Samstag, 22. Dezember 2012

Eine Weihnachtsgeschichte


Dieser Keks ist 3,5 Jahre alt. Darum sieht er so schäbbich aus. Die Zuckerglasur war mal weiß. Zitrone. Man beachte außerdem die Form: ja - ein Hase. Eigentlich neige ich nicht zum Morbiden - jedenfalls nicht außerhalb der Kunst. Nicht im wahren Leben.

Es handelt sich um ein klassisches Butterplätzchen aus Mürbeteig. Allerdings besonders dünn. Und seinerzeit besonders zitronig. Und es ist eines der letzten, die meine Mutter gebacken hat. 2009 hatte meine Mutter, statt auf Weihnachten zu warten, ihre berühmten Kekse vorsorglich zu Ostern hergestellt - für den Fall, dass sie Weihnachten nicht mehr unter uns sein würde. Wie sich herausstellte, war das eine ziemlich pragmatische und treffende Entscheidung, denn sie starb im Sommer.

Ich kann nicht behaupten, dass Weihnachten bei uns zu Hause jemals eine besonders harmonische Angelegenheit gewesen wäre. Weihnachten war ein Mienenfeld. Mal hatte man mehr Glück, mal weniger - und dann flog einem so ziemlich alles um die Ohren. Alles fing meistens mit dem Baum an, denn der musste PERFEKT sein. Und wenn wir mit Kollegen meines Vaters beim Firmen-Baumschlagen in den Wald gingen, war unsere Familie regelmäßig die letzte, die wieder auftauchte. Nicht selten nach Anbruch der Dunkelheit. Mein Vater nahm das alles in meiner Erinnerung weitgehend mit Humor, bis er den Baum im Wohnzimmer aufstellen musste. Kerzengerade und mit der Schokoladenseite nach vorn. Wobei meine Mutter bestimmte, was gerade und was Schokolade war, und mein Vater jedes Jahr lautstark schwor, das sei das LETZTE MAL, dass er so ein Theater mitmachen würde.

Meine Eltern, Weihnachten 1983
Später, als wir zwei ohne meinen Vater Weihnachtsbäume besorgten, änderte sich an diesem und allen anderen Ritualen nicht viel. Ich verbrachte Stunden damit, Bäume vortanzen zu lassen ("Dreh' den mal um!") und wurde dabei ausgesprochen ungehalten. Klar würde ich heute gern noch einmal mit ihr für eine gefühlte Ewigkeit durch Gartencenter laufen auf der Suche nach einer angemessenen Tanne. Vielleicht stimmt es, dass man gewisse Dinge erst zu schätzen weiß, wenn sie verschwunden sind. Aber manchmal ist es auch einfach nur so, dass die Alternativen eben noch viel, viel schlechter sind als das verlorene Original.

Meine Mutter mag bei der Ausrichtung von Feierlichkeiten (und auch sonst) dominant und perfektionistisch gewesen sein, aber bis sie starb, hatte ich nur einmal in meinem Leben Weihnachten nicht mit ihr verbracht. Niemals hätte mich ein elfstündiger Flug von Kalifornien nach Hamburg davon abgehalten, zu Weihnachten zu Hause zu sein. Denn meine Mutter war mein Zuhause.

Kurz bevor sie starb, sagte ich ihr das auch: "Du kannst nicht sterben, denn dann bin ich heimatlos". Und nun sitze ich hier mit ihrem letzten Keks....Ich frage mich, ob man ihn noch essen kann. Bisher lag er auf seinem Tellerchen wie in einem Minischrein im Regal. Auf jeden Fall ist er mittlerweile total geruchlos. Und das merkwürdigerweise trotz all der Butter. Es fühlt sich so an, als sei es Zeit sich zu trennen. Aber ich weiß nicht wie.

Ich habe versucht, Weihnachten mit anderen Menschen zu feiern. Und fühlte mich hinterher elend. Das war mir und den anderen gegenüber nicht fair. Unter Umständen könnte man sozusagen gezielt zum Weihnachtsmuffel werden, und sich den ganzen Kram abtrainieren. Ich fürchte aber, meine Weihnachtsgeister sitzen mir viel zu sehr im Nacken. Ich hatte die Idee, in diesem Jahr vielleich zu verreisen, aber dann zog ja der neue Kater ein. Damit hatte sich das erledigt. Schließlich ist der jetzt Familie.


Und so feiere ich Weihnachten zwar ohne Mutter und ohne Baum, aber ansonsten genauso wie immer: Ich schneide die Zutaten für den Kartoffelsalat und schaue mir dabei "Michel aus Lönneberga" an. Und dann packe ich die Geschenke aus, die ich mir selbst von Amazon habe schicken lassen. Denn im Grunde war auch das so eine Art Tradition. Seit ich lesen konnte, gab ich meiner Mutter eine Wunschliste mit Büchern, die sie dann im Buchladen im Ort bestellte. So war es ihr am liebsten. ("Ich weiß einfach nie, was du wirklich willst.") Kekse backe ich keine mehr - was aber nicht heißt, dass mein bunter Teller nicht weiterhin der prächtigste (und am sorgfältigsten arrangierte) im ganzen Land wäre.

Während ich diesen Text schreibe, habe ich parallel schon mit der Arbeit am Jahresrückblick begonnen. Was aus dem Keks geworden ist, erzähle ich auch nächste Woche. Jetzt bleibt erst einmal nur, euch allen ein buntes Weihnachtsfest und wenig Stress zu wünschen - in Anlehnung an die schönen Teddybär-Inszenierungen von SchneiderHein, mit einer kleinen Weihnachtszene von meinem Schreibtisch. : )
 

FROHE WEIHNACHTEN!

 

NH

Samstag, 24. November 2012

Ganz viel Sex


 
Rebecca Jane Weinstein, Juristin und Gründerin der Fett-Akzeptanz-Plattform PeopleOfSize.com, hat ein Buch über etwas geschrieben, was nicht mehr ganz so unvorstellbar ist, wie es mal war. Aber noch immer ZIEMLICH unvorstellbar – leider auch oft und vor allem für die, die es direkt betrifft. Der Titel des Buches ist Fat Sex. Und es handelt von dicken Menschen und dem Sex, den sie haben – oder eben nicht haben.

Und viele dicke Menschen haben viel Sex NICHT. Weil sie sich für ihren Körper schämen, weil sie sich nicht vorstellen können, dass jemand sie attraktiv finden könnte, und weil viele Menschen dicke Körper tatsächlich nicht attraktiv finden, oder sich schämen, zuzugeben, dass sie es doch tun.

In einem Interview sagte die Autorin, dass das Buch allerdings auch darlege, dass dicke Menschen ebenso normale und/oder außergewöhnliche sexuelle Entwicklungen durchmachen, wie alle anderen. Der Inhalt des Buches scheint jedoch gleichzeitig zu belegen, dass ein sehr hohes Gewicht insbesondere für Frauen, bemerkenswert weichenstellend sein kann und häufig dazu führt, dass sexuelle Selbstfindung und Bestätigung härter und auf Umwegen erkämpft werden müssen.

Should fatties get a room?* (Will man dicken Leuten beim Knutschen zusehen?)

Die amerikanische Sitcom „Mike & Molly“ erzählt aus dem Alltag eines Paares, in dem beide Partner dick sind. Sie lernen sich in einer Selbsthilfegruppe kennen und versuchen immer mal wieder, eine Diät durchzuhalten – aber das Übergewicht der beiden spielt im weiteren Verlauf thematisch eine nur untergeordnete Rolle. Ich selbst habe die Serie bisher gern gesehen – und eine DVD beim letzten kleinen Preisausschreiben verschenkt. In den USA, wo sie 2010 anlief,  war „Mike & Molly“ mittelprächtig erfolgreich, schaffte es aber bis zur mittlerweile dritten Staffel. In Deutschland war sie, so muss man es wohl sagen, ein Flop und wurde von SAT1 eigestellt.

