Mittwoch, 6. Mai 2020

Corona-Lockdown Tag 51




Frauen im Bücherregal


Jetzt stehen sie vor den feministischen Geschichtsbüchern. Die Platzierung war nicht bewusst. Allerdings ist die Chance, in meinen Regalen vor einem feministischen Buch zu stehen, ohnehin ziemlich gut. Rechts vom Foto beginnt übrigens die Abteilung über Hexen und Magie. Das Bild zeigt meine Großmutter Elisabeth (links) mit ihren Schwestern und ihrer Mutter (meiner Urgroßmutter Maria) in der Mitte

Der Göttin sei Dank, hat frau endlich mal wieder Zeit, ein ganzes Buch zu lesen.

Seit Weihnachten bin ich im Besitz eines Kindles. Ein Geschenk von Oliver, um dem kompletten Recluttering der ohnehin noch immer ziemlich vollen Bücherregale entgegenzuwirken. Seitdem habe ich das Gerät mit Büchern befüllt, die ich jetzt in der „Krise“ endlich lesen kann.

Grundsätzlich komme ich mit der Maschine nicht besonders gut klar. Ich finde die Navigation sperrig und ich gerate beim Wischen immerzu an Stellen, zu denen ich gar nicht wollte. Und was mich wirklich bis aufs Blut nervt, ist, dass in den Büchern, die von anderen Lesern weltweit am meisten markierten Stellen – man mag es kaum glauben – automatisch...MARKIERT werden! Mit der Angabe, wie viele Leute den Kram auf ihrem Kindle angestrichen haben. Was für ein absoluter Scheiß! Was zur Hölle soll das denn?!,Wie verdammt übergriffig ist das bitte?!!? Bei Selbsthilfebüchern kann da bei ein paar tausend Verzweifelten höllisch viel Markierung zusammenkommen. Das gesamte Mistbuch ist mitunter mit Markierungen versehen.......Ich muss unbedingt herausfinden, wie frau das abstellt......

Abgesehen davon: Sag‘ mir, was in deinem Kindle ist, und ich sage dir, wer du bist:

Mein zwanzigjähriges Ich hockt in meinem Kindle. Ich wollte immer so dringend beruflich sehr, sehr, sehr erfolgreich werden. Allerdings mit dem "Richtigen und Guten" - und selbstverständlich mit unbedingter Integrität. Dass das so gut wie unmöglich ist, weiß ich 30 Jahre später auch, danke sehr. Ich war bei meinem eigenen Leben dabei. Aber hier ist nun wie vormals der Beweis – frau ändert sich niemals wirklich:

This is Marketing
Choose Wonder Over Worry
Show Your Work!
Keep Going
Superfans – The Easy Way to Stand Out…
One Million Followers
The 1-Page Marketing Plan
How to Do Nothing
The Power of Small
Declutter – The get-real guide to creating calm from chaos
Overwhelmed – How to work, love and play when no one has the time
Agatha Christie’s Complete Secret Notebooks
Grit – The Power of Passion and Perseverance
How Not To Die
The Courage to Be Disliked
Essentialism – The Disciplined Pursuit of Less
The Daily Stoic
The Art of Discarding
Goodbye, things
A Monk’s Guide to a Clean House and Mind
How To Get Internet Famous
The Fat Studies Reader
Love-Based Online Marketing
ikigai – The Japanese Guide to Finding Your Purpose in Life





Auf Instagram war das Bild meiner Sammlung von Wirtschaftsmagazinen nicht beliebt. 

Nur sieben Likes. Vielleicht nicht flauschig genug. Oder schlicht nicht ausreichend upbeat.* Sowas passiert mir ja immerzu. Die Unterschrift lautete #sotunalsob. So tun, als ob ich wirklich Bedarf und Aufnahmefähigkeit für so viel hippe und prätentiöse Business-Weisheit hätte. Und so tun, als ob ich den Kram wirklich lesen würde und er nicht nur dekorativ herumliegt. Und so tun, als könnte ich vierstellige Summen für Aktentaschen oder Kostüme ausgeben. So tun, als könnte ich es mir leisten, überhaupt Geld für solche Zeitschriften herauszuwerfen.Die Krise bringt eine dazu, viel Quatsch zu machen.


Zum Beispiel Ex-Boyfriends googeln. 

Weil frau morgens um vier nichts mehr einfällt, was sie sonst noch googeln könnte.Für den Einen war es nicht sehr ergiebig, für den Anderen nicht sehr erfreulich. Allerdings bin ich offenbar nicht die Einzige, die in diesen Tagen spät nachts auf der Straße der Beziehungserinnerungen herumschleicht, denn ich habe beim digitalen Decluttern in einem alten, nicht mehr benutzten Mailaccount frische Nachrichten von Menschen gefunden, mit denen ich offenbar mal über Online-Datingportale Kontakt hatte. In 2015. Das weiß ich zumindest  in einem Fall genau, weil der Schreiber unseren alten E-Mail-Thread einfach wiederverwendet hat, um sich fünf Jahre später unverhofft an mich zu wenden. Meiner Erinnerung an ihn hat das allerdings auch nicht auf die Sprünge geholfen.

Dann fiel mir ein, dass ich ja damals mit wissenschaftlichem Eifer über meine Männerbekanntschaften Buch geführt habe. Aber offenbar haben es beide gar nicht erst in eben jene Aufzeichnungen geschafft - vermutlich, weil es kein persönliches Treffen gegeben hat. Komisch, dass Männer glauben, frau würde sich nach so langer Zeit noch erinnern, und es nicht für nötig halten, sich vorsichtshalber noch einmal vorstellen. Erstaunlich auch, dass sie uralte Internetbekanntschaften auf Halde verwahren, um dann inmitten einer Kontaktsperre einfach mal zu testen, was womöglich so geht. Pffft. Der letzte Eintrag im Büchlein war ja Oliver. Kurz vor Weihnachten 2016.

