NH
Sonntag, 17. Dezember 2023
The Ugly Girl Project: Closure
NH
Dienstag, 20. Dezember 2022
Dürfen Fettaktivist*innen Diät machen?
Offenbar stellt sich diese Frage. Denn es geschieht gar nicht so selten, dass öffentlich sichtbare Vertreter*innen von Fat Acceptance abnehmen. Genaugenommen wirkt es manchmal gar so, als ob der Rückfall in die Diätkultur für viele dicke Ikonen nur eine Frage der Zeit ist. Gabourey Sidibe, Adele, Melissa McCarthy und Rebel Wilson fallen mir als besonders prominente Ex-Dicke spontan ein.
Selbst Tess Holliday hat offenbar abgenommen und der
Außenwelt das Ergebnis stolz präsentiert. Als Antwort auf den Backlash, der zu
erwarten gewesen war, servierte sie dann eine überstandene Anorexie als Grund.
Mein Ton verrät es vermutlich – ich habe da erhebliche Zweifel. So oder so
finde ich ihr Vorgehen mächtig schattig.
Gerne passiert die Gewichtsabnahme infolge der Einsetzung
eines Magenbandes. Oder mit straffen Diät- und Trainingsprogrammen, für die im
wirklich ungünstigsten Fall auch noch gleichzeitig Werbung gemacht wird. Nach
eigenen Angaben wird immer aus gesundheitlichen Gründen diätet, nie weil frau
doch lieber etwas normschöner sein will. Diese Darstellung ist in
den meisten Fällen bestimmt nicht ganz aufrichtig. Und natürlich sind die, die Hoffnung
in die Unterstützung und Repräsentanz gesetzt oder sich durch das Vorbild
gestärkt gefühlt haben, häufig enttäuscht bis sauer. Zu Recht.
Aber die Antwort lautet:
Ja, dürfen sie. Fettaktivist*innen
dürfen dünn werden. Sie dürfen sich auch kleine Teufelshörnchen in die Stirn
implantieren lassen. (Yes, that is a thing.) Es können selbstverständlich alle
mit ihren Körpern machen, was immer sie wollen.
Die echte, unterliegende Frage ist natürlich, ob eine
Fettaktivistin Diät machen und trotzdem für die Sache eine glaubwürdige
Vertreterin sein kann.
Die Antwort ist:
Nein.
Es ist nicht möglich, das, für dessen Akzeptanz eigentlich
gekämpft werden soll, gleichzeitig mehr oder weniger erfolgreich am eigenen
Leib zu bekämpfen. Egal, was meine Gründe sind. Ich kann mich, an dem Punkt
angekommen, vielleicht noch als Ally (Verbündete) bewerben, aber ich kann auf
keinen Fall weiter Vorreiter*in sein. Ich kann auch nicht privat Pelzmäntel
tragen und öffentlich als Präsidentin von PETA auftreten. Die akzeptierende Haltung
zum Fett ist, wie jede konfliktträchtige gesellschaftliche Baustelle, eine
grundsätzliche und ethische Angelegenheit. Sie ist ernst - und auch in der
Praxis ziemlich klar umrissen. Sie erfordert auf jeden Fall Konsequenz bis in
den privaten Bereich, sonst bleibt sie wirkungslos.
Wenn ich zu dieser Konsequenz nicht mehr in der Lage bin
oder keine Lust mehr dazu habe, dann muss ich abtreten, aus dem Club austreten
und ehrlich sein. Wenn meine bisherige Karriere womöglich darauf aufgebaut war,
als Vorbild und/oder Sprachrohr für die Fettakzeptanz-Community zu wirken, dann
sollte diese Karriere beendet sein. Da hilft übrigens auch kein scheinheiliges
Umschulen auf milde, sinnlose „Body Positivity“.
Wenn ich mich als öffentlich agierende Fettaktivistin dazu
entscheide, mein Gewicht maßgeblich zu verringern, sollte ich das begreifen,
umsetzen und vor allem den Anstand aufbringen, bestimmte Dinge bitteschön ganz zu
unterlassen:
1. Es ist unredlich und eine vollständige Abkehr vom
ehemaligen Grundsatz, wenn sich eine Ex- Fettaktivist*in dazu versteigt,
auch noch Werbung für Diäten, Pulver, Pillen, Tees, Trainingsprogramme oder
Fitnessclubs zu machen.
2. Zumeist zutiefst subjektives, womöglich selbstzufriedenes
und im schlimmsten Falle triggerndes öffentliches Geschwärme über die
Gesundheit, die durch die Gewichtsreduktion erheblich verbessert worden sei,
ist auf jeden Fall zu unterlassen.
3. Es wäre auch nett, das Publikum mit der Behauptung zu verschonen,
es gehe beim Abnehmen nicht ums Abnehmen, sondern um Self Care oder Wellness
oder Healing oder was auch immer für einen blumigen Scheiß. Und die Überwindung
einer Essstörung gar mit großer Geste als Erklärung und Rechtfertigung aus dem
Ärmel zu ziehen, ist respektlos und ekelig.
4. Lauter sorgfältig produzierte aber auch deutlich
erschlankte Selfies von sich zu posten, um dann so zu tun, als seien die
Komplimente, die in einer von Diät-Kultur geprägten Welt auf jeden Fall kommen,
unerwünscht, ist verlogen und rettet auf keinen Fall die eigene Integrität. Vielmehr sind die vorgetäuschte Überraschung und Vehemenz, mit der positive Kommentare
zum Diäterfolg mitunter zurückgewiesen werden, geradezu erbärmlich.
5. Sich als ehemals Dicke noch immer basierend auf der Identität einer betroffenen Dicken gegen die Diskriminierung Dicker zu engagieren wird spätestens dann lächerlich, wenn das Gruppenfoto gemacht wird. Ich kann nicht in den Genuss von Thin Privilege kommen und so tun, als habe sich an meiner Position im Kampfgeschehen nichts Grundsätzliches verändert.
HAPPY EVERYTHING und bis zum nächsten Jahr!
NH
Donnerstag, 25. März 2021
Alles muss raus - oder: ein Rant - TEIL 1
Ich habe eine Ausgabe des Curvy Magazines erworben (die Ausgabe für Sept, Okt, Nov. 2020). Bekanntlich habe ich für Frauenzeitschriften nicht viel übrig. Und ja, ich glaube, dass die Möglichkeit, schöne Kleider zu tragen, nicht den Mittelpunkt fettaktivistischer Arbeit ausmachen kann. Natürlich bin ich mir auch bewusst, dass weite Teile des Publikums das anders sehen, bzw. dass schöne Kleider in großen Größen und dicke Models in Magazinen ihnen reichen würden, weil ihr Ärger über die eigene Diskriminierung sie schlicht noch immer nicht weiter trägt.
