Die Frage ist ja immer, was frau der Frau Jäger eigentlich glauben kann. Denn sie hat die Eigenschaft, über angeblich selbst gemachte Erfahrungen so zu schreiben, als habe sie keinen blassen Schimmer, wie sich diese für sie angefühlt haben, bzw. wie ihre Manifestation in der persönlichen Realität ausgesehen hat. Dafür gibt es zwei Antworten: 1. Sie ist eine richtig schlechte Schriftstellerin und kann Erlebtes halt nicht plausibel darstellen. Oder 2. Sie hat das, worüber sie schreibt, nicht wirklich erlebt. Es könnte sich natürlich auch um eine kraftlose Mischung aus beidem handeln. Ich persönlich halte das sogar für ziemlich wahrscheinlich.
In ihrem letzten Buch "Unkaputtbar" (und es ist auf jeden Fall, das letzte, das ich von ihr lesen werde) treibt sie, wie vormals, eine wohlbekannte Sau durchs Dorf, von der sie und ihr Verlag annahmen, dass sie sich trotzdem noch immer ganz gut vermarkten lassen würde. Erst waren es Diäten (geht ja irgendwie immer), dann Body Positivity (da war sie eigentlich ein wenig zu spät auf der Party angekommen) und nun ist sie vorerst bei toxischen Beziehungen gelandet. Das Thema ist natürlich ein rund um die Uhr wiedergekäuter Dauerbrenner - besonders wenn es in den Beziehungen so richtig laut knallt.
Als nächstes kommt von ihr vermutlich ein Buch über chronischen Schmerz auf den Markt. Das fühle ich irgendwie im großen Zeh. Der Boden dafür wird von der Frau Jäger jetzt schon auf sozialen Medien vorbereitet - mit dem Hashtag #Fibromyalgie. Ich könnte mich irren, aber bisher ist diese Erkrankung in keinem der langatmigen Werke der Frau Jäger je auch nur angedeutet worden. Hinzu kommt, dass in medizinischen Kreisen auch noch immer diskutiert wird, ob es sich hierbei um eine konkrete Erkrankung oder nicht vielmehr um einen individuellen Beschwerdekomplex mit einer Vielzahl von Ausprägungen und nur wenigen klinisch eindeutig zu diagnostizierenden Indikatoren handelt. Das würde sie natürlich zu einer perfekten Grundlage für eine weitere Märchenstunde machen.
Die Frau Jäger und ihre angeblich persönlichen Betroffenheiten sind wie die wirre Frau vor uns in der langen Schlange an der Supermarktkasse, die uns als Geisel nimmt und die Wartezeit nutzt, um über ihr wildes, unordentliches Leben in sprunghafter Reihenfolge zu dozieren. Eigentlich lohnt es sich nicht, zuzuhören, aber trotzdem muss frau sich zurückhalten, um nicht dauernd nachzufragen, wie das denn passiert sein soll, wenn gleichzeitig noch das und das und das passiert ist. Eine logische Reihenfolge in die Lebensstränge der Frau Jäger bringen zu wollen, ist müßig weil unmöglich. Und das ist Absicht. Denn nur im vagen Dunst kann die/der Leser*in auch nur ansatzweise auf einen passenden Holzweg geführt werden, ohne dass es bei vernunftbegabten Erwachsenen pausenlos zu fragendem Stirnrunzeln kommt. Diese Verschleierungstaktik hat sie bereits im ersten Buch mehr schlecht als recht angewendet, um Leser*innen nicht zu klar erkennen zu lassen, dass sie im Grunde keine Ahnung davon hat, wie es sich mit 340 kg lebt.
Auch in "Unkaputtbar" arbeitet sie wieder mit Auslassungen, klischeehaften Versatzstücken und verheddert sich in Ungereimtheiten, Allgemeinplätzen und verblüffenden zeitlichen Eskalationssprüngen. Die Szenen, auf die es ankäme, weil sie nämlich die Gewalt schildern, um die es gehen soll, klingen mitunter so künstlich zusammengezimmert, wie ein öffentlich-rechtlicher Vorabendkrimi. Sie lesen sich so, wie sich das eine*r ausdenkt, der/die mal wieder nicht so recht weiß, wovon er/sie redet: "Ich habe dich so sehr geliebt. Das war das Letzte, was ich hörte, ehe ich den Kampf gegen seine Hände verlor und damit mein Bewusstsein." (S. 62) Auch bemerkenswert: "Außerdem habe er mir meine Verfehlungen einmal aufgeschrieben und sie mir als Mail geschickt. Eine Excel-Datei mit Auflistungen all meiner Schwächen (...) (S. 27). Aber vielleicht lebt die Frau Jäger ja auch wirklich in einer nie endenden, mittelmäßigen Filmschulabschlussarbeit...kann ja durchaus sein.