Wenn man davon ausgeht, dass mittlerweile ein Drittel aller erwachsenen Amerikaner auf Basis des Fantasiemaßstabes BMI als adipös einzustufen ist und die Hälfte der Deutschen zumindest als übergewichtig, dann ist es umso erstaunlicher, dass all diese runden Leute offenbar wenig Wert darauf legen, Schauspielern, die so aussehen, wie sie selbst, auf ihren Fernsehbildschirmen dabei zuzuschauen, wie sie die Tücken eines normalen Paaralltags meistern. Offenbar sehen wir alle sehr viel lieber, wie Dicke im Format „The Biggest Loser“ als Strafe für ihre Fülle kaserniert, gedemütigt und vorgeführt werden. Wer Geschichten mit dicken Menschen erzählen will, in denen das Dicksein Tatsache aber weder vorrangig komisches Element noch zu bekämpfendes Übel ist, der stößt leicht an seine Grenzen. Und an die des Publikums, das sich oft selbst nicht leiden kann und darum für das eigene Fett und/oder das anderer in weiten Teilen nicht viel mehr als Abscheu übrig hat.

Aber „Mike & Molly“ enthielt unerwartet offenbar auch Zündstoff für eine handfeste Kontroverse in dessen Zentrum die magersüchtige Kolumnistin Maura Kelly stand und in dessen Verlauf die amerikanische Ausgabe der Marie Claire einen nicht unerheblichen Anteil ihrer Abonnentinnen verlor. Kelly wurde mit der eigentümlichen Aufgabe betraut, als Reaktion auf „Mike & Molly“ für die Website des Magazins eine Kolumne darüber zu verfassen, „ob es für Zuschauer wirklich unangenehm ist, dicken Leuten beim Knutschen zuzusehen“. Denn Mike und Molly küssen sich. Und sie haben Sex. Der wird natürlich nicht gezeigt, aber oft erwähnt. Maura Kelly verfasste daraufhin ein bösartiges kleines Traktat darüber, warum sie Dicke grundsätzlich ekelhaft findet („Yes, I think I’d be grossed out if I had to watch two characters with rolls and rolls of fat kissing each other…because I’d be grossed out if I had to watch them doing anything.”) und die Andeutung dicker Sexualität erst recht. Wer auch immer tatsächlich entschied, dass der Artikel auf der Seite veröffentlicht werden würde, mag vielleicht eine kleine, überschaubare Provokation beabsichtigt haben, hatte aber die Rechnung eindeutig ohne die Leserinnen gemacht, die sich in diesem Fall zu einem ungeahnten Shitstorm aufschwangen. Maura Kelly musste sich entschuldigen. Sie schob den Ausrutscher auf die durch die eigene Essstörung verzerrte Wahrnehmung. Liest man Kellys Text vor diesem Hintergrund noch einmal, wird offensichtlich, wie sehr ihre ungefilterten Angriffe auf die Körperlichkeit anderer in Wahrheit vor Selbsthass nur so triefen. Dennoch ist auch klar, dass sie mit ihrem Ekel in einer essgestörten Gesellschaft nicht allein ist. So hatte der Fernsehsender CBS einem CNN-Bericht zufolge durchaus auch von Zuschauern Beschwerden bezüglich der Küsse unter Dicken erhalten.

Fetish walking (Achtung: wandelnder Fetisch)

Ist der Sex, den dicke Leute haben, ekelhaft? Oder reflektiert der Ekel vor dickem Sex genauso auf den zurück, der ihn verspürt und äußert, wie der allgemeine Ekel vor Dicken? Ist es obendrein ein Problem mit der eigenen Sexualität, die Menschen wie Kelly daran hindert, leben und leben zu lassen?

Immerhin die Ansicht, dass es zumindest NICHT normal ist, eine spezifische sexuelle Vorliebe für dicke Körper zu haben, dürfte noch immer weitverbreiteter sein, als das Gegenteil. Aber es ist nicht nur das. Rebecca Jane Weinstein legt in ihrem Buch dar, es werde außerdem gemeinhin unterstellt, dass ein dicker Körper so unattraktiv ist, dass man über ihn auch dann nicht hinwegsehen kann, wenn andere Eigenschaften einer Person umso liebenswerter sind. Wenn also ein Nicht-Dicker eine Beziehung mit einem dicken Menschen eingeht, weil er primär seinen Humor oder seine Energie sexy findet, kann er genauso leicht in Erklärungsnot geraten, wie derjenige, der sich explizit zu runden Körpern hingezogen fühlt. Die Freunde können es nicht glauben. Die Familie versteht es nicht. Die Kollegen machen sich lustig. Was DARF einen anmachen?

Weinstein wirft einen näheren Blick auf die heimische (US-amerikanische) Pornoindustrie und stellt fest, dass es, gemessen an Verkaufszahlen und der Fülle pornographischer Darstellungen mit dicken – in der Hauptsache – Protagonistinnen, bei weitem nicht mehr als „unnormal“ bezeichnet werden kann, an runden Körpern sexuell interessiert zu sein. Dicke Pornographie ist kein Nischenmarkt, sondern Big Business, bei dem Milliarden mit sexuell aktivem, wogendem Fett verdient werden. Gibt man tatsächlich einfach nur einmal spaßeshalber „fat sex“ bei Google ein, bekommt man innerhalb von 0,15 Sekunden 395.000.000 Ergebnisse. Eine Bekannte, die sich mit der Materie ein bisschen auskennt, erzählte mir unlängst: „Die erfolgreichsten Prostituierten auf dem Kiez sind jedenfalls keine kleinen, dünnen Mädchen.“

Warum also sollte man als dicker Mensch und insbesondere als dicke Frau Sorge haben, nicht zu genügen? Und sexuell schlicht unattraktiv/inakzeptabel zu sein? Warum gibt kaum einer zu, dass er Dicke aufregend findet, wenn es doch offensichtlich so viele tun? Die Antwort wurde oben bereits gegeben. Die Gesellschaft befindet sich im Krieg gegen das Fett. Weinstein sieht Liebhaber von dicken Körpern momentan in der Situation, in der vormals Schwule und Lesben waren. Heute seien sie es, der die Gesellschaft es schwer mache, sich zu „outen“. Denn wer Fett sexy findet, kann, wie gesagt, schlicht nicht richtig ticken. Muss „pervers“ sein. Womit wir beim „wandelnden Fetisch“ wären. Sexuelles Begehren, das sich laut Definition auf bestimmte Gegenstände oder Konstellationen von Körpern und Gegenständen richtet – viele Dicke wollen DAS nicht sein. Sie wollen verständlicherweise nicht in einen Topf geworfen werden mit Damenbärten, Nylonstrümpfen, Gasmasken und halbnackten Frauen, die mit ihrem Geländewagen im Schlamm stecken bleiben. Nicht dass damit irgendetwas nicht in Ordnung wäre, aber eine dicke Person ist nun einmal zunächst weder ein Objekt noch eine Inszenierung. Mitunter sind sie deshalb misstrauisch. Gleichzeitig ist es oftmals schwer für sie, zu glauben, dass jemand, der sie (unerwarteterweise) sexuell will, dann auch an ihnen als Person interessiert ist. Oder dass er Körpermaße gar nicht so wichtig findet.

