Samstag, 25. Januar 2014

Ein weites Feld

Angeblich war sie da - die Gerichtsvollzieherin. Das jedenfalls hat sie mir geschrieben. Aber ich leider nicht. Schade, denn ich hätte sie so gern beglückwünscht zu ihrer Berufswahl, die sie in meinem Fall zur Komplizin bei der Entrechtung von Bürgern zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks macht. Und quasi zur Eintreiberin einer Zwangsverdummungsgebühr.

Ich sehe nie öffentlich-rechtliches Fernsehen. Ich sehe im Prinzip überhaupt kein Fernsehen (und höre auch kein Radio) - und das aus dem selben Grund, aus dem ich so gut wie keine Frauenzeitschriften mehr lesen kann. Wenn ich es in letzter Zeit doch mal versucht habe, bin ich innerhalb weniger Minuten haarscharf am Herzkasper vorbeigeschrabbelt, weil ich mich so VERDAMMT aufgeregt habe. Ich schreie Fernseher an. Und ich bewerfe sie auch. Ich kann nicht anders.

Und ich kann die Haushaltsabgabe auch in Zukunft unmöglich regelmäßig oder gar pünktlich bezahlen, weil meine Hände schon bei dem Gedanken an das Ausfüllen der Überweisung beginnen zu zittern. Es ist eine Tortur, die ich mir nur so selten wie möglich antun kann. Wenn der öffentliche Rundfunk übrigens von niemandem für ein paar Monate mehr Geld bekommen würde, wäre das ganze Problem natürlich ohnehin schnell erledigt. Aber obwohl sich sehr viele Leute ärgern, empört sind, sich entmündigt fühlen, zahlen sie die Rundfunkgebühren trotzdem - und zwar aus dem selben Grund, aus dem Schutzgeld bezahlt wird. Sie wollen bitte ihre Ruhe haben. Im Vollstreckungsersuchen des Norddeuten Rundfunks an das für meinen Wohnort zuständige Amt steht übrigens der bemerkenswerte Satz: "Zur Pfändung von Sozialleistungen liegen uns keine Erkenntnisse vor, die der Billigkeit der Maßnahme widersprechen." Nicht wirklich überraschend, wenn man bedenkt, dass auch blinde und taube Menschen seit Beginn des letzten Jahres Rundfunkgebühren zahlen. Es ist ein im wahrsten Sinne des Wortes und in jeder Hinsicht a-soziales System. Wer das nicht glaubt, kann Berichten zufolge offenbar so ziemlich jeden fragen, der jemals Gast in einer von Markus Lanz geleiteten Gesprächsrunde und gleichzeitig nicht der Meinung des Moderators war. Oder Cher.

Häh?!

Ja, das Gezeter geht weiter. Was soll ich denn bitte machen, wenn ich in einer Publikation, die ich ansonsten auch geflissentlich meide, im Kundenmagazin meiner Krankenkasse, der DAK, in der Rubrik "Gesundheit und Beruf" plötzlich eine große 81 sehe und darunter folgendes Sätzchen: "...Prozent aller Magen-OPs für Übergewichtige erfolgten im ersten Halbjahr 2013 bei Frauen." Ich starrte auf die 81. Ich drehte sie auf den Kopf. Ich wusste, hier war was im Busch. Und dann schrieb ich, glaube ich, die erste Leserinnen-Mail meines Lebens:

Sehr geehrte Frau Wehrmann,

auf Seite 4 der aktuellen Ausgabe von fit! versorgen Sie uns mit der
schlaglichtartigen Information, dass "81 Prozent aller Magen-OPs für
Übergewichtige im ersten Halbjahr 2013 bei Frauen erfolgt sind".

Ich würde mich hierzu über die Beantwortung einiger ergänzender Fragen
freuen:

1. Um welche Art von Magenoperationen handelt es sich, bzw. welche Art von
Operationen an Mägen werden hier einbezogen? Was ist die Gesamtzahl der
gemeinten Operationen?

2. Handelt es sich hier um alle Magenoperationen in Deutschland? Oder
weltweit? Oder an Patientinnen der DAK?

3. Was war Ihre Annahme, inwiefern Ihre Leser von dieser isolierten,
verknappten Information über Magenoperationen profitieren?

