...verbringe ich allein. Und das nicht so sehr im Sinne von "ohne andere Leute", denn das ist eher selbstgewählt, sondern gefühlstechnisch. Nach einem Jahr Online-Dating-Selbstversuch, sitze ich wieder einsam unter dem metaphorischen Weihnachtsbaum. Zwar sehe ich momentan den Wald nicht, aber dennoch kann ich zumindest dieses weiterhin als gesicherte Erkenntnis verkünden: Für dicke Frauen, die sich für ihren Körper schämen, ist Sex mit freundlichen, begeisterten Fett-Liebhabern eine großartige Möglichkeit, sich in der eigenen Haut sehr schnell sehr viel besser zu fühlen, lang vermisste Bestätigung zu bekommen, und obendrein eine Menge Spaß zu haben. Es kann gar nicht oft genug gesagt werden, und meine Entwicklung von der ersten Idee über das Zögern bis zur Umsetzung kann man auf dem Blog ganz gut nachvollziehen. Ich habe es zuerst auch nicht für möglich gehalten. Und dann musste ich den nötigen Mut aufbringen. Und natürlich muss man wählerisch, egoistisch, selbstbestimmt und umsichtig sein in der Auswahl der Partner, denn was selbstverständlich nicht passieren soll, ist ein blödes Erlebnis. Peinlichkeit, Herabsetzung oder Unverschämtheit sind Gift fürs ohnehin gebeutelte Selbstwertgefühl einer dicken Dame und auf jeden Fall zu vermeiden. Darum stürze frau sich nur kopfüber ins Vergnügen, wenn die Sicht bis auf den Grund reicht, bzw. wenn sie echt gute Gründe hat, zu vertrauen. Im Zweifel Finger weg, anziehen und gehen.
All I want for Christmas...
Bekanntlich hatte die dicke Dame dann den Plan, den nächsten Schritt zu machen und so etwas wie eine feste Beziehung anzustreben. Zu einem Mann. Um genau zu sein: "Ich suche tatsächlich nach DER altmodischen starken Schulter zum Anlehnen. Nach jemandem, der weiß, was er will, selbstbewusst, klug und verlässlich ist, eine Menge Energie, Humor, und Feuer im Herzen, aber dafür weder Angst vor Verbindlichkeit noch Ungewissheit hat, gern redet, gut riecht und definitiv KEIN Sexmuffel ist. Ach, und es ist von vitaler Bedeutung, dass er Ironie versteht. Ich bin für vieles offen, tolerant, abenteuerlustig und lasse mich gern überraschen. Was ich nicht ertrage, sind Langweiler und Erbsenzähler." Das Vorangegangene ist mein Text im letzten noch bestehenden Profil bei einer Internet-Partnerbörse, nämlich rubensfan.de. Wie schon einmal erwähnt, habe ich alle anderen zwischendurch gelöscht. Man muss meiner Erfahrung nach verdammt aufpassen, dass die Suche nach einem Partner im Internet nicht zum Lifestyle und damit zum Selbstzweck wird. Trotzdem, der obige Text dürfte von selbst erklären, warum sich das Projekt Beziehung bis heute ungleich schwerer gestaltet, als passende Bettgenossen zu rekrutieren.