Was sich da außerdem leicht erschwerend ins Bild schiebt, ist die eher gruselige Variante von Feedern (Fütterern) und Gainern/Feedees (Gefütterten). Bei der Vorstellung, in eine Beziehung zu geraten, in der es das erklärte Ziel des Partners ist, den anderen zu mästen und so mehr und mehr Kontrolle über den immer unbeweglicher werdenden Körper zu erlangen, dürften den meisten Dicken die Haare zu Berge stehen. Natürlich kann jeder mit seinem Körper machen, was er will. Aber was muss insbesondere einer Frau vorher passiert sein, damit sie einwilligt, ihren gezielt zum Gefängnis auszubauen und sich so in letzter Konsequenz tatsächlich zum Fetisch, zum Objekt machen lässt? Und wie muss einer gestrickt sein, der diese Bereitschaft ausnutzt? (Ja, stimmt - ich habe wenig übrig für ungleiche Machtverhältnisse in sexuellen Zusammenhängen, verklagt mich ruhig! ; ))

Fetisch oder kein Fetisch: In den Geschichten der von Weinstein Befragten stellt sich trotz allem eines eindrucksvoll heraus: Offene Fat Admirers (Fettliebhaber) können unter Umständen eine wertvolle Anlaufstelle sein – vor allem für dicke Frauen – wenn es um Selbstakzeptanz geht. Die Erfahrung, dass ein anderer in der Lage ist, wildes Begehren für den selben Körper zu empfinden, mit dem man sich selbst im Zweifel seit Ewigkeiten im Krieg befunden hat, könne eine absolute Befreiung sein. Und es scheint mir einleuchtend. Man stelle sich das mal vor: Keine sorgenvollen Gedanken daran, was sich alles wellt oder wackelt. Beim Date mit einem Fat Admirer ist man als dicke Person schließlich genau das, was der andere wollte. Vermutlich ist nichts, was man an nackten Untiefen und Geheimgängen zu bieten hat, eine Überraschung für ihn. Da muss man das Licht nicht dimmen, um unsichtbar zu werden. Scham ist kein Rezept für guten Sex, und einige von Weinsteins Interview-Partnerinnen haben sich durch die gezielte Suche nach Sexpartnern mit einer expliziten Vorliebe für dicke Körper tatsächlich die Möglichkeit verschafft, die Scham zum ersten Mal in ihrem Leben in der Handtasche zu lassen. Klingt eigentlich wie ein hervorragender Deal. Und verlangt in der konkreten Umsetzung vermutlich trotzdem verdammt viel Mut. Aber wenn man vorhat, sich diese Erfahrung zu holen, sollte man es tunlichst VOR der nächsten Diät tun, denn das ist eine Chance, die mit jedem Gramm in der Tat schwindet. ; )

Was Weinsteins Buch jedoch wie gesagt auch dokumentiert, ist, dass dick zu sein fast immer einen deutlichen Einfluss auf die sexuelle Evolution eines Menschen hat. Meistens verzögert es Erfahrungen und führt in der Summe letztendlich sehr wohl zu mehr Demütigung und Ablehnung. Aber fast alle Schilderungen enden mit einer Stärkung des Selbstwertgefühls und mehr Selbstakzeptanz, die sich die Protagonistinnen und Protagonisten auf die eine oder andere Art individuell erarbeitet haben.

Ich habe mich gefragt, wie die immer wiederkehrende Erfahrung, dick und damit in einem gesellschaftlich inakzeptablen Körper zu leben, meine Sexualität beeinflusst hat und dazu verglichen, welche Erfahrungen im schlanken und welche im dicken Körper überwogen haben (und so komisch es klingen mag - es gab kaum Phasen "dazwischen"). Die Erfahrungen, die zumindest gefühlt am häufigsten gemacht wurden, stehen oben auf der Liste. Allerdings ist hier alles nur ungefähr. Und ein wenig verschwommen.

Dick

-          Von der Umwelt GAR NICHT als sexuell wahrgenommen werden.
-          Nicht gewollt werden. (Sollte man sich doch einmal getraut haben, Signale zu senden.)
-          Verwirrung und Panik bei (sehr seltenen) unerwarteten aber nicht unerwünschten   Annäherungsversuchen – warum will der mich? Und dann mit ziemlicher Sicherheit: Flucht!
-          Ganz selten: Unerwünschte Anmache.

Dünn (zumeist jedoch trotzdem eingebildet dick)

-          Verwirrung und Panik bei unerwarteten aber nicht unerwünschten Annäherungsversuchen – warum will der mich? (Endete auch nicht selten mit Flucht.)
-          Unerwünschte und oft aufdringliche Anmache, Annäherungsversuche, Belästigung.
-          Etwas mehr Selbstbewusstsein beim Ergreifen von Initiative und in der Konsequenz gewollt werden.
-         Nicht gewollt werden.

Ja, es war schon so: Immer, wenn ich dünn war, ging deutlich mehr. Allerdings musste man in solchen Phasen auch immer sehr viel mehr abwehren, was ich regelmäßig als ziemlich anstrengend empfunden habe. Und wo mehr ging, war auch sehr viel mehr Gelegenheit für akute Scham. Denn ohne die ging ich auch schlank nie aus dem Haus.

Vor ein paar Wochen habe ich im Zuge eines kleinen Fotoprojekts mal Bestandsaufnahme gemacht und meinen Körper nackt und aus purem Forscherinnendrang von allen Seiten und aus so ziemlich jeder möglichen Perspektive abgelichtet. Von nah und von fern. Man hat ja so viele Teile, die man naturgemäß nie wirklich zu Gesicht bekommt. Und ich war vorbereitet auf eine wahre Landkarte des Grauens. Aber dann kam es anders, und nicht alles, was ich sah, stürzte mich mehr in schiere Verzweiflung. Erstens gab es mir Sicherheit, jetzt genau zu wissen, was ich dem anderen wirklich „zumuten“ würde, wenn ich das Licht anließe. Und zweitens fand ich einige Bilder sogar richtig schön. Und dann dachte ich mir, wenn ich mich selbst, so wie jetzt nun einmal bin, zumindest aus bestimmten Blickwinkeln irgendwie sexy finden kann, dann kann das jemand anders auch…….Also wirklich, jetzt.

Weinsteins Fazit aus den von ihr gesammelten Schilderungen dicker Menschen ist ohnehin: Es sind Haltung und Selbstbewusstsein, die sexy machen. Ich hoffe, das ist eine gute Nachricht. Denn was für scheue Viecher gerade diese zwei ironischerweise sind, davon kann ich bekanntlich ein Lied singen.


*Gängiger englischer Ausspruch, wenn Leute in der Öffentlichkeit ihre Zuneigung zu deutlich zeigen – zumindest im Auge des Betrachters: Get a room you two, nobody wants to see that. (Nehmt euch gefälligst ein Hotelzimmer, das will doch keiner sehen.)

NH

Mittwoch, 21. November 2012

Abgesang: Erkenntnisse aus dem Hartz-IV-Selbstversuch


Nachdem unser Hartz-IV-Projekt nun schon seit Ende Oktober beendet ist, wird es Zeit, ein Resümee zu ziehen. Das Ziel war bekanntlich, im Oktober in den Hatz-IV-Kategorien Nahrungsmittel, Innenausstattung, Bekleidung, Gesundheitspflege, Freizeit, Bildung, Gaststättendienstleistungen und Sonstiges mit dem Regelsatz von insgesamt €276,83 auszukommen und möglichst auch innerhalb der Abteilungen im Budget zu bleiben. Im September, unserem Vergleichsmonat mit „regulären“ Ausgaben, lagen meine Gesamtausgaben für die o.g. Kategorien bei € 1368,82. Bei Michael waren es € 1070,42. Allerdings hatte bei uns beiden jeweils eine kurze Reise den Betrag ein wenig in die Höhe getrieben.
 