Vielen Dank im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen

Nicola Hinz


Meine Antwort bekam ich einige Tage später von einer sehr freundlichen Frau Lüning. Sie teilte mir mit, dass (wie natürlich von mir vermutet) "Eingriffe mit Magenband und Magenballon sowie Magenverkleinerungen" gemeint seien, und dass davon im fraglichen Zeitraum 331 an DAK-Patienten vorgenommen worden waren. Hinsichtlich der Aussagekraft der Zahl schrieb Frau Lüning: "Wir fanden den Geschlechterunterschied auffällig und interessant, haben aber keine bestimmten Erwartungen an unsere Leser damit verbunden. Ich persönlich vermute, dass sich in dieser Zahl auch ausdrückt, dass Frauen nach wie vor unter größerem Druck stehen, was ihr Äußeres angeht, wobei schlanker mit attraktiver gleichgesetzt wird. (Anm. d. dicken Dame: BINGO!) Genauso könnte man aber sagen, dass Frauen besorgter um ihre Gesundheit sind und weniger Bedenken haben als Männer, zum Arzt zu gehen und sich helfen zu lassen." (Anm. d. dicken Dame: Das musste sie jetzt irgendwie noch anfügen, sonst wäre die 81 ja auf gar keinen Fall mehr neutral.) Außerdem verwies sie mich auf eben jene Pressemitteilung der DAK, aus der die oben genannte 81 stammt.

Natürlich ist das fit! Magazin meiner Krankenkasse voll mit mehr oder weniger unterschwelligen Angriffen auf Versicherte (Kunden), deren BMI nicht im vermeintlichen Idealbereich liegt. Und natürlich diente auch die 81 zu nichts Anderem, als eine flächendeckende, milde Anklage- und Ermahnungsatmosphäre aufrechtzuerhalten. Fette, faule Loser wie ich werden nicht eine Sekunde vom Haken gelassen. Wenn man das Magazin wirklich von vorn bis hinten durchblättert (und das ist auch eine Quälerei, der ich mich so bald nicht noch einmal aussetze), dann findet man auf 58 schmalbrüstigen Seiten stattliche neun inhaltliche sowie rhetorische Hinweise auf das Übel Übergewicht. Und dabei sind all die Ernährungs- und Bewegungstipps, in deren Einleitung zufällig keine "kneifende Hose" erwähnt wird, nicht mitgezählt.

Auf Seite 19 brüstet sich die DAK dann damit, dass sie noch immer mollige Kinder und Jugendliche in Adipositas-Kliniken und damit ganz selbstverständlich in die lebenslange Jojo-Falle schickt. Der schnieke Dr. Dankhoff, Leiter der entsprechenden "DAK-Fachklinik" (Haus Quickborn auf Sylt) ist übrigens jüngst für sein wissenschaftliches Wirken ausgezeichnet worden - und zwar von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter, also von Mitgliedern aus seiner eigenen Industrie. Das ist ungefähr so, als ob man ein Gremium aus Drogendealern über ihre Lieblingsware abstimmen lässt, und dann verkündet, der Stoff sei gut für alle, weil ja immerhin preisgekrönt.

Sie begreifen es einfach nicht. Sie lernen nichts. Sie verschicken Hefte voller Diät- und Fitnessstress und geben gleichzeitig die erstaunlichsten Tipps zum Stressabbau: Unternehmen Sie Dinge, die Ihnen guttun! (...) Oder entspannen Sie sich in der Sauna." Danke, Frank Meiners! Der Mann ist übrigens Diplom-Psychologe. Wenn man dann aus der Sauna herauskommt, sollte man sich dieser Tage allerdings wirklich den eindringlichen Rat des Diplom-Sportlehrers Uwe Dresel zu Herzen nehmen: "Gegen Eiszapfenfinger oder -zehen helfen eine doppelte Lage Handschuhe oder Socken." (DAK-Gesundheit fit! 1-2014, S. 50) Jahaa - das sind Experten! Und dafür, dass sie ihre Weisheiten unters Volk bringen, liebe Kinder, STERBEN BÄUME!

Ein wenig erstaunt hat mich dann aber doch die oben bereits erwähnte Pressemitteilung. Denn offenbar gilt selbst für die DAK der Schlachtruf "Schlank um jeden Preis" dann doch nicht mehr so uneingeschränkt, wenn es plötzlich wirklich um Preisschilder geht. Denn nicht nur die Zahl der bariatrischen (adipositaschirurgischen) Eingriffe nimmt zu - vor allem steigen die Preise pro Eingriff, weil die Operationen offenbar zunehmend größer, komplexer und schwerwiegender werden. 2,5 Millionen Euro haben die 331 Behandlungen im ersten Halbjahr 2013 gekostet. Die DAK, frau höre und staune, beginnt nun plötzlich, sich nicht nur Sorgen um ihr Geld, sondern angeblich auch um die Patienten zu machen, die das Risiko solcher Operationen auf sich nehmen sollen/wollen, und möchte fortan einer weiteren Ausweitung der Adipositaschirurgie entgegenwirken. Mithilfe von Ernährungsberatern (Anm. d. dicken Dame: Schnappatmung), Ärzten und Psychologen. Nun, mit dem Preisträger Dankhoff im Team dürfte das doch wohl kein Problem sein...

Was ich aus der selben Pressemitteilung übrigens auch erfuhr, ist die überraschende Tatsache, dass ich eine Kandidatin wäre, die sich locker und mit guten Chancen um einen Magenballon bewerben könnte. "XXL-Patienten" brauchen einen BMI über 40 und müssen mindestens seit 5 Jahren "XXL" sein. Außerdem muss man nachweisen, dass Diäten versagt haben. ; ) Wer es am Rücken oder Diabetes hat, braucht übrigens nur einen BMI von 35. Diese Informationen wirkten bei mir wie früher ein plötzlicher Blick auf das eigene, vorbeieilende Spiegelbild im Schaufensterglas - frau wusste irgendwie gar nicht, wie dick sie ist und erstarrte innerlich für einen Moment. Morbid adipös. Und reif für den OP.

Paracetamol gibt's ja nur noch in 20er-Packungen, damit man sich nicht aus Versehen vergiftet.

Ob ich wohl ein Magenband bekäme? Würde man an einer (soweit ich weiß) gesunden aber runden Frau eine derart schwerwiegende Operation durchführen - getrieben von gesellschaftlichem Fetthass, der natürlich mit dem Selbsthass vieler Patientinnen übereinstimmen dürfte? Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass die Mehrzahl dieser Operationen an Frauen (81 Prozent) im Grunde Schönheitsoperationen sind. Und ich hätte jetzt nicht übel Lust, ein solches Genehmigungverfahren tatsächlich TESTWEISE einmal zu betreiben...

Was denn jetzt noch?

Na, also bitte. Ich fang doch erst an. Ich habe mir nämlich nach sehr langer Zeit auch mal wieder einen Stern gekauft, um alles über das Diät-Duell zwischen der Frau Prochnow und dem Herrn Timmins zu erfahren. Beide sind Mitarbeiter des Sterns, beide haben abgespeckt und sind jetzt besser drauf. Offenbar haben noch zwei andere Kollegen am "Duell" teilgenommen. Die waren also zu viert, wodurch es strengenommen gar kein Duell gewesen ist, aber ich halte ja schon die Klappe. Der Herr Timmins hat das "Duell" übrigens für sich entschieden, aber "gewonnen haben alle vier" (Stern, 16.1.2014, S.69). Das ist ja ohnehin klar. Jeder, der Gewicht verliert, gewinnt. Das ist schließlich ein Naturgesetz.
 
Die Frau Prochnow ist sich, wie ja so viele ihrer dicken Schwestern, zudem sicher, dass in ihr "eine schlanke Frau steckt". Kein Wunder also, dass sie offenbar vor nicht allzu langer Zeit noch für zwei gegessen haben muss - warum wird man sonst so unförmig?............ Selbsthass sorgt für Auflage. Das wissen wir alle, denn viele von uns haben schließlich jahrzehntelang Zeitschriften mit dem Wort "Diät" auf dem Cover gekauft.Und Selbsthass ist bekanntlich heilbar. Durch Diäten eben. Wer weniger wiegt, kann immerhin weniger an sich hassen. Und was die Experten der DAK können, kann der des Sterns (Jens Reimer, Psychiater an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf) natürlich schon lange: "Zum Fernsehabend kann man sich jetzt eine Birne und ein paar Nüsse bereitlegen. Oder Ersatzrituale finden, die auch glücklich machen: Sport, Freunde treffen, raus in die Natur gehen." (Stern, 16.1.2014, S. 76) (Anm. d. dicken Dame: Aber heute Abend bitte nicht ohne doppelte Socken.) Wenn einen solcher Rat  nicht in die Arme eines Adipositas-Chirurgen treibt, dann weiß ich nicht was.
 
