Montag, 11. August 2014

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Mir ist schlecht

Die englische "bucket list" (Eimerliste) ist ja eigentlich eine Aufstellung der Dinge, die man erledigen will, bevor man ins Gras beißt ("kicking the bucket"). Auf meiner stehen z.B. so Sachen, wie: "Mit Krokodilen schwimmen". Wenn meine Mutter und ich in der selben Situation erkennbar dasselbe unerträglich fanden, sagte fast immer eine von uns: "Reich mal den Eimer rüber." Als ich mich gestern durch den Supermarkt schleppte, dachte ich für einen Moment, ich bräuchte wirklich einen und hielt nach Sandspielzeug Ausschau.

Nahrung war immer der Feind. Und just in dem Augenblick, in dem ich mich entschieden hatte, meine Beziehung zum Essen endlich zu neutralisieren, und auch gerade ganz gute Fortschritte machte, wurde alles schon wieder ganz anders. Wenn ich in den vier Jahrzehnten meines Lebens zuvor schon eine prekäre Esserin war, dann bin ich nun auf meinem erhöhten Zuckerwert erst recht so verdammt  ins Schliddern geraten, dass ich mich selbst gedanklich und gefühlsmäßig nicht mehr wirklich einholen kann. Zumindest nicht zwischen den Regalen eines Lebensmittelgeschäftes.

Meine Eimerliste:

Bei dem Gedanken, irgendwann womöglich Insulin spritzen zu müssen, wird mir übel.
Bei dem Gedanken, für immer Medikamente nehmen zu müssen, wird mir übel.
Bei dem Gedanken an Schokolade und Pommes wird mir vor Angst übel.
Bei dem Gedanken an Essen überhaupt wird mir vor Angst übel.
Bei dem Gedanken, Schokolade, Bananen und Pommes nicht mehr essen zu dürfen, wird mir vor Wut übel.
Bei dem Gedanken, dass ich naturgemäß das, was ich nicht mehr essen darf, immer mehr wollen werde, wird mir vor Verzweiflung übel.
Beim Blick in die Fleischtheke wird mir übel. Beim Blick auf den Tiefkühlfisch auch.
Beim Gedanken daran, Fleisch und Fisch zu kochen, wird mir übel.
Beim Gedanken an dreckiges Geschirr und Töpfe wird mir übel.
Bei der Vorstellung, mich für den Rest meines Lebens ohne Kohlenhydrate zu ernähren, wird mir übel.
Beim Gedanken an Tofu wird mir auch übel.
Bei dem Gedanken an die Herausforderung, auf Speisekarten zukünftig etwas Passendes zu finden, wird mir erst recht übel.
Bei dem Gedanken an Berge aus grünem Gemüse wird mir übel.
Bei dem Gedanken an meine sich leerende, hängende Haut wird mir übel.
Bei dem Gedanken an meine Küche wird mir übel.
Bei dem Gedanken an all das symbolisch verkohlte Essen der letzten Monate wird mir übel.
Ich wünschte, ich könnte einfach aufhören zu essen. 
Ich wünschte, ich könnte mich intravenös ernähren.
Oder doch von Lichtenergie...sofern diese zuckerfrei ist.

Auf Anraten eines bodybuildenden Bekannten hatte ich mir unlängst einen Topf Magerquark besorgt. Das schien neutrale, friedliche, erlaubte Nahrung zu sein, die man nicht zubereiten muss. Allerdings enthält er offenbar doch noch mehr Kohlenhydrate, als bei einer ketogenen Diät erwünscht. Besonders abends. Milchzucker halt. Die Welt der Lebensmittel ist ein Minenfeld...

Obwohl ich schon glaube, dass sich das Chaos im Kopf irgendwann lichten wird - die Wut wird so leicht nicht verrauchen. Und so gibt es  im Augenblick schlicht kein Gewinnen. Wenigstens wird mir beim Gedanken daran, auf meinem Ergometer zu strampeln, nicht übel. Ich habe mir dafür frische Musik besorgt und die Trainingszeit auf 60 Minuten pro Tag erhöht.

Und weil ich jetzt immer weniger für Essen ausgebe, habe ich mir stattdessen endlich einmal eine anständige Aktentasche gekauft (siehe oben). Denn alles, was meine täglichen Unterlagen zuletzt über mehrere Wochen hinweg schleppen musste, hat vor Anstrengung irgendwann seine Henkel von sich geworfen. (Ja, Zara verkauft ganz hübsche Dinge. Deren Herstellung ist bekanntlich ethisch fragwürdig. Und zumindest die Taschen, die ich zuletzt dort gekauft habe, sind obendrein qualitativ ramschiger, als ihr gar nicht so geringer Preis vermuten lassen würde.) Nun habe ich eine in Rosa, grundsolide und mit zwei Jahren Garantie. Mit ihr werde ich mich wie wild in die Arbeit stürzen. Und mein großes Ziel ist es ja noch immer, das irgendwann auf hohen Absätzen und mit abgeschwollenen Füßen zu tun.

Zu irgendetwas muss der ganze Mist ja gut sein...

NH