Nun ja, auf jeden Fall ist das Modemagazin für dicke Frauen vollgestopft mit Fat Shaming. Quelle surprise, I know. Die Brigitte könnte hier regelrecht noch etwas lernen. Zwischen den Seiten tut sich auch in diesem Fall wieder genau die Hölle auf, in die alle Beteiligten immer geraten, wenn dicke Frauen, die die Ambivalenz dem eigenen Fett gegenüber niemals überwunden haben (siehe Barbara Schöneberger), einfach so tun als ob, weil sie glauben, dass es sich vermarkten lässt. Was dann oft nicht einmal der Fall ist.
Auf Seite 11 beginnt Susanne Ackstaller ihren Kommentar "Dick sein als Chance" mit der Überlegung, dass sie "die Vorteile eines dünneren Ü50-Ichs durchaus (sieht)!" Auf ihrem Instagram-Account gab es übrigens zu den Festtagen im letzten Jahr auch eine gute Portion Selbstherabsetzung: "Platze gerade aus meiner Jeans, weiß jetzt, warum es "Plätzchen" heißt."
Mittwoch, 13. Mai 2020
Fettphobie erkennen leicht gemacht
"Es liegt mir fern, mich zu streiten ohne Dir meine Meinung aufzwingen zu wollen." (Aus einem Facebook-Kommentar zum Blogpost "Dick, dumm, faul und hässlich")
Klar, das ist ein Typo, aber wie freudsch können Vertipper bitte sein? Oder die Autokorrektur auf dem Gerät der Verfasserin kann sie schlicht nicht leiden. ; )
Denn Fettphobie kann ich quer über den Stadtpark hinweg riechen. Das ist meine Superpower. Außerdem, und das habe ich bestimmt schon einmal erwähnt, unterstelle ich immer vorsorglich böse Absicht. Damit liege ich bei den Trollen meistens richtig und spare Zeit und Nerven.
Aber um ganz ehrlich zu sein, dachte ich mir diesmal auch, dass aus dem Ganzen womöglich Material für einen guten Blogpost herausspringen könnte.Und siehe da - auf fettphobische Rechthaber*innen ist Verlass - die reagieren und liefern immer. Wenn halt auch immer das Gleiche. In diesem Fall in einem Schwall von laaangen, schnell aufeinander folgenden Kommentaren von ein und derselben beharrlichen Frau, die sich das letzte Wort diesmal am Ende trotzdem nur dadurch sichern konnte, mich zu sperren.
Wie gesagt: In der Kommunikation mit fettphobischem Publikum läuft es fast immer gleich ab (wenn frau sich darauf einlässt). Wortreiche und gehäufte Einlassungen (die ich im Folgenden um der Erträglichkeit willen gekürzt habe) sind nur das erste Merkmal dafür, dass hier jemand mit hoher emotionaler Investiertheit auf dem Kriegspfad ist - und zwar gegen das Recht anderer auf Gleichbehandlung.
Zweitens wird wiederholt betont, dass es nicht das Ziel sei, zu beleidigen. Selbst wenn die Beleidigung auf dem Fuße folgt. Auch wird immer gern alle Gute gewünscht, vermutlich, um sich nicht vorwerfen lassen zu müssen, man/frau wäre aggressiv oder auch nur unhöflich gewesen. Durch falsche Höflichkeit versuchen Trolle, das Siegertreppchen gleich von Anfang an zu besetzen. Sie werden dir ins Bein schießen, und wenn du Ihnen dann den Mittelfinger zeigst, hast du in ihrer Welt verloren, weil du nicht höflich geblieben bist.
Inhaltlich beginnt alles immer gern damit, dass frau kurzerhand die Opferrolle an sich reißt:
Frau XY: Das sind aber ganz schön viele Vorurteile Menschen gegenüber, die nicht dick sind.......Das meiste in dem Text sind Vermutungen und Unterstellungen (...) denn nicht alle Menschen halten "Dicke" für dumm, faul und/oder hässlich. Es soll tatsächlich Menschen geben, denen der Charakter wichtiger ist als die Figur.
Ich: Nein, natürlich nicht alle. Aber im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang verbessert das die Situation von Dicken leider nicht wirklich. Und das bilden sich Dicke nicht ein. Um Fettphobie aus nächster Nähe zu betrachten, muss frau weiterhin nichts Anderes tun, als den Fernseher einzustellen oder eine Frauenzeitschrift zu öffnen. Oder - in vielen Fällen - mit ihren Freundinnen Kaffee trinken und ihnen dabei zuhören, wie sie darüber klagen, zu dick zu sein. Dabei bemerken sie oft gar nicht, dass ihnen ja eine dicke Person gegenüber sitzt. Die meinen das dann nicht einmal böse. Die Angst vor dem Fett sitzt nur so verdammt tief.
Ich fand das (für meine Verhältnisse) wirklich diplomatisch. Aber es kam sofort, wie es kommen musste - der Verweis auf die vermeintliche Gefahr für die Gesundheit, also DIE Nahkampfwaffe aller Fat-Shamer*innen. Außerdem setzt augenblicklich die Belehrung der dicken, doofen Frau ein, dass sie an ihrem Unglück ganz allein schuld ist und die Welt einfach nur deshalb falsch versteht, weil sie mit sich selbst eben nicht zufrieden ist.
Frau XY: (...)ich selbst bin normalgewichtig und möchte nicht übergewichtig sein. (...) Das bedeutet jedoch nicht, dass ich erwarte, dass alle so denken wie ich. In meiner Familie und im Bekannten-/Freundeskreis gibt es Menschen die ganz dünn sind und stark Übergewichtige. Wenn das Thema Übergewicht mal zur Sprache kommt (...), dann geht es immer um die Gesundheit oder die körperlichen Einschränkungen, NIE um das Aussehen/Äußere. Mein Gefühl (und meine Erfahrung) ist, dass häufig Negatives in Gesagtes interpretiert wird. Häufig scheinen das Menschen zu sein, die selbst mit sich unzufrieden sind.(...)
Ich: (...) Allein der Gebrauch der Begriffe Normal- und Übergewicht zeigt ja, dass an Dicken offenbar etwas "unnormal" ist. Auch aus der Sicht von jemandem, dem der Körperumfang doch eigentlich egal ist.
An diesem Punkt ist das Repertoire der meisten Fat-Shamer*innen im Prinzip bereits erschöpft. Wenn frau mal von offenen Beleidigungen absieht. Es umfasst tatsächlich nicht viel mehr als das:
1. Das Betonen der eigene Opferrolle - hervorgerufen dadurch, dass sie vermeintlich nicht oder falsch verstanden werden. Denn auch das ist stets die Schuld des Gegenübers.