 
Es ist also zu schaffen.

Zumindest für einen Monat. Aber Spaß macht es nicht, mit dem Hartz-IV-Regelsatz auskommen zu müssen. Und leicht war es nach wie vor auch nicht. Im Oktober habe ich für die Kategorien insgesamt € 274,35 ausgegeben, Michael € 277,24. Michael ist in allen Bereichen weit innerhalb des Budgets geblieben – bis auf Freizeit und Gaststättendienstleistungen. Ich lag bei den Nahrungsmitteln wieder um € 20,38 über dem Budget, bei der Innenausstattung um € 11,06 (durch die eigentlich ungeplante Anschaffung eines Woks bei IKEA), bei der Gesundheitspflege um € 1,08 und bei der Bildung um € 1,11 (durch den Kauf der Hamburger Obdachlosenzeitung Hinz&Kunzt).

Was haben wir denn nun gelernt?

Am Ende waren wir nicht einmal mehr stolz, mit dem zugeteilten Geld ausgekommen zu sein. Die Befriedigung, die sich unter Umständen nach einer erfolgreichen Fastenübung einzustellen vermag, blieb schlicht aus. Michaels Erklärung hierfür leuchtet ein: Wir haben ja auf nichts verzichtet, was potentiell einen „negativen“ Einfluss auf unsere Lebensführung hat: Zigaretten, Computerspiele, Süßigkeiten. Wir haben hauptsächlich auf Dinge verzichtet, die niemand ernsthaft für schlecht halten kann  – z.B. auf Gemüse. Und Bücher. Und Opernkarten.

Und wie steht es nun mit der Ernährung? Zweifelsohne lag das Hauptaugenmerk wieder durchgängig auf dem Budget für Nahrungsmittel. Und das lag u. a. vermutlich daran, dass man einen Schuhkauf sehr wohl aufschieben kann – besonders, wenn man weiß, dass man im kommenden Monat schon wieder in sein „normales“ Leben zurückkehren wird. Essen kann man nicht aufschieben.

Ich habe in diesem Monat, wie berichtet, konsequent von preiswerten Kohlenhydraten und Fetten gelebt. Käse, Butter, Eier, Weißbrot, Kartoffeln, Pommes, Nudeln - und dann war da ja noch die Wiederentdeckung der Gewürzgurke. Und manchmal war es eine großartige Sache, all das essen zu dürfen, was man sonst im Hinterkopf immer unter „ungesund“ abgeheftet hatte. Wie ebenfalls bereits erwähnt, habe ich bei der ganzen Aktion geringfügig, aber anhaltend abgenommen. Seit Anfang Juli, als ich begann, mich zu wiegen, habe ich bis heute nach einigen Schwankungen 6 kg verloren.

Im Gegensatz zu mir, hatte Michael den Eindruck, sich während des Experiments sogar gesünder (wenn halt auch freudloser), bzw. bewusster zu ernähren, als wenn er nicht auf das Budget achten muss, weil er normalerweise sehr viel mehr auswärts isst – auch Fast Food. Allerdings war es schwieriger, sich einzuschränken, als er gedacht hatte. Eines seiner Fazits war, dass es einfacher ist, gemeinsam arm zu sein. Als er vor Jahren zusammen mit einer Mitbewohnerin auf sehr kleinem Fuß lebte, machte das erheblich mehr Spaß als im Single-Haushalt. Ein Fernsehabend und geteilte Nudeln mit Butter sind halb so schlimm, und man muss sie auch nicht für die kommenden fünf Tage immer wieder aufwärmen.

Weder Michael noch ich haben im Oktober negative körperliche Auswirkungen oder einen Mangel an Energie wahrgenommen. Was bleibt, ist milde Verwirrung. Was ist schon gesunde Ernährung? Und wie sich Hartz-IV-Empfänger bzw. Menschen, die am Existenzminimum leben, in Ermangelung besseren Wissens ungesund überernähren und dadurch maßgeblich zur Verfettung der Nation beitragen sollen, bleibt weiterhin ein Rätsel.

In einem vorangegangen Post haben wir auch schon die Gefahr sozialer Isolation angesprochen. Wer plötzlich mit sehr knappen Ressourcen über die Runden kommen muss, lernt seine wahren Freunde kennen – so wie in vermutlich jeder Krisensituation. Michael hatte ihre volle Unterstützung im Oktober. Sie luden ihn ein, oder blieben einfach alle zusammen zum Videoabend zu Hause, um das Budget nicht weiter zu strapazieren.

In meinem Bekanntenkreis hielt man das Experiment dann doch eher für eine exzentrische Privatsache, was nicht heißen soll, dass man nicht mit haufenweise guten Ratschlägen versorgt worden wäre. Es war bemerkenswert, wie viel alle Welt plötzlich über das Leben am Existenzminimum wusste. Und wenn man der Mehrzahl dieser wohlmeinenden Berater glauben darf, dann ist es auch gar nicht schwer, mit dem Hartz-IV-Regelsatz klarzukommen. Zwar waren die meisten zunächst überrascht, wie niedrig dieser ist, aber „Möhren sind doch billig“ und „Von so einer Tüte Äpfel hat man doch lange was“ – und „Man kann ja Pizza auch selber machen“. Wir haben uns gefragt, warum viele unserer Gesprächspartner darauf bestanden, es sei leicht, mit wenig auszukommen, wenn die meisten von ihnen eigentlich absolut keine persönliche Erfahrung damit haben. Würde man nachhaken, würde man hier und da möglicherweise auf erhebliche Vorurteile gegenüber Hartz-IV-Empfängern stoßen – übergewichtige, faule, asoziale, ungepflegte, einfach gestrickte Kreaturen, die den ganzen Tag und letztendlich ihr ganzes Leben auf Kosten der Steuerzahler auf dem Sofa sitzen. Wenn „solche Leute“ es „schaffen“, mit dem Regelsatz auszukommen, dann kann es gar nicht schwer sein. Würde man außerdem ernsthaft zu dem Schluss kommen, dass Menschen, die aus was für Gründen auch immer auf Hartz IV angewiesen sind, mehr oder weniger zwangsläufig den Anschluss an die Gesellschaft verlieren (zur Erinnerung: € 1,39 für Bildung im Monat), müsste man eigentlich auch dafür sein, dass sich daran etwas ändert. Vielleicht durch eine Erhöhung der Sätze. Aber vielleicht auch durch viel mehr und viel einfühlsamere Unterstützung bei Arbeitssuche, Weiterbildung und Kinderbetreuung. Eine Gesellschaft kann nicht bestimmte Mitglieder abschreiben und erwarten, dass diese am Ende nicht Gefahr laufen, es auch selbst zu tun.

Noch kurz einen Nachtrag zum „Containern“ – im Supermarkt um die Ecke teilte man mir auf Nachfrage, ob ich mal in den Containern stöbern dürfte, mit, dass in ihren Containern nichts Verwertbares mehr sei, weil sie ihre Reste an die Tafel abgeben. Das würden ohnehin immer mehr Supermärkte in der Gegend tun. Wenn das stimmt, und davon gehe ich aus, dann ist das natürlich toll. Ich sag’s jetzt einfach: Ich war zu dem Zeitpunkt einigermaßen erleichtert, denn auf das Experiment hatte ich wirklich wenig Lust. Gedanklich bleibe ich aber trotzdem mal dran.
 
