Ein Bekannter hat mir Fotos von Skulpturen des chinesischen Künstlers XU Hongfei geschickt, die bis zum 13. September im Lustgarten in Berlin und auf dem Potsdamer Platz zu sehen waren. Offenbar sind die Werke unter dem Titel "Chubby Women" (In Berlin hießen sie offenbar "Fat Ladies" (?)) seit 2013 auf Welttour und sind u.a. bereits in Singapur, Melbourne, London, Paris und Mailand ausgestellt worden. Die Austellung war Teil des Kulturaustausches zwischen Berlin und der chinesischen Provinz Guangdong.
Im Flyer zur Ausstellung stand, dass Hongfei mit seinen dicken Frauen genau das vermitteln will, was wahrscheinlich auch jeder auf den ersten Blick vermuten würde: "Jeder Mensch hat das Recht, sich und seinen Körper zu mögen." Somit haben die Arbeiten Hongfeis künstlerischer Absicht zufolge weder einen doppelten Boden noch eine unerwartete Botschaft. Und schon gar keine unterliegende Ironie. Hongfei fordert das Publikum übrigens im Flyer explizit dazu auf, die Skulpturen anzufassen und zu fotografieren.
Er hat (halb)nackte, runde Frauenfiguren kreiert, die offenkundig (auch/trotzdem) sexuelle Wesen sind. Und die selbstbewusst und mit großer Bestimmtheit, körperlicher Kraft und Energie, sowie Freude öffentlichen Raum einnehmen und sich so gegen Weiblichkeits- und Schönheitsstandards stemmen. Mir haben sie wirklich gefallen, obwohl einige von ihnen natürlich haarscharf an fettem Kitsch vorbeischrammen. Leider habe ich es nicht rechtzeitig in die Hauptstadt geschafft, aber umso mehr habe ich mich über die Fotos und den Hinweis auf die Ausstellung gefreut.
Ich frage mich, ob sie wohl für viele der Betrachter eine sehr große ästhetische Herausforderung gewesen sind. Und wie viele die dicken Frauen einfach nur für "lustig" oder, andererseits, schlicht "ekelhaft" oder "anstößig" fanden. "Lustige" Dicke sind natürlich kein besonders innovatives Konzept und im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit ihrer gesellschaftlichen Herabsetzung und die Veränderung von Sehgewohnheiten nicht wirklich hilfreich. Trotzdem: Am Ende kriegt weibliches Fett natürlich nur selten eine solch öffentliche Bühne.
NH