Freitag, 23. Februar 2024

Aus dem Nähkästchen: Beziehungstipps


Der mehrstufige, aufklappbaren Nähkasten, dessen Inhalt ich fotografiert habe, war ein Weihnachtsgeschenk. Ich habe ihn auf einem Weihnachtsmarkt an einem Stand für Antiquitäten gesehen und ihn mir gewünscht. Er war voll mit Utensilien, so wie der Nähkorb meiner Mutter, den ich auch noch immer besitze - zusammen mit ihren Garnspulen, die in einem transparenten, länglichen Plastikbehälter sorgfältig farblich sortiert auf kleinen Plastikstäbchen sitzen, wie in einem Bus. 

Nähkästen sind Frauengeschichte. Sie sind Wahrzeichen für die Sorge der Hüterin des Hauses für die Menschen und Dinge, die sich darin befinden. Es wird repariert, gepflegt, verwandelt und vor allem zusammengehalten. Es entsteht Neues. Manchmal aus Altem. Die Grundlegenden Dinge des Lebens werden von ihr im Fluss gehalten. Der Nähkasten markierte den Bereich ihrer Verantwortung und ihres Wirkens, aber auch die bis heute vorhandene Einschränkung. Denn natürlich steht der Nähkasten auch für erzwungene Häuslichkeit und unterschätzte bzw. missachtete Leistung und Wirkung - und für das spezifische Wissen, das aus einer solch eingeschränkten, weiblichen Existenz erwächst.



Ich bekam also den Kasten zu Weihnachten mit Inhalt und wartete dann Monate, um ihn zu öffnen und die Alltagsschätze meiner Vorbesitzerin zu sichten. Ich wartete auf den richtigen Moment, so als würde sich mit ihm womöglich ein größeres, umfassenderes Geheimnis eröffnen. Dafür würde ich Zeit und angemessene Ruhe und Aufmerksamkeit brauchen. So bewegt ich schließlich davon war, diesen kleinen persönlichen Einblick in das Leben einer Unbekannten zu bekommen, so war das Gefühl der Verbindung bzw. die zwischen den Knöpfen und Nadeln konservierte Weisheit nicht annähernd so stark wie gehofft. Und zwei Tage später beendete mein Ex unsere Beziehung.

Das Wissen anderer Frauen

Ich quäle mich gerade durch Nicole Jägers letztes Werk "Unkaputtbar". Erstens sind toxische Beziehungen seit geraumer Zeit mein Lebensthema - länger, als mir bewusst war. Und zweitens dachte ich mir, dass, wenn die Frau Jäger aus ihren vergangenen Liebschaften einen ganzen Ratgeber machen kann, dann kann ich zumindest einen Blogpost dabei rausholen. Natürlich ist es der Frau Jäger nur gelungen, ein dickes Buch zu schreiben, weil sie, wie bei jeder ihrer Veröffentlichungen, immer und immer wieder den gleichen Inhalt wiederkäut. Aber dazu mehr in der Rezension des Buches, die, hoffentlich, irgendwann zeitnah folgt.

Nachdem ich vor ein paar Monaten nach sechseinhalb Jahren verlassen und dadurch in das tiefste und schwärzeste Loch meines Lebens geschubst worden bin (und regelmäßige Leser*innen wissen, dass ich mit mich Depression und Unzufriedenheit Zeit meines Lebens schon immer ganz gut ausgekannt habe), kann ich rückblickend von festen Verbindungen mit Männern eigentlich ohnehin nur abraten. Wie gesagt: Vier maßgebliche gescheiterte Beziehungen (von kurzen Episoden und Dates ist hier natürlich nicht die Rede) liegen hinter mir. Das ist gut eine pro Jahrzehnt meines Erwachsenenlebens und mag für manche noch überschaubar erscheinen. Für mich war es mit meiner Verlustangst und meinen Ansprüchen an einen Partner auf jeden Fall zu guter Letzt nicht mehr so richtig verkraftbar.

