Beim Surfen im Internet und auf Fat-Acceptance-Seiten bin ich auf ein T-shirt mit obigem Zitat gestoßen. Es wird *Benazir Bhutto zugeschrieben. Die ehemalige Premierministerin Pakistans soll sich so gegen die unangebrachten Nachfragen von Journalisten gewehrt und außerdem noch hinzugefügt haben: "Und als Premierministerin ist es auch mein gutes Recht, dick zu sein, wenn ich das will."
Wir hier arbeiten ja mittlerweile auf Hochtouren daran, zu verinnerlichen, dass wir in dieser Hinsicht alle Benazir Bhutto sind, und alle das Recht haben, so zu sein, wie wir sein wollen. Und wie unsere Körper sind, geht andere einen feuchten Dreck an.
Dass dicke Frauen für schwanger gehalten und darauf dann auch noch angesprochen werden, ist ein gängiges Vorkommnis im Fundus der Demütigungen, die Dicken regelmäßig und offenbar weltweit widerfahren. Mir selbst ist es auch passiert: Ich war fünfzehn und nicht dick, aber bekleidet mit einem großen Schlabberpullover, weil ich ja immer dachte, ich sei dick und damit außerdem automatisch zu hässlich, um vollständig gesehen zu werden. Eine aufdringliche und offenbar komplett umnachtete Verkäuferin robbte sich breit grinsend an meine Mutter und mich heran und unterstellte meiner perplexen Mutter, dass sie "sich doch sicher freue, bald Oma zu werden". Mir ist immer mal wieder aufgefallen, dass Menschen, die nie von ihrer Umwelt für "zu dick" gehalten wurden, entsprechende Attacken und Peinlichkeiten aus dem Hinterhalt zunächst gar nicht so recht als solche begreifen, wenn sie mit ihnen konfrontiert werden. Erst als ich dann sagte, dass ich nicht schwanger sei, der Verkäuferin das Lachen aus dem Gesicht fiel und sie sich merklich entsetzt entschuldigte, wurde meine Mutter scheinbar überhaupt darauf aufmerksam, dass hier etwas vorgefallen war. Vielleicht tat sie aber auch nur so, als hätte sie nichts verstanden. Jedenfalls war sie keine Leuchte darin, mir hinterher dabei zu helfen, mich nicht mies und auf der Stelle ausgelöscht zu fühlen. Wie sollte sie denn - schließlich war sie ja auch immer und ständig die treibende Hauptakteurin in meiner Diät- und Selbsthasslaufbahn. Und um genau zu sein, erinnere ich mich gar nicht mehr, ob sie irgendetwas Tröstendes oder Stärkendes zu der Angelegenheit zu sagen hatte. Aber wie ich mich gefühlt habe, werde ich nie vergessen: Ich fühlte mich zutiefst wertlos und erschüttert, und das aus genau zwei Gründen: Erstens, weil mir diese grässliche Person wieder mal bestätigt hatte, dass ich offenbar wirklich unförmig fett sein musste, denn sonst hätte sie diesen "Fehler" nicht gemacht. (Und fett zu sein, war in meiner Welt schließlich schlimmer als alles andere.) Und zweitens hatte sie es für möglich gehalten, dass ich als Teenager Mutter wurde, und das, in meiner damaligen Welt, stempelte mich obendrein als asoziales Dummchen ab, das zu blöd war, um zu verhüten. Ein unbedachter, unverschämter Satz von einer taktlosen Idiotin, und ich lag am Boden. Lange. Noch heute wünsche ich ihr,dass ihr Haare auf dem Rücken wachsen mögen. So sie noch lebt.
*
Die Tatsache, dass diese Art der "Fehleinschätzung" wohl immerzu und überall passiert, scheint auf den ersten Blick einfach und unschuldig erklärt. Es ist halt ein leicht gemachter Fehler. Würden vermutlich die behaupten, die ihn machen.Mir hingegen ist es ja schlicht unbegreiflich, wie man einen schwangeren Bauch mit einem dicken Bauch verwechseln kann. Sie sehen überhaupt nicht gleich aus. Sie sehen schlicht komplett anders aus. Auch ein dicker und schwangerer Bauch unterscheidet sich meiner Auffassung nach deutlich von einem dicken Bauch...aber eigentlich ist das auch total egal.
