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Sonntag, 1. Oktober 2023

Noch eine Durchsage: 3. Treffen des Clubs der dicken Damen

Ich freue mich wie wahnsinnig, dieses berichten zu können: der Gesprächskreis des Clubs der dicken Damen is going strong - auch nach dem zweiten Treffen und somit freuen wir uns jetzt auf ein drittes!

Das findet wieder am vierten Samstag des Monats um 19:00 Uhr statt und ist weiterhin offen für alle interessierten dicken Damen, auch natürlich die, die uns gerne mal "ausprobieren" möchten.

Teilnehmer*innen müssen übrigens weder Dame noch dick sein, aber sie sollten sich klar mit den Grundsätzen, die auch im Forum vermerkt sind, identifizieren. : )* 

Wo ich gerade über das Forum rede - da ist wirklich so gut wie nichts los und es stellt sich die Frage, ob wir es überhaupt noch benötigen, da die Ankündigungen hier und auf Instagram zu finden sind und der persönliche Austausch hauptsächlich über Skype und Chat passiert.


Das dritte Treffen des

Clubs der dicken Damen 

findet am

28.10.2023

wieder unter dem Motto

„Und wie geht es dir so?“

um 19:00 auf Skype 

statt.

Wir würden uns bis dahin wieder über Anmeldungen freuen, und zwar unter 

office(at)nicola-hinz.com

*Mitglieder des Clubs der dicken Damen, der aus der Leser*innenschaft des Blogs "Das Lied der dicken Dame" hervorgegangen ist, treffen sich einmal im Monat, um sich über Persönliches auszutauschen. Es ist nicht notwendig, dick oder Dame zu sein, um sich hier anzuschließen, aber es gibt klare Grundsätze, gegen die nicht verstoßen werden darf: Dieses ist ein feministischer und antifaschistischer Club und es herrscht eine Zero-Tolerance-Policy im Hinblick auf Sexismus, Homophobie, Transphobie, Rassismus, Antisemitismus, Verschwörungstheorien sowie sonstige Schwurbelei.


NH

Dienstag, 20. Dezember 2022

Dürfen Fettaktivist*innen Diät machen?

Offenbar stellt sich diese Frage. Denn es geschieht gar nicht so selten, dass öffentlich sichtbare Vertreter*innen von Fat Acceptance abnehmen. Genaugenommen wirkt es manchmal gar so, als ob der Rückfall in die Diätkultur für viele dicke Ikonen nur eine Frage der Zeit ist. Gabourey Sidibe, Adele, Melissa McCarthy und Rebel Wilson fallen mir als besonders prominente Ex-Dicke spontan ein.

Selbst Tess Holliday hat offenbar abgenommen und der Außenwelt das Ergebnis stolz präsentiert. Als Antwort auf den Backlash, der zu erwarten gewesen war, servierte sie dann eine überstandene Anorexie als Grund. Mein Ton verrät es vermutlich – ich habe da erhebliche Zweifel. So oder so finde ich ihr Vorgehen mächtig schattig.

Gerne passiert die Gewichtsabnahme infolge der Einsetzung eines Magenbandes. Oder mit straffen Diät- und Trainingsprogrammen, für die im wirklich ungünstigsten Fall auch noch gleichzeitig Werbung gemacht wird. Nach eigenen Angaben wird immer aus gesundheitlichen Gründen diätet, nie weil frau doch lieber etwas normschöner sein will. Diese Darstellung ist in den meisten Fällen bestimmt nicht ganz aufrichtig. Und natürlich sind die, die Hoffnung in die Unterstützung und Repräsentanz gesetzt oder sich durch das Vorbild gestärkt gefühlt haben, häufig enttäuscht bis sauer. Zu Recht.

Aber die Antwort lautet: 

Ja, dürfen sie. Fettaktivist*innen dürfen dünn werden. Sie dürfen sich auch kleine Teufelshörnchen in die Stirn implantieren lassen. (Yes, that is a thing.) Es können selbstverständlich alle mit ihren Körpern machen, was immer sie wollen.

Die echte, unterliegende Frage ist natürlich, ob eine Fettaktivistin Diät machen und trotzdem für die Sache eine glaubwürdige Vertreterin sein kann.

Die Antwort ist: 

Nein.

Es ist nicht möglich, das, für dessen Akzeptanz eigentlich gekämpft werden soll, gleichzeitig mehr oder weniger erfolgreich am eigenen Leib zu bekämpfen. Egal, was meine Gründe sind. Ich kann mich, an dem Punkt angekommen, vielleicht noch als Ally (Verbündete) bewerben, aber ich kann auf keinen Fall weiter Vorreiter*in sein. Ich kann auch nicht privat Pelzmäntel tragen und öffentlich als Präsidentin von PETA auftreten. Die akzeptierende Haltung zum Fett ist, wie jede konfliktträchtige gesellschaftliche Baustelle, eine grundsätzliche und ethische Angelegenheit. Sie ist ernst - und auch in der Praxis ziemlich klar umrissen. Sie erfordert auf jeden Fall Konsequenz bis in den privaten Bereich, sonst bleibt sie wirkungslos.

Wenn ich zu dieser Konsequenz nicht mehr in der Lage bin oder keine Lust mehr dazu habe, dann muss ich abtreten, aus dem Club austreten und ehrlich sein. Wenn meine bisherige Karriere womöglich darauf aufgebaut war, als Vorbild und/oder Sprachrohr für die Fettakzeptanz-Community zu wirken, dann sollte diese Karriere beendet sein. Da hilft übrigens auch kein scheinheiliges Umschulen auf milde, sinnlose „Body Positivity“.

Wenn ich mich als öffentlich agierende Fettaktivistin dazu entscheide, mein Gewicht maßgeblich zu verringern, sollte ich das begreifen, umsetzen und vor allem den Anstand aufbringen, bestimmte Dinge bitteschön ganz zu unterlassen:

1. Es ist unredlich und eine vollständige Abkehr vom ehemaligen Grundsatz, wenn sich eine Ex- Fettaktivist*in dazu versteigt, auch noch Werbung für Diäten, Pulver, Pillen, Tees, Trainingsprogramme oder Fitnessclubs zu machen.

2. Zumeist zutiefst subjektives, womöglich selbstzufriedenes und im schlimmsten Falle triggerndes öffentliches Geschwärme über die Gesundheit, die durch die Gewichtsreduktion erheblich verbessert worden sei, ist auf jeden Fall zu unterlassen.

3. Es wäre auch nett, das Publikum mit der Behauptung zu verschonen, es gehe beim Abnehmen nicht ums Abnehmen, sondern um Self Care oder Wellness oder Healing oder was auch immer für einen blumigen Scheiß. Und die Überwindung einer Essstörung gar mit großer Geste als Erklärung und Rechtfertigung aus dem Ärmel zu ziehen, ist respektlos und ekelig.

4. Lauter sorgfältig produzierte aber auch deutlich erschlankte Selfies von sich zu posten, um dann so zu tun, als seien die Komplimente, die in einer von Diät-Kultur geprägten Welt auf jeden Fall kommen, unerwünscht, ist verlogen und rettet auf keinen Fall die eigene Integrität. Vielmehr sind die vorgetäuschte Überraschung und Vehemenz, mit der positive Kommentare zum Diäterfolg mitunter zurückgewiesen werden, geradezu erbärmlich.

5. Sich als ehemals Dicke noch immer basierend auf der Identität einer betroffenen Dicken gegen die Diskriminierung Dicker zu engagieren wird spätestens dann lächerlich, wenn das Gruppenfoto gemacht wird. Ich kann nicht in den Genuss von Thin Privilege kommen und so tun, als habe sich an meiner Position im Kampfgeschehen nichts Grundsätzliches verändert.


HAPPY EVERYTHING und bis zum nächsten Jahr!

 

NH

 

 

Donnerstag, 25. März 2021

Alles muss raus - oder: ein Rant - TEIL 1

"I'm about this close from gettin' in a tower 
and hurtin' some people!"*
(Suzanne Sugarbaker, Designing Women)


Das ist Tippi. 

Benannt nach Tippi Hedren. Tippi ist knapp zehn Monate alt. Seit etwa einem Monat wohnt sie nun 564r44444444444444444444444444444444444444ere (Nachricht von Tippi) bei uns. 

Wie berichtet, sitzt Corbinian seit dem letzten Sommer im Catio. Vorbei die Tage der Freiheit. Vorbei allerdings auch die Tage, an denen ich mich von alten und neuen Nachbarn beschimpfen lassen muss, weil ich mit einer Tüte Dreamies die Straße hinunterlaufe und nach meiner Katze rufe. Es ist unklar, ob diese Menschen mit mir oder tatsächlich mit Katzen ein Problem hatten. Ich kannte keinen von ihnen näher, in einigen Fällen nicht einmal vom Sehen, und hatte zuvor nie auch nur einen ganzen Satz mit ihnen gewechselt. Aber ich traue ihnen und ihrer Impulskontrolle, die schließlich ganz offenkundig gestört ist, auf keinen Fall mehr über den Weg, wenn es um die Sicherheit meines Tieres geht. 

Corbi war über die neue Lage nicht froh. Es war klar, dass er, nun unverständlicherweise inhäusig, Gesellschaft brauchte. Der ursprüngliche Plan war allerdings ein anderer, nämlich eine mittelalte, gemütliche und weibliche Wohnungskatze zu adoptieren, die ungefähr zeitgleich mit Corbi das Zeitliche segnen würde. Aber, wie es mit allem ist - nichts ist jemals einfach. Hilda, zehn Jahre alt und momentan Bewohnerin eines Tierheims in Brandenburg, durfte ich nicht aufnehmen, weil ich zu weit weg wohne. Ja. Whatever. Ich habe mich aufgeregt, das hat niemanden beeindruckt. Und Hilda ist weiterhin ohne eigenes Zuhause. Andere Heime hatten nur Freigänger*innen im Angebot. Aber dann brauchte Tippi wegen eines Umzugs ihrer Familie eine neue Bleibe. Ich sah die Anzeige, ihr Bild und bewarb mich erfolgreich. 

