Fette Logik
Die Frau
Herrmann hat meine Rezension ihres Buches auf ihrem Blog "kurz"
kommentiert. Gaaanz kurz - auf nur sieben ultrakurzen Seiten. Dabei beschwert
sie sich in der Hauptsache darüber, dass ich sie quasi durchgehend mit Absicht
aus dem Zusammenhang zitiert hätte und dass die Kritik von mir als Frau an ihr
als Frau schlicht "unfeministisch" sei. Insbesondere bezieht sie sich
darauf, dass ich ihren Status als vermeintliches "Stalkingopfer"
nicht als Ausrede dafür akzeptiert habe, dass es aus unklaren Gründen unmöglich war, die
Doktorarbeit der Frau Hermann (die offenbar gar nicht Frau Hermann heißt),
einzusehen.
Ihre Leser tröten in den Kommentaren unter ihrem Kommentar, oh Wunder, nur zu gern ins gleiche Horn: "Der Feminismus ist eben (...) keine Bürgerrerchtsbewegung, sondern eher eine Art Sekte;..."; "Genderterror..."; "Femifaschomob..."; "Feministische Kritik fällt in jeder Lebenslage so aus. Gegen alles und jeden."; "(...) diese Frauen, die sich selbst so aggressiv als Feministin bezeichnen sind nur eins: Rassisten der reinsten Form."; (...) hat mir der Feminismus (...) nix zu bieten außer Dresche. Insbesondere wenn ich auch noch eine weiße Hautfarbe habe..." Undsogehtdasseitenweiseweiter.
Lasst mich dazu nur dieses noch kurz einwerfen: "Opferabo", anyone?
Dabei verdankt die Frau Hermann den Erfolg ihres dumpfen Büchleins in der Tat maßgeblich ausgerechnet gerade jenem Netzfeminismus, über den sie und ihre Blogleser sich so vortrefflich echauffieren können. Auf einem "Diät-Blog" wohlgemerkt...hüstel/augenroll. Hätten sich Feministinnen nämlich nicht vernehmbar im Cyberspace über sie geärgert, wären die traurigen Männer vom virtuellen Maskulistenstammtisch ihr nicht in aufgebrachten Schwärmen zur Seite gesprungen und hätten so viel Lärm und Werbung für sie gemacht. Und zwar so vehement, fanatisch und nachhaltig, dass da in den Weiten des Internets keine betuliche Presseabteilung irgendeines Verlages je ernsthaft mitkommen könnte. Es ist übrigens noch immer schier unmöglich, bei Amazon eine negative Bewertung für das Werk abzugeben, ohne dass einem ihre Anhänger oder gar die Autorin selbst über den Mund fahren. Das Buch, das die Frau Hermann als Cartoonistin herausgebracht hat, scheint übrigens nicht annähernd die gleiche Liebe und Unterstützung zu erfahren.
Noch einmal ganz langsam für alle, die es noch immer nicht begriffen haben, zum Mitschreiben: Die Frau Hermann hat KEIN Diät-Buch geschrieben Sie hat auch KEIN Buch über "Diätmythen" geschrieben. Sie hat ein Anti-Fettakzeptanz-Buch verfasst. Denn Fettakzeptanz ist eine Filiale des (Netz-)Feminismus. Die Frau Hermann ist eine erbitterte Anti-Feministin und kein verdammter Fitness-Guru.
Wenn man
immer ganz anders verstanden wird, als man wirklich verstanden werden will,
dann hat man halt ein echtes Vermittlungsproblem. Man kann nicht pausenlos
aus Zusammenhängen gerissen werden, wenn die Zusammenhänge weitgehend zusammen
hängen, bzw. stimmen. Wenn alles, was man sagt, "aus dem Kontext
gerissen wird", sobald es überhaupt zitiert wird, ist das schon...na,
sagen wir mal...bemerkenswert. Das scheint irgendwie seltsamerweise auch immer
Leuten mit dem gleichen unfreundlichen Weltbild zu passieren. Ständige
Probleme mit den selbstverfassten Zusammenhängen, wie die Frau Hermann sie hat,
bekommt man eben nur, wenn man entweder ein ganz anderes Selbstbild hat, als
der Rest der Welt, oder aber man das eine sein, aber bitteschön zumindest von
bestimmten Teilen des Publikums als das andere wahrgenommen werden will.
Wenn man
z.B. mich aus dem Zusammenhang reißt, bleibt am Ende trotzdem immer die böse,
dicke, linke Feministin. Da bin ich mir ziemlich sicher. Denn ganz genau die
bin ich auch.