Meiner Erfahrung nach ist der Preis, der hinterher und im Verlauf vermutlich gezahlt wird, ohnehin immer - ja wirklich immer - viel zu hoch, für das, was am Ende bleibt - selbst dann, wenn das Ganze nicht mit einem riesigen Getöse und Geheule in die Brüche geht, sondern sich immer weiter zieht, bis es gnädig versandet. Das will natürlich nicht jede*r hören. Ich eigentlich auch nicht, aber sei es drum.

Insbesondere zu den frühen Warnzeichen der ersten Tage, Wochen und Monate in der Beziehung mit einem Mann kann ich Folgendes zur Unterhaltung beitragen:

1. Du stehst zum ersten Mal in seiner Wohnung und er erzählt dir umgeben von Müll und Gerümpel, er sei nur nach seinem Einzug noch nicht zum Aufräumen gekommen, obwohl du ja nicht blöd bist und sehr wohl weißt, dass du dich in einer Messie-Wohnung befindest. Entweder du nimmst jetzt die Füße in die Hand, oder aber gibst den Wunsch nach einer gemeinsam komfortabel bewohnbaren Wohnung am besten gleich an der Tür ab. Lügen und Gerümpel sind eine richtig schlechte Basis für eine gemeinsame Zukunft.

2. Es befindet sich kein Buch in der Wohnung. So oder so ein schlechtes Zeichen. Auf Nachfrage erfährst du, dass er die Bücher, die er angeblich schon liest, im Keller lagert, weil sie die Optik stören. Auch hier stellt sich die Frage nach den Zukunftsplänen. Natürlich muss frau die gar nicht erst haben - dann ist sie fein raus.



3. Ein weiteres frühes Warnsignal ist, wenn bereits kurz nach dem offiziellen Start der Beziehung grundlegende Hygiene zum wiederkehrenden Problem wird. Schlechter Atem, Schweißgeruch, dreckige Fingernägel, usw. gab es vor dir auch schon, und es fehlt ihm der Drive (und der Respekt), über die Honeymoon-Phase hinaus normale Pflegerituale aufrechtzuerhalten und sich regelmäßig was Sauberes anzuziehen. Darum also der Rückfall in die alte Normalität. Grundsatzgespräche über Körperpflege werden ein ständig notwendiges Ereignis sein. Wenn du das nicht willst, zieh die Reißleine lieber gleich.

4. Erst soll alles ganz schnell gehen. Wohnungsschlüssel werden sofort ausgetauscht, Heiratspläne bereits nach Wochen geschmiedet (fast wird schon der Tanzkurs belegt, damit das Paar beim Hochzeitsfest eine gute Figur macht) und nach einem gemeinsamen Haus wird ebenfalls schon aktiv gesucht. Wenn in Wirbelwindgeschwindigkeit mit allem ernst gemacht soll, stellt sich die Frage, warum überhaupt so hastig? Was soll das sein - Love-Bombing? Auf jeden Fall ist es notwendig, hier zeitnah und ebenso rasch vorher alle wichtigen Informationen einzufordern - z.B. wer soll das alles bezahlen? Oder: Wie viele Leichen liegen da im Keller?



5. Wenn sein Auto überraschend abgeholt wird, weil die Raten nicht mehr bezahlt worden sind, ist das ein Zeichen, dass er offenbar etwas verschwiegen bzw. gelogen hat. Es ist deine Entscheidung, ob du dich mit den finanziellen Problemen eines Partners herumschlagen willst, denn das wirst du, wenn du in der Beziehung bleibst, aber mach dir auf jeden Fall klar, dass du nie alles weißt. Da ist auf jeden Fall immer noch mehr Geldärger, von dem du erst erfahren wirst, wenn es sich gar nicht mehr vermeiden lässt.