2. Verharmlosung von Diskriminierung, bzw. die Weigerung anzuerkennen, dass Menschen Erfahrungen mit Diskriminierung haben, die man/frau selbst nicht hat und darum nicht persönlich kennt. (siehe: Thin Privilege)
3. Belehrung von oben herab, dass Dicke es selbst in der Hand haben, wie sie sich fühlen und von der Gesellschaft wahrgenommen werden. Zum einen könnten sie ja abnehmen. Zum anderen könnten Sie auch einfach ihre negative Einstellung ändern, denn dann würde die Welt sie auch besser behandeln. (Hier schwingt immer gern Esoterik mit, bzw. die gute alte Schule des gezielten positiven Denkens, von dem wir mittlerweile alle wissen sollten, dass es nicht nur nicht funktioniert, sondern auch psychisch regelrecht krank machen kann.)
4. Dicksein ist in ihrer Welt auf jeden Fall schlecht für die Gesundheit und das gibt jedem und jeder das Recht, sich in die Angelegenheiten von Dicken einzumischen, um sie vor sich selbst zu schützen.
5. Bezweifeln, dass ein dicker Mensch sich überhaupt, so wie er ist, wohlfühlen kann.
6. Betonen, dass man/frau Dicken ja nicht zu nahe treten will bzw. nichts gegen Dicke hat, ABER...
Ab hier kann frau dann nur noch mit Variationen der immer gleichen Motive rechnen.
Frau XY: Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht....."Normalgewicht".... Allerdings lese ich dort eine Unterstellung heraus.?! (...) Horch doch einmal in dich hinein und sei ehrlich zu dir selbst. Auch in mir siehst du eine Böse, statt es positiv zu sehen. Schade...
Ich: Diskriminierung ist keine Einbildung. Bei dem Thema geht es um etwas mehr als blöde Blicke und unbedachte Bemerkungen. Noch nie darüber nachgedacht? Dann ja vielleicht jetzt.
Frau XY: Neee, da gibt es wichtigere Dinge, über dich gewillt bin nachzudenken.Das Leben ist immer das was jede/r Einzelne daraus macht. Wer es sich unnötig schwer macht (...) muss selbst damit klar kommen. (...) Wer sich liebt (...) wie er/sie ist, wird auch positiv durchs Leben gehen. Die Fehler (...) bei anderen Menschen zu suchen ist einfach. (...) Darüber könntest du vielleicht mal nachdenken, wenn es dir wichtig genug ist. (...)
Ich muss zugeben, jetzt wurde ich langsam doch ein wenig knatschig, obwohl ich mich ja bewusst in den Austausch begeben hatte.
Ich: Oh, du große Göttin. (...) Dass das Leben das ist, was man daraus macht, kannst du ja auch gern mal einem hungernden Kind in der Sahelzone erzählen. Das Leben ist Zufall. Und du hast offenbar Glück gehabt, dass du so locker über Benachteiligung reden kannst. Entweder, weil du keine Erfahrung damit hast, oder nicht darunter leidest, bzw. dahingehend resilienter bist als andere. Aber auch das ist dann Glück.
Frau XY: Nun ja, du bist meinen Argumenten ausgewichen und wirst nun leider unsachlich. Dann fühlst du dich vielleicht ganz wohl in deiner dir selbst auferlegten "Rolle". (...)
Ich: Welche Argumente? Dass Dicke selbst an ihrer Diskriminierung schuld sind? Das ist tatsächlich ganz genau das, was Fettphobiker immer irgendwann sagen. Es ist sozusagen ihre Vereinslosung.
Frau XY: Es liegt mir fern,mich zu streiten ohne Dir meine Meinung aufzwingen zu wollen. In deinem letzten Kommentar interpretierst du meine Kommentare und ich bin sprachlos.(...) Nicht jeder Mensch ist die negativ gesinnt. Mein Eindruck ist, dass du regelrecht danach suchst. (...) Wer sich so akzeptiert wieder/sie ist, ist auch nicht angreifbar. (...)
Ich: Es bringt auch nichts, den gleichen falschen Sermon immer und immer wieder auszuschütten (...). Wie willst du denn z.B. einer Frau mit dunkler Hautfarbe erklären, dass ihre Diskriminierung, die du hoffentlich nicht auch relativieren würdest, mit ihrer Selbstliebe zusammenhängt? Bitte, komm gar nicht erst auf die Idee.
Needless to say - natürlich kam sie auf die Idee. Und so kam es dann auch zu einem bemerkenswerten Finale. Danach nahm sie mir, wie erwähnt, die Möglichkeit, ihr erneut zu antworten. Ich habe unsere Unterhaltung auf Facebook inzwischen gelöscht, damit man sie nicht identifizieren kann. Obwohl ich bei meinen Leser*innen nun wirklich nicht befürchten müsste, dass sie ihr nachstellen. ; )
Nun, vielleicht ist ihr das Aussehen von Menschen auf gönnerhafte Weise wirklich nicht wichtig. Dass Hautfarbe oder Körperumfang keine Rolle spielen dürften, steht außer Frage. Trotzdem hält sie es in ihrem letzten Kommentar für auffällig nötig, das noch einmal zu betonen, so als hätte ich, die doofe Dicke, schon wieder etwas nicht verstanden. Irgendwie kann ich hier ziemlich klar das Echo von "Ich habe ja nichts gegen Dicke (Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind), aber..." hören. Es ist schon bemerkenswert, wie konsequent die ungerechte Lebensrealität anderer offenbar ausgeblendet bzw. händewedelnd abgetan werden kann, wenn man/frau selbst nicht betroffen ist.
Frau XY: Diskriminierung ist etwas ganz Schlimmes (...). Eine Frau mit dunkler Hautfarbe hat eine dunkle Hautfarbe.....na und? Der Mensch zählt, der Charakter (...) Und das muss die betroffene Person verstehen. (...) Ich weiß nicht wie alt du bist.....vielleicht fehlt ein wenig Lebenserfahrung (Anmerkung der dicken Dame: Hahaa, ja klar. In meinen Träumen.) Respektlos finde ich, dass du meine Meinung als falsch abstempelst. (...) Allerdings stellst du dich damit auf eine Stufe mit den Menschen, die du hier "anklagst". Du wertest...(...) Habe nun Besseres zu tun und wünsche dir, dass du zumindest über meine (...) Anregung nachdenkst. Vielleicht kannst du dann etwas positiver durchs Leben gehen. (...) Dann wirst du gar nicht mehr so viele "Diskriminierungen" erleben.