Sie ist jung, schnell, schlau und eher ungemütlich. Und sie plant schon jetzt den Ausbruch aus dem Catio, obwohl sie bisher noch nie Ausgang hatte. Sie will die Welt. Sie atmet sie ein in tiefen Zügen, starrt in die Sonne und hangelt sich am Maschendraht in die Höhe, um das Eichhörnchen zu erwischen. Für mich ist sie eine echte Herausforderung. Und für Corbi ist sie ein ganz neues Leben. Stundenlang wird in der Wohnung nun gespielt, zusammen gerannt und alles verwüstet. Er ist elf und ein Riese neben ihr, aber er versucht, angemessen mitzuhalten.

Da Tippi im Grunde brandneu auf dieser Erde ist, erzähle ich seither jeder, die es hören oder nicht hören will, dass ich nun offenbar noch mindestens zwanzig Jahre leben muss, um sie zu versorgen bzw. zu überleben. Denn als meine und eine Wohnungskatze hat sie natürlich ziemlich gute Aussichten, was ihre Lebenserwartung angeht. Ich rede über diese zwanzig Jahre so viel, weil sie mich in Angst und Schrecken versetzen. Aus verschiedenen Gründen.

Denn seit ihrer Adoption habe ich zum einen eiskalte Sorge, dass ich die zwei Jahrzehnte womöglich nicht mehr schaffe. In zwanzig Jahren bin ich siebzig. Mein Vater war 67, als er mit einem Herzkasper vor der Staatsoper in Hamburg zusammenbrach. Meine Mutter war 66, als sie mir im Universitätskrankenhaus Eppendorf davonstarb. Genetisch bin ich offenbar schon einmal nicht gerade brilliant aufgestellt.

Und dann mal grundsätzlich- WTF? Wie bin ich überhaupt jemals so alt geworden? Wie konnte es mir jemals passieren, näher am Tod als an meiner Geburt zu sein? Wie habe ich so einfach und wie nebenbei meine Lebensmitte überschritten und dabei noch gar nichts begriffen und nichts wirklich erreicht? Meine Bucket List ist meilenlang und ohnehin ist es mir vollkommen schleierhaft, wie ich bitteschön überhaupt in der Lage bin, eine mittelalte Frau zu sein. Zumindest als Kind dachte ich immer, dass frau dafür eine Reihe von Qualifikationen erwerben und Lebensereignisse abarbeiten müsse. Mir war nicht klar, dass es einfach so passiert. Und ich kann in letzter Zeit ohnehin nichts so recht von dem glauben, was ist.

Fettaktivismus my ass.

Und der ganze Müll liegt hier auch schon wieder viel zu lange rum. Ein ganzer Ordner voll mit unerfreulichem Material zu Themen, die ich hier behandeln wollte. Dazu ein Stapel Bücher. Keines davon verspricht eine erbauliche Lektüre; alle sollten tatsächlich nur gelesen werden, weil ich aus irgendwelchen Gründen glaube, dass ich es der Welt schulde, den Schrott auseinanderzudröseln. Dabei macht es nicht den Eindruck, dass irgendetwas, was wirksamem oder auch nur ernstgemeintem Fettaktivismus nahekommt, in Deutschland in den letzten Jahren eine Chance gehabt hätte, einen Zeh in die Tür der Medienlandschaft zu bekommen.

Vor einiger Zeit hat mich eine Freundin gefragt, ob ich ihr ein Buch über Fettakzeptanz auf Deutsch empfehlen könnte. Konnte ich irgendwie nicht. Und kommt mir bloß nicht wieder mit Magda Albrecht

Happy Size macht im Katalog jetzt Reklame für ein Buch, das Tanja Marfo geschrieben hat - über Selbstliebe. Würg. Jetzt kann ich bei Happy Size nix mehr kaufen. So wie ich keine Geflügelwurst von Gutfried mehr kaufen konnte, als Johannes B. Kerner begann, in den Werbespots aufzutreten. Ich erinnere mich ja immer wieder gern an das von ihr geleitete Seminar zum gleichen Thema, bei dem wir zu dritt vor einem Tablet in einem Imbiss saßen (das war der Veranstaltungsort) und die zweite Teilnehmerin in wilde Tränen ausbrach, weil sich ihr dicker Selbsthass just in dieser Situation so richtig Bahn brach. Es ist alles Betrug. Frau Marfo war noch nie an der Selbstliebe anderer interessiert. Alles, was sie je wollte, war irgendwie eine Karriere mit Medien. Als dicke Frau entschied sie sich sodann, den Body-Positivity-Zug für ihre Zwecke kapern. Sie macht aber bekanntlich auch ohne zu zögern Reklame für Diätpulver und Fitnesstrainer, wenn sie glaubt, dass sie das weiterbringt. Und auch das wird sie  schamlos als Selbstfürsorge verkaufen. Noch einmal, an alle, die es noch immer nicht begriffen haben: Ein "Umstyling" hat nichts mit Selbstliebe zu tun. Genau genommen bedeutet es das Gegenteil.

Mein Instagram Feed ist naturgemäß voll mit Accounts, deren Kernthema eigentlich "Body Positivity" ist. Bei den Bildern handelt es sich in letzter Zeit immer seltener um OOTDs o.Ä. und zunehmend um nackte oder in Reizwäsche gekleidete dicke Frauen, die gern auch mal auf diesem Wege Werbung für ihr "OnlyFans-Account" machen. Von mir aus soll selbstverständlich jede, die das will, ins Pornogeschäft einsteigen. Entschuldigt, wenn ich trotzdem nur noch kotzen könnte, wenn mir noch einmal irgendwer weismachen will, dass es ein Fortschritt ist, wenn dicke Frauen in der Pornographie, bei Modelwettbewerben und Misswahlen endlich genauso intensiv zur Objektifizierung von Frauen beitragen "dürfen" wie normattraktive. Wenn ihr mich fragt, ist "Body Positivity", wenn das Konzept überhaupt je etwas wert war, inzwischen totgetrampelt worden. 

Göttin, ich habe das alles so satt. Ach ja, und dann war da auch noch das...

Die wirklich allerletzte Presseschau: The Curvy Magazine

Ich habe eine Ausgabe des Curvy Magazines erworben (die Ausgabe für Sept, Okt, Nov. 2020). Bekanntlich habe ich für Frauenzeitschriften nicht viel übrig. Und ja, ich glaube, dass die Möglichkeit, schöne Kleider zu tragen, nicht den Mittelpunkt fettaktivistischer Arbeit ausmachen kann. Natürlich bin ich mir auch bewusst, dass weite Teile des Publikums das anders sehen, bzw. dass schöne Kleider in großen Größen und dicke Models in Magazinen ihnen reichen würden, weil ihr Ärger über die eigene Diskriminierung sie schlicht noch immer nicht weiter trägt. 

Nun ja, auf jeden Fall ist das Modemagazin für dicke Frauen vollgestopft mit Fat Shaming. Quelle surprise, I know. Die Brigitte könnte hier regelrecht noch etwas lernen. Zwischen den Seiten tut sich auch in diesem Fall wieder genau die Hölle auf, in die alle Beteiligten immer geraten, wenn dicke Frauen, die die Ambivalenz dem eigenen Fett gegenüber niemals überwunden haben (siehe Barbara Schöneberger), einfach so tun als ob, weil sie glauben, dass es sich vermarkten lässt. Was dann oft nicht einmal der Fall ist. 

Auf Seite 11 beginnt Susanne Ackstaller ihren Kommentar "Dick sein als Chance" mit der Überlegung, dass sie "die Vorteile eines dünneren Ü50-Ichs durchaus (sieht)!" Auf ihrem Instagram-Account gab es übrigens zu den Festtagen im letzten Jahr auch eine gute Portion Selbstherabsetzung: "Platze gerade aus meiner Jeans, weiß jetzt, warum es "Plätzchen" heißt."

Etwas weiter im Magazin schickt sich dann die dänische Comedienne Sofie Hagen an, noch etwas mehr am eigenen Klischee-Gefängnis zu zimmern: Fett ist "powerful, schön, weich, belastbar, einfach herrlich". Und ich so: Was, wenn Fett nicht belastbar ist, bzw. die Person, zu der es gehört? Dass Fett nicht einfach sein kann, dass es immerzu noch zusätzlich etwas sein muss, das es rechtfertigt oder aufwertet, macht mich inzwischen so sauer.

Im Vogue-Interview behauptet die Gründerin des Curvy Magazins, Carola Niemann, man müsse "ab Größe 42 genauer, liebevoller mit einem Körper umgehen", denn ab da sind alle Körper "plötzlich unterschiedlich" und das macht die Herstellung von Kleidung über 42 angeblich so kniffelig. Sie hat das Magazin gegründet, um Frauen Vorbilder zu liefern, "die auch nicht perfekt sind, aber toll aussehen..." Auch nicht perfekt. Sie verspritzt weiterhin nichts weiter als Gift. Und bemerkt absolut nichts. 

Damit also keine ihrer Leserinnen jemals auf die Idee kommt, nicht ganz schön scheiße und obendrein nicht zu dumm zu sein, sich morgens etwas anzuziehen, kommt dann ab Seite 70 ihrer Publikation die große "Beratung": "Welches Business-Outfit passt zu deinem Körpertyp". Und ich traute meinen verdammten Augen mal wieder nicht.

Oben schmal, unten breiter: "Locker sitzende Hosen aus weich fließenden Materialien (...) umspielen die Hüften und Oberschenkel und gleichen so deine Proportionen (...) aus. Eine Bluse (...) mit V-Ausschnitt sowie Stiefeletten mit Absatz strecken zusätzlich."

Schmale Taille: "Es gilt, deine Körpermitte zu betonen."

Rundliche Körpermitte: "In dem locker sitzenden Jumpsuit ist alles gut verpackt und durch den lässigen Schnitt trägt auch nichts auf. Mit einem weiten Mantel kannst du deine Körpermitte umspielen."