Wohlgemerkt - das Thema ist: Häusliche Gewalt.
Womit sie sich jedoch auch in diesem Buch treu bleibt, ist die ganz und gar nicht ironische Selbstdarstellung als unschlagbarer Cis-Vamp und Penismagnet. Die Frau Jäger ist jetzt 41. Und nach wie vor will sie uns Loser*innen, die es im Leben bestenfalls auf eine Handvoll substantieller Beziehungen bringen, weismachen, dass sie in ihren relevanten Dating-Jahren nicht nur eine Ehe und eine ganze, unüberschaubare Reihe von gewalttätigen Langzeitbeziehungen untergebracht hat, sondern auch mindestens tausendfach männliches Kleinvieh: "Nicht das erste Sofa, auf dem es so ist. Nicht der erste Mann, mit dem es so ist. Die Orte wechseln, die Namen wechseln, die Teppichäquivalente wechseln, nur die Situationen wiederholen sich wie die schlechteste Version von "Und täglich grüßt das Murmeltier"." (S. 27) Dumm nur, dass sie offenbar wirklich bis zuletzt nichts am Fließband der flüchtigen Männlichkeit gelernt hat: "Männer stehen in meiner Welt für Kraft im positivsten Sinne. Für Schutz. Für Stärke. Für Sicherheit und Halt." (S. 61)
Warum ist ihr das so wichtig, dass wir die Sache mit den Horden von Männern glauben? Na, weil sie trotz aller öffentlich demonstrierter Verletzlichkeit supertoll ist. Viel toller, als wir anderen alle zusammen. Und toll ist in der Welt der Frau Jäger stets diejenige, die am meisten männliche Aufmerksamkeit abbekommt. Das gilt ganz offenkundig sogar für ambivalente und negative Aufmerksamkeit. Selbst mit der wird geprahlt und der Kummer, der dadurch entsteht, wird mal wieder (siehe oben) nach Art eines Film Noir für Arme romantisiert und mit einem zutiefst spießigen Versuch, im Damenklo eines Nachtclubs verheulte Hipster-Melancholie heraufzubeschwören, verharmlost: "Der unwirklichste Ort der Welt ist das Klo in einem Club um drei Uhr morgens. Wenn einem der eigene Kopf vorkommt wie ein gut geschüttelter Cocktail aus gebrüllten Gesprächen (...) und den Dramen einer durchzechten Nacht (...) (S. 31ff).
Und ich kann mir nicht helfen. Ich finde, das ist unappetitlich und im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt unangemessen.
Nein, ich besitze keinen Freifahrtschein, über Dicke herzuziehen, weil ich selbst dick bin. Und NEIN, ich sollte auch kein klischeedurchweichtes und in Teilen regelrecht kitschiges Buch über Gewalterfahrungen in Beziehungen schreiben, bloß weil ich sie (vielleicht) gemacht habe. Nicht, wenn ich anderen Betroffenen damit wirklich beistehen will. Dazu bräuchte es ein anderes, ein entschlossenes und solidarisches Buch.