Und jetzt ein paar Worte zur Selbstliebe
Nachdem vielen von uns ein Leben lang eingehämmert worden ist, dass sie im falschen Körper unterwegs sind, der der Welt obendrein angeblich lauter Negatives über die Persönlichkeit der Körperinhaberin verrät, ist sie oft ein sehr hart erkämpfter Schatz, wenn frau sie erlangt hat. Ein positives Selbstbild, Selbstakzeptanz oder Selbstliebe puffern und schützen und machen es uns leichter, in in einer fettphobischen Welt unser Leben selbstbewusster, freier und mutiger zu leben - oder an manchen Tagen auch nur zu überleben.
Darum bin ich tatsächlich davon überzeugt, dass es ein sinnvolles und lohnendes Ziel ist, seine Selbstakzeptanz zu entwickeln und zu stärken. Denn natürlich müssen wir jetzt gerade in der Welt zurechtkommen, in der wir uns augenblicklich befinden. Ich gebe dazu hier ein paar Tipps zum Einstieg. Für die meisten von uns ist Selbstakzeptanz aber auch ein langwieriges Projekt - vermutlich mit einigen Rückschlägen. Davon kann ich in der Tat ein langes Lied singen.
Eine Verpflichtung dazu, sich selbst zu lieben oder zu akzeptieren hat allerdings niemand. Genauso wenig, wie es eine Verpflichtung zum Aktivismus oder zu politischer Mitarbeit gibt. Und was stets klar sein muss, ist, dass wir nicht schuld daran sind, wenn wir uns mit unserem Körper und unserem Selbstbild als Dicke im Krieg befinden. Wir wären nie von allein darauf gekommen, unsere Körper nicht zu mögen, wenn wir es nicht durch die Welt beigebracht bekommen hätten. Wir sind obendrein nicht dafür zuständig, uns mit ausreichend stabiler emotionaler Rüstung auszustatten, nur damit für alle anderen alles so bleiben kann, wie es ist.
Ich verwende den Vergleich immer wieder gern: Sich Selbstakzeptanz zu erarbeiten und zu erhalten ist für Dicke in unserer Gesellschaft wie unter einem Wasserfall schwimmen zu lernen. Die Missachtung, Respektlosigkeit und Diskriminierung durch Gesellschaft, Medien und Politik hören nicht auf, während wir versuchen, einen freundlichen Blick auf uns selbst zu entwickeln. Wir arbeiten also daran, gut zu uns selbst zu sein, während Vorurteile und Verächtlichmachung uns weiterhin auf den Kopf prasseln. Das ist ein ziemlicher Kraftakt.
Selbstakzeptanz entfaltet jedoch keine magische Wirkung im Außen. Schon gar nicht grundlegend im Hinblick auf die Benachteiligung von dicken Menschen. Das tun nur Protest und klar geäußerte Forderungen. Da draußen muss sich etwas ändern.
NH
Freitag, 6. Dezember 2019
Adventsblog 4: Ich komme nicht ins Fernsehen
Weil ich zu dünn bin. Ungelogen. In der Redaktion, die verantwortlich zeichnet für "Dickes Deutschland - Unser Leben mit Übergewicht" (ein Sendeformat für RTL2), hatte man offenbar meinen BMI ausgerechnet, und um eine geeignete Kandidatin für die sogenannte "Sozialreportage" zu sein, hätte er bei 50 liegen müssen. War aber nur 39.
Ich hatte mithin nicht darum gebeten, überhaupt in die Auswahl zu kommen. Bevor ich eine Anfrage von der Redaktion bekam, hatte ich noch nie etwas von der Sendung gehört. Die Mail versprach: "Kein Drehbuch, kein Scripting - nur die wahre Geschichte." Und ich dachte, ihr habt doch schon wieder nicht die leiseste Vorstellung, mit wem ihr es zu tun bekämt, wenn ihr euch wirklich dafür entscheiden würdet, mit mir zusammenzuarbeiten. Denn das ist in der Regel so: Die meisten, die eine Kooperation vorschlagen, haben vorher sehr wahrscheinlich nicht viel mehr von mir gelesen und gesehen als den Titel des Blogs. Da steht etwas von "dicker Dame". Auf dem Foto daneben ist eine dicke Frau - das muss reichen. Die Dicke schreibt mit uns bestimmt gern ein Buch über "Gewichtsmanagement" oder rezensiert garantiert gern mein Buch über Esssucht. Und bestimmt lässt sie sich gern dabei filmen, wie sie sich morgens halbnackt aus dem Bett rollt, mitten in der Fußgängerzone in Mieder und BH für Fotos posiert oder sich ein Magenband einsetzen lässt. Oft sind Anfragende beleidigt, wenn ich Ihnen erkläre, dass sie sich vertan haben. Überrascht sind sie immer.
Im Falle von "Dickes Deutschland" rief ich allerdings zurück und sagte, ich würde mitmachen - unter der Voraussetzung, dass ich im Blog ganz genau über die Dreharbeiten berichten könne. Angeblich hätte ich das gedurft. Auch als ich anklingen ließ, dass ich gern dabei wäre, weil ihrem ausbeuterischen und voyeuristischen Format etwas Fettaktivismus und Medienkritik durchaus gut zu Gesicht stünden, war die Unterhaltung keinesfalls schlagartig beendet. Vielmehr folgte noch das lange Abarbeiten eines Fragebogens. Gehen Sie gern schwimmen? Eher selten. Gehen Sie tanzen? Nie. Haben Sie gesundheitliche Probleme? Nein. Würde Ihr Partner mitmachen? Eher friert die Hölle ein. Was essen Sie gern? Gemüse. Würden Sie eine Magen-OP für sich in Betracht ziehen? Nein. Erstaunt war ich über die Frage, ob ich finanzielle Probleme hätte...dick und arm? Ernsthaft? Ist das wirklich noch immer die Erwartung der Zielgruppe?
Na schön, im Rückblick lässt sich leicht erkennen, dass mein Plan der halboffenen Unterwanderung nicht erst an meinem BMI scheiterte. So offen und menschenfreundlich-progressiv die nette Frau aus der Redaktion vielleicht auch sein wollte (sie war neu in dem Team und fürchterlich nett sind die Anfang immer alle) - natürlich war ich für ihre Zwecke kein Material für störungsfreie Drehtage. Vielleicht lag es aber auch schlicht daran, dass ich mich im Bewerbungsvideo, das ich dann doch zusätzlich noch einreichen sollte, nicht mehr an den Titel der Serie erinnern konnte...wer weiß. ; )
NH
Samstag, 9. Februar 2019
Die allerletzte Presseschau: Barbara Schöneberger und der Fatsuit
Die Frau Schöneberger trägt auf dem aktuellen Cover der nach ihr benannten Frauenzeitschrift einen Fatsuit. Etwas lappig, in leicht glänzender Hautfarbe mit pinkfarbenen Brustwarzen auf den tief sitzenden Stoffbrüsten. Am Ende des Hefts gibt es dann ein Bild des leeren Fatsuits, also eines dicken, künstlichen Körpers ohne Kopf, Füße und Hände. Weil die Frau Schöneberger ja nicht wirklich dick ist, und das Publikum nur zur Sicherheit (und zum millionsten Mal) darauf hinweisen musste.