Oben breiter, unten schmal: "Deine Beine können sich sehen lassen. (...) Obenrum auf Schnickschnack verzichten. (...) der Ausschnitt streckt und lässt deinen Oberkörper schmaler wirken."

Schwer zu glauben, wenn frau nicht dabei war, aber das Motto auf dem Cover lautet tatsächlich "Respekt!". Wie jede Frauenzeitschrift ist auch diese nichts als ein Cocktail aus beschränkten, toxischen Kleinmädchenträumen, fahrlässiger Feigheit und skrupelloser Selbsterhöhung. 

Bitte weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen. Schon gar keine Vorbilder.

Fortsetzung folgt.


*Achtung: Schwarzer Humor. 
Ich bin so kurz davor, auf einen Turm zu steigen und ein paar Leuten wehzutun!
Suzanne Sugarbaker ist eine Hauptfigur in einer meiner Lieblingssitcoms. In "Designing Women" parodierte Delta Burke eine ebenso exzentrische wie reaktionäre Südstaatlerin. "Designing Women" war in den 80ern und frühen 90ern zusammen mit dem anderen berühmten Frauen-Ensemble seiner Zeit, "Golden Girls", bekannt und beliebt dafür, die Plattform, die das Fernsehen bot, auch zum Kampf gegen Rassismus, Homophobie und Sexismus zu nutzen. 

Das Zitat bezieht sich auf einen Massenmord im Jahre 1966, als der Ex-Marine Charles Whitman bis unter die Zähne bewaffnet auf den Turm des Hauptgebäudes der Universität von Texas in Austin stieg, von dort aus wahllos in die Menge schoss und 18 Menschen ermordete. Designing Women thematisierte auch das noch immer hochaktuelle Thema Waffenkontrolle mit Suzanne als komplett verantwortungsloser Inhaberin einer Schusswaffe.


NH

Freitag, 29. Mai 2020

Na schön



Ich bezeichne mich ja gern als "Vogue-Leserin forever". Und ich erzähle immer wieder gern jeder, die es hören oder nicht hören will, dass ich als Teenager begann, das Magazin regelmäßig zu kaufen und es später dann für eine sehr lange Zeit in meinem Leben abonniert habe. Dieses vielleicht nebensächlich scheinende Detail meiner Sozialisierung biete ich stets gern aus zwei Gründen an:

1. In einer Zeit, in der wir naturgemäß am empfänglichsten sind für Kritik an unserem Äußeren bzw. für die Internalisierung von Attraktivitätsnormen saß ich mit eben jenem Organ allein in meinem Zimmer, das auch heute noch die rigidesten, einheitlichsten und selbstverständlich dünnsten Schönheitsstandards verschreibt, die frau sich (nicht selbst) ausdenken könnte.

2. Forever geht nicht mehr weg. So wie ich "Goth forever" (im Herzen), "Feminist forever" und "Vegetarian forever" (wenn auch mit Unterbrechungen) bin. Vorlieben, gepaart mit Überzeugungen und Haltungen, die uns in prägenden Phasen der Kindheit und Jugend gefunden und sich dann kräftig in uns entwickelt haben, werden wir nicht mehr los. Jedenfalls nicht einfach so. Das kann frau aktuell ja auch besonders beeindruckend an den Biographien von mittelalten Neonazis nachvollziehen.

Wenn frau dann noch die These hinzuzieht, dass wir im Laufe unseres Lebens schlicht sehr viel weniger persönliche Veränderungen durchmachen, als wir gerne denken, ist klar, warum mir meine internalisierten Vogue-Regeln auch heute noch zum Verhängnis werden, wenn es um mein eigenes Hauptthema der letzten Jahre geht: Fettakzeptanz. Ich bin streng. Mit mir selbst und mit anderen. Je nachdem, um welches eingeprägte Wertesystem es geht, kann das ok oder ziemlich verheerend sein. Meine Vorstellung von Schönheit und mein Blick auf mich und andere war bis vor Kurzem auf jeden Fall fast so etwas wie eine eigene Abteilung des Zynismus.

Dass Vogue und Feminismus sich in meiner Welt nicht ohnehin ständig gegenseitig auf die High Heels getrampelt sind, sondern über Jahrzehnte gut miteinander klar kamen, liegt daran, dass die Vogue keine Kochrezepte, Beziehungstipps, oder Glossen über Problemzonen enthält. Dass ihr Schönheitsdiktat nicht viel mit "Empowerment" und sehr viel mit der systematischen Schwächung von Frauen zu tun hat, ist mir schon lange irgendwie klar. Aber es war mir eben nicht BEWUSST. Bis heute entgleitet mir dieses Wissen. Als Kundin am Kosmetik-Counter im Kaufhaus. Aber eben auch als dicker Frau, die um Selbstakzeptanz kämpft - ja, noch immer kämpfen muss.

Bekanntlich war es dafür auch nötig, den Wunsch nach annähernder Normschönheit (denn die erlangt frau grundsätzlich niemals wirklich, so lange sie dick ist) erst einmal in einer langen Serie von Selbstportraits abzuarbeiten. (Motto: "Dicke können auch schön sein.")

Gestern habe ich noch einmal in klassischer YouTube-Tradition Make-up aussortiert und mich dabei gefilmt. Die meisten Produkte, die ich behalten habe, sind uralt. Sie stehen für vieles - auch für mein Bedürfnis, Dinge für den Ernstfall zu horten. Oder für das ideale Ich der Vergangenheit, das ebenfalls noch immer gelegentlich hier herumschabt, wie ein träger Hausgeist. Eine Anzahl von Produkten habe ich behalten, weil sie nun einmal Lebenssouvenirs und mit bestimmten Stationen verbunden sind. Gesichtspuder und Lippenstifte als Markierungspunkte in der eigenen Biographie...ich hatte doch bestimmt schon erwähnt, dass ich auch noch Lippenstifte meiner Mutter besitze...? : )




NH


Vielleicht braucht ihr ja frischen Lesestoff :) - den gäbe es hier:

Mittwoch, 13. Mai 2020

Fettphobie erkennen leicht gemacht



"Es liegt mir fern, mich zu streiten ohne Dir meine Meinung aufzwingen zu wollen." (Aus einem Facebook-Kommentar zum Blogpost "Dick, dumm, faul und hässlich")


Klar, das ist ein Typo, aber wie freudsch können Vertipper bitte sein? Oder die Autokorrektur auf dem Gerät der Verfasserin kann sie schlicht nicht leiden. ; )

Eigentlich diskutiere ich ja nicht. Ich blocke und lösche. Auf dem Blog schalte ich fettphobische Kommentare in der Regel gar nicht erst frei. Und das tue ich, damit meine Leser*innen sich mit dem Scheiß nicht abgeben müssen. Viele von ihnen sind dick, und sie werden nicht ausgerechnet hier am Strand in den Kommentarspalten noch mehr Beleidigung und Missachtung aushalten müssen. Wenn ich also Trollbeiträge zulasse (hier oder auf anderen dazugehörenden Social-Media-Outlets), dann nur in sehr geringer Zahl, exemplarisch und von mir angemessen beantwortet.

Heute nun dachte ich so bei mir, komm ist Corona, hast gerade etwas Zeit, ist ja eigentlich auch schön, wenn jemand einen Kommentar schreibt, versuch mal, milde zu sein, auch wenn dir jetzt schon gar nicht mehr danach ist. 

Denn Fettphobie kann ich quer über den Stadtpark hinweg riechen. Das ist meine Superpower. Außerdem, und das habe ich bestimmt schon einmal erwähnt, unterstelle ich immer vorsorglich böse Absicht. Damit liege ich bei den Trollen meistens richtig und spare Zeit und Nerven. 

Aber um ganz ehrlich zu sein, dachte ich mir diesmal auch, dass aus dem Ganzen womöglich Material für einen guten Blogpost herausspringen könnte.Und siehe da - auf fettphobische Rechthaber*innen ist Verlass - die reagieren und liefern immer. Wenn halt auch immer das Gleiche. In diesem Fall in einem Schwall von laaangen, schnell aufeinander folgenden Kommentaren von ein und derselben beharrlichen Frau, die sich das letzte Wort diesmal am Ende trotzdem nur dadurch sichern konnte, mich zu sperren. 

Wie gesagt: In der Kommunikation mit fettphobischem Publikum läuft es fast immer gleich ab (wenn frau sich darauf einlässt). Wortreiche und gehäufte Einlassungen (die ich im Folgenden um der Erträglichkeit willen gekürzt habe) sind nur das erste Merkmal dafür, dass hier jemand mit hoher emotionaler Investiertheit auf dem Kriegspfad ist - und zwar gegen das Recht anderer auf Gleichbehandlung. 

Zweitens wird wiederholt betont, dass es nicht das Ziel sei, zu beleidigen. Selbst wenn die Beleidigung auf dem Fuße folgt. Auch wird immer gern alle Gute gewünscht, vermutlich, um sich nicht vorwerfen lassen zu müssen, man/frau wäre aggressiv oder auch nur unhöflich gewesen. Durch falsche Höflichkeit versuchen Trolle, das Siegertreppchen gleich von Anfang an zu besetzen. Sie werden dir ins Bein schießen, und wenn du Ihnen dann den Mittelfinger zeigst, hast du in ihrer Welt verloren, weil du nicht höflich geblieben bist.

Inhaltlich beginnt alles immer gern damit, dass frau kurzerhand die Opferrolle an sich reißt:

Frau XY: Das sind aber ganz schön viele Vorurteile Menschen gegenüber, die nicht dick sind.......Das meiste in dem Text sind Vermutungen und Unterstellungen (...) denn nicht alle Menschen halten "Dicke" für dumm, faul und/oder hässlich. Es soll tatsächlich Menschen geben, denen der Charakter wichtiger ist als die Figur.