Wer genau hinsieht und womöglich auch noch darauf besteht, es hier und da genau zu nehmen, der ist nirgendwo sicher. Nicht einmal beim Einkaufsbummel durch einen Katalog für große Größen. Da wollte ich die Strickjacke doch gerade auf die Bestelliste setzen, als sich nervigerweise doch noch die Produktbeschreibung dazwischenschob: "...kaschiert in schlankem Schwarz raffiniert etwas mehr Figur..." (Emilia Lay, Kollektion Frühjahr/Sommer 2014, S. 13) Wie bitte kann man eigentlich mehr Figur haben als eine Figur?! Und wenn man noch immer findet, dass die eigenen Kundinnen sich eigentlich verhängen sollten, wieso vertickt man dann nicht einfach ehrlicherweise in Zukunft XXL-Burkas?! Na schön, 99,95 gespart.
 
Nicht lustig.
 
Vor ein paar Tagen schrieb mir ein Herr bei finya.de, dass die "starke Schulter", nach der ich suchen würde "ja eine wirklich sehr starke Schulter" sein müsste. Ich gehe davon aus, dass er lustig sein wollte. Und vielleicht nur ein ganz bisschen unhöflich.Vermutlich dachte er, er könnte mit so lustigen Witzen bei einer lustigen Dicken sogar landen. Ich persönlich glaube ja, dass man selbst von der ungefähren Gehirnkapazität eines Mannes recht gut auf die Stärke seiner Schultern schließen kann. Und übrigens auch auf seine Penislänge. Das fand er nicht lustig.
 
Die offizielle Bezeichnung für einen großen Körperumfang ist bei Finya.de übrigens "durchaus beachtlich"...
 
The Shit List
 
UND DANN ist ja meine Frauenärztin vor ein paar Monaten in den Ruhestand gegangen. Das wäre nicht so schlimm gewesen, denn die Praxis war eine Gemeinschaftspraxis, und ihre Kollegin hat mich übernommen. Auch sie ist eine "fettakzeptierende" Ärztin. Das heißt, dass in dieser Praxis Gewicht bisher kein echtes Thema war, bzw. nicht zum Vorwurf gemacht und womöglich gegen die Patientinnen verwendet wurde. Und die meisten von uns dürften wissen, wie schwierig so etwas mitunter zu finden ist. Aber seit Jahresbeginn hat eine ehemalige Nachbarin von mir den Platz meiner ehemaligen Frauenärztin übernommen  - und ich muss mir nun doch eine neue Praxis suchen, weil diese nur über meine Leiche erfahren wird, was in meinem Uterus vorgeht. Ich will auch ihre verdammte Unterschrift nicht auf meinen Rezepten. Sollte jemand von euch eine gute Frauenärztin in und um Hamburg empfehlen können, bitte ich um sachdienliche Hinweise: office(at)nicola-hinz.com
 
Ja, die Nachbarn. Und die Provinz. Genau genommen hat uns das Landleben nicht wirklich gut getan. Insbesondere meiner Mutter nicht, aus der einfach keine Landfrau und Kirchenchorsängerin zu machen war, egal mit wie viel vordergründigem Elan sie ihr eigenes Gemüse zog und Blumen arrangierte. Die Welt im Dorf der "Zugezogenen" war ihr immer viel zu eng, trotz des weiten Blickes über die Felder, die mich als Kind geprägt und auch heute noch meine weiten Felder sind. Das Drehbuch meines Aufwachsens und Lebens in der Gegend war randvoll mit Charaktären, die ihre eigene Existenz nie hinterfragten, aber ohne Not und mit entnervender Selbstverständlichkeit in die anderer eingriffen.

Ich arbeite nun schon seit einiger Zeit an einem Projekt/einer kleinen Performance, das die befriedigende und abschließende Bewältigung alten und neueren Grolls zum Gegenstand hat. Teil dieses Vorhabens ist die Shit List. Sie ist ziemlich lang, es war unerwartet anstrengend, sie zu erstellen, und sie umfasst neben ehemaligen Nachbarn z.B. auch alle, die mir je das Gefühl gegeben haben, einen falschen Körper zu haben. (Zumindest alle, an die ich mich noch erinnern kann.) Sie wird das Thema eines weiteren Posts sein. Und jetzt steht auch noch der Norddeutsche Rundfunk drauf.