In einem von der Frau Schöneberger zusätzlich auf Instagram veröffentlichten Video ist sie zu sehen, wie sie sich mit dem Fatsuit bekleidet eine Servierschüssel schnappt und den Inhalt mit einem großen Löffel in sich hineinschaufelt. Und dann muss sie ganz doll kichern und versichert, sie habe nichts gegen Dicke.
Wie anstößig und daneben, aber auch, wie vielsagend das alles ist, muss nicht erklärt werden. Und wo es doch erklärt werden muss, da sollte frau sich nicht niederlassen.
Ich habe überhaupt nur etwas von der Sache mitbekommen, weil Magda Albrecht in der März-Ausgabe des Magazins Barbara einen Artikel über Selbstakzeptanz veröffentlicht hat, und hinterher bei der Mädchenmannschaft einräumen musste, dass sie offenbar ihre Hausaufgaben vorher nicht gemacht hatte.
Angeblich hatte sie das Desaster nicht vorhersehen können, obwohl sie "ehrlicherweise nichts anderes erwartet hat". Häh? Wie jetzt? Sie hatte also (k)eine Ahnung, mit wem sie sich da einließ? Alle waren "cool"schreibt sie in ihrer entsetzten Stellungnahme. Und viel bezahlt haben sie für den Artikel auch. Da kann doch keiner auf die Idee kommen (wollen), dass die womöglich überhaupt nichts Gutes im Schilde führen, oder?
Erkenne deine Feindin
Und mich hat natürlich mal wieder keine gefragt. Denn dass das Magazin der Moderatorin Barbara Schöneberger bereits seit den ersten Ausgaben im Wesentlichen ein Zeugnis ihrer eigenen Ess- und Körperbildstörung ist, lag auf der Hand. Vor genau einem Jahr, also für die Märzausgabe 2018, stand auf dem Cover das Wort "Mampf" und die Frau Schöneberger hatte Kuchen im Haar, in der Faust und überall um sich herum. Sie schwamm in Kuchen und die Titelgeschichte lautete: "Aber bitte mit Sahne - Gerade sind wieder alle auf Diät. Da machen wir nicht mit, oder? Ein Heft über sinnlosen Figurwahnsinn und heiß geliebte Fressorgien."
Wenn man sich am (gelegentlichen) "Fressen-dürfen" in regelmäßigen Abständen so abarbeitet, wie andere Frauenzeitschriften an Gewichtsverlust und Diäten und gleichzeitig immer Witze über "Hüftgold" machen muss, dann ist das nicht Body Positivity oder Fettakzeptanz. Dann stimmt da was nicht. Dann hat man ein gravierendes Problem, in das man andere aber nicht unter dem Deckmantel der "Alle-sind-irgendwie-auch-schön-Bewegung" mit hineinziehen sollte. Das ist nicht nur kein Dienst an der Leserinnenschaft, es ist schlicht und ergreifend schon wieder unredlich. Ohnehin ist die ständige Verknüpfung vom großen Fressgenuss mit Dicksein echt nur noch zum Kotzen.
Die Frau Schöneberger befindet sich im ständigen Krieg mit ihrem Aussehen, und weil sich der so gut verkauft, auch und neuerdings ja gerade in der halbherzigen Leugnungsversion, kann sie ihn nun bereits seit Jahren mit Hilfe einer ganzen Redaktion öffentlich und für Geld austragen. Und natürlich, wie sollte es auch anders sein, am Ende mal wieder auf Kosten ihrer Leserinnen, d.h. auf Kosten anderer Frauen.
Das betrügerische Getue, diätfrei zu sein, ohne es jemals gewesen zu sein, das ewige Herumreiten auf der unfairen Notwendigkeit, schön zu sein und das manische Oszillieren zwischen kuscheliger Selbstherabsetzung und unaufrichtigem, aufgescheuchtem, orientierungslosem Toleranzgebaren und Fressorgien hätten der nach eigener Aussage medienerfahrenen Fettaktivistin Magda Albrecht ja eigentlich schon als Wegweiser dienen können. Aber vielleicht sieht man etwas nicht, wenn es schlicht zu nah an einem dran ist.
Wie hätte z.B. das "super-professionelle und herzliche Team" (Magda Ablrecht) der Barbara denn eigentlich wissen sollen, dass Magda Albrecht und lustige Fatsuits auf dem Cover nicht so richtig zusammenpassen? Magda Albrecht tut doch in ihrem Buch (Fa(t)shionista) genau dieses: Sie kokettiert mit ihrem angeblich ewigen Hunger und macht ihren eigenen Körper immer wieder mit milder, lustig gemeinter Missbilligung und "Offenheit" über ihr schwieriges Verhältnis zu eben jenem Körper runter. Das soll vielleicht authentisch wirken, weil sie damit signalisiert, dass sie sich wie jede andere "normale" Frau, also Nicht-Aktivistin und Nicht-Autorin, nur sehr schwer von Schönheitsnormen abgrenzen kann.
Am Ende kommt es aber leider nur genauso larmoyant rüber, wie das Gejammer über ihren offenkundigen Aktivismus-Burnout, das der Erfahrung mit der Fatsuit-Barbara folgt: "Ich war zwar hochgradig genervt, stellte mir aber die Frage, die ich mir in den letzten Jahren immer öfter stelle: Was bringt es, wenn wir uns immer und immer und immer wieder über Dinge aufregen?" Dabei ist das, was ihr jetzt mit der Barbara passiert ist, ist genau das, was passieren muss, wenn man glaubt, es sei legitim, im Umgang mit der Öffentlichkeit immer wieder auf Witzeleien, Augenzwinkerei und Versöhnlichkeit zu setzen, wenn es aber eigentlich um den eigenen Körper und seine ständige Missachtung durch diese Öffentlichkeit geht. Selbst im Artikel in der Barbara schreibt sie noch von "übergewichtigen Moppeln" (S. 54) und spürt den glitschigen Boden unter sich scheinbar überhaupt nicht.
Und das hier ist dann auch noch passiert...