Ich: Nein, natürlich nicht alle. Aber im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang verbessert das die Situation von Dicken leider nicht wirklich. Und das bilden sich Dicke nicht ein. Um Fettphobie aus nächster Nähe zu betrachten, muss frau weiterhin nichts Anderes tun, als den Fernseher einzustellen oder eine Frauenzeitschrift zu öffnen. Oder - in vielen Fällen - mit ihren Freundinnen Kaffee trinken und ihnen dabei zuhören, wie sie darüber klagen, zu dick zu sein. Dabei bemerken sie oft gar nicht, dass ihnen ja eine dicke Person gegenüber sitzt. Die meinen das dann nicht einmal böse. Die Angst vor dem Fett sitzt nur so verdammt tief.

Ich fand das (für meine Verhältnisse) wirklich diplomatisch. Aber es kam sofort, wie es kommen musste - der Verweis auf die vermeintliche Gefahr für die Gesundheit, also DIE Nahkampfwaffe aller Fat-Shamer*innen. Außerdem setzt augenblicklich die Belehrung der dicken, doofen Frau ein, dass sie an ihrem Unglück ganz allein schuld ist und die Welt einfach nur deshalb falsch versteht, weil sie mit sich selbst eben nicht zufrieden ist.

Frau XY: (...)ich selbst bin normalgewichtig und möchte nicht übergewichtig sein. (...) Das bedeutet jedoch nicht, dass ich erwarte, dass alle so denken wie ich. In meiner Familie und im Bekannten-/Freundeskreis gibt es Menschen die ganz dünn sind und stark Übergewichtige. Wenn das Thema Übergewicht mal zur Sprache kommt (...), dann geht es immer um die Gesundheit oder die körperlichen Einschränkungen, NIE um das Aussehen/Äußere. Mein Gefühl (und meine Erfahrung) ist, dass häufig Negatives in Gesagtes interpretiert wird. Häufig scheinen das Menschen zu sein, die selbst mit sich unzufrieden sind.(...)

Ich: (...) Allein der Gebrauch der Begriffe Normal- und Übergewicht zeigt ja, dass an Dicken offenbar etwas "unnormal" ist. Auch aus der Sicht von jemandem, dem der Körperumfang doch eigentlich egal ist.

An diesem Punkt ist das Repertoire der meisten Fat-Shamer*innen im Prinzip bereits erschöpft. Wenn frau mal von offenen Beleidigungen absieht. Es umfasst tatsächlich nicht viel mehr als das:

1. Das Betonen der eigene Opferrolle - hervorgerufen dadurch, dass sie vermeintlich nicht oder falsch verstanden werden. Denn auch das ist stets die Schuld des Gegenübers.
2. Verharmlosung von Diskriminierung, bzw. die Weigerung anzuerkennen, dass Menschen Erfahrungen mit Diskriminierung haben, die man/frau selbst nicht hat und darum nicht persönlich kennt. (siehe: Thin Privilege)
3. Belehrung von oben herab, dass Dicke es selbst in der Hand haben, wie sie sich fühlen und von der Gesellschaft wahrgenommen werden. Zum einen könnten sie ja abnehmen. Zum anderen könnten Sie auch einfach ihre negative Einstellung ändern, denn dann würde die Welt sie auch besser behandeln. (Hier schwingt immer gern Esoterik mit, bzw. die gute alte Schule des gezielten positiven Denkens, von dem wir mittlerweile alle wissen sollten, dass es nicht nur nicht funktioniert, sondern auch psychisch regelrecht krank machen kann.)
4. Dicksein ist in ihrer Welt auf jeden Fall schlecht für die Gesundheit und das gibt jedem und jeder das Recht, sich in die Angelegenheiten von Dicken einzumischen, um sie vor sich selbst zu schützen.
5. Bezweifeln, dass ein dicker Mensch sich überhaupt, so wie er ist, wohlfühlen kann.
6. Betonen, dass man/frau Dicken ja nicht zu nahe treten will bzw. nichts gegen Dicke hat, ABER...

Ab hier kann frau dann nur noch mit Variationen der immer gleichen Motive rechnen.

Frau XY: Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht....."Normalgewicht".... Allerdings lese ich dort eine Unterstellung heraus.?! (...) Horch doch einmal in dich hinein und sei ehrlich zu dir selbst. Auch in mir siehst du eine Böse, statt es positiv zu sehen. Schade...

Ich: Diskriminierung ist keine Einbildung. Bei dem Thema geht es um etwas mehr als blöde Blicke und unbedachte Bemerkungen. Noch nie darüber nachgedacht? Dann ja vielleicht jetzt.

Frau XY: Neee, da gibt es wichtigere Dinge, über dich gewillt bin nachzudenken.Das Leben ist immer das was jede/r Einzelne daraus macht. Wer es sich unnötig schwer macht (...) muss selbst damit klar kommen. (...) Wer sich liebt (...) wie er/sie ist, wird auch positiv durchs Leben gehen. Die Fehler (...) bei anderen Menschen zu suchen ist einfach. (...) Darüber könntest du vielleicht mal nachdenken, wenn es dir wichtig genug ist. (...)

Ich muss zugeben, jetzt wurde ich langsam doch ein wenig knatschig, obwohl ich mich ja bewusst in den Austausch begeben hatte.

Ich: Oh, du große Göttin. (...) Dass das Leben das ist, was man daraus macht, kannst du ja auch gern mal einem hungernden Kind in der Sahelzone erzählen. Das Leben ist Zufall. Und du hast offenbar Glück gehabt, dass du so locker über Benachteiligung reden kannst. Entweder, weil du keine Erfahrung damit hast, oder nicht darunter leidest, bzw. dahingehend resilienter bist als andere. Aber auch das ist dann Glück.

Frau XY: Nun ja, du bist meinen Argumenten ausgewichen und wirst nun leider unsachlich. Dann fühlst du dich vielleicht ganz wohl in deiner dir selbst auferlegten "Rolle". (...)

Ich: Welche Argumente? Dass Dicke selbst an ihrer Diskriminierung schuld sind? Das ist tatsächlich ganz genau das, was Fettphobiker immer irgendwann sagen. Es ist sozusagen ihre Vereinslosung.

Frau XY: Es liegt mir fern,mich zu streiten ohne Dir meine Meinung aufzwingen zu wollen. In deinem letzten Kommentar interpretierst du meine Kommentare und ich bin sprachlos.(...) Nicht jeder Mensch ist die negativ gesinnt. Mein Eindruck ist, dass du regelrecht danach suchst. (...) Wer sich so akzeptiert wieder/sie ist, ist auch nicht angreifbar. (...)

Ich: Es bringt auch nichts, den gleichen falschen Sermon immer und immer wieder auszuschütten (...). Wie willst du denn z.B. einer Frau mit dunkler Hautfarbe erklären, dass ihre Diskriminierung, die du hoffentlich nicht auch relativieren würdest, mit ihrer Selbstliebe zusammenhängt? Bitte, komm gar nicht erst auf die Idee.

Needless to say - natürlich kam sie auf die Idee. Und so kam es dann auch zu einem bemerkenswerten Finale. Danach nahm sie mir, wie erwähnt, die Möglichkeit, ihr erneut zu antworten. Ich habe unsere Unterhaltung auf Facebook inzwischen gelöscht, damit man sie nicht identifizieren kann. Obwohl ich bei meinen Leser*innen nun wirklich nicht befürchten müsste, dass sie ihr nachstellen. ; )

Nun, vielleicht ist ihr das Aussehen von Menschen auf gönnerhafte Weise wirklich nicht wichtig. Dass Hautfarbe oder Körperumfang keine Rolle spielen dürften, steht außer Frage. Trotzdem hält sie es in ihrem letzten Kommentar für auffällig nötig, das noch einmal zu betonen, so als hätte ich, die doofe Dicke, schon wieder etwas nicht verstanden. Irgendwie kann ich hier ziemlich klar das Echo von "Ich habe ja nichts gegen Dicke (Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind), aber..." hören. Es ist schon bemerkenswert, wie konsequent die ungerechte Lebensrealität anderer offenbar ausgeblendet bzw. händewedelnd abgetan werden kann, wenn man/frau selbst nicht betroffen ist.

Frau XY: Diskriminierung ist etwas ganz Schlimmes (...). Eine Frau mit dunkler Hautfarbe hat eine dunkle Hautfarbe.....na und? Der Mensch zählt, der Charakter (...) Und das muss die betroffene Person verstehen. (...) Ich weiß nicht wie alt du bist.....vielleicht fehlt ein wenig Lebenserfahrung (Anmerkung der dicken Dame: Hahaa, ja klar. In meinen Träumen.) Respektlos finde ich, dass du meine Meinung als falsch abstempelst. (...) Allerdings stellst du dich damit auf eine Stufe mit den Menschen, die du hier "anklagst". Du wertest...(...) Habe nun Besseres zu tun und wünsche dir, dass du zumindest über meine (...) Anregung nachdenkst. Vielleicht kannst du dann etwas positiver durchs Leben gehen. (...) Dann wirst du gar nicht mehr so viele "Diskriminierungen" erleben.


Und jetzt ein paar Worte zur Selbstliebe

Nachdem vielen von uns ein Leben lang eingehämmert worden ist, dass sie im falschen Körper unterwegs sind, der der Welt obendrein angeblich lauter Negatives über die Persönlichkeit der Körperinhaberin verrät, ist sie oft ein sehr hart erkämpfter Schatz, wenn frau sie erlangt hat. Ein positives Selbstbild, Selbstakzeptanz oder Selbstliebe puffern und schützen und machen es uns leichter, in in einer fettphobischen Welt unser Leben selbstbewusster, freier und mutiger zu leben - oder an manchen Tagen auch nur zu überleben. 

Darum bin ich tatsächlich davon überzeugt, dass es ein sinnvolles und lohnendes Ziel ist, seine Selbstakzeptanz zu entwickeln und zu stärken. Denn natürlich müssen wir jetzt gerade in der Welt zurechtkommen, in der wir uns augenblicklich befinden. Ich gebe dazu hier ein paar Tipps zum Einstieg. Für die meisten von uns ist Selbstakzeptanz aber auch ein langwieriges Projekt - vermutlich mit einigen Rückschlägen. Davon kann ich in der Tat ein langes Lied singen.

