Freitag, 19. April 2013

Bis hierher

Meine Reise begann vor ungefähr einem Jahr. Ich mag in den Monaten davor gedanklich Anlauf genommen haben, aber so richtig auf dem Weg bin ich erst seit dem letzten Frühling. Der Abschied von Diäten und der Fantasie vom dauerhaft dünnen Leben – am Anfang kann man sich nicht vorstellen, wie das gehen soll. Die Idee allein stellt alles auf den Kopf was man für richtig hält, und lässt einem zunächst die Haare zu Berge stehen. Erst fühlt es sich in der Tat an, wie Resignation. Wie ein Fall ins Leere. Was soll jetzt aus all den Träumen und Erwartungen an das zukünftige Leben im Barbie-Haus werden? Und dann, wenn man es schafft, nicht in Panik wieder vom Zug abzuspringen, wird man erwachsen – und fängt endlich an, adäquat für sich zu sorgen. Ich bin noch nicht ganz da (und es gibt Rückfälle), aber ich bilde mir ein, ich kann das Ziel schon sehen: Ein Leben in und nicht gegen meinen Körper.

Die Zeichen stehen auf Selbstrespekt:
1. Zum ersten Mal seit bestimmt einem Jahrzehnt besitze ich mehr Kleider, die mir tatsächlich passen, als solche, die zu eng sind, aber auf ihren Auftritt in einer fernen, goldenen, weil selbstverständlich abgespeckten Zukunft warten.
2. Würde eine gute Fee mir heute anbieten, morgen in einer Größe 36 aufzuwachen, würde ich das gar nicht mehr wollen. Ich würde höchstens darum bitten, dass das, was da ist, ein wenig geebnet und gestrafft wird. ; )

3. Ich erobere mein Gesicht zurück. „So ein hübsches Gesicht“ ist keine Verschwendung an einen dicken Körper. Ich glaube, es sickert auch langsam in tiefere Bewusstseinsschichten, dass ich nicht ein Gesicht habe, ABER dick bin. Tatsächlich bin ich dick UND habe ein Gesicht.
4. Ich hole meine Sexualität aus dem Drydock. Vielleicht erinnern sich ja noch einige an den Tipp der Sex-TrainerinSheri Winston, für eine wirksame Wiederannäherung u. a. die Atmung und außerdem gezielt das persönliche Repertoire an „Sex-Geräuschen“ zu trainieren. Seitdem mache ich das ja gelegentlich gern beim Autofahren. Aus dem gleichen Grund, aus dem ich mich mittlerweile von allen Seiten und in allen Winkeln fotografiert und gefilmt habe, um endlich mal mein Körper-Territorium genau kennenzulernen, das ich bis vor Kurzem ja noch lieber systematisch ausgeblendet habe, habe ich eine solche „Übungseinheit“ mal aufgenommen. Denn beim Sex hört man sich selbst ja auch eher selten zu. So oder so – es ist eine großartige Übung gegen Zurückhaltung. Das Ergebnis gibt es hier. Wohlgemerkt: Alles mit beiden Händen fest am Steuer, um nicht im Graben zu landen, oder im Gegenverkehr! ; )

5. Ich mache mehr Sport (und niemanden überrascht das mehr als mich selbst ; )) – vermutlich, weil er eben nicht mehr dazu dient, Gewicht zu verlieren. Das nimmt den Druck und erhöht den Spaß

6. Ich versuche, intuitiv zu essen und werde immer besser darin, Nahrungsmittel nicht mehr zu kategorisieren und im Hinblick auf ihre Diättauglichkeit zu bewerten. Ich trenne mich nach und nach von der Programmierung, die mir fortgesetzt weismachen will, es gäbe braves und böses Essen 

Seit ich das esse, was ich will wann ich es will, habe ich nicht zugenommen. Tendenziell verringert sich mein Gewicht eher langsam, denn der Körper will gar nicht andauernd hochkalorische Lebensmittel, nur weil alles "erlaubt" ist. Er will vielmehr nur das immerzu, was "verboten" ist. Man muss also sorgfältig in sich hineinören, und die Mischung wird dann vermutlich bunt. Das hier ist ein Querschnitt meiner Nahrung aus den letzten Wochen:


7. Ich networke mit anderen Dicken auf einem ähnlichen Weg, und lerne von ihnen.

8. Ich bin entschlossen, weiterzumachen. Und in diesem Sommer ziehe ich das gelbe Kleid an, UND gehe damit auf die Straße... ; )


NH