6. Alkohol und Drogen sind wie Schulden und Chaos oder Agoraphobie und Putzzwang - wenn du Lust hast, jemanden zu pflegen und zu therapieren, die sicheren Rückschläge und jahrelange Enttäuschung auszuhalten, dich regelmäßig anschwindeln zu lassen und dich in der Zwischenzeit über die (ganz) kleinen Dinge zu freuen, dann bleib ruhig da.

7. Mangelnde Bereitschaft zur Übernahme von gegenseitiger Verantwortung füreinander sollten immer ein rotes Tuch sein. Wenn du fast an einer Fischvergiftung stirbst und er auch nach Stunden des Kotzens nicht aufsteht, um nach dir zu sehen, verabschiede dich besser, sobald es dir besser geht. Wenn du nach einer Routine-Operation auf der Intensivstation landest und das Krankenhaus ihn nicht erreichen kann, weil er bei fremden Nummern nicht ans Telefon geht, verabschiede dich, wenn es dir wieder besser geht. Oder tue es lieber gleich.



8. Zuverlässigkeit und Respekt gehen Hand in Hand. Wenn er mit deiner Zeit so umgeht, als wäre sie nichts wert und dich regelmäßig ohne guten Grund warten lässt, mach dir klar, dass du offenbar keine Priorität hast. 

9. Wenn in seiner Wohnung nur großformatige Bilder von ihm selbst hängen, lass es besser.

10. Wenn er sich nicht wirklich für deine Arbeit interessiert, bzw. seine immer wichtiger ist, ist das langfristig schlecht für dein Selbstwertgefühl. Das ist am Ende womöglich ein ziemlich hoher Preis.

11. Wenn die Trennung von der Partnerin vor dir erst eine kurze Zeit her ist, und er es ganz offenkundig auch noch nicht geschafft hat, sich komplett abzunabeln, wird das unweigerlich zu Problemen führen. Es gibt Fälle, da klappt das mit der Abnabelung von der Ex übrigens über Jahre hinweg nicht. Just sayin'. Schön ist das nicht.



12. Sollte es mit der Kommunikation von Anfang an holperig sein, sollte er Auseinandersetzungen und Klärung regelmäßig umgehen wollen und sich wegducken, wird es in Zukunft nicht besser werden. Auch wenn bereits in der ersten Phase der Beziehung seine Launen schwanken, es ihn augenscheinlich oft nicht interessiert, wie es dir eigentlich geht und du dir seiner Gefühle nicht wirklich sicher sein kannst, bringe dich besser in Sicherheit, denn ständige Ungewissheit kann zermürben und das Leben ziemlich unerträglich machen.

13. Wenn er Dinge, die dir gehören, in deinem Haushalt oder an deinem Auto kaputt macht, aber sich nie entschuldigt oder seine Haftpflichtversicherung ins Spiel bringt, ist auf jeden Fall Vorsicht geboten.

14. Wenn er sich fortgesetzt über dich und das, was dir wichtig ist, milde lustig macht, bzw. häufig stichelt und dich mit Humor getarnt kritisiert, renn so schnell du kannst. Du kannst es dir auf keinen Fall leisten, dich so behandeln zu lassen.







NH

Samstag, 17. Februar 2024

Wie es mir so geht - Teil 3: Geld und Selbstsabotage



Mir geht es weiterhin ziemlich mies. Die Medikamente müssen überdacht werden und die Lage schwankt gewaltig. Es gibt auch bemerkenswert weite Ausschläge nach unten. Diese werden allerdings fast immer durch äußere Faktoren getriggert. (Kommt alles ins Buch.) 

In den letzten Wochen habe ich ein für allemal begriffen und begreifen wollen, was bekanntlich nicht das Selbe ist, dass in der aktuellen Phase meines Lebens das wahre Problem und gleichsam am Ende wirklich die Lösung für fast alles - dieses ist: 

Geld. 

