Donnerstag, 25. Mai 2017

Nachgetragen

Fette Logik


Die Frau Herrmann hat meine Rezension ihres Buches auf ihrem Blog "kurz" kommentiert. Gaaanz kurz - auf nur sieben ultrakurzen Seiten. Dabei beschwert sie sich in der Hauptsache darüber, dass ich sie quasi durchgehend mit Absicht aus dem Zusammenhang zitiert hätte und dass die Kritik von mir als Frau an ihr als Frau schlicht "unfeministisch" sei. Insbesondere bezieht sie sich darauf, dass ich ihren Status als vermeintliches "Stalkingopfer" nicht als Ausrede dafür akzeptiert habe, dass es aus unklaren Gründen unmöglich war, die Doktorarbeit der Frau Hermann (die offenbar gar nicht Frau Hermann heißt), einzusehen. 

Ihre Leser tröten in den Kommentaren unter ihrem Kommentar, oh Wunder, nur zu gern ins gleiche Horn: "Der Feminismus ist eben (...) keine Bürgerrerchtsbewegung, sondern eher eine Art Sekte;..."; "Genderterror..."; "Femifaschomob..."; "Feministische Kritik fällt in jeder Lebenslage so aus. Gegen alles und jeden."; "(...) diese Frauen, die sich selbst so aggressiv als Feministin bezeichnen sind nur eins: Rassisten der reinsten Form."; (...) hat mir der Feminismus (...) nix zu bieten außer Dresche. Insbesondere wenn ich auch noch eine weiße Hautfarbe habe..." Undsogehtdasseitenweiseweiter.

Lasst mich dazu nur dieses noch kurz einwerfen: "Opferabo", anyone?

Dabei verdankt die Frau Hermann den Erfolg ihres dumpfen Büchleins in der Tat maßgeblich ausgerechnet gerade jenem Netzfeminismus, über den sie und ihre Blogleser sich so vortrefflich echauffieren können. Auf einem "Diät-Blog" wohlgemerkt...hüstel/augenroll. Hätten sich Feministinnen nämlich nicht vernehmbar im Cyberspace über sie geärgert, wären die traurigen Männer vom virtuellen Maskulistenstammtisch ihr nicht in aufgebrachten Schwärmen zur Seite gesprungen und hätten so viel Lärm und Werbung für sie gemacht. Und zwar so vehement, fanatisch und nachhaltig, dass da in den Weiten des Internets keine betuliche Presseabteilung irgendeines Verlages je ernsthaft mitkommen könnte. Es ist übrigens noch immer schier unmöglich, bei Amazon eine negative Bewertung für das Werk abzugeben, ohne dass einem ihre Anhänger oder gar die Autorin selbst über den Mund fahren. Das Buch, das die Frau Hermann als Cartoonistin herausgebracht hat, scheint übrigens nicht annähernd die gleiche Liebe und Unterstützung zu erfahren.

Noch einmal ganz langsam für alle, die es noch immer nicht begriffen haben, zum Mitschreiben: Die Frau Hermann hat KEIN Diät-Buch geschrieben Sie hat auch KEIN Buch über "Diätmythen" geschrieben. Sie hat ein Anti-Fettakzeptanz-Buch verfasst. Denn Fettakzeptanz ist eine Filiale des (Netz-)Feminismus. Die Frau Hermann ist eine erbitterte Anti-Feministin und kein verdammter Fitness-Guru. 

Wenn man immer ganz anders verstanden wird, als man wirklich verstanden werden will, dann hat man halt ein echtes Vermittlungsproblem. Man kann nicht pausenlos aus Zusammenhängen gerissen werden, wenn die Zusammenhänge weitgehend zusammen hängen, bzw. stimmen. Wenn alles, was man sagt, "aus dem Kontext gerissen wird", sobald es überhaupt zitiert wird, ist das schon...na, sagen wir mal...bemerkenswert. Das scheint irgendwie seltsamerweise auch immer Leuten mit dem gleichen unfreundlichen Weltbild zu passieren. Ständige Probleme mit den selbstverfassten Zusammenhängen, wie die Frau Hermann sie hat, bekommt man eben nur, wenn man entweder ein ganz anderes Selbstbild hat, als der Rest der Welt, oder aber man das eine sein, aber bitteschön zumindest von bestimmten Teilen des Publikums als das andere wahrgenommen werden will.