NH






© Nicola Hinz 2014

 

Montag, 20. Januar 2014

THE UGLY GIRL PROJECT: Red Ambition*

Oh, na das ist mal ein Post, der ALLES zu bieten hat und gleich mehrere schwierige Körperregionen / Dispositionen abarbeitet: Oberarme (noch so eine ausstehende Mutprobe: kurzärmelig aus dem Haus), fleischige Unterarme und Ellenbogen, Busen (ja, wenn ich es mir aussuchen könnte, hätte ich noch immer gern Nippel, die in den Himmel zeigen), Doppelkinn, den störrischen Kater und die neue Haarfarbe, um die allein es ursprünglich gehen sollte. Aber die gibt nicht viel her. Das vermeintliche Rot heißt "Granat" und verschwindet nach ca. 15 Haarwäschen wieder. Was für ein Glück, dass ich einmal im Leben vernünftig war und mich für einen Testlauf entschieden habe, denn zufrieden bin ich wirklich nicht.

Unbeabsichtigt dunkel ist es, und erstaunlich blaustichig. Und obendrein regelrecht ein wenig strohig. Jünger macht es nicht wirklich - da hatten die grauen Schläfen fast doch noch weniger Durchschlagskraft. Also habe ich nun dieses gelernt: Wenn Rot, dann Tomatenrot oder Erdbeerblond. Beides kann ich jedoch auf keinen Fall in Heimwerkerinnenmanier in meiner Dusche vollbringen. Und schon gar nicht alle sechs Wochen. Überhaupt hatte ich gar keine Erinnerung mehr daran, was für eine Kleckserei das Home-Färben ist - ein T-shirt, zwei Handtücher sowie ein Kopfkissenbezug haben bis jetzt dran glauben müssen. Ein halbe Stunde habe ich gespült, und das Wasser wurde und wurde nicht klar. Schon wieder so eine Metapher für die Undurchdringlichkeit des Lebensdickichts - Fraugöttin es bleibt einer rein gar nichts erspart. Dafür sieht die Dusche jetzt noch immer aus, als hätte ich dort jemanden zersägt...

Was mich an einen meiner letzten Besuche beim Friseur erinnert. Es liegt schon viele Jahre zurück, aber ich werde wohl nie das gequälte, resignierte Seufzen des Mitarbeiters des Unternehmens Vidal Sassoon vergessen, der angenervt hinter mir stand, meine Haare ein wenig hin- und herflippte und dann sagte: "Nun ja, man muss halt mit dem arbeiten, was man hat." Der arme Mann. Ich weiß nicht, was genau es war, das seine Inspiration so lahmlegte: Haare doof. Oder Gesicht doof. Vielleicht zu pausbäckig (dicke Phase)? Eine Kombination aus allem womöglich? Ich jedenfalls fühlte mich klein und elend. Heute würde ich ihm zumindest einen guten Grund geben, vielleicht sogar noch ein wenig pissiger zu werden. Und heutzutage würde ich sodann ein Schwätzchen mit seinem Chef halten, anstatt stillzusitzen und am Ende gar zu bezahlen. Heute würde er mich ebenso wenig jemals vergessen, wie ich ihn.Wie dem auch sei - jedenfalls schneide ich mir seit jener Zeit die Spitzen selbst und gut is'. Für den (beinahe) täglichen Pferdeschwanz hat es zumindest bisher gereicht. Wer weiß, vielleicht sollte ich es machen, wie die kühne Rachele?

NH




Ja, es ist wirklich rot. Im richtigen Licht.



 
 

*MADONNA!