Ja, ich bin dabei, digital auszumisten. Und obwohl es sich nicht um Gegenstände handelt, geht es doch sehr häufig um emotionalen Clutter und/oder vergleichsweise viel Aufwand bei der Abwicklung. Um ein Konto zu löschen, braucht frau ihre Zugangsdaten. Die sie natürlich nicht mehr hat! Offenbar bin ich seit 2017 Mitglied in einem Forum, in dem über natürliche Familienplanung diskutiert wird. Das ist höchst mysteriös. Und ein wenig verstörend. Und mein Konto bei Live Jasmin sollte ich vielleicht auch endlich kündigen - obwohl frau ja nie weiß, ob sie nicht doch irgendwann noch einmal die Chance auf einen Nebendienst ergreifen will. Ich meine, ich könnte ja auch spontanes Kommunikationstraining in ungewöhnlichem Ambiente anbieten.

Natürlich sitzen auch wir viel vor dem Fernseher.

Das hat auch sein Gutes, denn dabei bin ich auf diese drei Filme gestoßen, die ich nun unbedingt empfehlen kann. Auch den letzten - und das komplett ohne Ironie.



Death Wish

Idiotenparade

Ich habe übrigens während der Corona-Krise nicht zugenommen. Nicht ein Kilo. Aber das ist ja jetzt der ganz große, trendige Witz, das ewig und überall herumwabernde Meme. Weil wir die "Krise" alle zu Haus auf dem Sofa verbringen, haben wir jetzt alle viereckige Augen vom Glotzen und sind außerdem fett, soll heißen unansehnlich und verachtenswert geworden. Also alle, die es vorher nicht waren. Für so Leute wie mich hat sich da natürlich nicht viel verändert. Obendrein soll es Menschen geben, die im Augenblick überhaupt nicht so genau wissen, wovon sie sich ernähren sollen. Zum Beispiel, weil die Tafeln schließen mussten. Auch vor dem Hintergrund ist diese klamaukige Fettphobie für Fortgeschrittene degoutant.

Für ihre Rundfunkgebühr bekommt frau ebenfalls im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zuverlässig Dickenbashing um die Ohren gehauen, und das jetzt noch häufiger als sonst. Satiresendungen wie die heute show oder extra 3 könnten vermutlich mittlerweile ganze Sonderausgaben mit Clips bestücken, in denen ausschließlich Dickenbeschimpfung stattfindet. Verallgemeinert wird in diesen Formaten ja ohnehin noch immer regelmäßig und auf altherrliche Weise. Auch gern unter Ausschluss aller Menschen, die nicht mit einer Frau verheiratet sind: "Wenn Sie dann mit Ihrer Frau im Supermarkt stehen..."

Grund zum Ärgern gibt es ja immer genug, aber in diesen Zeiten wird die Linse natürlich noch schärfer als sonst. Ich bin bekanntlich so fürchterlich schlecht darin, irgendetwas auszublenden. Und sobald sich auf der Terrasse  gegenüber etwas regt, geht bei mir der Blutdruck hoch. Meine Nachbarn feudeln und fegen täglich ihre Terrasse. Seit zwei Monaten. Denn so lange gehen die beiden nun nicht mehr weg. Bevor sie sich dann stundenlang in der Sonne rösten und dabei murmeln, beharken sie mit einer Puppenharke den Kies ihres Steingartens. Neulich hat der männliche Teil des Paares mit einem Sandkastenschäufelchen tatsächlich über den Zaun gelangt und in unserem Garten auf ein Unkraut eingedroschen, das ihm offenbar zu gefährlich nah am Zaun wuchs. Das hatte zur Folge, dass er es mit Oliver zu tun bekam, und unser Unkraut hoffentlich in Zukunft in Ruhe lässt. Noch besser wäre es natürlich, wir könnten alle wieder aus dem Haus.

Und dann ist da noch der Besuch in der hiesigen Tankstelle. Dort gibt es Warnschilder auf Augenhöhe und gelbe Pfeile auf dem Boden, wo frau bitte im großen Bogen hinein- und dann wieder hinauszugehen hat. You know, wegen Corona und dem Sicherheitsabstand. Ich schwöre - jedesmal, wenn ich in den letzten Wochen dort getankt und bezahlt habe, drehe ich mich um und renne fast direkt in irgendeine Frau, die direkt hinter mir steht, weil sie am Eingang in die falsche Richtung gelaufen ist. WTF?

Und dann noch dieses:

Gestern hörte ich plötzlich ein energisches und systematisches Rupfen hinter mir, als ich am Schreibtisch saß. Als ich mich erstaunt umdrehte, flatterte eine Meise aus der Terrassentür auf einen Ast. Aber nur, um kurz danach wiederzukommen, und das Katzenhaar von der Fußmatte, die innen auf der Schwelle liegt, einzusammeln. Das Schnäbelchen war schon ganz voll und sie hüpfte weiter herein und unter die Bank an der Wand, weil da noch mehr so schöne Wollmäuse lagen. Die waren ihr aber dann doch zu groß. Einmal flog sie weg und kam mit leerem Schnabel wieder, um sich erneut an die Arbeit zu machen. Ich saß ganz still und konnte mein Glück kaum fassen. Wie gut, dass ich so schlampig bin und hier so viele Flusen herumflattern. Ein Nest, das mit Katzenhaar gepolstert wird - was für ein merkwürdiges Wunder ist das? :)


*optimistisch

NH



Vielleicht braucht ihr ja frischen Lesestoff :) - den gäbe es hier: