Now, is there anything else
I can get you?
A killer blow to the face?
(Miranda Hart)
Jetzt wo Weihnachten und das ganze Besinnlichkeitsgedusel hinter uns liegen, kann ich's ja sagen: Ich halte die Vorstellung, Verzeihen sei der Schlüssel zum Seelenfrieden für ausgemachten Quatsch. Weil geplantes und isoliertes Verzeihen um des Verzeihens willen ohnehin nicht klappt. So wie Selbstliebe nicht einfach herbeigeredet oder -gewünscht werden kann. Denn davor schaltet sich das antagonistische Prinzip ein - und die Chancen stehen gut, dass man auf einen anderen niemals sauerer sein wird, als zu dem Zeitpunkt, zu dem man versucht, sich einzureden, man sei es nicht mehr. So wie man niemals dringender Schokolade will, als zum Beginn einer Diät.
Ich stehe ja auf Rache.
Die meiste Zeit meines Lebens habe ich auf dem Land in Schleswig Holstein gelebt – an zwei verschiedenen Enden des selben Dorfes zu unterschiedlichen Zeiten. Zweimal wurden Katzen von mir dort von Jugendlichen eingefangen, gequält und beinahe getötet. Auch an beiden Enden, aber von Mitgliedern der selben Familie. Das kann auf dem Dorf ja leicht mal vorkommen. Einmal war es ein männlicher Teenager (Kater Anton kam mit zertrümmertem Kiefer und abgeschnittenen Krallen zurück nach Haus), viele Jahre später drei Schwestern in einer ähnlichen Altersklasse. Sie und ihre Freunde hatten bei einer Party offenbar versucht, Kasimir aufzuspießen, hatten aber letztendlich nur die Hautschichten am Rücken durchstochen. Auch er überlebte schwer verletzt. Und ja, ich denke manchmal, womöglich säße ich heute im Gefängnis, hätte ich nicht eine Mutter gehabt, die mich nach dem zweiten Vorfall zurückgehalten hat. Vielleicht aber auch nicht. Womöglich verfüge ich trotz all meiner lodernden Wut über eine im Notfall doch noch halbwegs funktionierende Schwelle, wenn es um Gewalt geht und leide nicht unter der gleichen kriminellen Entgrenztheit, wie die von einer Lehrerin in einem ökologischen Holzhaus großgezogene Brut aus der Hölle. Sonst hätte ich womöglich doch noch Gas gegeben, und wäre ihnen in die Kniekehlen gefahren, als sie, ein paar Tage nachdem sie meinen Kater fast umgebracht hatten, provokativ die Straße blockierten und langsam und ganz nah vor meiner Stoßstange hergeschlenderten. Sie fühlten sich sicher. Zu recht. Ich bin nun einmal für andere nicht lebensgefährlich. Was mich noch immer im Rückblick verblüfft, ist, wie sie eigentlich dazu kamen, anzunehmen, dass es ganz genau so sein würde. Wirklich wissen konnten sie doch eigentlich nicht, ob sie es am Ende nicht womöglich doch mit Ihresgleichen zu tun hatten - mit einer Psychopathin, die kurz den Rückwärtsgang einlegt, Anlauf nimmt und sie ins Jenseits oder zumindest für ziemlich lange Zeit ins Krankenhaus befördert. Weil sie schlicht denkt, sie darf das. Vielleicht waren sie einfach zu dumm, um Angst um ihre Unversehrtheit zu haben. Oder sie hatten einfach nicht besonders viel zu verlieren. Ich nehme an, es dürfte eine großzügige Mischung aus beidem gewesen sein.
Ich vergesse fast nie - über viele Dinge, die mir im Leben passiert sind, war ich bisher für immer wütend und empört und fassungslos. Aber nach dem Entrümpeln meiner Umgebung geht es nun in der Tat an das Entrümpeln im Innern. Und da türmt sich weiß Göttin der Unrat. Die Shit List an sich ist schon mal eine hübsche Übung, sich von negativen Gefühlen gegenüber Menschen und den Erfahrungen, die man mit ihnen gemacht hat, zu lösen. Man schreibt einfach alle auf - alle, alle, alle die man gern mit einem Mähdrescher überrollen würde. All jene, denen man wünscht, dass sie am nächsten Bissen, den sich runterschlucken, ersticken werden. Alle, denen man nicht eine Träne nachweinen würde, wenn sie im Schlund eines durch den Asphalt hervorbrechenden Monsterkrokodils verschwinden würden. Alle, denen man ihre höchstpersönliche Lawine oder Flutwelle herbeizaubern würde, wenn man es könnte. Wer besonders gründlich sein will, schreibt auch noch den Grund für die Wut oder Verachtung auf.
Meine Liste umfasst rund 80 Personen, Gruppen und Organisationen. Darunter findet sich z.B. jeder Vermieter, den ich in Deuschland je hatte. Oder der Hausmeister, der aus dem Fenster des Treppenhauses gegenüber spannte. Meine Schwester, die das Grab unseres Vaters aufgelöst hat, ohne Bescheid zu sagen. Ziemlich viele Ärzte und Ärztinnen diverser Krankenhäuser, die an der Behandlung meiner Mutter beteiligt waren. Meine ehemalige Bank. Alle, die mich jemals wegen meines Gewichtes herabgesetzt oder beleidigt haben. Freundinnen meiner Mutter, die sie nicht ein einziges Mal besucht haben, nachdem sie krank wurde. Die Jäger, die Molly erschossen haben. Eine ganz bestimmte Gynäkologin. Polizisten. Mitarbeiter von Stromversorgern. Versicherungsvertreter. Bauunternehmer. Und natürlich die bereits erwähnte abscheuliche Kinderschar aus der Nachbarschaft. UND SO WEITER. Ja, es ist eine sehr, sehr, sehr lange Liste. Aber wenn man schon einmal dabei ist, aufzuräumen, sind auch keine Grenzen gesetzt. Es ist egal, wie groß oder klein die Verletzung - die, an die man sich erinnert, haben Spuren hinterlassen, für die sie jetzt endlich bezahlen werden.
Natürlich symbolisch.
Denn im zweiten Teil jagt man sie dann allesamt in die Luft! Dazu bietet Silvester einen pragmatischen Rahmen, sowie einen perfekten Anlass. Erstens: Wenn es ohnehin überall knallt, fällt dieser Teil der persönlichen Reinigungsaktion nicht groß auf. Wenn man nämlich so viel Rache zu üben hat, wie ich, wird die Sprengung ein wenig länger dauern. Zweitens: Man startet idealerweise um einige Tonnen Groll erleichtert und erfrischt ins neue Jahr.
Meine Shit List habe ich entsprechend auf schmalen Etiketten verfasst. Jedes Etikett kriegt sodann seinen eigenen Böller. Und ich kann es kaum erwarten, ein Streichholz dranzuhalten. ; )
Die Beschriftung der Etiketten ist mit Absicht unleserlich, aber ich denke, der Versuchsaufbau ist klar. ; ) |
Die Vorbereitungen erfolgten zunächst unter den wachsamen Augen eines Sprengstoffexperten,... |
...dem das Ganze am Ende aber doch ohnehin total am A..., also am haarigen Luxuspo vorbeiging. |
Mögen wir uns 2015 möglichst immer gleich, geistesgegenwärtiger und wirksamer wehren, damit die Listen gar nicht erst so lang werden.
EIN MUTIGES NEUES JAHR!
PS: Der Soundtrack zur Übung
NH