Ich unterstelle ja gern vorsorglich immer erst einmal böse Absicht. Meiner Erfahrung nach spart das Zeit - und kommt meistens schon ziemlich genau hin.
Das Problem wäre nicht ganz so groß, wenn "schwanger" und "dick" gleichwertig, bzw. neutral besetzt wären. Die Feststellung, dass das nicht der Fall ist, erübrigt sich. "Schwanger" ist gut und kommt ja sozusagen mit einem "Mehwert" daher. Die einhergehende "Unförmigkeit" wird zumeist entschuldigt und ist ja bitteschön auch nur temporär (wenn nicht, wird es ganz schnell wieder kritisch). "Nur dick" ist immer schlecht. Und unentschuldbar. Und so kommt die Demütigung der Dicken automatisch mit der Auflösung (und der offensichtlichen Enttäuschung der peinlich berührten Angreifer) - denn nicht der kurzsichtige Schwachkopf, der sich geirrt hat, wird am meisten dabei beschädigt, sondern diejenige, die nur einfach mit ihrem Körper zur falschen Zeit am falschen Ort war. Sie und ihr Körper sind gar nicht "gut". Das Fett wird als das enttarnt, was es ist - als nutzlos, wertlos, unweiblich und als Zeichen von Faulheit und Versagen.
Ich bin überzeugt, dass diese Variante der Beleidigung Dicker in einer Vielzahl der Fälle durchaus bewusst angewandt wird, um deviante, weibliche Fettklopse daran zu erinnern, dass sie nicht nur unmögliche und hässliche Körper haben, sondern, dass sie, so die unterschwellige Botschaft, auch keine "echten Frauen" (weil unförmig aber nicht schwanger) sind.
Oben habe ich gesagt, dass es im Grunde egal ist, ob man schwangere und dicke Bäuche auseinander halten kann, oder nicht. Wenn ich es nicht könnte, würde mir hier trotzdem niemals ein nennenswerter Fehler unterlaufen.
WEIL ICH, VERDAMMT NOCHMAL, IM LEBEN NICHT DARAUF KÄME, UNGEFRAGT DIE KÖRPER VON WILDFREMDEN MENSCHEN ZU KOMMENTIEREN, WÄHREND ICH IHNEN INS GESICHT SEHE.
Ich würde niemals an einer Kasse stehen und zu der schwangeren Frau vor mir sagen: "Wann ist es denn soweit?" Denn es geht mich nichts an! Es soll ja Leute geben, die (mitunter ohne zu fragen) an ihnen unbekannte Bäuche fassen. Was die meiner Ansicht nach für ein solch ungeheuerliches Übertreten persönlicher Grenzen verdienen, mag ich hier gar nicht sagen. Denn obwohl Schwangerschaftsbäuche bei uns kulturell grundsätzlich bejubelt werden, habe ich gehört, dass auch das in der Praxis verdammt unangenehm und übergriffig werden kann.
Prinzipiell sage ich Menschen nur freundliche Dinge über ihren Körper. Aber das selbstverständlich dann auch nur in Situationen, in denen es erwartet und/oder wirklich angebracht ist. Ein Liebhaber freut sich bestimmt über Komplimente. Wenn ich dem Mann an der Kasse vor mir sage, was für schöne Hände er hat, macht er sich womöglich Sorgen, ob ich ihm später heimlich im Auto zu seiner Wohnung nachfahre. Darum lasse ich das halt lieber sein.
Auf einer anderen Website, einer Art Knigge für Männer, las ich dann folgenden Rat: Wenn mann glaubt, eine Frau sei schwanger, und er ihr deshalb seinen Sitzplatz im Bus anbieten will, soll er schlicht aufstehen und sagen: "Ladies first!" Damit kann ihm dann der oben erwähnte Fehler auf keinen Fall unterlaufen.
Ein schwangerer Körper ist nicht besser, als ein dicker Körper. Weil kein Körper besser ist, als der andere. Wir sind alle gleich viel wert. Egal wie schnell wir rennen oder wie hoch wir springen können, egal wie viele Zehen, Augen oder Beine wir haben. Egal wie alt, wie groß, wie klein, wie dünn, wie dick, wie männlich, wie weiblich wir sind.
