner Terrasse sitzt.

NH