Dienstag, 28. Mai 2013

Wartungsarbeit

 

"There's only so much you can learn in one place. The more that I wait, the more time that I waste." (Madonna: Jump)

 
Der Detlef findet es übrigens "klasse, dass ich dran bleibe". Und natürlich hat er total recht, wenn er Folgendes mutmaßt: "Du bist sicher schon ganz gespannt auf unser gemeinsames Sportprogramm." Das will ich wohl meinen! Schließlich habe ich ihm 80 Euro dafür gegeben, ihm bei Turnen zuzusehen. Ich fand den Detlef ja schon immer recht niedlich, obwohl sein Gesicht vor dieser Abnahme von 20 kg in 10 Wochen auch deutlich weniger Furchen hatte...
 
Ja doch!
 
Ich gebe es ja schon zu: Ich befinde mich offiziell in der dritten Woche des 10 Weeks Body Change Programmes von und mit Detlef D! Soost. Wie das passieren konnte, ist mithin noch immer unklar. Es war spät nachts. Ein unbedachter Klick, der Detlef sagte auf einmal so schöne Sachen wie "Butter, Avocados und Eier sind unsere Freunde" - und ehe ich mich versah, hatte ich das Bestätigungsschreiben in der Inbox. Vor drei Wochen habe ich es als Rückfall gewertet. Als jämmerlichen Rückschritt in alte Zeiten, als der dünne Körper die Erlösung und das Leben bis zu seiner Auferstehung nichts wert war. Obendrein womöglich auch noch ausgelöst durch die Erfahrung männlicher Ablehnung im Zuge meines Online-Dating Projekts. Schiefer hätte es dann eigentlich kaum mehr laufen können.
 
In den letzten Tagen allerdings wurde mir klar: Die Sache mit Detlef war nur ein Zeichen, dass eine bestimmte Etappe der Reise zur Selbstakzeptanz sich dem Ende nähert. Ich habe gelernt, keine Diät mehr zu machen, mich nicht mehr schuldig zu fühlen und stattdessen intuitiv zu essen. Ich könnte so bleiben, wie ich jetzt bin, ohne das echte Leben auch nur eine weitere Sekunde aufzuschieben. Ich kaufe heute mit der selben Begeisterung Kleider, die mir passen, wie früher die, in die ich hineinschrumpfen wollte. Tatsächlich finde ich mich in diesem Körper mitunter regelrecht hübsch und habe in ihm unbekleidet und gelegentlich bei grellem Tageslicht in den letzten Wochen so vieles getan, das ich mir selbst in dünnen, jungen Zeiten nicht hätte träumen lassen, dass ich fortan vermutlich auch ohne Bedenken und Scham in jedes überfüllte Freibad spazieren kann ; ). An dieser Stelle noch einmal mein tief empfundener Dank an alle an diesem Evolutionsprozess beteiligten und so engagierten Fettliebhaber - euch flachzulegen hat übrigens echtes Suchtpotential, weshalb es mir klug erscheint, auch das Projekt Online-Dating hier erst einmal und zumindest vorübergehend für abgeschlossen zu erklären. Die Profile auf den Portalen sind gelöscht oder weitgehend "ausgeräumt" und ruhen. Nicht, dass die dicke Dame nicht mehr auf der Suche nach der Liebe wäre. Aber ein wenig trauert sie noch um einen, der ihr entkam. Und es steht außerdem fest: Notlösungen passen nicht zum neuen Plan.
 
Einen Koffer aus LA
 
Ich besitze ein fast zwanzig Jahre altes Scrapbook, das Versatzstücke eines persönlichen Idealbildes enthält, das ich bis heute nicht vergessen habe und das ich, wenn man so will, immer in einem gedanklichen Köfferchen mit mir durchs Leben schleppe. Es entstand, als ich in Los Angeles studierte und enthält Fotos aus Magazinen, die eine Art Vision Board ergeben, das beschreibt, wer ich ab da immer werden wollte - für den Fall, dass ich jemals erwachsen werden würde. Das Ich, das dann jedoch niemals wirklich das Licht der Welt erblickt hat, hätte lange, erdbeerblonde Haare (auffallend), einen Kleiderschrank voller schmaler, schwarzer Kostüme (effizient, erfolgreich, selbstbestimmt) und hoher Schuhe (selbstsicher, in Balance) und, aus irgendeinem Grund, lange hautfarben lackierte Fingernägel (vermutlich schon als Krallen zu deuten) gehabt. Tatsächlich weiß ich sogar, wie dieses Ich gerochen hätte - nämlich wie mein kalifornisches Badezimmer jeden Morgen, wenn ich diätgeplagt und gestresst von den eigenen Ansprüchen an mich selbst, aber trotzdem voller großer Pläne für die Zukunft aus dem Haus ging. Die Mischung bestand aus Origins Mint Wash, das es inzwischen nicht mehr gibt, so dass ich den letzten Rest hüte, wie einen Schatz und Jardins de Bagatelle von Guerlain, das meine Mutter mir immer geschenkt hat und von dem ich mir jetzt selbst vor ein paar Tagen eine neue, volle Flasche gekauft habe. Sozusagen zum Auftakt.
 
 
 
 
Denn ich konnte das alles natürlich nie sein, weil ich ja die wichtigste Voraussetzung immer nur so selten und naturgemäß so unzuverlässig erfüllte: dünn zu sein.
 
Heute weiß ich es besser: Ich kann das alles sehr wohl sein, wenn ich will - und rund. Und ich kann mich heute als dicke Frau selbst neu erfinden, um die zu werden, die ich immer sein wollte. Ich kann den Kreis jetzt schließen.
 
Und da kommt dann Detlef mit seinem zehnwöchigen Plan wieder ins Spiel. Denn, wie auch vormals bereits erwähnt, selbst wenn es nicht mehr mein Ziel ist, abzunehmen - fitter wäre ich gern. Beweglicher. Mit weniger geschwollenen und schweren Füßen, wenn es wärmer wird. Schneller. Standfester. Ich spiele neuerdings wieder mit dem Gedanken, einem von diesen Fitness-Studios, die 24 Stunden geöffnet haben, beizutreten und mich zur Geisterstunde auf Laufbänder zu stellen. 
 
Obendrein sagt mir sein Low-Carb Ansatz plötzlich besonders zu - nicht als Diät, sondern weil mich meine Intuition im Hinblick auf die Auswahl meiner Nahrung ironischerweise immer häufiger um die Fischtheke schleichen lässt. Meine Intuition sagt im Augenblick, dass ich gar keine Vegetarierin bin. Auch ein Umstand, der einer Klärung bedarf...
 
Und weil Häutungen ein wenig Zeit brauchen, wird das Blog in den kommenden Wochen vermutlich schmählich vernachlässigt werden. Aber vielleicht geht das Lied danach erdbeerblond und so richtig laut weiter... ; )
 
NH