Ich mag ja dünne Bücher. Denn ich habe wenig Zeit. Das
Risiko ist natürlich, dass in einem dünnen Heftchen auch nicht viel steht. Oder
aber die Autorin kommt schnell auf den Punkt und schafft es, eine komplexe
Thematik auf angemessene Weise auf eingeschränktem Raum zu behandeln. Darum war
Lesley Kinzels kurzer Abriss über Selbstakzeptanz und das Ende vom Kampf um den
perfekten (dünnen) Körper eine Entdeckung für mich. Lesley Kinzel ist
Fett-Aktivistin – und Amerikanerin. Wenn man das Stichwort „Fettakzeptanz“ bei
Google eingibt, bekommt man ein mageres Ergebnis von 188 Seiten, bei „Fettaktivismus“
sind es sage und schreibe sieben (!) Ergebnisse. In Deutschland dürften
Flashmobs dicker WutbürgerInnen in naher Zukunft nicht zu erwarten sein – eine
kulturelle und politische Thematisierung der Stigmatisierung und Diskriminierung
Dicker ist hierzulande bislang kein besonders schillerndes Thema. Das heißt
nicht, dass Dicke hier die Nase nicht auch voll hätten. Sie suchen sich
Unterstützung in Internet-Foren und Selbsthilfegruppen und begreifen langsam,
dass sie nicht nur nicht allein, sondern richtig VIELE sind. Wie sollte es auch
anders sein? Wenn ÜBER 50% der Deutschen zu dick sind (Fragen hierzu bitte an
das Bundesgesundheitsministerium), was ist dann eigentlich wirklich „normal“?
In den USA ist die Bewegung weiter. Sie ist natürlich größer
– und noch dazu empfindlicher als ein Hornissennest. Als die Marie-Claire-Kolumnistin
Maura Kelly einen Blog-Beitrag darüber verfasste, dass es ekelhaft ist, im Fernsehen
dicken Schauspielern beim Knutschen zusehen zu müssen, bekam das Magazin 28.000
Zuschriften. Leserinnen drohten massenweise, ihre Abos zu kündigen und tausende,
unter ihnen Sharon Osborne, forderten quer durchs Internet einen Boykott der
Zeitschrift, bis Maura Kelly gefeuert würde. Wurde sie nicht. Jedenfalls nicht
gleich. Lesley Kinzel war dann diejenige, die von Marie Claire damit beauftragt
wurde, die passende Antwort auf den Schwachsinns-Artikel der eigenen Mitarbeiterin
zu verfassen – um die Gemüter zu beruhigen und um größeren Schaden abzuwenden.
Kinzel war Mitbegründerin des Blogs „Fatshonista“ und ist eine Internet-Berühmtheit
auf dem Gebiet Fettakzeptanz.
„Your body is not a tragedy.“
„Two Whole Cakes“ ist eine Mischung aus Autobiographie und
Analyse – und liefert auf wenigen Seiten einen ganzen Fundus an Ideen, wie Selbstakzeptanz
entwickelt und erreicht werden kann: Unser Körper ist „keine Tragödie“, aber
dass wir das Gefühl haben, uns jeden Tag für ihn entschuldigen müssen, ist eine.
Mode ist politisch und sich mit Kleidern sichtbar statt unsichtbar zu machen
ist einen Form von Aktivismus. Feminine Stereotype verletzen alle – auch die,
die ihnen entsprechen. Wessen Problem ist es eigentlich, wenn die Gesellschaft
Angst vor meinem Körper hat? Und sie HAT ANGST. Kinzel beschreibt auf Seite 75,
wie sie als Kind von ihrem langen dünnen Schatten fasziniert war und
Sommerabende damit verbrachte, mit ihm zu tanzen, weil er so war, wie sie sich
eine wundervolle, schlanke Zukunft vorstellte. Ich hatte tatsächlich die
gleichen Schattenerlebnisse als Kind. Ich hatte sie vergessen, und die Erinnerung
hat mich sehr berührt. Aber das beweist auch nur wieder, wie ähnlich unsere
Geschichten mitunter sind.
Es gibt leider nicht viele substantielle Veröffentlichungen zum
Thema Fettakzeptanz auf dem deutschsprachigen Buchmarkt. Selbst wenn auf
Diät-Ratgebern heute „Diät nein danke“ steht – das ist um Himmels Willen nicht
ernst gemeint! Sabine Asgodoms „Das Leben ist zu kurz für Knäckebrot“ ist vielleicht
gut gemeint, dann aber so trutig, wie der Titel – und letztendlich auch noch inkonsequent.
Susanne Fröhlich schreibt in „Und ewig grüßt das Moppel-Ich“ einen Brief an
Kohlenhydrate, die sie jetzt wieder essen darf…nun, vielleicht kommt die
Revolution ja in Gang, wenn sie endlich was Anständiges im Magen hat. Bei mir steht
jetzt Friedrich Schorbs „Dick, doof und arm“ oben auf der Leseliste; Udo Pollmer
und Gunter Frank habe ich bereits abgearbeitet.
Ich war so fröhlich, Kinzels
Buch als coole und relevante „Starthilfe“ auf den Weg in die dicke Selbstakzeptanz gefunden
zu haben, dass ich gleich noch zwei Exemplare erworben habe, um sie zu
verschenken.
Wenn ihr eines haben wollt, sendet mir einfach eine kurze E- Mail
an office@nicola-hinz.com bis
Freitag (29.06.12). Ich packe alle Namen in einen Hut und ziehe zwei. Ich melde
mich dann bei euch, und ihr könnt mir die Adresse geben, an die das Buch gehen
soll.
NH
Interessantes Posting, Frau Hinz.
AntwortenLöschenIch muss gestehen, dass ich noch nie Diät- oder Fettakzeptanz-Belletristik oder Ratgeber gelesen habe.
Allerdings war ich auf zwei Ü100-Party und kam mir dort - wenn meine Begleiterin mal auf dem Klo war - eher verloren vor.
Ich weiß nicht, ob es Vorurteile sind und ich die anderen Partygäste direkt in die Freak-Schublade gesteckt habe, oder ob diejenigen, die sich ohnehin fett akzeptieren, nicht auf "fette" Partys gehen und diese Partys somit ein Sammelbecken für Fett-Fetischisten und Torschlusspanik-Dicke sind.
Bei mir selbst hadere ich sehr mit der Fettakzeptanz. Das liegt vor allem an den Wehwehchen.
Okay... ein bisschen auch an der vielen "Perspektiv"-Kleidung, die mal wieder gerne getragen werden würde.
Viele Grüße
E. aus B.
Zu solch einer Veranstaltung wollte ich auch immer mal, um zu sehen, wie das so ist, auf so einer Art "dickem Planeten".
AntwortenLöschenIch habe mich aber bisher nicht wirklich getraut - ich könnte mir vorstellen, dass es mir ähnlich gehen würde wie dir, und das wäre vielleicht gar nicht so hilfreich bei dem Projekt Selbstakzeptanz. Denn dass das nicht leicht ist, finde ich auch. Bei mir stehen ja seit Wochen 4 Kisten mit aussortierter, zu kleiner "Perspektiv-Kleidung" im Flur. Und dauernd muss ich mich disziplinieren, sie nicht, zumindest teilweise, wieder auszupacken.
Viele Grüße
Nicola