Montag, 29. April 2013

Keiner liebt mich

 


Nachdem der erste Teil des Experiments erfolgreich abgeschlossen wurde, kommen wir zum eindeutig größeren Projekt: Die Liebe finden. Nun würde man vielleicht denken, alle Männer die unter Umständen vormals angesichts des für ihren Geschmack zu deutlich (von einer Frau) geäußerten Interesses an Sex den Kopf und anderes wieder eingezogen hatten (und davon gab es bisher durchaus ein paar ziemlich gamouröse Exemplare, die man für die zweite Runde gern wieder im Team hätte), könnten jetzt beruhigt zurück in die Arena traben.Tun sie aber nicht, die Heulsusen. ; )

Höchst bemerkenswert, wie wenig Humor Männer in diesen Tagen haben, wenn es an den eigenen Reißverschluss geht.War das schon immer so? Und wann hat das angefangen, dass einige Kerle den weiblichen Anspruch, "respektiert zu werden" gegen einen verwenden und sich schlicht verweigern? ; ) Und erst diese hektische Entrüstung und Entfremdung, wenn sie merken, dass man in der Tat genau das will, was sie auch am meisten wollen - sie sind nicht amüsiert, sondern hin und hergerissen zwischen "Anständigkeit", moralischem Naserümpfen und schlichtem Bestimmenwollen, wie die Sache nun wirklich zu laufen hat. Doch wo sich zwei Flittchen im Prinzip einig sind, ist es sinnlos, dass einer sagt, wo es langgeht. Und da fängt der Ärger dann so richtig an, und die Frauenbewegung prallt offenbar mitunter so hart an diffuse und schier unüberschaubare Grenzen in den Köpfen "neuer" Männer, dass es nur so scheppert. Frauen sollen sich in romantischen Beziehungen bitteschön führen und fallen lassen - aber doch um Himmels Willen nicht mit so viel Enthusiasmus und Schwung, dass man sich dabei fast die Rippen bricht.

Das Resultat ist, dass ich nun dasitze mit einem kleinen Fundus männlicher, angefressener Diven. Nicht in meinem Leben (wo ich sie gern behalten hätte) und nicht raus aus meinem Leben (weil weder sie noch ich das irgendwie wirklich wollen). Und mich über mich selbst ärgere, wenn ich beschwichtige, mich zurücknehme, mir Bemerkungen verkneife und angesäuerte Egos wie rohe Eier behandle, weil ich deren Besitzer trotz allem mehr mag als den Rest und von ihnen wieder so zurückgemocht werden will, wie am Anfang. (Als sie mich noch nicht so gut kannten und gar so deutlich überfordert waren.)

Stolz zu überwinden und die Klappe zu halten, obwohl man nicht findet, dass man etwas falsch gemacht hat, kann vielleicht eine wertvolle Übung sein. Bewusst angewandt und mit einem Ziel vor Augen. Als wissenschaftliches Experiment. Also habe ich auch gleich mal die Profile in den Online-Portalen entschärft. Und jeweils ein versicherndes Lächeln in der Fotogalerie platziert ("Du kannst ja grimmig UND warmherzig gucken!"). Denn die dicke Dame sucht die Liebe*, und sieht schon ein, dass es da vielleicht hilfreich ist, Männer nicht mehr in großen Mengen planmäßig in die Flucht zu schlagen. Trotzdem - eine Art zu leben wird das nicht werden. Heitere und gefällige Zurückhaltung ist nichts, was ich im Privaten lange durchhalte - vermutlich nicht einmal für der Welt besten Küsse. Ich brauch jemanden, der gut knutscht und mich aushält. DAS wird ein schönes Stück Arbeit werden. ; )

*Denn Herr Rossi sucht das Glück


P.S.: Ernsthaft jetzt?