Eine Verpflichtung dazu, sich selbst zu lieben oder zu akzeptieren hat allerdings niemand. Genauso wenig, wie es eine Verpflichtung zum Aktivismus oder zu politischer Mitarbeit gibt. Und was stets klar sein muss, ist, dass wir nicht schuld daran sind, wenn wir uns mit unserem Körper und unserem Selbstbild als Dicke im Krieg befinden. Wir wären nie von allein darauf gekommen, unsere Körper nicht zu mögen, wenn wir es nicht durch die Welt beigebracht bekommen hätten. Wir sind obendrein nicht dafür zuständig, uns mit ausreichend stabiler emotionaler Rüstung auszustatten, nur damit für alle anderen alles so bleiben kann, wie es ist.

Ich verwende den Vergleich immer wieder gern: Sich Selbstakzeptanz zu erarbeiten und zu erhalten ist für Dicke in unserer Gesellschaft wie unter einem Wasserfall schwimmen zu lernen. Die Missachtung, Respektlosigkeit und Diskriminierung durch Gesellschaft, Medien und Politik hören nicht auf, während wir versuchen, einen freundlichen Blick auf uns selbst zu entwickeln. Wir arbeiten also daran, gut zu uns selbst zu sein, während Vorurteile und Verächtlichmachung uns weiterhin auf den Kopf prasseln. Das ist ein ziemlicher Kraftakt.

Selbstakzeptanz entfaltet jedoch keine magische Wirkung im Außen. Schon gar nicht grundlegend im Hinblick auf die Benachteiligung von dicken Menschen. Das tun nur Protest und klar geäußerte Forderungen. Da draußen muss sich etwas ändern. 


NH

Vielleicht braucht ihr ja frischen Lesestoff :) - den gäbe es hier:


Freitag, 6. Dezember 2019

Adventsblog 4: Ich komme nicht ins Fernsehen


Weil ich zu dünn bin. Ungelogen. In der Redaktion, die verantwortlich zeichnet für "Dickes Deutschland - Unser Leben mit Übergewicht" (ein Sendeformat für RTL2), hatte man offenbar meinen BMI ausgerechnet, und um eine geeignete Kandidatin für die sogenannte "Sozialreportage" zu sein, hätte er bei 50 liegen müssen. War aber nur 39.

Ich hatte mithin nicht darum gebeten, überhaupt in die Auswahl zu kommen. Bevor ich eine Anfrage von der Redaktion bekam, hatte ich noch nie etwas von der Sendung gehört. Die Mail versprach: "Kein Drehbuch, kein Scripting - nur die wahre Geschichte." Und ich dachte, ihr habt doch schon wieder nicht die leiseste Vorstellung, mit wem ihr es zu tun bekämt, wenn ihr euch wirklich dafür entscheiden würdet, mit mir zusammenzuarbeiten. Denn das ist in der Regel so: Die meisten, die eine Kooperation vorschlagen, haben vorher sehr wahrscheinlich nicht viel mehr von mir gelesen und gesehen als den Titel des Blogs. Da steht etwas von "dicker Dame". Auf dem Foto daneben ist eine dicke Frau - das muss reichen. Die Dicke schreibt mit uns bestimmt gern ein Buch über "Gewichtsmanagement" oder rezensiert garantiert gern mein Buch über Esssucht. Und bestimmt lässt sie sich gern dabei filmen, wie sie sich morgens halbnackt aus dem Bett rollt, mitten in der Fußgängerzone in Mieder und BH für Fotos posiert oder sich ein Magenband einsetzen lässt. Oft sind Anfragende beleidigt, wenn ich Ihnen erkläre, dass sie sich vertan haben. Überrascht sind sie immer.

Im Falle von "Dickes Deutschland" rief ich allerdings zurück und sagte, ich würde mitmachen - unter der Voraussetzung, dass ich im Blog ganz genau über die Dreharbeiten berichten könne. Angeblich hätte ich das gedurft. Auch als ich anklingen ließ, dass ich gern dabei wäre, weil ihrem ausbeuterischen und voyeuristischen Format etwas Fettaktivismus und Medienkritik durchaus gut zu Gesicht stünden, war die Unterhaltung keinesfalls schlagartig beendet. Vielmehr folgte noch das lange Abarbeiten eines Fragebogens. Gehen Sie gern schwimmen?  Eher selten. Gehen Sie tanzen? Nie. Haben Sie gesundheitliche Probleme? Nein. Würde Ihr Partner mitmachen? Eher friert die Hölle ein. Was essen Sie gern? Gemüse. Würden Sie eine Magen-OP für sich in Betracht ziehen? Nein. Erstaunt war ich über die Frage, ob ich finanzielle Probleme hätte...dick und arm? Ernsthaft? Ist das wirklich noch immer die Erwartung der Zielgruppe?

Na schön, im Rückblick lässt sich leicht erkennen, dass mein Plan der halboffenen Unterwanderung nicht erst an meinem BMI scheiterte. So offen und menschenfreundlich-progressiv die nette Frau aus der Redaktion vielleicht auch sein wollte (sie war neu in dem Team und fürchterlich nett sind die Anfang immer alle) - natürlich war ich für ihre Zwecke kein Material für störungsfreie Drehtage. Vielleicht lag es aber auch schlicht daran, dass ich mich im Bewerbungsvideo, das ich dann doch zusätzlich noch einreichen sollte, nicht mehr an den Titel der Serie erinnern konnte...wer weiß. ; )

NH


Dienstag, 24. Juli 2018

Dick, dumm, faul und hässlich


Ein neuer Versuch - 2018

Bei Instagram war frau nicht amused. Oder zumindest schien es so. 3 Leute mochten es. Also, das T-shirt, als ich es am 22. April 2016 fotografierte und dort postete. Nur eine einzige Instagramerin (Simone : )) erkundigte sich nach dem Zweck.

Es ging um die Thematisierung der gängigsten Vorurteile gegen Dicke am eigenen Leib. Natürlich kann ich verstehen, wenn man die Konfrontation mit der Aufschrift zu anstregend und pessimistisch findet. Oder sie gar für albern, übertrieben oder unwahr hält. Aber es hilft ja nichts...

Dick: Unbestritten zutreffend. Aber im gängigen Gebrauch natürlich höchst negativ konnotiert.

Faul: Ich erzähle ja immer wieder gern die Geschichte von meinem ersten "Schulzeugnis", das eher ein Entwicklungsbericht war und in dem es hieß: "Nicola ist ein großes Mädchen, das sich (...) sparsam bewegt." Leute halten uns für faul. Weil wir dick sind. Das bedeutet automatisch, dass wir zu faul sind, abzunehmen. Und uns natürlich nicht genug bewegen. Denn wenn man sich genug bewegt, ist man eben nicht dick. Ist doch klar. Dass wir etwas anderes zu tun haben könnten, kommt unserer Umgebung nicht in den Sinn. Welche anderen Prioritäten könnte eine dicke Person haben. Herrje, Menschen in Studien würden lieber einen Arm oder ihr Augenlicht verlieren, als dick zu sein. Wie kann irgendein dicker Mensch auch nur an irgendetwas anderes denken, als daran, dünn zu werden? 

Well, guess what*...viele von uns denken über beträchtlich lange Lebensphasen hinweg tatsächlich an kaum etwas anderes. Und werden trotzdem nicht (langfristig) dünn. Wir sind dick, weil wir zu oft abgenommen haben. Wir haben hart daran gearbeitet, endlich einen "richtigen" Körper zu haben und in der Zwischenzeit haben wir uns obendrein mit geächteten und verächtlich gemachten Körpern durch den Alltag und vermutlich eine Reihe von Lebensriten (Schule, Ausbildung, Beziehungen, etc.) geschleppt. 

Wären unsere Körper nicht oft bereits in unserer Kindheit gegen uns verwendet und moralisch in Geiselhaft genommen worden - viele von uns hätten die so freigewordene Energie verwenden können, um spielend die Weltherrschaft an sich zu reißen. Wir sind nicht faul. Wir leisten all das, was andere auch leisten unter seelisch und gesellschaftlich erheblich erschwerten Bedingungen.

Dumm: Ach. Sie haben studiert? Diese Frage bin ich in meinem Leben nicht nur einmal mit gebührend demonstriertem Erstaunen gefragt worden. Auch gern mal von medizinischem Personal. 

Ja, hab ich. 

Und zwar höchstwahrscheinlich sehr viel länger als die meisten Menschen in den meisten Räumen, die ich je betreten habe. Von 46 Lebensjahren habe ich weit über die Hälfte in Schulen, Hochschulen und an Universitäten im In- und Auslad verbracht - nicht mit beruflicher Zielvorgabe, sondern nur aus purer Freude an der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem jeweiligen Fach und der Erfahrung des Studierens. Das ging alles so, weil ich die Eltern hatte, die ich hatte. Denen waren Bildung und Interesse wichtig, wirtschaftliche Verwertbarkeit eher kein Begriff. So landete ich unter anderem z.B. auch bei der Philosophie. Ich weiß außerdem, dass ich nicht dumm bin. Das ist irgendwann mal gemessen worden. Trotzdem stand in meinem ersten schulischen Entwicklungsbericht, dass "Nicola immer besonders genaue Anweisungen braucht, um eine Aufgabe erfüllen zu können." Heute weiß ich, dass das nicht daran lag, dass ich als Erstklässlerin keine Vorstellung davon hatte, wie man was macht, sondern dass ich im Gegenteil zu viele Ideen hatte, wie man etwas erledigen bzw. deuten könnte. Darum habe ich genau nachgefragt, um die exakte Vorstellung der Lehrkraft zu ermitteln. Schließlich sollte die ja das Ergebnis bewerten. Und davon, bewertet zu werden, verstand ich als "großes" Kind in der ersten Klasse bereits eine ganze Menge. Das Problem des Überhinterfragens habe ich heute bekanntlich noch immer. Meine Mutter hat mir mal erzählt, dass ich als kleines Kind mitunter so viel gefragt habe, dass sie mir oft gern entnervt eine geklebt hätte.