© Candybeach.com 2013

Dienstag, 14. Januar 2014

OOTD: Gepflastert



Eines habe ich jetzt, wo es Nacht ist, endlich begriffen: Heller wird es heute nicht mehr. Und ich habe außerdem gerade sechsmal hintereinander so geniest, dass ich dachte, das Gesicht fliegt mir davon. Ist es zum Teil auch. Und auf dem Computerbildschirm gelandet. Der Drucker war so entsetzt, dass er daraufhin das Drucken aufgab, obwohl es sich hier eher um einen Zufall handeln dürfte. Zuerst schwor er Stein und Bein, er habe einen Papierstau erlitten. Als Nächstes verlangte er trotzig, dass seine Trommel gereinigt werden müsse. Ich habe ihn dann ausgestellt, damit mir sein rotes Warnlicht nicht mehr auf die Nerven geht. Und ich habe das Drucken eingestellt. Schon wieder eine höchst verstörende Metapher fürs Leben. Stau ohne Grund. Irgendetwas blockiert immer. Irgendetwas fällt immer runter und rollt in die hinterste Ecke. Irgendetwas blinkt oder stürzt wahrscheinlich in wenigen Sekunden schon wieder ab.

Zu den Accessoires der Stunde erkläre ich nun oben abgebildete Pflaster. So kommt es, wenn man nicht mehr aufhören kann, an seinen Fingern herumzubeißen. Die Pflaster sind quasi der letzte Schrei, bevor man die Hände vors Gesicht schlägt. Meine Mutter hat mich immer ermahnt, ich solle aufhören "mich selbst aufzuessen". Ich nehme an, es ist eine besondere Variante des Frustessens. Angst essen Finger auf. Was aber auch bedeutet, dass ich noch immer eher mich selbst verletze, anstatt mir endlich ein Revolvergebiss wachsen zu lassen, meine Zahnreihen in die Welt zu schlagen und sie hin und her zu schütteln, wie ein Hai seine Beute.

Was einen Tag zum Scheißtag macht, ist nicht immer leicht zu erklären. In der Regel kommen viele kleine Dinge dazwischen und es bestehen viele kleine und größere Unklarheiten. Unklar ist oft auch das eigene Verhalten. Aber wenigstens ergibt alles, was im Prinzip unzumutbar ist, in der Regel am Ende immerhin eine prima Anekdote. So wie das Telefonat, dass ich mit einem Mann hatte, der mich ursprünglich kontaktiert hatte, weil er angeblich auf dicke Damen steht und der dann aber gern über das Für und Wider kohlenhydratarmer Ernährung diskutieren wollte, weil er schließlich aus ersichtlichen Gründen in mir so etwas wie eine Expertin auf dem Gebiet erwarten durfte. Seine große Sorge war, mit zunehmendem Alter im Gesicht "fett" zu werden. Ich erklärte ihm, dann solle er doch gefälligst aufhören zu essen. Am besten sofort. Denn so wird man dünn. Einfach nichts mehr essen. Bis ans Ende seines Lebens...

Die Frage ist nicht, warum so ein fettphobischer Idiot mich (BBWxy - ja, der Name ist Programm) auf einem Online-Dating-Portal überhaupt je angeschrieben hat. Die Frage ist nicht, warum ich ihm eigentlich zugetraut habe, mehr als ein Idiot zu sein, und ihm meine Nummer gegeben habe. Die Frage, bevor der Kopf auf die Tischplatte knallt, ist: Was mache ich hier eigentlich?!

Wenn ich dünn wäre, wäre ich nicht hier.

Das Problem ist: DAS ist die Wahrheit. Trotz allem. Wenn Kate Harding behauptet, dass man das, was man dick nicht schafft, auch dünn im Leben nicht erreicht hätte, hat sie halt DOCH Unrecht. Wie sollte es auch anders sein? In einer Gesellschaft, die keinen größeren Feind kennt als Körperfett?

Kate Harding hat aber natürlich Recht, wenn sie uns auffordert, im JETZT mit unseren dicken Körpern neu anzufangen. Seinen Mut zusammen zu nehmen und so, wie man ist, dem Leben abzuringen, was man nur kriegen kann, nachdem man womöglich sein ganzes Leben zuvor den Kopf eingezogen und versucht hat, sich unter schwarzen Zelten zu verbergen, verlangt Biss. Es ist immer eine Frage des Mutes, was man aus seinem Leben macht. Aber die einzige Ermutigung, auf die Dicke immer zählen können, ist die, endlich eine Diät durchzuhalten.