Wenn man z.B. mich aus dem Zusammenhang reißt, bleibt am Ende trotzdem immer die böse, dicke, linke Feministin. Da bin ich mir ziemlich sicher. Denn ganz genau die bin ich auch.

Direkt unperfekt


 Und wo wir gerade bei Frauen sind, die andere Frauen berufsmäßig vor den Bus schubsen: 

Nicole Jäger, selbsternannter fetter Diätcoach, hat offenbar Probleme beim Abnehmen. Das kann passieren. Im Prinzip ist es normal. Und normalerweise läge es mir selbstverständlich fern, dieses in irgendeiner Form kritisch zu erwähnen, wenn die Frau Jäger nicht mit einem Buch und Bühnenprogramm berühmt geworden wäre, in dem sie nicht nur behauptet hat, einst "selbstverschuldet" 340 kg gewogen zu haben, sondern auch noch allen anderen Dicken mit einer unerträglichen und obendrein total unglaubwürdigen Moralkeule von Buch eins auf die Rübe gegeben hätte. 

Das Nachfolgewerk der Frau Jäger, "Nicht direkt perfekt", erscheint offenbar im September. Der Untertitel lautet "Die nackte Wahrheit über das Frausein" und Ziel der Frau Jäger ist es angeblich, ab jetzt jeder Frau zu ihrem "Recht auf ein positives Körpergefühl (und) auf Weiblichkeit" (amazon.de) zu verhelfen. Das ist man doch erst einmal beruhigt, dass Frauen tatsächlich ein verbrieftes Recht auf Weiblichkeit haben....Und dann fragt man sich, was denn wohl eine Frau automatisch ist, wenn nicht weiblich. Und dann begreift man, dass "unperfekte" Frauen in unserer Kultur natürlich mitnichten einfach so weiblich sind. Auch und ganz besonders nicht in den Augen der Frau Jäger, die immerhin ein ganzes Buch darüber geschrieben hat, wie faul, dumm und scheiße Dicke sind. Weiblichkeit muss man sich "verdienen". Und mit nichts verliert man den Status des Weibchens zuverlässiger als mit Hässlichkeit, Fett oder Feminismus : ). Es wird wieder um Äußerlichkeiten gehen, bei der Frau Jäger. Mit dem Inneren hat sie es nämlich nicht so. Dummerweise eben auch nicht so sehr mit dem Abnehmen. Darum tritt sie jetzt plötzlich dafür ein, dass man als Frau auch irgendwie halbwegs okay ist, wenn man eben "nicht direkt perfekt" ist (denn dellig, alt, dick, zu groß, zu klein, mit dünnen Haaren, etc. kann man eben niemals perfekt sein) und wird sich so weltbewegenden Fragen widmen wie "Und warum ziehen alle beim Sex den Bauch ein?" (amazon.de)

Tun übrigens gar nicht alle. Ich nicht. Just sayin'.

Wenn die nackte Wahrheit über das Frausein der Frau Jäger ungefähr soviel Wahrheitsgehalt hat, wie die Geschichte von den 340 kg Ausgangsgewicht, dann sollte man wenigstens dafür sorgen, dass die eigene Tochter das Buch nicht in die Finger kriegt. 

Man fragt sich ja noch immer, wie das eigentlich passieren konnte, oder? Dass keiner der Milliarden von Journalisten, die die Frau Jäger in den letzten zu ihren buchstäblich märchenhaften Abnehmerfolgen befragt haben, jemals genauer wissen wollte, wie es sich eigentlich so angefühlt hat, im Körper der schwersten Frau der Welt* zu leben? Und warum dieser zusätzliche Superlativ eigentlich nie Teil der werbeträchtigen Geschichte war?

*Als schwerste, lebende Frau der Welt wurde Pauline Potter 2012 mit 293,6 kg ins Guinness Buch der Rekorde aufgenommen. Diesen Titel hat ihr bisher offenbar keiner streitig machen wollen. Tatsächlich wurde ihr Gewicht je nach Nachrichtenmedium und Zeitpunkt zwischen knapp 300 und 330 kg angegeben. Wenn man sich die Bilder von Pauline Potter zu Höchstgewichtszeiten ansieht, erscheint es einem umso absurder und unbegreiflicher, dass die Lebenssituation der Frau Jäger mit einem angeblich sogar noch höheren Gewicht bei der Berichterstattung nicht erheblich stärker oder eigentlich überhaupt mal substantiell dokumentiert und thematisiert worden ist. 


NH