Freitag, 21. März 2014

Breitbild


Vor einiger Zeit vermachte mir Frau E. aus B. eine DVD mit dem Hinweis, dass sie selbst den Film noch nicht gesehen hätte, aber an meiner Meinung interessiert sei. ; ) Es handelte sich um "Die Friseuse" (2009) von Doris Dörrie. Die Filmbewertungsstelle in Wiesbaden (was es alles gibt), hält ihn für "wertvoll". Ich halte ihn für stellenweise amüsant und streckenweise originell, und vielleicht würde er mir besser gefallen, wenn die Heldin nicht dick wäre. Denn worüber ich mich von der ersten Sekunde an ärgerte, war der absurde Fatsuit, den die Hauptdarstellerin tragen musste, um überhaupt eine dicke Frau darstellen zu können. Kathi König, die Protagonistin,  hat also zwei abwegige Rettungsringe über die Hüften geschnallt und sieht aus, als ob all ihr Fett in den Hintern gerutscht ist. Zu Musik wie aus der Augsburger Puppenkiste stapft sie auf ihren ECHTEN Stockbeinchen in ihre Wohnung im Plattenbau und beschmiert sich nach einem Streit mit ihrer heranwachsenden Tochter ein Butterbrot fingerdick mit Leberwurst - in Nahaufnahme.

Der Film ist bunt und Kathi ist laut und ruppig-fidel. Allerdings unterliegt der Geschichte und Darstellung eine im Verlauf immer bleischwerer werdende Tragik, von der ich nicht glaube, dass sie so beabsichtigt war, wie ich sie wahrgenommen habe. Und diese Tragik speist sich aus dem Dicksein. Eigentlich passiert der Michelin-Kathi, die zu Anfang des Filmes verkündet "Freundlichkeit und gute Laune, det ist det halbe Leben für dick", nur Scheiße. Sie ist geschieden und arbeitslos. Sie ist ihrer Tochter peinlich. Sie bekommt keine Stelle als Friseurin weil sie "nicht ästhetisch" ist. Sie bleibt in Stühlen hängen und muss sich morgens an einem Seil aus dem Bett ziehen. Der Traum vom eigenen Salon platzt und am Ende stellt sich noch heraus, dass sie Multiple Sklerose hat. Zwischendrin macht sie noch Bekanntschaft mit einer Gruppe vietnamesischer Flüchtlinge und hat eine Affaire mit dem Mann, den sie bei sich vorübergehend aufgenommen hat. Das ist der originelle Teil. Und das nackte dicke Körperdouble, das man immer wieder präsentiert bekommt, ist wirklich schön anzusehen. Aber Leider: Da gibt es mal einen Film mit einer dicken Heldin, und dann erfüllt diese alle Klischees. Wer wissen will, was Doris Dörrie über Dicke denkt, kann es hier erfahren. Was sie denkt, ist entweder nicht sehr nett, oder vielleicht auch nur naiv. Oder doch beides. Obwohl sie das sicher weit von sich weisen würde.

Es gibt nun einmal nicht viele dicke Frauen auf Bildschirm und Leinwand. Schon gar nicht in deutschen Produktionen - wenn man mal von so Flops wie "Es kommt noch dicker" mit Wolke Hegenbarth absieht. Die trug natürlich auch einen Fatsuit. Aber sie war zumindest nicht so nassforsch und anstrengend, wie Dörries falsche Dicke. Unter denen, die es gibt, ist Melissa McCarthy ("Mike and Molly") im Augenblick eine meiner Lieblingsdarstellerinnen. Meine Empfehlung wäre "The Heat" - da spielt sie eine raubeinige Polizistin an der Seite von Sandra Bullock. Auch Gabourey Sidibe ist in "Precious" eine Offenbarung, ebenso wie America Ferrera in "Echte Frauen haben Kurven". Das war, bevor sie zu "Ugly Betty" wurde. Ich sehe ja auch wirklich gern Brooke Elliott als hochintelligente Anwältin in "Drop Dead Diva". Hier läuft die Serie auf Sixx, aber ich sehe ja immer lieber das Original. Mittlerweile hat auch Kathy Bates ihre eigene Anwaltskanzelei ("Harry's Law", SAT 1). Kirstie Alleys satirische, trockene Aufarbeitung der eigenen Situation als "Fat Actress" (2005) in Hollywood hat es zwar nicht bis zu einer zweiten Staffel geschafft, aber ich finde, es ist trotzdem das Beste, was ich von ihr gesehen habe. Ich persönlich bin kein so großer Fan von Rebel Wilson und Nikki Blonsky ("Hairspray") - aber auch sie sind mehr oder weniger erfolgreiche dicke Frauen in Hollywood.

Das englische Fernsehen hat ja auch schon lange eine ganze Anzahl von interessanten dicken/nicht herkömmlich schlanken Frauen in Hauptrollen zu bieten. Dawn Frenchs "The Vicar of Dibley" kann ich fast auswendig. Außerdem gibt es da Jo Brand ("Getting On"), Katy Brand, Catherine Tate ("Wild West"), Miranda Hart ("Miranda") und Sharon Rooney ("My Mad Fat Diary"). Alle einen Blick wert - insbesondere, wenn man Wert darauf legt, auch mal Frauen in Hauptrollen zu sehen, mit dessen Körperlichkeit man sich so richtig identifizieren kann. Und natürlich auch sonst.

NH