Das "große" Kind war also aus Sicht der LehrerInnen, mit denen meine Schullaufbahn begann, ein wenig einfältig und obendrein körperlich behäbig. Also tatsächlich dumm und faul? Von Anfang an? Und selbst als Erwachsene noch immer zu dumm, um richtig zu essen und zu faul, um regelmäßig zu turnen? Nun, es scheint fast so. ; )

Hässlich: Damit fängt alles an. Der ganze Ärger. Genau genommen handelt es sich hier ja um kein Vorurteil. Wenn man etwas sieht - sagen wir mal z.B. das eigene Kind - und es gefällt einem nicht, was man sieht, dann ist das doch eher ein Urteil. Und eine Tatsache, zumindest im persönlichen Universum. Meiner Mutter gefiel ihr "großes" Kind nicht. Darum setzte sie es bereits im Kindergarten auf Diät, anstatt es einfach erst einmal in Ruhe weiterwachsen zu lassen. Beim Versuch, das Kind zu verringern, ging es nicht primär um dessen Gesundheit. Es ging um Angleichung an die Norm und die Sorge, das monströse Kind könnte es später als Monster-Teenager und Godzilla-Erwachsene ob seiner Optik gesellschaftlich schwer haben. Und so kam es dann ja auch.  

Die Gesellschaft, in der meine Mutter operierte, war so fettphobisch wie die heutige. Und meine Mutter war es auch. Die Gleichung Fett = hässlich war damals bereits so gültig wie heute, und (Norm)Schönheit war für Frauen im Grunde das Wichtigste. Daran hat sich nicht nur nicht viel geändert - es gibt Stimmen, die warnen, dass sich dieses Prinzip im letzten Jahrzehnt womöglich noch verstärkt hat und dass der Druck zur optischen Selbstoptimierung eher größer als kleiner geworden ist. Da ändert erst recht keine Alibi-Fotostrecke mit großen Größen oder die Wahl eines "kurvigen Topmodels" etwas. Tatsächlich beweisen solche Vorstöße nur die Verhärtung eigentlich überkommener Frauenbilder.

Ich erinnere mich (etwas ungenau) an ein Fernsehinterview mit der Talk-Show-Moderatorin (und womöglichen Präsidentschaftskandidatin 2020) Oprah Winfrey, das ich vermutlich in den Neunzigern gesehen habe. Darin beschrieb sie, wie sie die Stufen auf die Bühne einer Preisverleihung erklomm, um sich auf dem damaligen Höhepunkt ihrer Karriere vor großem Publikum eine bedeutende Auszeichnung abzuholen, und wie sie bei diesem bis dato wichtigsten und eigentlich glücklichsten Ereignis ihres Lebens an nicht anderes denken konnte, als daran, wie dick sie in ihrem Abendkleid von hinten aussehen musste. Das, gab sie im Rückblick zu, verdarb ihr im Grunde die ganze Veranstaltung und raubte ihr den Stolz und die Freude. Die Konsequenz, die sie daraus zog, war, noch eine Diät zu machen. Die Jo-Jo-Diäten der Frau Winfrey (sie begann damit in den Siebzigern) haben naturgemäß immer öffentlich stattgefunden und sind mittlerweile legendär. Sie hatte Großes geleistet. Und es bedeutete am Ende nichts, weil sie dick und damit als Frau definitiv "hässlich" war. Damit hatte Sie in der Hauptdisziplin, dem Schönheitswettbewerb, ohnehin komplett verloren.

Was denken sie von uns?

Und nein, das war nicht alles nur in ihrem eigenen Kopf. Natürlich fanden die Zuschauer reihenweise, dass sie zu fett war und damit bedauerlicherweise hinter ihren äußerlichen Möglichkeiten erheblich zurückblieb und dass das auch die Bedeutung ihrer eigentlichen Leistung schmälerte. Die Lüge von der Selbstliebe, mit deren Hilfe frau sich die Welt macht, wie sie ihr gefällt, wird niemanden daran hindern, genau DAS über dicke Menschen zu denken, zu sagen, zu schreiben, zu publizieren und über die Straße zu rufen: Dumm, faul, hässlich. Die Gesellschaft macht schließlich noch immer kein Hehl aus ihrer Abneigung gegen Körperfett. Da helfen nur offene Gegenwehr und Diskussion.

Darum das T-shirt.


*Na, stell dir mal vor...

NH



Vielleicht braucht ihr ja frischen Lesestoff zum Thema :) - den gäbe es hier:




Donnerstag, 19. Juli 2018

Warum Amy Schumers "I feel pretty" ein wirklich lahmer Film ist

"I feel pretty" war ein schwächliches Filmchen.

Der Grund, warum die Beschäftigung mit dem Thema "Schönheitsnormen" in Mainstream-Medien meistens schief läuft, ist, dass zu viel Verwirrung in den Köpfen der Macherinnen herrscht. Und niemals auch nur ansatzweise genug freie Radikalität. Das ist in diesem Falle allerdings umso verwunderlicher, als dass frau immer dachte, Amy Schumer mangele es zumindest an Letzterem nicht.

Die Protagonistin Renee, dargestellt von Amee Schumer, knallt im Spinning-Kurs vom Heimtrainer, schlägt sich bös den Kopf an und sieht sich fortan mit neuen Augen: Sie hält sich für umwerfend normschön. Tatsächlich war das ein von ihr vorher geäußerter Wunsch, einmal im Leben zu erfahren, wie es ist, "undeniably pretty" (unbestreitbar hübsch) zu sein. Allerdings ist sie die einzige, die sich selbst als "wunderschön" im Spiegel sieht. Alle anderen sehen genau das, was auch schon vorher da war. Und da fängt der Ärger für die aufmerksame Zuschauerin schon gleich an. Denn es ist also ein Missverständnis, dessen beharrliche Nicht-Auflösung mit jedem neuen Begebnis ein immer größeres Rätsel wird und ganz klar macht, dass keiner der Beteiligten besonders hell bzw. mit normalem Menschenverstand ausgestattet ist, das den ganzen seichten Film trägt. Die Freundinnen begucken die neue, unausstehlich selbstverliebte Renee, als ob sie den Verstand verloren hat, fragen aber nie so richtig nach. Die fragen nie: Was hat dich denn bloß so verändert? Auch alle anderen um Renee herum sind offenbar schlicht viel zu höflich, um auch nur ansatzweise Verwunderung oder leichte Indignation zu äußern, wenn Renee die eigene, umwerfende Schönheit besingt. Sogar Naomi Campbell wird nicht deutlich genug. Warum Renee eine grässliche und hektische Aufschneiderin werden muss, bloß weil sie glaubt, neuerdings einem Supermodel zu gleichen, bleibt übrigens ebenso ungeklärt. Kurzum: Eine Handlung, die nur läuft, weil alle Mitwirkenden sich komplett unnatürlich verhalten, bringt mich regelmäßig dazu, den Bildschirm anzuschreien. Im Kino war das ja aber nicht möglich. Ich muss sagen, dass war alles ausgesprochen stressig für mich. Obendrein litt ich zwischendrin immer wieder unter üblen Ugly-Betty-Flashbacks.

Und was ist jetzt eigentlich der verdammte Punkt?

Renee, die glaubt, nun für alle Welt sichtbar normschön zu sein, aber es gar nicht ist, wird allein durch diese innere Veränderung kühner, selbstsicherer und damit auch in der Außenwelt erfolgreicher - im Beruf (bei einer Kosmetikfirma) und bei Männern. Besonders bei Männern. Und sie traut sich, an einer Schönheitskonkurrenz teilzunehmen und sich auf der Bühne Wasser über das T-shirt zu schütten.

Fazit wäre dann vermutlich wieder das gute, alte "Liebe dich selbst, ändere deine Einstellung, und dann wird alles gut". Wir haben es ja angeblichh selbst in der Hand, wie uns die Welt begegnet. Und wir sind selbst verantwortlich, zuständig und selbst schuld, wenn's doch nicht gut läuft. Als Beweis muss im Film ein Model mit Selbstzweifeln und Beziehungsproblemen herhalten. Die kriegt ihr Leben trotz perfekter Hülle nicht auf die Reihe. Das ist ein echt uralter, abgegrabbelter Hut und außerdem eher nicht zutreffend als doch. Außerdem wird die bloße Gültigkeit sowie die Notwendigkeit/Wichtigkeit von Körpernormen und Schönheitsstandards mal wieder nicht in Frage gestellt.

Der Film ist, wie gesagt, eine Enttäuschung.

Aber nicht aus den Gründen, aus denen Amy Schumer und ihr "neuer Film" nach seinem Erscheinen im Internet shitstormartig kritisiert wurden. Dort warf frau ihr vor, dass sie selbst zu normattraktiv sei, um die Rolle überhaupt zu spielen, denn wenn so jemand wie sie sich wegen ihres Aussehens angeblich so fertig macht, was sollen denn dann bitteschön erst die machen, die noch viel weniger ins Schema passen? Sie fanden also, Amy Schumer sei nicht "hässlich" genug, um sich glaubwürdig im eigenen Körper schlecht zu fühlen - und betrieben damit unterschwellig und auf regelrecht idiotische Weise Bodyshaming. Offenbar gab es (auch mal wieder) in ihrer Welt, Körper, deren Inhaberinnen sehr wohl gute Gründe hätten, sich ihres Aussehens wegen mies zu fühlen. Aber der von Amy Schumer gehört (noch) nicht dazu. Nun könnte man sich natürlich fragen, wo genau da die Grenze verläuft. Ab wann sollte ich mich denn unzulänglich fühlen dürfen? Wie sähe ich denn dann aus? Nun...bei meinem Gewicht würden mir die verwirrten Kritikerinnen von Amy Schumer wahrscheinlich mehr Verständnis in dieser Hinsicht entgegenbringen. Natürlich demonstriert diese Art der Kritik aber auch nur wieder die unlösebare Verhaftung der meisten Leute im Glauben an die Bedeutung und und Gültigkeit von Schönheitsstandards. Sie sollten alle nachsitzen. Und tausendmal "Schönheitsnormen schaden allen Menschen" an die Tafel schreiben.