Zum Thema passend hier noch ein sehens-/lesenswerter Beitrag.


PS: Hab' ich doch gleich noch was gelernt, bzw. heute Nachmittag beim Einkaufen entschieden: Ich werde in diesem Jahr die Weihnachtskauferei und -verschenkerei ganz erheblich einschränken und stattdessen lieber eine Spende an ein oder zwei etablierte, vertrauenwürdige Projekte/Organisationen überweisen, deren Arbeit ich für wichtig halte. Auch das dürfte im Hinblick auf die Frage, wie man das den verblüfften Nicht-Beschenkten nun wieder vermittelt, abermals nicht ohne Herausforderungen sein. Ich versuch's trotzdem. Außerdem können wir da auch gleich wieder zu vybzbilds Welt schalten, denn da gibt es einen entsprechenden Hinweis auf den Buy Nothing Day.

NH

Sonntag, 4. November 2012

When in London: Maison Bertaux



Rückblick September: Ach, und ich war ja in London. Und ich habe noch gar nichts darüber geschrieben. Nun, dieses hier ist auch eigentlich kein Reiseblog. Aber erstens: Ist ja mein Blog, kann ich hier schließlich machen, was ich will. Und zweitens reist man ja auch immer ein wenig zu sich selbst, wenn man unterwegs ist. Natürlich lernt man an einigen Orten mehr über sich als an anderen. Drittens geht es hier um Essen, das es eigentlich verdient, ohne wabernde Schuldgefühle gegessen zu werden. Ein englisches Sprichwort behauptet ja, man könne seinen Kuchen nicht behalten und ihn obendrein essen. Darum ist es natürlich clever, dahin zu gehen, wo der Nachschub an Kuchen nicht abreißt. Und überhaupt: Wo könnte die Revolution gegen den Diät-Terror* besser geübt werden, als in einem Haus voller kunstvoller Cupcakes, Tartes und Torten? Vive la revolution!

 
Michele Wade und eine ihrer Mitarbeiterinnen
Maison Bertaux wurde 1871 gegründet – das macht es zur ältesten Konditorei Londons. Ihre jetzige  Besitzerin, Michele Wade, begann mit 14 Jahren, dort als Girl Saturday (Wochenendaushilfe) zu arbeiten und kaufte den Betrieb 1988.
 
2007 startete ihre Schwester, die Schauspielerin Tania Wade, ihre Karriere als Galleristin und Kunsthändlerin (hooliganartdealer.com) – u.a. mit der ersten und ausverkauften Ausstellung der Arbeiten des Künstlers und Comedians Noel Fielding, den sie bis heute exklusiv vertritt, und nutzt seitdem die Räume des Maison Bertaux als außergewöhnliche Ausstellungskulisse. Ich selbst bin von der Kunst zum Kuchen gekommen, als ich zu einer Ausstellungseröffnung  eingeladen wurde, und so die Konditorei zum ersten Mal sah.
 
Arbeiten von Maria Rosa Kramer

Lithographie und Wandtext von Noel Fielding
Zwei recht unterschiedliche Frauen betreiben zwei Unternehmen am selben Ort. Eigentlich ist die Kombination jedoch nur konsequent, denn sie ergibt in der Tat ein großes, erstaunliches Gesamtkunstwerk. Tradition sowie Mut zu Kitsch und zur Schönheit des gelassenen Verfalls sorgen in den Spiegeln für pastellige Wimmelbilder. Frische, hippe Kunst und frisches Gebäck kommen und gehen – doch manchmal wird die Kunst ein bleibender Teil des Ganzen, so wie Fieldings Texte – mit schwarzem Filzstift auf die Wände geschrieben. Maison Bertaux ist ein selbstbewusster Ort. Er macht mit schillernder Selbstverständlichkeit was er will und wird dafür bewundert.

 
 

 

 
 
Trotz der Schönheit der Kuchen esse ich hier übrigens am liebsten ein herzhaftes „Dijon Slice“. Und ich trinke immer Jasmintee. Immer. Aber nur hier. Denn nur hier schmeckt er mir. Und auf jedem Tisch stehen frische Blumen.
 
(Maison Bertaux, 28 Greek St., Soho, London, W1D 5DQ)
 

* Was ich aber auch noch gelernt habe: Ich bin noch immer zu schwer, um so weit zu laufen, wie ich gern ohne Pause gelaufen wäre. Und das gilt erst recht für die Schuhe, in denen ich zumindest gern einen sehr viel größeren Teil des Weges zurückgelegt hätte. Ich sage nur "leopardengemustert" und "pinkfarbene Sohlen".
 

Camden
 
Klar wurde mir das ausgerechnet, nachdem ich am Tresen von Eclipse Tattoos in Camden ca. 50x das Wort „Freiheit“ geschrieben hatte, um es mir dann in meiner Handschrift aufs Handgelenk tätowieren zu lassen. Thomas, mein Tätowierer, war schon gleich nicht sehr optimistisch – also, was die Realität eines Lebens in Freiheit betrifft. Er erklärte mir seufzend, da käme ohnehin immer etwas dazwischen: Hypotheken, familiäre Verpflichtungen…was mal wieder beweist, dass ein wildes Äußeres nicht automatisch eine wilde Seele beherbergt. Jedenfalls sagte ich ihm, dass man sie als Grundmotiv im Leben trotzdem immer im Gedächtnis behalten sollte.

Also hatte ich mir den Denkzettel am Arm verpassen lassen, um später im Hotelzimmer, das im dritten Stock lag und zu dem es keinen Fahrstuhl gab, zu begreifen, dass ich mich eben nicht nur von gedanklichem Ballast befreien muss. Ich will verdammt auch frei sein von den Einschränkungen geschwollener Füße, knarrender Knie und mangelnder Kondition. Dazu muss ich entweder noch immer Gewicht verlieren. Oder ich muss sehr viel fitter werden. Es ist eine Sache, sich nicht hübsch zu fühlen. Es ist (und das vergisst man gern mal, bis man daran erinnert wird) viel gravierender, wenn man den Gang durch das British Museum nicht mehr schafft, weil einen die National Gallery ehrlich geschafft hat. Reisen macht mich müder als früher. Und das macht nicht freier. So ein Mist.

British Museum
Trafalgar Square, die National Gallery im Rücken. Schwimmen ist nicht erlaubt. Sollte Thomas womöglich Recht behalten?
 
NH

Dienstag, 30. Oktober 2012

HAPPY HALLOWEEN!


Und wenn wieder keiner an meiner Haustür klingelt, muss ich die Süßigkeiten allein essen. Dabei bereiten wir uns hier schon seit Tagen auf kommende Ereignisse vor. ; )

NH

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Hühnersuppe für die Seele

Mit Hühnersuppe wird alles besser (naja, außer für das Huhn ; )), das wissen die meisten von uns vermutlich zumindest noch aus unserer Kindheit. Eins meiner Lieblingsbücher war tatsächlich „Hühnersuppe mit Reis“ von Maurice Sendak. Heiße Hühnersuppe ist die wichtigste nicht so geheime Geheimwaffe gegen Erkältung, Magenschmerzen und Liebeskummer. Vermutlich wirkt sie gleich zweimal so gut, wenn man beim Kochen die Glühwein-Saison eröffnet. Aber dazu später mehr.