NH

Donnerstag, 25. April 2013

Revolution


Ach guck mal hier: Vor zwei Wochen gekauft. Und dann total vergessen.*
*DAS wäre früher nicht passiert. ; )        
 

NH

Freitag, 19. April 2013

Bis hierher

Meine Reise begann vor ungefähr einem Jahr. Ich mag in den Monaten davor gedanklich Anlauf genommen haben, aber so richtig auf dem Weg bin ich erst seit dem letzten Frühling. Der Abschied von Diäten und der Fantasie vom dauerhaft dünnen Leben – am Anfang kann man sich nicht vorstellen, wie das gehen soll. Die Idee allein stellt alles auf den Kopf was man für richtig hält, und lässt einem zunächst die Haare zu Berge stehen. Erst fühlt es sich in der Tat an, wie Resignation. Wie ein Fall ins Leere. Was soll jetzt aus all den Träumen und Erwartungen an das zukünftige Leben im Barbie-Haus werden? Und dann, wenn man es schafft, nicht in Panik wieder vom Zug abzuspringen, wird man erwachsen – und fängt endlich an, adäquat für sich zu sorgen. Ich bin noch nicht ganz da (und es gibt Rückfälle), aber ich bilde mir ein, ich kann das Ziel schon sehen: Ein Leben in und nicht gegen meinen Körper.

Die Zeichen stehen auf Selbstrespekt:
1. Zum ersten Mal seit bestimmt einem Jahrzehnt besitze ich mehr Kleider, die mir tatsächlich passen, als solche, die zu eng sind, aber auf ihren Auftritt in einer fernen, goldenen, weil selbstverständlich abgespeckten Zukunft warten.
2. Würde eine gute Fee mir heute anbieten, morgen in einer Größe 36 aufzuwachen, würde ich das gar nicht mehr wollen. Ich würde höchstens darum bitten, dass das, was da ist, ein wenig geebnet und gestrafft wird. ; )

3. Ich erobere mein Gesicht zurück. „So ein hübsches Gesicht“ ist keine Verschwendung an einen dicken Körper. Ich glaube, es sickert auch langsam in tiefere Bewusstseinsschichten, dass ich nicht ein Gesicht habe, ABER dick bin. Tatsächlich bin ich dick UND habe ein Gesicht.
4. Ich hole meine Sexualität aus dem Drydock. Vielleicht erinnern sich ja noch einige an den Tipp der Sex-TrainerinSheri Winston, für eine wirksame Wiederannäherung u. a. die Atmung und außerdem gezielt das persönliche Repertoire an „Sex-Geräuschen“ zu trainieren. Seitdem mache ich das ja gelegentlich gern beim Autofahren. Aus dem gleichen Grund, aus dem ich mich mittlerweile von allen Seiten und in allen Winkeln fotografiert und gefilmt habe, um endlich mal mein Körper-Territorium genau kennenzulernen, das ich bis vor Kurzem ja noch lieber systematisch ausgeblendet habe, habe ich eine solche „Übungseinheit“ mal aufgenommen. Denn beim Sex hört man sich selbst ja auch eher selten zu. So oder so – es ist eine großartige Übung gegen Zurückhaltung. Das Ergebnis gibt es hier. Wohlgemerkt: Alles mit beiden Händen fest am Steuer, um nicht im Graben zu landen, oder im Gegenverkehr! ; )

5. Ich mache mehr Sport (und niemanden überrascht das mehr als mich selbst ; )) – vermutlich, weil er eben nicht mehr dazu dient, Gewicht zu verlieren. Das nimmt den Druck und erhöht den Spaß

6. Ich versuche, intuitiv zu essen und werde immer besser darin, Nahrungsmittel nicht mehr zu kategorisieren und im Hinblick auf ihre Diättauglichkeit zu bewerten. Ich trenne mich nach und nach von der Programmierung, die mir fortgesetzt weismachen will, es gäbe braves und böses Essen 

Seit ich das esse, was ich will wann ich es will, habe ich nicht zugenommen. Tendenziell verringert sich mein Gewicht eher langsam, denn der Körper will gar nicht andauernd hochkalorische Lebensmittel, nur weil alles "erlaubt" ist. Er will vielmehr nur das immerzu, was "verboten" ist. Man muss also sorgfältig in sich hineinören, und die Mischung wird dann vermutlich bunt. Das hier ist ein Querschnitt meiner Nahrung aus den letzten Wochen:


7. Ich networke mit anderen Dicken auf einem ähnlichen Weg, und lerne von ihnen.

8. Ich bin entschlossen, weiterzumachen. Und in diesem Sommer ziehe ich das gelbe Kleid an, UND gehe damit auf die Straße... ; )


NH

Donnerstag, 18. April 2013

Jetzt ruf schon an.

Bitte.