Wenn es dann um das Erheischen männlicher Validierung geht, steht die fröhlich-freie Fresserei übrigens plötzlich überhaupt nicht mehr an erster Stelle, denn, so instruiert uns die Frau Schöneberger im Editorial zur aktuellen Fatsuit-Ausgabe: "Wenn Sie also einen neuen Partner blenden wollen, dann ist beim ersten Date nicht so wichtig, was Sie zum Essen auftischen, sondern die perfekte Lichtsituation bringt den Abschuss! Merke: 20 Kerzen machen zehn Jahre jünger und zehn Kilogramm schlanker!" (Anm. d. Dicken Dame: Allein die Vorstellung, dass Frauen im Jahre 2019 Männer beim ersten Date bekochen...aber geschenkt.)
Ach, und hatte ich erwähnt, dass die Frau Huber von der Brigitte auch in der Chefredaktion der Barbara verantwortlich zeichnet? I know, right?
NH
Dienstag, 24. Juli 2018
Dick, dumm, faul und hässlich
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Ein neuer Versuch - 2018 |
Es ging um die Thematisierung der gängigsten Vorurteile gegen Dicke am eigenen Leib. Natürlich kann ich verstehen, wenn man die Konfrontation mit der Aufschrift zu anstregend und pessimistisch findet. Oder sie gar für albern, übertrieben oder unwahr hält. Aber es hilft ja nichts...
Dick: Unbestritten zutreffend. Aber im gängigen Gebrauch natürlich höchst negativ konnotiert.
Donnerstag, 1. März 2018
Follow me around 57: Fuck it.
Nachdem ich heute Mittag die obige Nachricht bei Twitter und bei Facebook gepostet habe, ist folgendes passiert: Nichts. Bis auf eine einzige sehr freundliche und verständnisvolle Nachricht von einer Leserin, die mir sagte, sie würde mich auch weiterhin unterstützen, wenn ich jetzt wieder zur Diätfraktion überträte und ein Like kam keine Reaktion. Mir sind aber auch keine Follower abgesprungen. Es gab weder Beschwerden noch Kritik noch Häme.
Es gibt nun ein paar Deutungsmöglichkeiten:
1. Es ist egal, was ich schreibe, weil eh keine mehr mitliest. (Die Besucherinnenzahlen auf dem Blog sind aber immerhin konstant.)
2. Es ist egal, was ich schreibe, weil es eh keine Leserin kümmert.
3. Die Leserinnen würde es gar nicht groß stören, wenn wir am Strand einfach wieder Diät machen würden.
Ich weiß es nicht. Ihr seht mich mal wieder ratlos.
Aus Dünnwerden und Körperbashing kann man hervorragend eine Karriere basteln. Da kenne ich mich zufällig auch ein wenig aus. Aus Fettaktivismus...nicht so sehr. Was natürlich nicht heißt, dass es nicht immer wieder mal versucht wird. Da, wo es versucht wird, stört Radikalität allerdings in der Regel eher. Der Erfolg, wenn man davon überhaupt wirklich sprechen kann, kommt auch im Fettakzeptanz-Business eher, wenn man offen bleibt für...jeden fatshamenden Quatsch. Wenn "auch Hübschsein" für dicke Frauen immer hübsch das Wichtigste bleibt. Und wenn die Fettakzeptanz, für die man steht, auch eigentlich eher ein Accessoire ist, das man sich umhängt, bis man es nicht mehr nötig hat. Weil man dann endlich doch schlank geworden ist. Und das ganze aktivistische Gedöns ohnehin nicht mehr braucht.
Die gaaanz tollen (dicken) Frauen
Habe ich eigentlich schon mall von dem Seminar erzählt, das ich bei Tanja Marfo, ihres Zeichens "Erfinderin" und Organisatorin der Plus Size Fashion Days in Hamburg, besucht habe? Nein, ich glaube nicht. Und dabei wird es ja mal Zeit, denn die Veranstaltung liegt bereits 2 Jahre zurück.
Es war eine beeindruckende Erfahrung. Nur dummer Weise aus lauter falschen Gründen. Ich war eine von zwei Teilnehmerinnen, die vor dem Veranstaltungsort warteten und dann von Frau Marfo, die angesichts des übersichtlichen Publikums doch lieber die Raummiete sparen wollte, kurzerhand in einen Imbiss ein paar Straßen weiter geführt wurden, allerdings nicht, ohne dass sie vorher auf einen Abstecher zum Geldautomaten bestand. Sie hatte vergessen, mir zum Zeitpunkt der Anmeldung ihre Kontodaten zu senden und wollte die 80 Euro nun partout in bar. Sie traute mir nicht zu, eine schriftliche Rechnung auch wirklich zu bezahlen. Auf eine Quittung warte ich übrigens noch heute. Trotz mehrfacher Anmahnung.
Was merkwürdig unprofessionell begann, nahm auch danach keinen schönen Verlauf. Das "Seminar" bestand aus Klönschnack und einer verblüffend einfältig und einfallslos zusammengeworfenen Präsentation, die wir uns für ein paar Minuten auf einem Tablet ansehen konnten. Der Höhepunkt des Ganzen war erreicht, als die Frau Marfo bezeichnenderweise mitten in einem Minivortrag über Selbstliebe fast nicht wirklich mitzubekommen schien, dass die Mittzwanzigerin, die mit uns am Tisch saß, mittlerweile in Tränen ausgebrochen war. Weil sie ihren dicken Körper hasste. Und die naive Forderung "man müsse sich selbst einfach lieben" sie genauso getriggert hatte, wie das eigentlich auch hätte vorhergesehen werden können. Zumindest für Leute, die irgendetwas anderes sehen, als sich selbst.
Ich habe die Frau Marfo nach ihrem Seminar im Auto nach Hause gebracht. Ich glaube nicht, dass sie eine begeisterte Kämpferin für die Angelegenheiten von Dicken ist. Im Gespräch mit Freundinnen habe ich immer wieder geschildert, dass es mein Eindruck ist, dass die Frau Marfo halt was mit Medien, Mode und Schönheit machen wollte. Weil sie dick ist, hat sie ihre Nischenchance ergriffen. Hätte sie die Wahl, würde sie jederzeit sehr viel lieber im regulären Modegeschäft eine tragende Rolle spielen. Allerdings wäre die Konkurrenz dort natürlich auch ungleich größer.
Ich verstehe, dass man Geld verdienen muss. Ich verstehe nur nicht, dass man dabei die gesamte dicke Schwesternschaft regelmäßig unter den Bus stoßen muss. Als die Frau Marfo im Frühling 2016 bei mir im Auto saß, redeten wir bereits darüber, dass sie unlängst eine eher erfolglose Kooperation mit einem Fitnesscoach hinter sich, bzw. für ihn und seine Dienstleistung Werbung gemacht hatte. Wohlgemerkt - das Angebot war nicht explizit eins für dicke Frauen im Rahmen von Health at Every Size, sondern eher für solche, die sich "verbessern" wollten. Neuerdings trainiert die Frau Marfo wieder mal unverdrossen werbend im Meridian Spa und hat das Jahr 2018 öffentlich damit eingeläutet, reguläre Mahlzeiten, so wie in guten alten Zeiten, mit aus Pulver angerührten Diätshakes zu ersetzen. #Selbstliebe...