NH

Donnerstag, 1. März 2018

Follow me around 57: Fuck it.

"Ich glaube, ich starte doch wieder ein Diättagebuch - damit kann man Geld verdienen, bekommt Anerkennung, Aufmerksamkeit u. kann womöglich wieder in hohen Absätzen u. ohne Wasser in den Beinen durchs Leben laufen."
#careermove #skinnybitch #aktivismusmachtmüde 
#fatacceptancemyass

Nachdem ich heute Mittag die obige Nachricht bei Twitter und bei Facebook gepostet habe, ist folgendes passiert: Nichts. Bis auf eine einzige sehr freundliche und verständnisvolle Nachricht von einer Leserin, die mir sagte, sie würde mich auch weiterhin unterstützen, wenn ich jetzt wieder zur Diätfraktion überträte und ein Like kam keine Reaktion. Mir sind aber auch keine Follower abgesprungen. Es gab weder Beschwerden noch Kritik noch Häme.

Es gibt nun ein paar Deutungsmöglichkeiten:

1. Es ist egal, was ich schreibe, weil eh keine mehr mitliest. (Die Besucherinnenzahlen auf dem Blog sind aber immerhin konstant.)

2. Es ist egal, was ich schreibe, weil es eh keine Leserin kümmert.

3. Die Leserinnen würde es gar nicht groß stören, wenn wir am Strand einfach wieder Diät machen würden.

Ich weiß es nicht. Ihr seht mich mal wieder ratlos.

Aus Dünnwerden und Körperbashing kann man hervorragend eine Karriere basteln. Da kenne ich mich zufällig auch ein wenig aus. Aus Fettaktivismus...nicht so sehr. Was natürlich nicht heißt, dass es nicht immer wieder mal versucht wird. Da, wo es versucht wird, stört Radikalität allerdings in der Regel eher. Der Erfolg, wenn man davon überhaupt wirklich sprechen kann, kommt auch im Fettakzeptanz-Business eher, wenn man offen bleibt für...jeden fatshamenden Quatsch. Wenn "auch Hübschsein" für dicke Frauen immer hübsch das Wichtigste bleibt. Und wenn die Fettakzeptanz, für die man steht, auch eigentlich eher ein Accessoire ist, das man sich umhängt, bis man es nicht mehr nötig hat. Weil man dann endlich doch schlank geworden ist. Und das ganze aktivistische Gedöns ohnehin nicht mehr braucht.

Die gaaanz tollen (dicken) Frauen

Habe ich eigentlich schon mall von dem Seminar erzählt, das ich bei Tanja Marfo, ihres Zeichens "Erfinderin" und Organisatorin der Plus Size Fashion Days in Hamburg, besucht habe? Nein, ich glaube nicht. Und dabei wird es ja mal Zeit, denn die Veranstaltung liegt bereits 2 Jahre zurück.

Es war eine beeindruckende Erfahrung. Nur dummer Weise aus lauter falschen Gründen. Ich war eine von zwei Teilnehmerinnen, die vor dem Veranstaltungsort warteten und dann von Frau Marfo, die angesichts des übersichtlichen Publikums doch lieber die Raummiete sparen wollte, kurzerhand in einen Imbiss ein paar Straßen weiter geführt wurden, allerdings nicht, ohne dass sie vorher auf einen Abstecher zum Geldautomaten bestand. Sie hatte vergessen, mir zum Zeitpunkt der Anmeldung ihre Kontodaten zu senden und wollte die 80 Euro nun partout in bar. Sie traute mir nicht zu, eine schriftliche Rechnung auch wirklich zu bezahlen. Auf eine Quittung warte ich übrigens noch heute. Trotz mehrfacher Anmahnung.

Was merkwürdig unprofessionell begann, nahm auch danach keinen schönen Verlauf. Das "Seminar" bestand aus Klönschnack und einer verblüffend einfältig und einfallslos zusammengeworfenen Präsentation, die wir uns für ein paar Minuten auf einem Tablet ansehen konnten. Der Höhepunkt des Ganzen war erreicht, als die Frau Marfo bezeichnenderweise mitten in einem Minivortrag über Selbstliebe fast nicht wirklich mitzubekommen schien, dass die Mittzwanzigerin, die mit uns am Tisch saß, mittlerweile in Tränen ausgebrochen war. Weil sie ihren dicken Körper hasste. Und die naive Forderung "man müsse sich selbst einfach lieben" sie genauso getriggert hatte, wie das eigentlich auch hätte vorhergesehen werden können. Zumindest für Leute, die irgendetwas anderes sehen, als sich selbst.

Ich habe die Frau Marfo nach ihrem Seminar im Auto nach Hause gebracht. Ich glaube nicht, dass sie eine begeisterte Kämpferin für die Angelegenheiten von Dicken ist. Im Gespräch mit Freundinnen habe ich immer wieder geschildert, dass es mein Eindruck ist, dass die Frau Marfo halt was mit Medien, Mode und Schönheit machen wollte. Weil sie dick ist, hat sie ihre Nischenchance ergriffen. Hätte sie die Wahl, würde sie jederzeit sehr viel lieber im regulären Modegeschäft eine tragende Rolle spielen. Allerdings wäre die Konkurrenz dort natürlich auch ungleich größer.

Ich verstehe, dass man Geld verdienen muss. Ich verstehe nur nicht, dass man dabei die gesamte dicke Schwesternschaft regelmäßig unter den Bus stoßen muss. Als die Frau Marfo im Frühling 2016 bei mir im Auto saß, redeten wir bereits darüber, dass sie unlängst eine eher erfolglose Kooperation mit einem Fitnesscoach hinter sich, bzw. für ihn und seine Dienstleistung Werbung gemacht hatte. Wohlgemerkt - das Angebot war nicht explizit eins für dicke Frauen im Rahmen von Health at Every Size, sondern eher für solche, die sich "verbessern" wollten. Neuerdings trainiert die Frau Marfo wieder mal unverdrossen werbend im Meridian Spa und hat das Jahr 2018 öffentlich damit eingeläutet, reguläre Mahlzeiten, so wie in guten alten Zeiten, mit aus Pulver angerührten Diätshakes zu ersetzen. #Selbstliebe...

Ich bin der Frau Marfo danach noch zweimal begegnet. Beide Male erkannte sie mich offenbar nicht wieder (obwohl sie mir doch sogar zuvor vorgeschlagen hatte, einen unbezahlten Beitrag für ihr Blog zu schreiben)  und verbrachte ohnedies die meiste Zeit damit, in einer Ecke sitzend scheinbar lustlos auf ihr Handy einzutippen. Das heißt vermutlich, dass sie an ihren dicken Veranstaltungen genauso viel Spaß hatte, wie weite Teile des Publikums. Bei der Party, die 2016 eine Auftaktveranstaltung für ihre Modemesse sein sollte, begann das Publikumssterben so gegen 22 Uhr. Bei den letzten Plus Size Fashion Days kam dann besonders am Stand der Vertreterin von Juchheim Cosmetics ByeByeCellulite so richtig Stimmung auf. Ich persönlich war ja besonders beeindruckt von der Tatsache, dass die meisten Messeteilnehmer als Hersteller von Bekleidung in großen Größen auf einer Messe für Mode in großen Größen überhaupt gar keine großen Größen anzubieten hatten. (Die Spanne endete offenbar flächendeckend bei 52 oder 54.) Naja, bei Evelin Brandt Berlin gab es wenigstens, wenn auch unerkärlicherweise, Marmelde in der Goody Bag. Und einen Fächer. Weiß ja schließlich jeder, dass Dicke immer so leicht schwitzen.

Freundinnen von mir, die mildere Wesen sind als ich, finden ja: Besser irgendeiner macht irgendwas, als dass überhaupt nie etwas Interessantes für Dicke passiert. Ich bin mir da wirklich nicht sicher...

...Hab ich euch eigentlich schon einmal erzählt, dass ich vor einigen Jahren gefragt worden bin, ob ich als Jurorin bei der Wahl des "Fräulein Kurvig" mitzuwirken wolle? Nein? Na, dann...wo wir doch gerade darüber sprachen, dass so viele Menschen andere offenbar überhaupt nicht sehen - welcome to Gossip Corner.

Die Veranstalterin der Misswahl, Melanie Hauptmann, ist (vor allem am Telefon) eine überforsche, schnellredende Alleskönnerin. Laut Eigenauskunft Journalistin und Autorin und Model und Eventmanagerin und Designerin und Moderatorin und TV-Persönlichkeit. Wie sie jemals darauf kam, mich zu fragen, ob ich bei ihr und der Fräulein-Kurvig-Show mitmache, ist mir bis heute ein Rätsel. Dass ich für einen provinziellen Schönheitswettbewerb, bei dem dicke Frauen sich endlich auch mal genauso vorführen, begutachten und bewerten lassen dürfen, wie sonst nur dünne, nicht viel Liebe aufbringen würde, hätte ihr eigentlich klar sein müssen. War es ihr aber nicht. Weil auch sie sich nicht wirklich groß für ihr Gegenüber interessiert. Schon gar nicht so sehr, dass sie womöglich Recherche betreibt, mit wem sie es wirklich zu tun hat. Darum hat sie sich auch überhaupt nicht gewundert, als ich tatsächlich zugesagt habe. Dass ihr jemals der Gedanke gekommen sein könnte, dass ich aus meiner Jurymitgliedschaft höchstwahrscheinlich eine wirklich beißende Glosse gemacht hätte, nehme ich schlicht nicht an. Teilgenommen habe ich dann ja allerdings trotzdem nicht - Frau Hauptmann hat mich am Ende zugunsten eines echten C-Promis ausgeladen und hochprofessionell auch noch vergessen, mir Bescheid zu sagen. Schönheitswettbewerbe sind für'n Arsch. Schönheit ist nicht wichtig und wenn man mit irgendetwas Bodyshaming oder gar die Objektifizierung von Frauen nicht bekämpfen wird, dann mit der Wahl irgendwelcher Fräuleins. Es geht dabei nicht um Fettakzeptanz, es geht um seichte Träume vom Auch-Norm-Hübschsein und wie man diese zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil ausnutzen kann. Jeder, der wirklich nur ein schlichtes Diätprogramm vermarktet, ist ehrlicher. So, nun hab ich es gesagt.