NH
Wir hier arbeiten ja mittlerweile auf Hochtouren daran, zu verinnerlichen, dass wir in dieser Hinsicht alle Benazir Bhutto sind, und alle das Recht haben, so zu sein, wie wir sein wollen. Und wie unsere Körper sind, geht andere einen feuchten Dreck an.
Dass dicke Frauen für schwanger gehalten und darauf dann auch noch angesprochen werden, ist ein gängiges Vorkommnis im Fundus der Demütigungen, die Dicken regelmäßig und offenbar weltweit widerfahren. Mir selbst ist es auch passiert: Ich war fünfzehn und nicht dick, aber bekleidet mit einem großen Schlabberpullover, weil ich ja immer dachte, ich sei dick und damit außerdem automatisch zu hässlich, um vollständig gesehen zu werden. Eine aufdringliche und offenbar komplett umnachtete Verkäuferin robbte sich breit grinsend an meine Mutter und mich heran und unterstellte meiner perplexen Mutter, dass sie "sich doch sicher freue, bald Oma zu werden". Mir ist immer mal wieder aufgefallen, dass Menschen, die nie von ihrer Umwelt für "zu dick" gehalten wurden, entsprechende Attacken und Peinlichkeiten aus dem Hinterhalt zunächst gar nicht so recht als solche begreifen, wenn sie mit ihnen konfrontiert werden. Erst als ich dann sagte, dass ich nicht schwanger sei, der Verkäuferin das Lachen aus dem Gesicht fiel und sie sich merklich entsetzt entschuldigte, wurde meine Mutter scheinbar überhaupt darauf aufmerksam, dass hier etwas vorgefallen war. Vielleicht tat sie aber auch nur so, als hätte sie nichts verstanden. Jedenfalls war sie keine Leuchte darin, mir hinterher dabei zu helfen, mich nicht mies und auf der Stelle ausgelöscht zu fühlen. Wie sollte sie denn - schließlich war sie ja auch immer und ständig die treibende Hauptakteurin in meiner Diät- und Selbsthasslaufbahn. Und um genau zu sein, erinnere ich mich gar nicht mehr, ob sie irgendetwas Tröstendes oder Stärkendes zu der Angelegenheit zu sagen hatte. Aber wie ich mich gefühlt habe, werde ich nie vergessen: Ich fühlte mich zutiefst wertlos und erschüttert, und das aus genau zwei Gründen: Erstens, weil mir diese grässliche Person wieder mal bestätigt hatte, dass ich offenbar wirklich unförmig fett sein musste, denn sonst hätte sie diesen "Fehler" nicht gemacht. (Und fett zu sein, war in meiner Welt schließlich schlimmer als alles andere.) Und zweitens hatte sie es für möglich gehalten, dass ich als Teenager Mutter wurde, und das, in meiner damaligen Welt, stempelte mich obendrein als asoziales Dummchen ab, das zu blöd war, um zu verhüten. Ein unbedachter, unverschämter Satz von einer taktlosen Idiotin, und ich lag am Boden. Lange. Noch heute wünsche ich ihr,
*
Die Tatsache, dass diese Art der "Fehleinschätzung" wohl immerzu und überall passiert, scheint auf den ersten Blick einfach und unschuldig erklärt. Es ist halt ein leicht gemachter Fehler. Würden vermutlich die behaupten, die ihn machen.Mir hingegen ist es ja schlicht unbegreiflich, wie man einen schwangeren Bauch mit einem dicken Bauch verwechseln kann. Sie sehen überhaupt nicht gleich aus. Sie sehen schlicht komplett anders aus. Auch ein dicker und schwangerer Bauch unterscheidet sich meiner Auffassung nach deutlich von einem dicken Bauch...aber eigentlich ist das auch total egal.
Ich unterstelle ja gern vorsorglich immer erst einmal böse Absicht. Meiner Erfahrung nach spart das Zeit - und kommt meistens schon ziemlich genau hin.