Ich bin der Frau Marfo danach noch zweimal begegnet. Beide Male erkannte sie mich offenbar nicht wieder (obwohl sie mir doch sogar zuvor vorgeschlagen hatte, einen unbezahlten Beitrag für ihr Blog zu schreiben) und verbrachte ohnedies die meiste Zeit damit, in einer Ecke sitzend scheinbar lustlos auf ihr Handy einzutippen. Das heißt vermutlich, dass sie an ihren dicken Veranstaltungen genauso viel Spaß hatte, wie weite Teile des Publikums. Bei der Party, die 2016 eine Auftaktveranstaltung für ihre Modemesse sein sollte, begann das Publikumssterben so gegen 22 Uhr. Bei den letzten Plus Size Fashion Days kam dann besonders am Stand der Vertreterin von Juchheim Cosmetics ByeByeCellulite so richtig Stimmung auf. Ich persönlich war ja besonders beeindruckt von der Tatsache, dass die meisten Messeteilnehmer als Hersteller von Bekleidung in großen Größen auf einer Messe für Mode in großen Größen überhaupt gar keine großen Größen anzubieten hatten. (Die Spanne endete offenbar flächendeckend bei 52 oder 54.) Naja, bei Evelin Brandt Berlin gab es wenigstens, wenn auch unerkärlicherweise, Marmelde in der Goody Bag. Und einen Fächer. Weiß ja schließlich jeder, dass Dicke immer so leicht schwitzen.
Freundinnen von mir, die mildere Wesen sind als ich, finden ja: Besser irgendeiner macht irgendwas, als dass überhaupt nie etwas Interessantes für Dicke passiert. Ich bin mir da wirklich nicht sicher...
Die Veranstalterin der Misswahl, Melanie Hauptmann, ist (vor allem am Telefon) eine überforsche, schnellredende Alleskönnerin. Laut Eigenauskunft Journalistin und Autorin und Model und Eventmanagerin und Designerin und Moderatorin und TV-Persönlichkeit. Wie sie jemals darauf kam, mich zu fragen, ob ich bei ihr und der Fräulein-Kurvig-Show mitmache, ist mir bis heute ein Rätsel. Dass ich für einen provinziellen Schönheitswettbewerb, bei dem dicke Frauen sich endlich auch mal genauso vorführen, begutachten und bewerten lassen dürfen, wie sonst nur dünne, nicht viel Liebe aufbringen würde, hätte ihr eigentlich klar sein müssen. War es ihr aber nicht. Weil auch sie sich nicht wirklich groß für ihr Gegenüber interessiert. Schon gar nicht so sehr, dass sie womöglich Recherche betreibt, mit wem sie es wirklich zu tun hat. Darum hat sie sich auch überhaupt nicht gewundert, als ich tatsächlich zugesagt habe. Dass ihr jemals der Gedanke gekommen sein könnte, dass ich aus meiner Jurymitgliedschaft höchstwahrscheinlich eine wirklich beißende Glosse gemacht hätte, nehme ich schlicht nicht an. Teilgenommen habe ich dann ja allerdings trotzdem nicht - Frau Hauptmann hat mich am Ende zugunsten eines echten C-Promis ausgeladen und hochprofessionell auch noch vergessen, mir Bescheid zu sagen. Schönheitswettbewerbe sind für'n Arsch. Schönheit ist nicht wichtig und wenn man mit irgendetwas Bodyshaming oder gar die Objektifizierung von Frauen nicht bekämpfen wird, dann mit der Wahl irgendwelcher Fräuleins. Es geht dabei nicht um Fettakzeptanz, es geht um seichte Träume vom Auch-Norm-Hübschsein und wie man diese zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil ausnutzen kann. Jeder, der wirklich nur ein schlichtes Diätprogramm vermarktet, ist ehrlicher. So, nun hab ich es gesagt.
Und? War die Überlegung, ein Diättagebuch zu starten nun ernst gemeint? Bei mir zu Hause gibt es neuerdings einen Running Gag: Einer von uns fragt eine Frage wie: "Willst du gern mal an meinen Tennissocken riechen?" oder "Möchtest du etwas rohes Affenhirn auf deinen Toast?" und die Antwort lautet, frei nach Loriot, immer: "Im Moment nicht."
NH
Freitag, 9. Februar 2018
Ausgelesen: Fa(t)shionista von Magda Albrecht
Es gibt einen Abriss der persönlichen dicken Biographie, Hinweise zu Diäten und Vorurteilen, was die Gesundheit von Dicken betrifft, eine ausführliche Schilderung der Entstehung des BMI, Betrachtungen über die mediale Darstellung von Dicken, die Diskriminierung im öffentlichen Leben sowie die Hindernisse im öffentlichen Raum (z.B. beim Fliegen). Magda Albrecht thematisiert Adipositaschirurgie, intuitives Essen, Schönheitsnormen und liefert eine kurze Geschichte der Fettakzeptanzbewegung. Sie beschreibt ihren Weg zu mehr Selbstliebe und dickem Selbstbewusstsein (mit Rückschlägen) und betont, dass dicke Selbstakzeptanz in einer Welt, in der Dicksein so negativ besetzt ist, ein ausgesprochen schwieriges Unterfangen ist.
Und dann sind da das Recht der Dicken auf Mode und die Rolle von Fatshion in der Bewegung, die, wie der Titel auch vermuten lässt, viel Raum einnehmen. Die Autorin deckt im Plauderton und mit Humor alles Grundlegende irgendwie ab, was zur Basisausstattung gehört (bis hin zur Venus von Willendorf und Rubens), und kann so bestimmt Aha-Erlebnisse liefern und so mancher Mut machen.
Nur mir halt nicht.
Denn ich bin freudlos und streng, wenn es um meine Diskriminierung geht. Ich spürte schon ein leises Verzagen beim Lesen des schmissigen Untertitels ("Rund und glücklich durchs Leben"), und als ich entdeckte, dass sie der Autorin für das Coverfoto allen Ernstes einen Schokoriegel auf das Notebook gelegt hatten, schnappte ich natürlich bereits nach Luft.