Direkt unperfekt
Und wo wir
gerade bei Frauen sind, die andere Frauen berufsmäßig vor den Bus
schubsen:
Nicole Jäger, selbsternannter fetter Diätcoach, hat offenbar Probleme beim Abnehmen.
Das kann passieren. Im Prinzip ist es normal. Und normalerweise läge es mir
selbstverständlich fern, dieses in irgendeiner Form kritisch zu erwähnen, wenn
die Frau Jäger nicht mit einem Buch und Bühnenprogramm berühmt geworden wäre,
in dem sie nicht nur behauptet hat, einst "selbstverschuldet" 340 kg
gewogen zu haben, sondern auch noch allen anderen Dicken mit einer
unerträglichen und obendrein total unglaubwürdigen Moralkeule von Buch eins auf
die Rübe gegeben hätte.
Das
Nachfolgewerk der Frau Jäger, "Nicht direkt perfekt", erscheint
offenbar im September. Der Untertitel lautet "Die nackte Wahrheit über das
Frausein" und Ziel der Frau Jäger ist es angeblich, ab jetzt jeder Frau
zu ihrem "Recht auf ein positives Körpergefühl (und) auf
Weiblichkeit" (amazon.de) zu verhelfen. Das ist man doch erst einmal
beruhigt, dass Frauen tatsächlich ein verbrieftes Recht auf Weiblichkeit
haben....Und dann fragt man sich, was denn wohl eine Frau automatisch ist, wenn
nicht weiblich. Und dann begreift man, dass "unperfekte" Frauen in
unserer Kultur natürlich mitnichten einfach so weiblich sind. Auch und ganz
besonders nicht in den Augen der Frau Jäger, die immerhin ein ganzes Buch
darüber geschrieben hat, wie faul, dumm und scheiße Dicke sind. Weiblichkeit
muss man sich "verdienen". Und mit nichts verliert man den Status des
Weibchens zuverlässiger als mit Hässlichkeit, Fett oder Feminismus : ). Es wird
wieder um Äußerlichkeiten gehen, bei der Frau Jäger. Mit dem Inneren hat sie es
nämlich nicht so. Dummerweise eben auch nicht so sehr mit dem Abnehmen. Darum
tritt sie jetzt plötzlich dafür ein, dass man als Frau auch irgendwie halbwegs
okay ist, wenn man eben "nicht direkt perfekt" ist (denn dellig, alt,
dick, zu groß, zu klein, mit dünnen Haaren, etc. kann man eben niemals perfekt
sein) und wird sich so weltbewegenden Fragen widmen wie "Und warum ziehen
alle beim Sex den Bauch ein?" (amazon.de)
Tun übrigens
gar nicht alle. Ich nicht. Just sayin'.
Wenn die
nackte Wahrheit über das Frausein der Frau Jäger ungefähr soviel
Wahrheitsgehalt hat, wie die Geschichte von den 340 kg Ausgangsgewicht, dann
sollte man wenigstens dafür sorgen, dass die eigene Tochter das Buch nicht in
die Finger kriegt.
Man fragt
sich ja noch immer, wie das eigentlich passieren konnte, oder? Dass keiner der
Milliarden von Journalisten, die die Frau Jäger in den letzten zu ihren
buchstäblich märchenhaften Abnehmerfolgen befragt haben, jemals genauer wissen
wollte, wie es sich eigentlich so angefühlt hat, im Körper der schwersten Frau
der Welt* zu leben? Und warum dieser zusätzliche Superlativ eigentlich nie Teil
der werbeträchtigen Geschichte war?
*Als
schwerste, lebende Frau der Welt wurde Pauline Potter 2012 mit 293,6 kg ins Guinness Buch
der Rekorde aufgenommen. Diesen Titel hat ihr bisher offenbar keiner streitig
machen wollen. Tatsächlich wurde ihr Gewicht je nach Nachrichtenmedium und
Zeitpunkt zwischen knapp 300 und 330 kg angegeben. Wenn man sich die Bilder von
Pauline Potter zu Höchstgewichtszeiten ansieht, erscheint es einem umso
absurder und unbegreiflicher, dass die Lebenssituation der Frau Jäger mit einem
angeblich sogar noch höheren Gewicht bei der Berichterstattung nicht erheblich
stärker oder eigentlich überhaupt mal substantiell dokumentiert und
thematisiert worden ist.
NH