Am Anfang war das Huhn, das Michael für € 1,69 erworben hat (bei Netto City übrigens). Im Folgenden hat er sein Rezept für Hühnersuppe aufgeschrieben. Die Suppe reicht für 6 bis 8 Portionen, und die Zutaten haben insgesamt ca. € 5,- gekostet.

·        Man braucht 1 Knolle Sellerie, 3 große Möhren, 1 Stange Lauch, 1 Zitrone, Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer, Nudeln oder Reis und – natürlich - 1 Suppenhuhn. Mit diesen leckeren Zutaten kommt die Suppe komplett ohne Maggi, Suppenbrühe oder anderen Zusätze aus – sie ist also auch gesund! Überhaupt kann man die Vitamine in der frischen Suppe regelrecht schmecken! : )

·         2 Zwiebeln mit der Schale quer halbieren und in einem großen Topf in etwas Öl auf den Schnittflächen dunkelbraun anbraten

·         3 große Möhren schälen und quer halbieren

·         1 Stange Porree dritteln

·         die Sellerieknolle  schälen und achteln

·         1 Zitrone in Scheiben schneiden

·         vom Ingwer 3-4 Scheiben abschneiden

·         2 Knoblauchzehen schälen

·         das Suppenhuhn waschen

·         Möhren, Porree, 1/2 des Selleries, Zitrone, Ingwer, Knoblauch und das Huhn in den Topf geben und mit kaltem (!) Wasser auffüllen, bis alles bedeckt ist

·         2 EL Salz, reichlich Pfefferkörner, 1 TL Zucker, 4 Nelken, 1 Prise Zimt, 1 Lorbeerblatt, 4 Pimentkörner und 5 Wachholderbeeren dazugeben und alles zusammen einmal aufkochen (wer nicht alles im Hause hat nimmt nur was da ist und Salz, Zucker und Pfeffer)

·         Deckel drauf und auf kleinster Stufe 2 Stunden köcheln lassen. Danach durch ein feines Sieb in einen zweiten Topf gießen

·         das Gemüse braucht man zwar nicht mehr für die Suppe, kann es aber vielleicht anders noch verwerten

·         das Huhn tranchieren und das weiße Fleisch klein schneiden und in die Suppe geben

·         2 Möhren und den restlichen Sellerie klein würfeln und zur Suppe geben

·         alles aufkochen und Nudeln oder Reis je nach Garzeit in der Suppe mitkochen!

Für mehr Schwung bei der Arbeit und mehr Gemütlichkeit bei der Verkostung, hat Michael für sich und den Besuch den mitgebrachten Rotwein mit Zucker, Glühfix Gewürzmischung und den restlichen Zitronenscheiben in Glühwein verwandelt. Und um noch einmal auf die Geheimwaffe zurückzukommen – mit Suppe und Glühwein stärkt man laut Michael eben wirklich nicht nur die Abwehrkräfte, sondern auch das Gemüt: „Also genau das Richtige, um die letzten Tage des Hartz IV Projekts gesund und munter durchzustehen.“

NH

Montag, 22. Oktober 2012

Das Hartz IV Kochstudio - Halloween Edition


Also, Zuckerpudel hat mir jetzt schon angeboten, mir mit Kuchen-Care-Paketen unter die Arme zu greifen. Und ich war so ___ nah dran, das Angebot anzunehmen. Erstens macht sie tolle Kuchen und Kekse, und zweitens habe ich bis zum Ende des Oktobers nur noch € 4,21 für Lebensmittel übrig. Vom Gesamtbudget sind es noch € 33,57. Ich habe allerdings noch Vorräte, so dass ich die Kurve in den kommenden 9 Tagen doch noch kriegen könnte. Michael hatte am Freitag übrigens noch € 3,48 für Lebensmittel, aber dafür noch € 116,88 vom Gesamtbudget. Eben hatte er nur noch ca. € 25,- vom Gesamtbudget, aber nach dem Wochenende auch mehr zu erzählen, als ich.

Letzte Woche hatte er noch berichtet, dass er im Zuge unseres Experiments möglicherweise auch ein wenig abgenommen hat. Und dass er tatsächlich in den letzten Tagen regelmäßig hungrig war. Außerdem geht es ihm wie mir, was das Resteessen angeht: Wenn im Single-Haushalt mehrere Tage hintereinander immer wieder das selbe Essen aufgewärmt auf den Tisch kommt, kann man es irgendwann nicht mehr sehen und isst am Ende auch noch davon weniger, als da ist. Bei mir gab es heute zum vierten Mal seit letztem Dienstag Rosenkohl mit Kartoffeln (wenn ich da Michaels Rezept für Rosenkohl* schon gehabt hätte, wäre das sicher spannender gewesen, aber ich freue mich ja über jedes Gemüse). Während mir nun in meinem Umfeld regelmäßig nahegelegt wird, diese "Hartz IV Geschichte" doch ruhig noch ein wenig länger zu betreiben, wenn man "damit so schön abnehmen kann", ist es für Michael eigentlich nicht erstrebenswert, Gewicht zu verlieren, und ich fand erst, Experiment hin oder her, er sollte lieber wieder anfangen, normal zu essen. Aber er hat gesagt, ich brauche mir keine Sorgen zu machen. Und nun ist es ja auch nicht mehr lang, und wir planen schon das Festessen, wenn das Projekt beendet ist. 

Was ich jedoch, angeregt durch Kommentare von Leserinnen, auf jeden Fall noch einmal ausprobieren werde, ist „Urban Foraging“ – ich habe mir vorgenommen, mal nachsehen, wie es im Container unseres örtlichen Supermarktes mit abgelaufenen, aber eigentlich noch guten und essbaren Lebensmitteln aussieht. Ich habe schon in den Kommentaren gesagt, dass es da für mich eine nicht zu vernachlässigende Hemmschwelle gibt, und darum denke ich mir, ich werde es nicht gar so abenteuerlich gestalten und im Schutze der Nacht losziehen, sondern werde schlicht und ergreifend vorher eine offizielle Erlaubnis einholen. Und dann erzähle ich euch, was der Filialleiter für ein Gesicht gemacht hat ; ).

*
Rosenkohl in einzelne Blätter zerpflücken, die kleinen Kohlblätter in Salzwasser 30 Sekunden blanchieren, abschrecken und in einer Pfanne mit brauner Butter und Muskat schwenken. Hierzu passen normales Kartoffelpüree und Spiegelei

Weil Suppen vergleichsweise preiswert und nahrhaft sind, und wir uns natürlich außerdem im Monat des Kürbisses befinden, hat Michael mir verraten, wie er seine Kürbissuppe macht. Und er hat gleich noch ein paar weitere Ideen für eine bessere Grundsicherungs-Küche beigesteuert.

Rezept für Kürbissamtsuppe:

1 Zwiebel würfeln und in Olivenöl anbraten
1 Hokaidokürbis mit Schale würfeln und mitbraten
2 Kartoffeln schälen, würfeln und auch braten
1 Knolle Ingwer geschält und gerieben dazugeben
1 - 2 EL Currypulver mitdünsten
2 Liter Gemüsebrühe auffüllen
15 min kochen bis das Gemüse weich ist, dann pürieren und durch ein feines Sieb passieren
1 Becher Sahne und 1 Schuss Weißwein dazugeben, mit Salz und Pfeffer abschmecken
Garnieren mit gerösteten Kürbiskernen und Schmand


Möhren sind ja eine ganz gute Möglichkeit, für relativ wenig Geld an Vitamine zu kommen. Michael schlägt vor, sie auf folgende Weise zuzubereiten:

Möhren in feine Scheiben hobeln
1 Zwiebel fein würfeln und in Butter anschwitzen
Möhren mitdünsten
mit Salz, Pfeffer, Zucker und Rosmarinnadeln würzen
mit wenig Wasser und Sahne aufgießen und garziehen lassen - die Möhren sollten noch bissfest bleiben


Nudeln mit Käsesauce sind auch ein Klassiker aus der preiswerten Küche, aber so werden sie besonders gut:

1 Packung Gorgonzola und 1 Packung Schmelzäse in 1 Becher Sahne schmelzen - ist besonders lecker mit Gnocchi.

Oder Käsespätzle: Spätzle kochen, mit 1 Becher Schmand und 1 Packung Reibekäse mischen und im Ofen 20 Minuten backen, danach mit Röstzwiebeln bestreuen. Wenn man dazu noch einen kleinen Salat machen kann, ist das ein perfektes aber günstiges Abendessen.


