Montag, 25. Juni 2012

Food for thought: Lesley Kinzels "Two Whole Cakes"


Ich mag ja dünne Bücher. Denn ich habe wenig Zeit. Das Risiko ist natürlich, dass in einem dünnen Heftchen auch nicht viel steht. Oder aber die Autorin kommt schnell auf den Punkt und schafft es, eine komplexe Thematik auf angemessene Weise auf eingeschränktem Raum zu behandeln. Darum war Lesley Kinzels kurzer Abriss über Selbstakzeptanz und das Ende vom Kampf um den perfekten (dünnen) Körper eine Entdeckung für mich. Lesley Kinzel ist Fett-Aktivistin – und Amerikanerin. Wenn man das Stichwort „Fettakzeptanz“ bei Google eingibt, bekommt man ein mageres Ergebnis von 188 Seiten, bei „Fettaktivismus“ sind es sage und schreibe sieben (!) Ergebnisse. In Deutschland dürften Flashmobs dicker WutbürgerInnen in naher Zukunft nicht zu erwarten sein – eine kulturelle und politische Thematisierung der Stigmatisierung und Diskriminierung Dicker ist hierzulande bislang kein besonders schillerndes Thema. Das heißt nicht, dass Dicke hier die Nase nicht auch voll hätten. Sie suchen sich Unterstützung in Internet-Foren und Selbsthilfegruppen und begreifen langsam, dass sie nicht nur nicht allein, sondern richtig VIELE sind. Wie sollte es auch anders sein? Wenn ÜBER 50% der Deutschen zu dick sind (Fragen hierzu bitte an das Bundesgesundheitsministerium), was ist dann eigentlich wirklich „normal“? 

In den USA ist die Bewegung weiter. Sie ist natürlich größer – und noch dazu empfindlicher als ein Hornissennest. Als die Marie-Claire-Kolumnistin Maura Kelly einen Blog-Beitrag darüber verfasste, dass es ekelhaft ist, im Fernsehen dicken Schauspielern beim Knutschen zusehen zu müssen, bekam das Magazin 28.000 Zuschriften. Leserinnen drohten massenweise, ihre Abos zu kündigen und tausende, unter ihnen Sharon Osborne, forderten quer durchs Internet einen Boykott der Zeitschrift, bis Maura Kelly gefeuert würde. Wurde sie nicht. Jedenfalls nicht gleich. Lesley Kinzel war dann diejenige, die von Marie Claire damit beauftragt wurde, die passende Antwort auf den Schwachsinns-Artikel der eigenen Mitarbeiterin zu verfassen – um die Gemüter zu beruhigen und um größeren Schaden abzuwenden. Kinzel war Mitbegründerin des Blogs „Fatshonista“ und ist eine Internet-Berühmtheit auf dem Gebiet Fettakzeptanz.

 

„Your body is not a tragedy.“


„Two Whole Cakes“ ist eine Mischung aus Autobiographie und Analyse – und liefert auf wenigen Seiten einen ganzen Fundus an Ideen, wie Selbstakzeptanz entwickelt und erreicht werden kann: Unser Körper ist „keine Tragödie“, aber dass wir das Gefühl haben, uns jeden Tag für ihn entschuldigen müssen, ist eine. Mode ist politisch und sich mit Kleidern sichtbar statt unsichtbar zu machen ist einen Form von Aktivismus. Feminine Stereotype verletzen alle – auch die, die ihnen entsprechen. Wessen Problem ist es eigentlich, wenn die Gesellschaft Angst vor meinem Körper hat? Und sie HAT ANGST. Kinzel beschreibt auf Seite 75, wie sie als Kind von ihrem langen dünnen Schatten fasziniert war und Sommerabende damit verbrachte, mit ihm zu tanzen, weil er so war, wie sie sich eine wundervolle, schlanke Zukunft vorstellte. Ich hatte tatsächlich die gleichen Schattenerlebnisse als Kind. Ich hatte sie vergessen, und die Erinnerung hat mich sehr berührt. Aber das beweist auch nur wieder, wie ähnlich unsere Geschichten mitunter sind.

Es gibt leider nicht viele substantielle Veröffentlichungen zum Thema Fettakzeptanz auf dem deutschsprachigen Buchmarkt. Selbst wenn auf Diät-Ratgebern heute „Diät nein danke“ steht – das ist um Himmels Willen nicht ernst gemeint! Sabine Asgodoms „Das Leben ist zu kurz für Knäckebrot“ ist vielleicht gut gemeint, dann aber so trutig, wie der Titel – und letztendlich auch noch inkonsequent. Susanne Fröhlich schreibt in „Und ewig grüßt das Moppel-Ich“ einen Brief an Kohlenhydrate, die sie jetzt wieder essen darf…nun, vielleicht kommt die Revolution ja in Gang, wenn sie endlich was Anständiges im Magen hat. Bei mir steht jetzt Friedrich Schorbs „Dick, doof und arm“ oben auf der Leseliste; Udo Pollmer und Gunter Frank habe ich bereits abgearbeitet. 

Ich war so fröhlich, Kinzels Buch als coole und relevante „Starthilfe“ auf den Weg in die dicke Selbstakzeptanz gefunden zu haben, dass ich gleich noch zwei Exemplare erworben habe, um sie zu verschenken. 

Wenn ihr eines haben wollt, sendet mir einfach eine kurze E- Mail an office@nicola-hinz.com bis Freitag (29.06.12). Ich packe alle Namen in einen Hut und ziehe zwei. Ich melde mich dann bei euch, und ihr könnt mir die Adresse geben, an die das Buch gehen soll.

NH

2 Kommentare:

  1. Interessantes Posting, Frau Hinz.

    Ich muss gestehen, dass ich noch nie Diät- oder Fettakzeptanz-Belletristik oder Ratgeber gelesen habe.

    Allerdings war ich auf zwei Ü100-Party und kam mir dort - wenn meine Begleiterin mal auf dem Klo war - eher verloren vor.
    Ich weiß nicht, ob es Vorurteile sind und ich die anderen Partygäste direkt in die Freak-Schublade gesteckt habe, oder ob diejenigen, die sich ohnehin fett akzeptieren, nicht auf "fette" Partys gehen und diese Partys somit ein Sammelbecken für Fett-Fetischisten und Torschlusspanik-Dicke sind.

    Bei mir selbst hadere ich sehr mit der Fettakzeptanz. Das liegt vor allem an den Wehwehchen.
    Okay... ein bisschen auch an der vielen "Perspektiv"-Kleidung, die mal wieder gerne getragen werden würde.

    Viele Grüße

    E. aus B.

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  2. Zu solch einer Veranstaltung wollte ich auch immer mal, um zu sehen, wie das so ist, auf so einer Art "dickem Planeten".

    Ich habe mich aber bisher nicht wirklich getraut - ich könnte mir vorstellen, dass es mir ähnlich gehen würde wie dir, und das wäre vielleicht gar nicht so hilfreich bei dem Projekt Selbstakzeptanz. Denn dass das nicht leicht ist, finde ich auch. Bei mir stehen ja seit Wochen 4 Kisten mit aussortierter, zu kleiner "Perspektiv-Kleidung" im Flur. Und dauernd muss ich mich disziplinieren, sie nicht, zumindest teilweise, wieder auszupacken.

    Viele Grüße
    Nicola

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