Mittwoch, 30. Januar 2013

Melodien für Melonen



Meine BH-Größe ist jetzt 85 H. Immer wenn ich mal "schlank" war, war es für gewöhnlich 80 E. Daran hätte man so oder so ganz einfach ziemlich viel Freude haben können.

Aber auch Freude will gelernt sein. Und deviant übermäßige Fülle führte bei uns zu Haus zunächst einmal in der Hauptsache zu Verdruss und Beunruhigung. Verdruss, weil das alles halt schon wieder nicht normal war - ein Teenager mit einem Monsterbusen, also bitte. Und man fragte sich beunruhigt, zu welch gigantischen Strukturen sich das alles wohl noch auswachsen würde. Wann immer meine Mutter mich zwischen meinem vierten und siebenundreißigsten Lebensjahr anschaute, muss sie zumeist ein unkontrollierbar wucherndes Gewächs gesehen haben - selbst wenn es gegenwärtig nicht so viel Raum einnahm, wusste man nie, wo sich gleich wieder aufdringliche Triebe bilden würden.

Wenn ich nicht gerade ein zu rundes Kind war, war ich zumindest ein zu langes, das auf Klassenfotos alle anderen auf groteske Weise überragte. Auch das gab Anlass zur Sorge: während mein Vater nach eigenen Angaben für mich schon eine Karriere als Profi-Basketballerin im Hinterkopf entwickelte, machte sich meine Mutter Gedanken, wie das denn bloß in der Tanzschule werden würde. Und ich erinnere mich noch an die Erleichterung, als mich die anderen dann einholten (was bei einer Größe von lediglich 1,67 m am Ende ja auch nicht so schwer war), und ich von einer Freundin meiner Mutter zu hören bekam: "Jetzt wirkst du fast schon normal". Normal war wie ein Ritterschlag. Normal war das große Glück.

Aber natürlich war letzten Endes nichts, ABER AUCH GAR NICHTS an mir normal. Ich bekam  meine erste Periode mit elf Jahren. Das hatten meine Mutter und ihre Freundin nicht vor meinem vierzehnten Geburtstag eingeplant und schlugen beim Sherrytrinken theatralisch die Hände überm Kopf zusammen. Verflucht, jetzt quoll aus dem Kind schon wieder lauter Unplanmäßiges hervor. Jetzt konnte es als einzige in der Klasse wegen Krämpfen nicht am Sportunterricht teilnehmen und man musste immerzu aufpassen, dass nichts danebenging, denn das weiß ja nun wirklich jede Frau: Blutflecken in der Hose sind der Untergang. Es gibt im Universum nur eine Sache, die schlimmer ist - und das dürfte wohl Fett sein. ; ) Zuerst zischte mir meine Mutter an der Supermarktkasse noch entnervt hinterher: "Jetzt pack die Binden erst in die Einkaufstasche, bevor du damit übern Parkplatz läufst." Später gab sie es dann auf. Ich wusste auch als Kind schon, dass sie Unrecht hatte. Ich wusste, dass es nichts gab, wofür ich mich hätte schämen müssen. Und ich schämte mich natürlich trotzdem.

Und dann kam der Busen.

Und wie es sich bis dahin so ziemlich mit allem an meinem Körper verhalten hatte, war auch er zu früh und viel zu viel. Gegen dumme Bemerkungen von Mitschülern war ich nicht gewappnet. Meine Familie war eine schlechte Anlaufstelle, wenn es darum ging, mich mit der nötigen Resilienz auszurüsten. Die hatten selbst genug damit zu tun, mit der problematischen Körperrealität des Kindes klarzukommen. Also drückte ich ihn platt, indem ich das Unterhemd ganz straff nach unten und zur Fixierung durch die Beine der Unterhose zog. Ich weigerte mich sehr lange, die Notwendigkeit eines BHs anzuerkennen. Außerdem fing ich damals an, besonders weite Oberteile zu tragen und gebeugt zu gehen. Ab da begann meine Mutter allerdings, mich in die Seite zu knuffen, für gewöhnlich gefolgt von dem Kommando: "Geh' gerade! Du kriegst ja einen Buckel!" Wohlgemerkt: "Brust raus!" sagte sie nie.

