Freitag, 30. Mai 2014

Suchbild 2


Und wie läuft es nun eigentlich mit der Suche nach Liebe?...Steht alles. Wie in meinem algigen Wasserbecken auf der Terrasse…

Wenn man sich doch mal wieder so richtig hässlich und ungewollt fühlt, dann kann man sich einfach bei irgendeiner kostenlosen Online-Dating-Plattform anmelden, ein paar hübsche Fotos einstellen und den Benachrichtigungsservice so einstellen, dass man bei jedem Ereignis (einer guckt, einer mag die Bilder, einer sendet eine Nachricht, etc.) eine Mail bekommt. Am besten unterschlägt man im Profil für diesen Zweck auch die Tatsache, dass man eine dicke Dame ist - und los geht’s: Für ein bis zwei Tage kann man sich vor männlicher Aufmerksamkeit kaum retten und das Telefon macht PLING! PLING! PLING! Immerzu.

Der Fehler, den man dann allerdings AUF KEINEN FALL machen sollte, ist nachzusehen, wer einen alles bestaunt und angeschrieben hat…denn der Tümpel ist nach wie vor voller Frösche, denen man bereits vom Mond aus ansehen kann, dass aus ihnen niemals ein Prinz werden wird. Und es stärkt das Selbstbewusstsein halt oft nicht wirklich, zu erfahren, wer sich da wahrhaftig alles Chancen ausrechnet. Mit Fotos, auf denen sie eine Weihnachtsmütze tragen und eine Flasche Bier in der Hand halten. Und mit Profiltexten, in denen nach Frauenkörpern gesucht wird, die zu „seinem Körper passen“. Beunruhigend auch immer wieder, für wie viele Männer es offenbar eine Empfehlung zu sein scheint, „mal zu schaun, was so kommt“ und zu betonen, dass sie andere leben lassen.

Ich weiß, dass ich grausam klinge. Aber der Online-Dating-Prozess ist einer, bei dem man grausam wird. Man denkt über Menschen nach und denkt im selben Zusammenhang das Wort „Schrott“. Genau genommen eignet sich die oben geschilderte Übung auch sehr gut dazu, die eigenen fiesen Seiten mal so richtig zu erkunden. Wer sich bisher für eine nette Person gehalten hat – viel Glück mit dem neuen Ich. ; )

Ich hatte unlängst für ca. ganze zwei Wochen solch ein Eitelkeitsprofil bei Shop-A-Man. Da müssen sich Männer darum bewerben, von Frauen in deren Einkaufswagen gelegt zu werden, um diese dann kontaktieren zu dürfen. Insgesamt funktioniert das Ganze wie die Hackordnung in einer amerikanischen High-School-Komödie. Es geht vielleicht in zweiter Linie darum, einen Partner zu finden. Aber in der Hauptsache dürfte es das Ziel der meisten Teilnehmer sein, "beliebter" zu werden, bzw. zumindest in der fantastischen Resterampenwelt von Shop-A-Man seinen Marktwert kräftig zu erhöhen. Dazu muss man auf der Plattform möglichst umtriebig sein. Und so kam es, dass ich, nach dem Abklingen des obligatorischen Runs auf frische Mitglieder, am Ende meines Aufenthalts nur einen Beliebtheitsgrad von 76% hatte. Das bedeutet angeblich, dass 76% aller Frauen, die auf der Seite registriert sind, unbeliebter waren als ich. Und das klingt vielleicht gar nicht so niedrig, ist es aber. Tatsächlich war ich damit im Shop-A-Man-Universum ziemlich unten durch. Werte von über 90% waren zumindest bei den meisten „Produkten“ („Männern“ Anm. der DD), die mir dort begegnet sind, die Regel. Selbst der Herr, der schrieb „Ich mag am liebsen Frauen mit blondem Haaren. Und ich mag es ordentlich und sauber.“ hatte es bereits auf satte 88% gebracht. Oy vey… könnte ich nur auf Bestellung alles so gründlich vergessen, wie das, was ich gerade aus der Küche holen wollte…

Eigentlich wollte ich mich ja auch mit der Schilderung meiner Erfahrung bei Elitepartner.de gar nicht mehr groß aufhalten. Unrat soll man vorbeischwimmen lassen. Jedenfalls war das Lebensmotto meiner Mutter. Nicht, dass es ihr jemals wirklich gelungen wäre, sich nicht zu empören… Erstens bin ich also genetisch vorbelastet und dann dachte ich auch, dass ich damit, dem halbseidenen Horrorladen ein Jahr lang monatlich 40 Euro zwischen die Fänge geworfen zu haben, jetzt wenigstens das Recht erworben habe, hier eindringlich davor zu warnen, sich dort einzuschreiben. Da bin ich natürlich nicht die Erste. Das Internet ist voll von Schreckensberichten. Mit seinen rabiaten Geschäftspraktiken am Rand der Sittenwidrigkeit ist der Anbieter bisher nicht nur einmal von der Verbraucherzentrale verklagt bzw. abgemahnt worden. Und wer verärgert oder in der Überzeugung, gar keinen Vertrag mit Elitepartner geschlossen zu haben, Zahlungen zurückhält, bekommt es mit noch viel schattigeren Inkassounternehmen zu tun, die allesamt offenbar auch schon zweifelhafte Internet-Berühmtheit erlangt haben.