Ich verstehe, dass für den Verkauf eines Produktes Kompromisse gemacht werden müssen. Aber in ähnlicher Fluffigkeit geht es zwischen den Buchdeckeln dann tatsächlich auch weitgehend weiter. Magda Albrecht schreibt in weiten Teilen ihres Buches als lustige, putzige Dicke gegen das Klischee der lustigen Dicken an. Dass sich das beißt, liegt auf der Hand. Nicht einmal bei der abschließenden Formulierung ihrer "Wünsche und Forderungen" entwickelt sie besonders viel Feuer oder auch nur durchgängig größere Genauigkeit. Sie "möchte" etwas mehr davon, etwas weniger hiervon und offenbar auch "selbstorganisierte Kleidertauschpartys, Flohmärkte und Nähklubs", sowie "Frauenzeitschriften, die Frauen in ihrer Vielfalt stärken". (S. 308)
Im Kapitel über dicken Sex wird (gefühlt) hauptsächlich gekichert und sich zugeprostet. Die tatsächliche Erörterung des Themas erschien mir mithin unangebracht zurückhaltend. Dafür ist das Kapitel darüber, wie frau ihre wahre BH-Größe ermittelt und vermutlich ein viel größeres Körbchen braucht als gedacht, eines der längsten im Buch (13,5 Seiten und damit genauso lang wie das über die Geschichte der Fettakzeptanz-Bewegung). Für die zwischendrin ausgetragenen "Outfitdramen" bin ich definitiv zu alt. Eine genauere Betrachtung der Verbindung zwischen Fettakzeptanz und Feminismus muss ich irgendwie überlesen haben.
Was ich andererseits schlicht nicht ignorieren konnte, waren die vielen - scheinbar augenzwinkernden (?) Hinweise darauf, wie schrecklich gern die Autorin isst. ("Ich war ein hungriges Mädchen...", "...ich liebe Essen!", "Ich gestehe...", "Der Löffel in der Hand und ich - wir sind ein echtes Dreamteam!", "...ausgestattet mit Snacks zur Beruhigung der Nerven...", "...ich stolz den Laufsteg des Lebens begehe, und sei es nur zur nächsten Bäckerei...", "Da lohnt es sich (...) ihn (Anmerkung: den Körper) ab und zu zum Eis einzuladen. Mit Streuseln. Und Sahne.") Mit der zuletzt aufgeführten Bemerkung endet übrigens auch das Buch. Sich im Dienste der Fettakzeptanz als fröhliche Dicke zu präsentieren, die außerdem angeblich immerzu unbekümmert Nahrung zu sich nimmt, führt zwangsläufig auf dünnes Eis. Das Bild der fortwährend essenden Dicken hat sogar eine zweischneidige Klinge - entweder bedient sie das Klischee der übermäßig lustvoll-instinktiven, (oftmals leicht unzivilisierten) Lebensfreude oder das von dicker Disziplinlosigkeit und Unwissenheit. Beides ist nicht wirklich schön. Denn wie vielen Märchen über Dicke möchte man als Fettaktivistin denn noch auf einen Schlag Gültigkeit zuschustern?
Und dann ist da diese merkwürdige und gehäufte Verwendung von im Grunde milde herabsetzenden bzw. tadelnden Beschreibungen von dicken Körpern sowie dem Vorgang des Essens selbst. ("wegmampfen", "schob mir den Riegel komplett in die Backen", "meine (...) Spitzendisziplin Löffelstemmen", "Schwabbel", "Speckrollen", "Schwergewichte", "speckig", "Dickerchen", "wegschmatzen", "Schleckermaul", "stattliche 90 Kilo", "...das fette Schlemmen..., "...der Schrecken jedes Kuchentischs...", "Moppeln", "Moppelchen", "ausladend", "Wampe", "spachteln", etc.) War das nun auch augenzwinkernd gedacht? Und wenn ja, warum all das überhaupt? Ist das nicht genau das, was "gute Dicke" tun? Hat sich all das nur unbewusst eingeschlichen? Oder sollen all diese Begriffe quasi im Laufen spontan positiv umdefiniert werden? Das wird dann aber ganz schön anstrengend.
Auch hier bleibt...na sagen wir mal...ein wenig erschrockene Verwunderung.
NH
Mittwoch, 31. Januar 2018
Fettakzeptanz im Sat.1 Frühstücksfernsehen
UPDATE:
Das war falscher offenkundig falscher Alarm. Dafür soll es nun morgen soweit sein. Noch eine Nacht, die um 5:30 Uhr endet...
UND NUN NOCH EIN NACHTRAG: Morgen, Dienstag, 6.2.18, soll der Beitrag nun endlich laufen.
NH
Samstag, 7. Oktober 2017
Zwischenmeldung: Ich glaube, ich war im Fernsehen
Und zwar am letzten Mittwoch. Als Teil des RTL-Formats "Die 25" mit Sonja Zietlow lief dort ein kurzes Segment über mich und meine Lieblingsthemen: Fettakzeptanz und Swimming-Pools.
Gesehen habe ich es noch nicht.
Obwohl mir der Redakteur es natürlich versprochen hatte, hat mich dann selbstverständlich doch keiner vorgewarnt, wann der Sendetermin sein würde. Ich habe nur an der plötzlichen Flut der Nachrichten von Zuschauerinnen und der in die Höhe schnellenden Klickzahlen im Blog gemerkt, dass etwas passiert sein musste. Einer der benutzen Suchbegriffe war doch tatsächlich "Nicola Hinz nackt".
Das obskure Thema der Sendung, "Die 25 unvorstellbarsten Situationen, in denen man nie landen möchte", war mir nur als Arbeitstitel angekündigt worden - und ist dann offenbar doch nicht mehr verändert worden. Es hatte bei mir und ebenso bei allen, mit denen ich im Vorfeld darüber gesprochen habe, für hohe Augenbrauen und gekräuselte Stirnen gesorgt. Dicksein als "unvorstellbare Situation, in der man nie landen will"? Echt jetzt?
Aber ich habe mir gesagt, die Chance, Fettakzeptanz im Fernsehen (und zu guter Sendezeit) mal wieder etwas Raum zu verschaffen, ist wichtiger, als ein bescheuerter Titel. Es wird schon gut gehen. Es wird schon nicht zu platt werden...Hoffen wir das Beste...
Danke für all das positive Feedback!
Wenn ich den fast ausschließlich positiven Rückmeldungen glauben darf, die ich hinterher persönlich erhalten habe ( und warum auch nicht? : )), dann ist in der Tat auch alles gut gegangen. Ich werde mich morgen, am 8.10. zwischen 13:30 und 15:30 Uhr selbst davon überzeugen können - da wird die verpasste Sendung bei RTL wiederholt.
NACHTRAG 8.10.2017:
Doch, ich fand den Beitrag wirklich anständig - buchstäblich. Besser, freundlicher und aussagekräftiger als gedacht/gehofft. Ist alles gut gegangen, und das freut mich sehr. Vielen Dank für eure Nachrichten und Willkommen an all die neuen LeserInnen und Follower. : )
NIH
NH