Es war also nicht NUR das Fett. Es war jede verfrühte Entwicklung, die zu mir auch heute noch in ihrer Vehemenz weitgehend unerklärlichen, negativ gefärbten Überreaktionen führte. Allerdings bin ich überzeugt, dass das zum Teil imaginierte Fett als Basis und Ursache allen anderen Übels begriffen wurde. Und damit wurde alles zwangsläufig zum Übel. Denn aus Fett kann ja nichts Gutes werden - ironischerweise offenbar nicht einmal Brüste.

Der Göttin sei Dank begriff ich später natürlich selbst, dass ein wirklich großer Busen eine wirklich feine Sache sein kann. Aber was war das für ein hartes Stück Arbeit. So schwierig, wie es heute ist, mich als dicke Frau zu akzeptieren, war es als Teenager, sich überhaupt als Inhaberin eines Frauenkörpers und einer Sexualität zu akzeptieren. Denn was ich zwischen Scham und Chaos und Diäten verinnerlicht hatte, war, dass es hier selbstverständlich nichts zu feiern gab. Frausein war kein Grund, die Korken knallen zu lassen. Jedenfalls nicht, wenn man als Frau in einem so unmöglichen Körper steckte, den man dauernd daran hindern musste, aus dem Rahmen zu fallen.

Wäre ich Mutter einer Tochter, würde ich Frausein-Parties feiern. Der erste BH, die erste Regel, alles ein willkommener Anlass, Wunderkerzen auf eine Torte zu stecken und auf eine knallbunte Pinata einzudreschen, bis es Schokobrüstchen regnet. Wenn ich es recht überlege, könnte ich natürlich genau solch eine Veranstaltung doch noch für mich selbst organisieren - quasi rückwirkend. Obwohl ich mit 85 H kein Problem mehr habe - außer gelegentlich beim BH-Kauf. Das war bisher eine der leichteren Stationen auf dem Weg zur Selbstakzeptanz. (Augenblicklich arbeite ich an den Oberschenkeln und den Knien - und das, so viel kann ich schon sagen, ist beileibe kein Spaziergang auf der Promenade ; ) .)

Hin und wieder wäre es mir lieber, mein Busen sähe weniger echt und mehr wie der von Pamela Anderson aus. Für einen kurzen Augenblick hatte ich dann auch vor einigen Jahren die Idee, operativ gegen die Folgen der Schwerkraft vorzugehen. Aber diese wurde dann schnell wieder verworfen - nicht etwa aus Vernunft oder Angst vor Komplikationen, sondern weil ich damals zu dem Schluss kam, dass es sich nicht lohnt, für viel Geld eine straffe Brust an einen ansonsten ohnehin "inakzeptablen", weil zu fleischigen Körper zu zimmern...Oh Mann, Selbstverachtung ist ein Ungetüm mit seiner sehr eigenen Sicht der Dinge. Und vielen verwirrten Köpfen. Und immerzu wächst einer nach.

Bounce Your Boobies!

Wie dem auch sei - für eine Party braucht man Musik! Es war nicht ganz leicht, Kompositionen über Busen oberhalb des Ballermann-Niveaus auszumachen.Von Rusty Warren, ihres Zeichens Comedienne und Feministin, habe ich dann aber doch noch gleich zwei großartige Darbietungen gefunden, in denen stolz wippende Brüste gar als Symbol für die zu erkämpfende Freiheit ihrer Besitzerinnen dienen: Bounce Your Boobies und Knockers Up.

Außerdem denke ich, dass die folgenden Nicht-Profis ihre eigene und die Oberweite anderer Frauen mit ihren Kompositionen auf wirklich angemessene Weise feiern: Boobie Songs von Baby Smith, Shanna Hoar und The Boobebos.

Ach, und eine passende männliche Stimme gab es zu guter Letzt dann auch noch: Joe Walsh ; ).

P.S. "Mehrbusen" gibt's bei vongestern. ; )

NH