NH

Dienstag, 16. Oktober 2012

Es wird eng



Und dabei war ich eigentlich stolz wie ein Esel, der Ascot gewinnt. Denn ich habe das Budget, insbesondere das für Nahrungsmittel, in diesem Monat noch nicht überschritten. Von den Hartz-IV-Empfängern zugestandenen € 128,46 sind noch € 36,82 übrig. Gut, der Monat ist erst halb rum, aber ich bin zuversichtlich. Wie von Michael angeregt, habe ich mich mit „Basics“ eingedeckt – Brot, Nudeln, Eier, Ketchup, Remoulade, Butter, billigem Käse, Tiefkühlspinat etc. Außerdem habe ich aufgelistet, was es bisher zum Abendessen gab:
4.10.12
Bratnudeln mit Ei und Gewürzgurke
5.10.12
Fried Cheese (gebratene Toastscheiben gefüllt mit Käse und Paprikastückchen) und Pommes
6.10.12
Spinat-Käsetaschen (tiefgefroren, aus Großpackung von Lidl) und eine halbe Salatgurke

7.10.12
Kartoffel- und Möhrenpüree mit Gewürzgurken
8.10.12
Kartoffel- und Möhrenpüree mit einem Omelette und Gewürzgurken
9.10.12
Spinat-Käsetaschen (siehe oben) mit Tomaten.
10. 10.12
Gebackener Fetakäse mit Tomaten, Paprika und Pommes (Tiefkühlkost)
11.10.12
Bratreis mit Ei und Erbsen (aus dem Glas)
12.10.12
Cheddar-Lauch-Pasteten von Ikea (Tiefkühlkost) und Tomatensalat
13.10.12
Toast und Tomaten überbacken mit Mozzarella und der restliche Bratreis
14.10.12
Nudeln mit Spinat-Frischkäse-Soße
15.10.12
Nudeln mit Spinat-Frischkäse-Soße

Mittags oder nachmittags gab es Butterbrote und/oder Suppe. Zum Frühstücken komme ich glücklicherweise gar nicht.
Wenn man mal von der Kürbissuppe in der ersten Woche absieht, macht sich der konsequente Verzicht auf frisches Gemüse in der Brieftasche diesmal absolut bemerkbar – und gleichzeitig kann ich eigentlich nicht sagen, dass mich Fett und Kohlenhydrate bisher nicht mit genug Energie versorgen würden – obwohl ich auch wieder geringfügig abgenommen habe. Allerdings sind Süßigkeiten, wenn ich sie nicht geschenkt bekomme (und ich bekomme VIEL ZU WENIG), eine absolute Ausnahme – hier kommt es dann in der Tat auch zu etwas, was ich als Mini-Heißhungerattacken beschreiben würde. Somit kann ich berichten, dass ich letztens an der Tankstelle höchstens 5 Sekunden gebraucht habe, um einen Mars-Riegel um die Ecke zu bringen.

Und was sagt Michael, als er meine Liste sieht: „Also wir müssen versuchen, die Speisepläne etwas fröhlicher zu gestalten. Das hört sich sonst doch zu eintönig und traurig an.“ Traurig!!! Er fand meine Ernährung traurig! ; ) Was aber nicht zuletzt damit zusammenhängen könnte, dass ich in den letzten zwei Wochen als Mauerblümchen jeden Abend beim Schein einer staubigen Glühbirne allein zu Haus gegessen habe, während er als Party Animal die Stadt regelmäßig rot anstreicht ; ). Das allerdings bringt ihn in diesem Monat auch in ganz neue Schwierigkeiten, die er vormals als preisbewusster Praktikant und frisch nach Hamburg gezogen noch nicht hatte: „Ich bin im Oktober auch schon einige Male und vor allem großzügig eingeladen worden. Das machen die Spender mal einen Monat mit - aber auf Dauer? Dann wären sie bald keine Freunde mehr. Und welcher Hartz-IV-Empfänger hat denn Freunde, die so viel Geld haben, nicht nur für sich, sondern auch für andere immerzu mitbezahlen zu können? Und trotz der Einladungen hatte ich auch Kosten. Am letzten Wochenende zum Beispiel: Freitag waren wir tibetanisch essen. Mein Essen und die Getränke habe ich selbst bezahlt. Danach wollte die Gruppe noch was trinken gehen. Was soll ich also machen? Allein nach Hause fahren? Nein! Also musste mich jemand einladen. Die zwei Apfelstrudel (Wodka, Zimt und naturtrüber Bio-Apfelsaft) kosteten 14 Euro. Ich habe mich mit einem Euro am Trinkgeld beteiligt. Am nächsten Tag waren die Kosten für meine Freunde noch höher. Ich habe ein kleines Richtfest in meiner Wohnung gegeben. Ich hatte aber nur noch Bier zu Hause, das meine Mitbewohnerin mal dagelassen hat. Also hat ein Freund Sekt mitgebracht. Hunger hatten die Gäste auch. Es wurde Pizza bestellt. Die Rechnung teilten sich zwei Leute (ich war nicht dabei). Von meiner Wohnung aus, sollte es zum Kiez gehen. Während meiner Praktikumszeit fuhr ich natürlich mit der Bahn. Wenn man sich aber erst mal ans Taxifahren gewöhnt hat, hat man natürlich keine Lust, sich für 45 Minuten in die zugige Bahn zu setzen. Also kam ein Taxi. Gezahlt hat wieder ein Freund. Dann musste ich aber natürlich doch auch mal etwas übernehmen und bezahlte den Eintritt für alle (für 4 Leute: 12 Euro). Getränke im Club gingen wieder auf die anderen (ich denke, das waren für mich so ca. 30 - 40 Euro). Dienstag wurde ich auch zum Essen eingeladen und habe für ca. 60 Euro gegessen und getrunken - wenn ich selbst gezahlt hätte, wäre das Budget schon an diesem einen Abend weg gewesen!“
Natürlich hat Michael nicht nur auswärts gegessen, aber glamouröser als meiner war sein Speiseplan in den letzten Tagen auf jeden Fall:
Freitag: kurz gebratener Thunfisch Teriyaki mit frischem Gemüse (Restaurant)
Samstag: Pizza Bombay von Joey‘s
Sonntag: Rührei, Vollkornbrot mit Heringssalat, Miracoli
Montag: Ciabatta mit Käse und Pute, Miracoli
Dienstag: Bagel mit Frischkäse, halbes Brötchen mit Fleischsalat, Einladung zum Essen (Pimientos de Padrón, Datteln im Speck, Chorizo in Weißwein, Kalbsleber mit Portwein, frittierte Sardellen, gemischter Käse)
Mittwoch: 1 Scheibe Vollkornbrot mit Teewurst, 2 Cheeseburger, überbackener Toast mit Käse und Thunfisch
Donnerstag: 1 Scheibe Vollkornbrot mit Teewurst, Currywurst mit Brötchen, getrüffeltes Kartoffel-Steinpilzpüree, Rosmarin-Möhrengemüse und Spiegelei
Freitag: 1 Scheibe Vollkornbrot mit Teewurst, Linseneintopf mit Würstchen und Ruccolasalat, griechischer Nudelauflauf mit Hack, Zucchini, selbstgemachtem Zaziki und Baguette
Samstag: Schnittchen mit Serano, Zaziki, Frischkäse, Schinkenwurst, abends Rindergulasch mit Rotkohl und Kartoffelklößen
Sonntag: Einladung zum Brunch, abends Gnocchi mit Steinpilzen, getrockneten Tomaten, Speck, frischen Kräutern und mit Käse überbacken
Montag: Scheibe Brot mit Teewurst, abends Gulasch, gebratene Knödel und Rotkohl, 1 Long Island Ice Tea (Happy Hour)
Obwohl Michael zur Monatsmitte noch über € 175,30 des Gesamtbudgets verfügt, ist sein Zwischenfazit, dass es offenbar besonders schwierig ist, mit dem Hartz-IV-Regelsatz auszukommen, „wenn man sich erst einmal an einen gewissen Standard gewöhnt hat und nicht irgendwann auf sein soziales Umfeld verzichten möchte.“ Obwohl er das Budget im Oktober sicher nicht überschreiten wird (bei mir bin da noch nicht so sicher), glaubt er nicht, dass das Experiment dann auch tatsächlich die reale Situation eines Hartz-IV-Empfängers wiederspiegelt. Freunde, die einen einladen, weil es sich um eine Ausnahmesituation handelt, Vorräte, die noch in der Speisekammer und in der Tiefkühltruhe zur Verfügung stehen – all das sei „im normalen Hartz-IV-Leben und auf unbestimmte Zeit ja gar nicht umsetzbar!“