NH

Knall auf Fall

 
Nachdem ich vor zwei Monaten nun Golda Poretzky’s Body Positive Dating Master Class für runde Frauen absolviert und mir vorgenommen hatte, doch ein zweites Mal einen Kopfsprung ins kalte Wasser des Internet-Datings zu machen, ging dann alles erstaunlich schnell.

Wohlgemerkt: Springen, aber mit dem Kopf zuerst eintauchen – diesmal hatte ich vor, mit einem echten Plan an den Start zu gehen. Es gab also im Voraus ein paar Dinge zu bedenken:

1. Was will ich?

Ich sage jetzt einfach, wie es ist: Ich wollte zunächst einmal Sex, ohne die Sorge, wie mein Körper dabei wohl aussieht. Ich wollte Sex ohne Körperscham. Das hatte ich als schlanke Frau nicht wirklich und als dicke erst recht nie. In meinem Leben hatte ich für eine Anzahl von Jahren keinen und für eine weitere Anzahl so gut wie keinen Sex – AUS SCHAM. Wie bereits an anderer Stelle angerissen, halte ich Sex mit offenen Fettliebhabern für eine großartige Chance für dicke Frauen, genau das zu bekommen, und ich hatte mich nun nach zugegebenermaßen kurzer aber heftiger innerer Debatte doch entschlossen, diese zu ergreifen. Zweitens hätte ich gar nichts gegen eine Partnerschaft. Und ich hatte so die Vorstellung, man könnte zwei Fliegen mit einer Klappe…aber da war er halt, der Haken.

2. Was will ich nicht?

Möglichst wenig Anfragen von Schmierlappen und Dumpfbacken sowie BWL Studenten, die „reifen“ Frauen gern die Füße massieren. Das war das oberste Ziel. Denn obwohl man nichts, was bei einer ersten Kontaktaufnahme in einem solchen Forum  geäußert wird, persönlich nehmen darf,  piekst unpassende Anmache  trotzdem immer ein wenig und kann einem irgendwie doch den Abend versauen. Hinzu kommt, dass dumpf nicht unbedingt böse ist, und unter höflichen Menschen vielleicht trotz allem eine Absage verdient – dazu hatte ich diesmal weder Zeit noch Lust. Um Riff-Raff also gleich abzuschrecken, waren die Fotos ohne Grinsen („Warum schaust du denn so böse?“) und die Profiltexte in der Regel entsprechend streng  (jaja, mit positivem Unterton) formuliert  und vollgestopft mit Anforderungen an einen idealen Partner. Einige Besucher schafften es kaum, bis zum Ende meiner Ausführungen und konnten hinterher trotzdem nicht die Klappe halten: „der Text ist aber schwer bin nicht sicher op ich dass alles Kapiert habe.“ …Jaaa, ich weiß, wo war er bloß, der Knopf für die Falltür?
Ehrlichkeit in Bezug auf meinen Körperumfang und gegebenenfalls eine Klausel, die im Profiltext noch einmal extra auf diesen Umstand hinwies, waren natürlich obligatorisch.
3. Egoistisch und effizient sein
An nette, aber unpassende Anfragen verschickte ich Standard-Absagen. Den Rest des Ausschusses versuchte ich geflissentlich zu ignorieren. Das gelang nicht immer. Ich habe ja dieses bestialische Wesen in mir, diese Mischung aus einem Hulk und Fräulein Rottenmeier, und wenn die Impertinenz mir zu sehr entgegenspritzt, dann bricht es halt mitunter aus mir heraus, wie ein mutierter Alligator durch den New Yorker Asphalt…; ) Trotzdem – no men were harmed in the making of this post. ; )
4. Weite Streuung

Ich ging in der Tat weit, um mich anzupreisen: rubensfan.de, secret.de, neu.de, finya.de, elitepartner.de

Also, die gute Nachricht zuerst:
Sexpartner zu finden, ist für dicke Frauen im Internet ganz leicht. Und das Angebot ist nicht schäbig: Fettliebhaber sind überall, und nicht selten sind sie besonders groß, hübsch, breitschultrig und überdurchschnittlich gebildet. Obendrein muss frau sie eigentlich nicht suchen, denn sie finden einen schon, besonders wenn man sich deutlich als BBW (Big Beautiful Woman) ausweißt. Eine Bekannte sagte, wahlweise könne man gut das Wort „Rubens“ im Profilnamen verwenden. Ich kann mir jedoch nicht helfen - wenn diese peinliche, muffige Bezeichnung fällt, wünsche ich mir automatisch noch immer, in einer Size Zero zu versinken.