Dabei waren sie doch alle an meiner Seite, um mir auf die Sprünge zu helfen: Die Petra, die Brigitte, die Maxi und all die anderen Tussis. Wo wäre ich ohne die geballte Weisheit von Frauenmagazinen? Naja, vermutlich genau dort, wo ich jetzt ohnehin bin. Obwohl ich nun doch endlich mal weiß, woran ich einen "richtigen Mann" erkenne: am Bart. Offenbar stehen Männer außerdem auf Pornographie und Grillen - wer hätte das gedacht. Und übrigens sollte frau sich keine Sorgen machen, wenn sie in der Wohnung eines Mannes einen Teddybären entdeckt - was für eine Erleichterung. An anderer Stelle herrscht allerdings frische Verwirrung: Welcher Typ Partnerin bin ich denn nun? "Kumpel, Sexkätzchen oder Ersatzmutti?" Es soll ja Männer geben, die ihre Partnerin als "Regierung" bezeichnen. Na wenigstens ein Problem hätten wir dann doch für immer aus der Welt geschafft: Wenn Frau nicht will, dass ein Mann nach dem Sex sogleich aufspringt und wegläuft, sollte sie stets "eine Flasche Sekt und etwas Obst neben das Bett stellen." Finde ich vernünftig. Wenn er dann doch wegrennt (und das wird mit der fraglichen Disposition vermutlich trotz der Aussicht auf eine Ladung Vitamin C passieren), muss man selbst wenigstens nicht aufstehen, um es sich allein noch ein wenig gemütlich zu machen. Persönlich würde ich so gesehen ja auch noch ein paar belegte Brote vorbereiten. In dem Zusammenhang ohnehin noch ein Wort zur Warnung: "Sex ohne Verlieben" sollte frau laut Brigitte gleich gar nicht erst versuchen. Seitdem kann ich es nun ja kaum erwarten zu sehen, wann das Cover wieder so züchtige Überschriften zieren werden, wie: "Was Männern so gut schmeckt." Ernsthaft - wer würde sich eigentlich nicht lieber seine Hand abhacken, als so einen Quatsch zu schreiben? Ich glaube, ich erwähnte bereits an anderer Stelle, dass ich noch immer und trotz des anorektischen Personals in den Modestrecken VOGUE-Leserin bin, weil dort der Göttin sei Dank keine bescheuerte Lebenshilfe erteilt wird.
Gern gedruckt wird nebenbei auch der Hinweis, dass Männer im Grunde Kinder sind. Oder so etwas wie Eichhörnchen. Sie sind niedlich, aber tun halt dauernd Dinge, die vernünftige Menschen (Frauen) niemals täten. Im Grunde muss man sie nicht ernst nehmen. Aber lenken muss man sie schon. Das heißt, man muss ihnen sagen, was sie anziehen sollen. Und sie davon abhalten, singende Karpfen an die Wand zu nageln. Was Frauenmagazine eher selten vorschlagen, ist dass man seinem Partner mal deutlich erklärt, warum er gefälligst mehr Frauen in den Vorstand seiner Firma befördern sollte, aber wahrscheinlich bin ich da schon wieder auf einem überwucherten Holzweg unterwegs - quasi in einer lila Latzhose und ohne BH. So wie ich vermutlich auch exotisch in der Hinsicht bin, dass ich um Himmels Willen keinen Mann will, den ich nicht ernst nehmen kann. Ich will kein putziges aber abwegiges Tierchen von einem anderen Planeten in meinem Bett. Ich will kein Augenzwinkern und mildes Lächeln über die angeblich geschlechtsspezifischen Marotten des anderen. Ich will einen ganzen und erwachsenen Kerl, der meine Sprache spricht.
Wo wir gerade bei Ratschlägen waren, die ratlos machen - da ich nun öffentlich erzählt habe, dass ich mir eine Beziehung wünsche, bekam ich zum Geburtstag erstmals in meinem Leben themenbezogene Geschenke, u. a. ein Buch des Autors Eckhart Tolle mit dem schmissigen Titel "Lebendige Beziehungen jetzt!" Mit einem roten Herz auf jeder zweiten Seite und voll mit so bemerkenswerten Betrachtungen wie der folgenden: "Zurzeit befinden sich die meisten Männer ebenso wie die meisten Frauen noch fest in den Klauen des Verstandes: Sie sind mit dem Denker und dem Schmerzkörper identifiziert. Genau das verhindert natürlich die Erleuchtung und das Erblühen der Liebe. In der Regel ist der denkende Verstand das größte Hindernis für die Männer und der Schmerzkörper für die Frauen, obwohl in vereinzelten Fällen auch das Gegenteil der Fall ist und in anderen Fällen beide Faktoren gleichermaßen wirken." (Tolle, S. 62)
Ich werde mich jetzt selbstverständlich nicht dazu hinreißen zu lassen, Witze über Männer zu machen, deren größtes Problem offenbar ihr denkender Verstand ist - obwohl zumindest der Autor selbst es eindeutig verdient hätte, aber eins wird verdammt noch einmal nicht ungesagt bleiben, weil sonst mein Schmerzkörper vermutlich explodieren würde: WOMIT VERFICKT NOCHMAL HABE ICH DAS VERDIENT?!! WIE KOMMT JEMAND DAZU, MIR SO EINEN MÜLL INS HAUS ZU TRAGEN - GETARNT MIT GESCHENKPAPIER?!!