Recht hat er. Unzureichende und eintönige Ernährung ist eine Sache – am kulturellen und gesellschaftlichen Leben keinen Anteil mehr zu haben, ist eine andere. Vermutlich ist es sogar der schwerwiegendere und destruktivere Effekt eines Lebens mit Hatz IV. Wenn das Budget für Bildung nicht einmal mehr für die Eintrittskarte ins Museum reicht. Oder der Betrag für Gaststättendienstleistungen nicht genug ist für zwei Stück Geburtstagskuchen mit Kaffee.
Trotzdem müssen Michael und ich nun erst einmal aus den gewonnenen Einsichten und Eindrücken herausschälen, WAS wir in der zweiten Hälfte aus unserem Experiment tatsächlich lernen können – außer der Tatsache, dass man vielleicht doch so gerade über die Runden kommen kann. Zumindest einen Monat lang. Und in meinem Fall mit viel vorangegangener Übung. Gedacht hatten wir uns, das Ganze könnte regelrecht so eine Art "Heilfasten" werden, in dessen Verlauf wir auf das stoßen, was wirklich wichtig ist. Dafür, so scheint es, war das Experiment in den letzten zwei Wochen für uns beide doch ein wenig zu stressig. Und was wir wirklich festgestellt zu haben scheinen, ist, dass Geld verdammt wichtig ist.

NH

Sonntag, 7. Oktober 2012

Die Septemberausgabe


Es war Juni, als die "Health Initiative" der VOGUE Chefredakteurinnen weltweit vorgestellt wurde. Zugegeben - es war mir immer unklar, WER im Zuge der schwammigen Aktion WIE gesünder werden sollte, aber die in den Medien gängige Lesart war, dass VOGUE sich in Zukunft bemühen würde, ein realistischeres und damit gesünderes Körperbild zu transportieren. Sprich, so ziemlich alle dachten, die Tatsache, dass die Redaktionen in Zukunft nicht mehr WISSENTLICH mit essgestörten Models arbeiten wollten, würde automatisch dazu führen, dass die abgebildeten Frauen/Mädchen fortan auch mehr auf den Rippen haben. Von mir hätten gleich alle erfahren können, dass das nichts wird. Aber mich hat mal wieder keiner gefragt.

Die "September Issue" ist anzeigentechnisch die wichtigste und damit auch die dickste Ausgabe des Jahres. Insbesondere in den USA hat sie Kultstatus und hat in diesem Jahr gut 900 Seiten. Und ich dachte mir, es ist nun auch an der Zeit, in den Magazinen selbst nach den Zeichen positiver Veränderungen als Resultat der "Health Initiative" Ausschau zu halten, und diese dann zu dokumentieren.......tja...

Ich bin VOGUE-Leserin seit ich 16 bin, und natürlich weiß ich heute, dass das höchstwahrscheinlich ein nicht zu vernachlässigender Teil meines Problems ist. Das Schönheitsideal der VOGUE war immer unrealistischer, gnadenloser und DÜNNER, als das aller anderen Frauenmagazine. Und daran, so scheint es beim Durchblättern der deutschen, französischen und US-amerikanischen Septemberausgabe, wird sich auch nichts ändern. Zwei "dicke" Frauen (deren Kleidergröße vermutlich größer als 44 ist) habe ich auf den insgesamt 1675 Seiten gefunden. Die eine war Queen Latifah (US), die andere Toni Morrison (Frankreich).

Im April hatte ich mich bereits gefragt, ob wir nicht alle ein bisschen "Pro ana" sind, ob unsere Gesellschaft im Hinblick auf Körpergewicht und gängige Schönheitsideale, sowie den Zwang, diesen zu entsprechen, sich nicht im Grunde verhält, wie eine eingeschworene Gruppe essgestörter Teenager, die sich unablässig gegenseitig darin bestärken, noch härter an sich zu arbeiten, um eines Tages wahrhaft perfekt (dünn) zu werden. Eines der Argumente war, dass "Thinspos" (Sammlungen von Darstellungen sehr dünner Frauen, die zur Motivation dienen, stark zu bleiben und nicht zu essen), die einen wesentlichen Teil der Pro-Ana-Kultur darstellen, im Prinzip in jedem Modeblatt zu finden sind. Wir alle werden täglich mit "Thinspos" motiviert, ja nicht so zu bleiben, wie wir sind.

Health Initiative hin oder her - als Thinspo dient jede VOGUE noch immer hervorragend. Untergewichtige Mädchen so weit das Auge reicht. Ich hatte ja bei meiner letzten Thinspo mit aus Frauenzeitschriften entnommenen Abbildungen (der Schwerpunkt liegt wie vormals auf besonders dünnen Beinen und hervorstehenden Schlüsselbeinen, sowie bemerkenswert schmalen Taillen) schon ein wenig "subversives Fett" eingebaut. Was die VOGUE nicht kann, kann ich schon lange, und so habe ich diesmal bei meiner speziellen "September Issue Thinspiration" noch ein paar mehr dicke Damen eingeschleust.

Wer nun gezielt nach ihnen Ausschau hält, und ganz im Geiste der Sesamstraße herausfindet, welches Ding anders ist, als die anderen, kann etwas gewinnen. Ich weiß noch nicht was, weil ich das mit dem Preis eben erst beschlossen habe, aber es wird etwas Schönes geben (Buch oder DVD).Wer mitmachen will, muss mir nur bis einschließlich Freitag die richtige Zahl der Bilder mit vergleichsweise runden Frauen in der Thinspo mailen* und kommt wieder in den Verlosungshut. Ich melde mich dann bei den GewinnerInnen, um die Adresse zu erfahren.

*office(at)nicola-hinz.com

NH