Nein, dünne Lebensläufe werden nicht mit Feenblut geschrieben. Und weder ich noch Kate hätten dünn George Clooney geheiratet. (Und seien wir ehrlich - wer will das eigentlich wirklich?) Aber geheiratet hätte ich als "langfristig dünne" Ausgabe von mir selbst möglicherweise dann doch. Vielleicht hätte ich heute bereits ein paar Ehemänner hinter mir. Und wenn ich genau betrachte, wie viel Kraft der Kampf gegen den eigenen Körper und das gleichzeitige Abstrampeln um Selbstwerterhalt in den letzten Jahrzehnten gekostet hat, glaube ich eigentlich auch, dass ich dünn beruflich erfolgreicher wäre. Die Energie, die Dicke oftmals aufbringen müssen, um sich überhaupt der Welt zuzumuten, oder um sich stetig darum zu kümmern, endlich dünn zu werden, können andere in ihre Karriere stecken. So müsste (dürfte) es nicht sein. Wenn es der Welt egal wäre, ob jemand dünn oder dick ist.

Wäre ich dünn, wäre ich nicht nett.

Ich bin mir ziemlich sicher, ich wäre geradezu garstig, super-hochnäsig und egoistisch - und vermutlich meistens sehr, SEHR viel fröhlicher. ; ) Hässlichkeit (Dicksein), so wie jede andere adverse Schicksalskomponente, ist der sicherste Weg, ein besserer Mensch zu werden. Stiller. Weniger stolz. Weniger laut. Geduldiger mit anderen. Mitfühlender. Gerechter. Angepasster. Bescheidener. Weiser gar. Und wenn auch nur für die Außenwelt. Das ist eine Tatsache und nebenbei ein gern verarbeitetes Motiv in amerikanischen Fernsehspielen für Teenager.

Nicht dass ich Gefahr liefe, womöglich wieder abnehmen zu wollen. Ich werde den Teufel tun und den Einsatz meiner Ressourcen noch einmal auf irgendetwas Anderes lenken, als auf das Erlangen größtmöglicher persönlicher Freiheit und Selbstbestimmtheit!

Es ist wohl hauptsächlich die Wut auf eben jene oben genannten Umstände, die mich dieser Tage mal wieder vermehrt mich selbst anfressen lässt. Dass sie sich noch immer nicht genug nach außen richtet und auch nicht annäherend ausreichend in Selbstfürsorge fließt, ist der Tatsache geschuldet, dass meine Umprogrammierung nur schleppend verläuft. Das zieht sich alles mit der dicken Selbstakzeptanz. Grollen ist halt auch eine zeitaufwendige Beschäftigung. Aber vermutlich ein notwendiger Teil des Weges. Dabei kann ich es gar nicht abwarten, eine garstige und egoistische Dicke zu werden.

NH
 

Montag, 6. Januar 2014

Doodle*


Ich bin ins neue Jahr geschliddert - erst mit einer fetten Erkältung und rasselnder Atmung, die mich selbst nächtelang wachgehalten hat und zuletzt mit einer langen Autofahrt durch die (fast) frühlingshafte Sonntagnacht. Aber jetzt fühlt es sich an, als sei ich angekommen. Kennt irgendwer das Gefühl, etwas plötzlich begriffen und sich entschieden zu haben, ohne allerdings ganz genau sagen zu können, wofür? So etwas wie eine noch etwas unklare Klarheit? Zu Haus angekommen, wusste ich zunächst auch nicht so recht wohin mit mir und den neuen unkenntlichen Erkenntnissen und zerkaute meine Zahnbürste, während ich auf meinem Notizblock herumkritzelte, als wäre ich in einer Telefonunterhaltung mit dem kollektiven Unterbewusstsein ; ). Am Nachmittag zuvor sind mir übrigens zwei Bilder von der Wand gefallen. Das obere riss das untere mit. Die Nägel in der Wand blieben, wo sie sind. Was sich gelöst hatte, waren die Aufhänger an den Rahmen. Die Wand ist richtig. Die Nägel sind richtig. Und der Flur wirkt so viel heller und größer. Allerdings natürlich auch irgendwie unfertig. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich mit irgendetwas hängenbleibe und es zerreiße. Ich brauche jetzt einen neuen Rahmen. Und quasi eine neue Haltung. ; ) Weniger Erwartung und gleichzeitig weniger gedankliche Selbstbeschränkung. Gleichzeitig mehr Standfestigkeit und Genauigkeit. Und mir scheint, um noch mehr aufgeschobenes Leben nachzuholen, brauche ich noch mehr Mut. Und ich muss viel, viel tiefer einatmen.
 
*Kritzelei
 
 
NH