Ist es nicht genug, dass ich einem Horrorladen wie elitepartner.de ein Jahr lang fast 40 Euro pro Monat gezahlt habe, weil ich schlicht blöd bin? (Aber dazu in einem späteren Post mehr.) Reicht es nicht, dass ich mich monatelang täglich mit Männern auseinandergesetzt habe, die die Verwendung von "das" und "dass" bisher nicht gemeistert haben und ihre erste E-Mail an eine ihnen zwar sympathische aber eigentlich unbekannte Frau mit "Moinsen, schöne Frau, geht's gut?" beginnen? War es wirklich kein ausreichendes Opfer, sich 2013 wahrhaftig mehrmals sagen zu lassen, dass es sich nicht lohnt, mit mir Kaffee trinken zu gehen, weil ich ja keine Kinder will und es deshalb mit mir ja auch keine Zukunft geben kann?
Nicht so schlimm
Wie dem auch sei, ein sehr viel erfreulicheres und lebensnäheres Geschenk war auf jeden Fall die Körperlotion, die mir eine Verwandte übergab - in Verbindung mit dem Hinweis, dass ich mich ja jetzt schließlich hübsch machen muss, wenn ich einen Mann suche. Aus der selben Richtung kam sodann obendrein das durchaus nett gemeinte Lob, dass ich in einem bestimmten T-shirt, dass ich an jenem Abend trug, ja "gar nicht so schlimm" aussähe. Gemeint war natürlich "nicht so dick" (merke: dick = schlimm).
Golda Poretsky hat einen Leitfaden für dicke Frauen erstellt, der es ihnen erleichtern soll, die Feiertage zu überstehen - besser gesagt, die Vielzahl der versteckten und offenen Angriffe auf das eigene Selbstwertgefühl, denen die meisten Dicken vermehrt ausgesetzt sind, wenn die folgenden Dinge aufeinandertreffen: Freunde und Familie in größeren Mengen auf engem Raum zusammen mit einer noch größeren Menge Essen. Alle futtern und jammern, dass sie fett werden. Und sie beobachten die Dicke, die erst recht nichts essen sollte. Denn die ist ja schon fett. Wenn man Pech hat, machen sie Anspielungen oder äußern ihre Meinung über Körper und Essverhalten anderer unverblümt.
Tatsächlich sind Diet Talk und seine Allgegenwart etwas, wofür ich erst in den letzten Monaten eine entsprechende Sensibilität entwickelt habe. Ich hätte zuvor schwören können, dass er um mich herum die meiste Zeit gar nicht vorkommt, aber da lag ich total falsch. Würde ich Buch darüber führen, wie oft sich Menschen in meiner Gegenwart zumeist ohne böse Absicht sondern nur basierend auf ihrer kulturellen Prägung direkt oder indirekt negativ über Dicke und Essen äußern, über Diäten reden und ihren eigenen Kampf um eine "gute Figur", hätte ich mittlerweile vermutlich eine kleine Bibliothek füllen können: "Der Pullover steht dir, der kaschiert gut." "Eigentlich dürfte ich ja nicht." "Ich muss ja auch aufpassen." "Nach Weihnachten ist aber Schluss, da wird wieder trainiert." "Man muss auch mal sündigen." "Ab morgen ist wieder Schluss." "Sie sah richtig gut aus - so schlank." "Er hat so ein Glück, er kann essen, was er will." Sogar Fettliebhaber können erstaunliche Ambivalenz an den Tag legen, wenn es um Diäten und Dicksein im Allgemeinen geht. Auch das wäre in einer Beziehung schlicht nicht akzeptabel.
Vor dem eben geschilderten Hintergrund ist es vermutlich auch gar keine so schlechte Entscheidung, Weihnachten 2013 ohne Leute zu verbringen. Dafür gehe ich Anfang des Jahres zu meiner ersten Dildoparty. Ich habe das Gefühl, Fett wird dort kein Thema sein. Größe schon. ; )
Von allen Männern, die im fast vergangenen Jahr für ein Weilchen an mir hängengeblieben sind, ist übrigens nur das Ei noch immer da. Hat sie alle überdauert. Indem es ist, was es ist. Indem es mir am liebsten von allen ist. Obwohl es selbst mich eigentlich gar nicht so unbedingt wirklich mag und auch lieber überhaupt nicht so richtig will vielen Dank aber nein danke vielmals......oooh, wie sehr ich mir wünschte etwas Hulkartiges, Wildes würde die Schale von innen sprengen und IRGENDETWAS TUN. Egal was.
NH