Vielleicht würde man sich über rechtswidrige Vertragsklauseln gar nicht aufregen, wenn der gebotene Service umso erfreulicher und erfolgreicher wäre. Aber Auseinandersetzungen mit dem Kundenservice sind, als würde man ohne Narkose die Fußnägel gezogen bekommen. Und auch die Partnersuche auf dem veralteten Portal mit den albernen Milchglasbildern der Suchenden, den unendlich vielen inaktiven Profilen, den abwegigen Standardnachrichten, die man verschicken muss, weil nichts anderes geht, sowie den endgültigen Absagen, nach denen man sich nicht noch einmal anders entscheiden kann, fühlt sich in etwa so an, als wollte man sich in einer eisernen Lunge am Zeh kratzen. Und weil da so gut wie niemand ist, antwortet auch ohnehin keiner auf die stümperhaft vorformulierten Anfragen, die man vielleicht doch noch versendet. Gucken kommt erst recht keiner. Gibt ja auch nichts zu gucken. Man kann sein Bild auch dann nicht allgemein sichtbar machen, wenn man dieses ausdrücklich wünscht.

Was dann doch noch kam, aus dem Elitetümpel der „handgeprüften“ Nutzerprofile,  war, bis auf einen wirklich ganz netten Kardiologen, der im letzten Jahr mein allererstes Online-Date überhaupt war, eine gänzlich verwunderliche Mischung aus Fußfetischisten, androgynen Frisörinnen, cULTURAL SOCIOLOGISTs mit Realschulabschluss, Herren, die von Beruf „Sonstiges“ sind oder – ungelogen – unter „Kuhpedikeur“ firmieren. Nachdem meine kostenpflichtige Mitgliedschaft vorbei war, füllte ich mein Profil übrigens für ein paar Tage, bevor ich es endgültig löschte, neu aus und war fortan eine Privatdetektivin aus Weißrussland, 52 Jahre jung, 1,85 m groß und Mutter von 5 Kindern. Und erstaunlicherweise plötzlich ein Renner – das soll heißen, dass ich tatsächlich mehrere Partneranfragen auf einmal bekam, was noch nie vorgekommen war. Die konnte ich aber leider nicht mehr lesen, weil ich ja kein Premium-Mitglied mehr war. Nun könnte man auf die Idee kommen, dass man mich mit fingierten Nachrichten einfach dazu motivieren wollte, einen neuen Vertrag abzuschließen, aber wer würde denn wohl jemals auf so unredliche Weise Kundenfang betreiben?...Im Elitepartner-System schreibt man „Weißrussland“ übrigens mit „ss“ im Weiß. Nun ja, Rechtschreibung ist halt auch bei der Mehrzahl der mir bekannt gewordenen männlichen Nutzer der Plattform keine echte Stärke, also dürften solche Patzer weiten Teilen der elitären Kundschaft kaum auffallen. Aber auch die hanebüchenen Psychotests, die ja selbst in Frauenzeitschriften dieser Tage eher aus der Mode gekommen sind, oder das groteske Ergebnis der pseudo-wissenschaftlichen „Persönlichkeitsanalyse“, die allein schon einen Wert von 100 Euro haben soll, sind Zumutungen für alle, die das Denken nicht lassen können. Und wir wollen auch schweigen, über die Artikel, die man zum Thema Partnersuche auf der Seite präsentiert bekommt, und die so vielverheißende Titel tragen, wie: „Küss mich! Was Sie über Bussis, Schmatzer und Co. wissen sollten“. Ich habe übrigens einmal versucht, im strunzbiederen Forum einen Thread zum Thema Vorliebe für runde Körper und die Dating-Chancen von Dicken zu platzieren. Diese Unternehmung wurde gleich ganz geblockt, bzw. nicht freigeschaltet. Also: FINGER WEG!

Wohl so ziemlich jedes andere Portal dürfte besser sein, weil zumindest unterhaltsamer – selbst Shop-A-Man. Wobei ein gewisser Grad an Unerschrockenheit bei der aktiven Partnersuche, sei es on- oder offline, wohl grundsätzlich ausgesprochen hilfreich ist. Andererseits habe ich ja auch schon über den Segen berichtet, den Kontaktbörsen im Internet bringen können, wenn man über eine so deviante Körperform verfügt, wie ich. ; )

Und obendrein kann ich am Ende eigentlich gar nichts anderes berichten, als dass ich im Internet sehr wohl Liebe fand. Eine große gar. Allerdings nur meine für jemand anderen. Der mich im Teich zwar zuerst ausmachte und aufmischte, aber dann doch nicht wollte. Und das ist in der Tat nichts anderes als schrecklich. An jedem verdammten Tag seither.

So steht’s im Moment.



© Nicola Hinz 2014