Um Sex mit jemandem zu haben, sollte man ihn sexy finden. Punkt. Nicht mehr und nicht weniger. Noch besser wird’s natürlich, wenn man den anderen ehrlich mag. Und man kann wohl sagen, dass meine Planung zunächst durchaus zu den erhofften Ergebnissen führte – in den letzten sechs Wochen hatte ich zwölf Verabredungen mit neun Männern, die allesamt über solide Kenntnisse der deutschen Orthografie, eine schicke Hülle, Humor und ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, sowie eine Vorliebe für runde Frauenkörper verfügen. Alle bis auf einen hatten mich zuerst kontaktiert. Neun mag viel klingen, heißt aber nicht, dass ich nicht jeden von ihnen äußerst sorgfältig ausgesucht hätte. Ich wollte schließlich Hauptgewinne, denn ich hatte fest vor, aus diesem Versuchsaufbau auf jeden Fall mit gestärktem Selbstwertgefühl hervorgehen. Und vier von ihnen waren auch welche (Hauptgewinne) – drei zumindest im Bett. ; ) Und ich danke ihnen aus vollstem Herzen. Tatsächlich haben sie mich mit ihrem freundlichen Blick auf und ihrer Freude an meinen Körper so viel weitergebracht auf meinem Weg der dicken Selbstakzeptanz, dass ich am liebsten eine Party für sie schmeißen würde. Zu dumm, dass ich zumindest von einem nicht einmal eine Telefonnummer hätte, um ihn einzuladen.
Es ist also möglich, in relativ kurzer Zeit relativ viele Männer abzuarbeiten und abzuwickeln, ohne dabei groß in emotionale Verwicklungen zu geraten. Das war mir neu. Dass offenbar keine der Begegnungen ein echtes Potential für Dauer hatte, war auch in Ordnung. Man kann nicht immer alles gleich haben, dachte ich mir. Doch dann ging das Experiment jäh zu Ende.
Das Fett ist nicht das Problem
Denn dann habe ich mich verknallt. So richtig und in voller Fahrt. Zum ersten Mal seit Jahren. Wir saßen am Küchentisch, und ich stand neben mir, starr vor Schreck. Ein Wunder, dass ich nicht im Laufe des Abends noch angefangen habe, zu stottern und nervöse Ticks zu entwickeln. Es war schrecklich. Und dann wollte er mich nicht mehr. Nicht wegen meines Körpers, sondern verständlicherweise wegen meiner Verstocktheit. Die mochte er so wenig, dass er sich in den folgenden Tagen nicht einmal mehr für den wie sauer Bier angebotenen Sex erwärmen konnte (und da muss man sich meiner Erfahrung nach schon als besonders fieses Schrapnell in das Bewusstsein des anderen gebohrt haben, wenn der andere männlich ist). Es war eine Variante, die mir bis dato nicht untergekommen und deren Möglichkeit mir auch nie in den Sinn gekommen wäre: Dass mein dicker Körper beliebter sein könnte als der Rest. Es war eine fürchterliche Lektion, aber offenbar auch eine notwendige Erfahrung, Abweisung nicht aufs Fett schieben zu können, sondern zu realisieren, dass man es allein mit purer Persönlichkeit (oder vielmehr mit einem Mangel an Ebensolcher) komplett verbockt hat, als es einem wirklich, wirklich wichtig gewesen wäre. Es ist halt die Wahrheit: Du bist immer dann am besten, wenn’s dir eigentlich egal ist. Was total unfair und sinnlos ist. Und das Fett ist nicht das Problem. Womöglich stimmt, was Kate Harding ihren Leserinnen zuruft: Was man dick nicht auf die Reihe kriegt, würde man dünn auch nicht besser machen. Und fürs Seelenheil hätte es nun nicht einmal einen Zweck, alten Mustern entsprechend den Plan zu fassen, dünn und schön zu werden, nur um es ihm zu zeigen, denn etwas Dünnes würde er ja vermutlich gar nicht so dringend gezeigt bekommen wollen.


NH