Und? War die Überlegung, ein Diättagebuch zu starten nun ernst gemeint? Bei mir zu Hause gibt es neuerdings einen Running Gag: Einer von uns fragt eine Frage wie: "Willst du gern mal an meinen Tennissocken riechen?" oder "Möchtest du etwas rohes Affenhirn auf deinen Toast?" und die Antwort lautet, frei nach Loriot, immer: "Im Moment nicht."

NH

Freitag, 9. Februar 2018

Ausgelesen: Fa(t)shionista von Magda Albrecht

Man könnte es so sehen: Dafür, dass sie uns beim Ullstein Verlag unlängst das antifeministsche, gegen Fettakzeptanz wetternde Werk "Fettlogik" beschert haben, schulden die uns jetzt auch etwas. Magda Albrecht ist Feministin und Fettaktivistin und ihr Buch über Fettakzeptanz ist, weil von einer deutschsprachigen Autorin, eine absolute Rarität. Es ist ein ok Buch. Für Einsteigerinnen als freundlicher Denkanstoß und lockere Einführung in die Thematik auf jeden Fall zu empfehlen. Für alle anderen, (aber wo gibt es die hierzulande ohnehin schon groß), steht vermutlich eher nicht viel Neues drin.

Es gibt einen Abriss der persönlichen dicken Biographie, Hinweise zu Diäten und Vorurteilen, was die Gesundheit von Dicken betrifft, eine ausführliche Schilderung der Entstehung des BMI, Betrachtungen über die mediale Darstellung von Dicken, die Diskriminierung im öffentlichen Leben sowie die Hindernisse im öffentlichen Raum (z.B. beim Fliegen). Magda Albrecht thematisiert Adipositaschirurgie, intuitives Essen, Schönheitsnormen und liefert eine kurze Geschichte der Fettakzeptanzbewegung. Sie beschreibt ihren Weg zu mehr Selbstliebe und dickem Selbstbewusstsein (mit Rückschlägen) und betont, dass dicke Selbstakzeptanz in einer Welt, in der Dicksein so negativ besetzt ist, ein ausgesprochen schwieriges Unterfangen ist.

Und dann sind da das Recht der Dicken auf Mode und die Rolle von Fatshion in der Bewegung, die, wie der Titel auch vermuten lässt, viel Raum einnehmen. Die Autorin deckt im Plauderton und mit Humor alles Grundlegende irgendwie ab, was zur Basisausstattung gehört (bis hin zur Venus von Willendorf und Rubens), und kann so bestimmt Aha-Erlebnisse liefern und so mancher Mut machen.

Nur mir halt nicht. 

Denn ich bin freudlos und streng, wenn es um meine Diskriminierung geht. Ich spürte schon ein leises Verzagen beim Lesen des schmissigen Untertitels ("Rund und glücklich durchs Leben"), und als ich entdeckte, dass sie der Autorin für das Coverfoto allen Ernstes einen Schokoriegel auf das Notebook gelegt hatten, schnappte ich natürlich bereits nach Luft.

Ich verstehe, dass für den Verkauf eines Produktes Kompromisse gemacht werden müssen. Aber in ähnlicher Fluffigkeit geht es zwischen den Buchdeckeln dann tatsächlich auch weitgehend weiter. Magda Albrecht schreibt in weiten Teilen ihres Buches als lustige, putzige Dicke gegen das Klischee der lustigen Dicken an. Dass sich das beißt, liegt auf der Hand. Nicht einmal bei der abschließenden Formulierung ihrer "Wünsche und Forderungen" entwickelt sie besonders viel Feuer oder auch nur durchgängig größere Genauigkeit. Sie "möchte" etwas mehr davon, etwas weniger hiervon und offenbar auch "selbstorganisierte Kleidertauschpartys, Flohmärkte und Nähklubs", sowie "Frauenzeitschriften, die Frauen in ihrer Vielfalt stärken". (S. 308)

Im Kapitel über dicken Sex wird (gefühlt) hauptsächlich gekichert und sich zugeprostet. Die tatsächliche Erörterung des Themas erschien mir mithin unangebracht zurückhaltend. Dafür ist das Kapitel darüber, wie frau ihre wahre BH-Größe ermittelt und vermutlich ein viel größeres Körbchen braucht als gedacht, eines der längsten im Buch (13,5 Seiten und damit genauso lang wie das über die Geschichte der Fettakzeptanz-Bewegung). Für die zwischendrin ausgetragenen "Outfitdramen" bin ich definitiv zu alt. Eine genauere Betrachtung der Verbindung zwischen Fettakzeptanz und Feminismus muss ich irgendwie überlesen haben.

Was ich andererseits schlicht nicht ignorieren konnte, waren die vielen - scheinbar augenzwinkernden (?) Hinweise darauf, wie schrecklich gern die Autorin isst. ("Ich war ein hungriges Mädchen...", "...ich liebe Essen!", "Ich gestehe...", "Der Löffel in der Hand und ich - wir sind ein echtes Dreamteam!", "...ausgestattet mit Snacks zur Beruhigung der Nerven...", "...ich stolz den Laufsteg des Lebens begehe, und sei es nur zur nächsten Bäckerei...", "Da lohnt es sich (...) ihn (Anmerkung: den Körper) ab und zu zum Eis einzuladen. Mit Streuseln. Und Sahne.") Mit der zuletzt aufgeführten Bemerkung endet übrigens auch das Buch. Sich im Dienste der Fettakzeptanz als fröhliche Dicke zu präsentieren, die außerdem angeblich immerzu unbekümmert Nahrung zu sich nimmt, führt zwangsläufig auf dünnes Eis. Das Bild der fortwährend essenden Dicken hat sogar eine zweischneidige Klinge - entweder bedient sie das Klischee der übermäßig lustvoll-instinktiven, (oftmals leicht unzivilisierten) Lebensfreude oder das von dicker Disziplinlosigkeit und Unwissenheit. Beides ist nicht wirklich schön. Denn wie vielen Märchen über Dicke möchte man als Fettaktivistin denn noch auf einen Schlag Gültigkeit zuschustern?

Und dann ist da diese merkwürdige und gehäufte Verwendung von im Grunde milde herabsetzenden bzw. tadelnden Beschreibungen von dicken Körpern sowie dem Vorgang des Essens selbst.  ("wegmampfen", "schob mir den Riegel komplett in die Backen", "meine (...) Spitzendisziplin Löffelstemmen", "Schwabbel", "Speckrollen", "Schwergewichte", "speckig", "Dickerchen", "wegschmatzen", "Schleckermaul", "stattliche 90 Kilo", "...das fette Schlemmen..., "...der Schrecken jedes Kuchentischs...", "Moppeln", "Moppelchen", "ausladend", "Wampe", "spachteln", etc.) War das nun auch augenzwinkernd gedacht? Und wenn ja, warum all das überhaupt? Ist das nicht genau das, was "gute Dicke" tun? Hat sich all das nur unbewusst eingeschlichen? Oder sollen all diese Begriffe quasi im Laufen spontan positiv umdefiniert werden? Das wird dann aber ganz schön anstrengend.

Auch hier bleibt...na sagen wir mal...ein wenig erschrockene Verwunderung.


NH





Samstag, 7. Oktober 2017

Zwischenmeldung: Ich glaube, ich war im Fernsehen



Und zwar am letzten Mittwoch. Als Teil des RTL-Formats "Die 25" mit Sonja Zietlow lief dort ein kurzes Segment über mich und meine Lieblingsthemen: Fettakzeptanz und Swimming-Pools.

Gesehen habe ich es noch nicht. 

Obwohl mir der Redakteur es natürlich versprochen hatte, hat mich dann selbstverständlich doch keiner vorgewarnt, wann der Sendetermin sein würde. Ich habe nur an der plötzlichen Flut der Nachrichten von Zuschauerinnen und der in die Höhe schnellenden Klickzahlen im Blog gemerkt, dass etwas passiert sein musste. Einer der benutzen Suchbegriffe war doch tatsächlich "Nicola Hinz nackt".

Das obskure Thema der Sendung, "Die 25 unvorstellbarsten Situationen, in denen man nie landen möchte", war mir nur als Arbeitstitel angekündigt worden - und ist dann offenbar doch nicht mehr verändert worden. Es hatte bei mir und ebenso bei allen, mit denen ich im Vorfeld darüber gesprochen habe, für hohe Augenbrauen und gekräuselte Stirnen gesorgt. Dicksein als "unvorstellbare Situation, in der man nie landen will"? Echt jetzt?

Aber ich habe mir gesagt, die Chance, Fettakzeptanz im Fernsehen (und zu guter Sendezeit) mal wieder etwas Raum zu verschaffen, ist wichtiger, als ein bescheuerter Titel. Es wird schon gut gehen. Es wird schon nicht zu platt werden...Hoffen wir das Beste...

Danke für all das positive Feedback! 

Wenn ich den fast ausschließlich positiven Rückmeldungen glauben darf, die ich hinterher persönlich erhalten habe ( und warum auch nicht? : )), dann ist in der Tat auch alles gut gegangen. Ich werde mich morgen, am 8.10. zwischen 13:30 und 15:30 Uhr selbst davon überzeugen können - da wird die verpasste Sendung bei RTL wiederholt. 

NACHTRAG 8.10.2017: 

Doch, ich fand den Beitrag wirklich anständig - buchstäblich. Besser, freundlicher und aussagekräftiger als gedacht/gehofft. Ist alles gut gegangen, und das freut mich sehr. Vielen Dank für eure Nachrichten und Willkommen an all die neuen LeserInnen und Follower. : )


NIH
NH