Das Problem wäre nicht ganz so groß, wenn "schwanger" und "dick" gleichwertig, bzw. neutral besetzt wären. Die Feststellung, dass das nicht der Fall ist, erübrigt sich. "Schwanger" ist gut und kommt ja sozusagen mit einem "Mehwert" daher. Die einhergehende "Unförmigkeit" wird zumeist entschuldigt und ist ja bitteschön auch nur temporär (wenn nicht, wird es ganz schnell wieder kritisch). "Nur dick" ist immer schlecht. Und unentschuldbar. Und so kommt die Demütigung der Dicken automatisch mit der Auflösung (und der offensichtlichen Enttäuschung der peinlich berührten Angreifer) - denn nicht der kurzsichtige Schwachkopf, der sich geirrt hat, wird am meisten dabei beschädigt, sondern diejenige, die nur einfach mit ihrem Körper zur falschen Zeit am falschen Ort war. Sie und ihr Körper sind gar nicht "gut". Das Fett wird als das enttarnt, was es ist - als nutzlos, wertlos, unweiblich und als Zeichen von Faulheit und Versagen.
Ich bin überzeugt, dass diese Variante der Beleidigung Dicker in einer Vielzahl der Fälle durchaus bewusst angewandt wird, um deviante, weibliche Fettklopse daran zu erinnern, dass sie nicht nur unmögliche und hässliche Körper haben, sondern, dass sie, so die unterschwellige Botschaft, auch keine "echten Frauen" (weil unförmig aber nicht schwanger) sind.
Oben habe ich gesagt, dass es im Grunde egal ist, ob man schwangere und dicke Bäuche auseinander halten kann, oder nicht. Wenn ich es nicht könnte, würde mir hier trotzdem niemals ein nennenswerter Fehler unterlaufen.
WEIL ICH, VERDAMMT NOCHMAL, IM LEBEN NICHT DARAUF KÄME, UNGEFRAGT DIE KÖRPER VON WILDFREMDEN MENSCHEN ZU KOMMENTIEREN, WÄHREND ICH IHNEN INS GESICHT SEHE.
Ich würde niemals an einer Kasse stehen und zu der schwangeren Frau vor mir sagen: "Wann ist es denn soweit?" Denn es geht mich nichts an! Es soll ja Leute geben, die (mitunter ohne zu fragen) an ihnen unbekannte Bäuche fassen. Was die meiner Ansicht nach für ein solch ungeheuerliches Übertreten persönlicher Grenzen verdienen, mag ich hier gar nicht sagen. Denn obwohl Schwangerschaftsbäuche bei uns kulturell grundsätzlich bejubelt werden, habe ich gehört, dass auch das in der Praxis verdammt unangenehm und übergriffig werden kann.
Prinzipiell sage ich Menschen nur freundliche Dinge über ihren Körper. Aber das selbstverständlich dann auch nur in Situationen, in denen es erwartet und/oder wirklich angebracht ist. Ein Liebhaber freut sich bestimmt über Komplimente. Wenn ich dem Mann an der Kasse vor mir sage, was für schöne Hände er hat, macht er sich womöglich Sorgen, ob ich ihm später heimlich im Auto zu seiner Wohnung nachfahre. Darum lasse ich das halt lieber sein.
Auf einer anderen Website, einer Art Knigge für Männer, las ich dann folgenden Rat: Wenn mann glaubt, eine Frau sei schwanger, und er ihr deshalb seinen Sitzplatz im Bus anbieten will, soll er schlicht aufstehen und sagen: "Ladies first!" Damit kann ihm dann der oben erwähnte Fehler auf keinen Fall unterlaufen.
Ein schwangerer Körper ist nicht besser, als ein dicker Körper. Weil kein Körper besser ist, als der andere. Wir sind alle gleich viel wert. Egal wie schnell wir rennen oder wie hoch wir springen können, egal wie viele Zehen, Augen oder Beine wir haben. Egal wie alt, wie groß, wie klein, wie dünn, wie dick, wie männlich, wie weiblich wir sind.
*Nachtrag: Ich bin darauf hingewiesen worden, dass es natürlich auch body shaming ist, wenn ich mich über starke Behaarung an Frauenkörpern lustig mache. Das sehe ich ein, und wünsche der Verkäuferin nun stattdessen...eingewachsene Fußnägel - an ALLEN Zehen. Oder dass die Henkel ihrer Handtasche jedes Mal reißen, wenn sie gerade über die Ampel läuft.
Ach, und noch etwas: Die Wahrscheinlichkeit, dass ich in Zukunft einen männlichen haarigen Rücken shame, ist weiterhin relativ groß.
NH