Im Zentrum dieses Buches steht die Frage, wie es einer so großartigen und toughen Frau wie der Frau Jäger überhaupt passieren konnte, in einer Beziehung über längere Zeit Missbrauch zu erfahren. Damit arbeitet sich die Autorin erwartungsgemäß vorrangig am Unvermögen des Opfers und nicht an den Defiziten der Täter ab:
"Ich habe mich immer gefragt, was das wohl für Frauen sind (...)" (S. 53)
"Ich, die immer dachte, mir könne so was ja nicht passieren." (S. 54)
"Warum bin ich also nicht einfach gegangen?" (S.102)
"Ich wusste nicht, dass er mich misshandelt." (S. 105)
"Ich habe mich niemals zuvor als Opfer gefühlt. Keinen einzigen Tag lang." (S. 107)
"Ich passe nicht zum Klischeebild einer Frau, die zum Opfer Häuslicher Gewalt wird." (S. 109)
"Ich lebe nicht in einem Umfeld, in dem diese Form von Missbrauch vermutet wird." (S. 109)
Und so wird der Blick konsequent vom Täterverhalten und dessen Ursprung bzw. Verwerflichkeit abgewandt - einer der Täter kriegt am Ende sogar noch einen Liebesbrief zum Abschied. Ja, ungelogen. Im selben Buch: "(...) und bitte wisse, ich liebe dich sehr." (S. 185)
Wieso sie nicht versteht, DASS ihr passieren kann, was ihr nach eigener Schilderung seit gut 20 Jahren immer wieder passiert, bleibt schleierhaft: "Die Frage, wie es zu all diesen (...) toxischen Beziehungen (...) kommen konnte, ist also nur ein Aspekt meines Weges." (S.150) Dass sie sich selbst hier und da eine Portion Mitschuld rüberschiebt, überrascht hingegen nicht mehr: "Mich macht Liebe nicht blind, sie macht mich ans Debile grenzend dumm." (S. 75). Dass sie eine Vergewaltigung schildert, aber nicht als eine solche benennt, ist schließlich regelrecht verstörend: "Es war schmerzhaft, aber es hat mich nicht kaputtgemacht. Das war's." (S.107)
Das Problem ist, dass die Frau Jäger mit ihren unehrlichen und anti-feministischen Produkten Schaden anrichtet. Auch und gerade bei denen, die ihr ausgerechnet Geld dafür geben, sich gesehen und verstanden zu fühlen. Ein Publikum, das sich z.B. selbst traditionell hasst, weil es aus Frauen besteht, die sich zu dick finden, bezahlt offenbar gern dafür, verunglimpft zu werden. Die Frau Jäger ist nie eine Freundin - sie reißt sich eine menschliche Unbill nach der anderen unter den Nagel, um damit Aufmerksamkeit und im Nachgang wirtschaftlichen Erfolg zu generieren. Innerhalb dieses Vorganges saugt sie ihren Themen Glaubwürdigkeit und Bedeutung aus. In ihrer Selbstbespiegelung bietet sie keine Hilfe, sondern lediglich eitle Held*innensagen, in denen sie mit ihren "Schwächen" nur kokettiert. Wie eine volkstümelnde Politikerin auf dem Schützenfest tut sie so, als wäre sie eine von ihren Zuschauer*innen oder Leser*innen und verspürt offenbar gleichzeitig den Drang, immer wieder Zeichen zu setzen, die klarmachen, dass sie zumindest inständig hofft, mit diesem wenig glamourösen Haufen nicht wirklich allzu viel gemeinsam zu haben. Sie ist ja im Fernsehen, gibt Interviews, schreibt Bestseller, bekommt stehende Ovationen, hat ein Haus in einer teuren Gegend mit einem teuren Sicherheitssystem, Termine mit ihrer Lektorin und ein Einkommen, das so hoch ist, dass es wohl zumindest einen ihrer fünf Millionen Lebenspartner komplett verunsichert hat. Obwohl der angeblich selbst reich und erfolgreich war...aber vielleicht komme ich auch einfach nicht mehr hinterher bei all den Schilderungen über Status und Grandiosität. Von Frau Jäger über Frau Jäger. Wenn es einer wie ihr passiert ist, kann es jeder passieren, in einer Beziehung angeschrien, bedroht, gewürgt und gedemütigt zu werden. Und mit dieser Nachricht fühlen wir uns doch auch gleich alle viel besser, oder?
Wer wissen will, für wie viel wertvoller als alle anderen sich die Frau Jäger hält, kann sich die unsägliche Danksagung an die angeblich beste Freundin zu Gemüte führen und dabei das Bild einer eilfertigen Gesellschafterin vor dem inneren Auge aushalten. Der Dank an die Lektorin - bei all den inhaltlichen und wortwörtlichen Wiederholungen, den fehlenden Satzzeichen sowie den Sturzbächen aus selbstbeweihräucherndem Schnulz und Schmalz - ein Witz. Ja, auch sprachlich ist das Buch unerträglich.
NH