Ganz ehrlich, auch der abgehauene Ex ließe sich mittlerweile gefühlsmäßig durch einen vintage Jeep Cherokee Wagoneer mit Verkleidung in Holzoptik mehr als angemessen ersetzen. Siehe oben. Das alles war irgendwie schon ewig klar, aber nun hat sich das Nachdenken über Geld auf Platz 1 der To-Do-Liste eingenistet und ist mittlerweile sogar bestimmendes Thema in der Therapie. 

Dabei geht es natürlich nicht wirklich um die Anschaffung von Luxusartikeln zur Kompensation inneren Leidensdrucks; es geht konkret darum, dass Geld bzw. ein real eintretender oder befürchteter Mangel daran den größten Stressfaktor in meinem momentanen Leben darstellt. Meine Verzweiflung ist nur anteilig das Ergebnis einer persönlichen Disposition. Sie scheint im Gegenteil, oh Wunder, so gut wie komplett käuflich zu sein. Wenn ich keine Angst vor der nächsten Werkstattrechnung hätte, die anfällt, damit das unbedingt benötigte Auto durch den TÜV kommt, wäre mir schon viel wohler. Wenn ich mich und meine MS regelmäßig in den Urlaub schicken könnte, wäre ich vermutlich gesünder. Wenn ich nicht immer Angst hätte, dass mir jederzeit Aufträge und damit der Lebensunterhalt für mich und die Katzen kurzfristig wegbrechen könnten, wäre ich nicht täglich im Kampf- oder Fluchtmodus. Wenn ich nicht immerzu Angst haben müsste, dass ich mir angesichts überraschender Sonderumlagen das Wohnen in meiner Wohnung womöglich irgendwann nicht mehr leisten kann, obwohl sie mir gehört, fände ich es vermutlich auch einfacher, mich wenigstens in meinen eigenen vier Wänden sicher zu fühlen. Wie sich das wohl anfühlen würde, ist mir nicht wirklich bekannt, aber ich stelle es mir ziemlich geil vor. 

Ich weiß, ich bin - wie immer - nicht allein mit diesen Sorgen. Ich weiß, dass Rücklagen etwas sind, wovon inzwischen mehr und mehr Haushalte nur noch träumen können. Und mir ist aus meiner Arbeit mit Menschen ziemlich bewusst, dass beim Wegfall finanzieller Ungewissheit häufig vermutlich auch die Einnahme von Psychopharmaka sofort eingestellt werden könnte. Es ruiniert das Leben, wenn die zuverlässige Finanzierung einer normalen, würdigen Existenz immer auf der Kippe steht und frau nicht über genug Resilienz und Grundvertrauen verfügt, um sich damit zu beruhigen, dass sich schon immer alles irgendwie finden werde.

Geld wird ein neues Themenfeld auf diesem Blog sein. Es ist bekanntlich ein Empfindliches - übrigens auch im Hinblick auf die Erwartungen von Leser*innen und die gefühlte Integrität bzw. den Idealismus von Content-Creator*innen. 

Es stellen sich einige Fragen: Darf ich überhaupt über Geld reden? Darf ich zugeben, dass ich nicht genug habe, bzw. mehr brauche? Darf ich womöglich sogar sagen, dass ich schlicht mehr Geld verdienen und haben will? Soll ich darüber reden, wie ich meine eigene finanzielle Situation verändern will oder muss? Was ist meine Arbeit wert und wie bekomme ich das, was ich wert bin?

Natürlich kann frau auch die Systemfrage stellen. Warum müssen wir überhaupt in einer Welt leben, in der irgendwer jemals Angst um seine Existenz haben muss? Aber die Veränderung des Systems wird sie nicht erleben.

Meine persönlich größte Frage ist dieser Tage somit eine dem System total angepasste: Wie schaffe ich es, meine wirtschaftliche Situation, die mich oft so sehr bedrückt und meine Anxiety* in immer neue Höhen treibt, trotz dieser psychischen Beschwerden zu verbessern? Wie ergreife ich Maßnahmen gegen äußere Umstände, deretwegen ich mich eigentlich viel zu kraftlos fühle, um Maßnahmen zu ergreifen? Hinweise in den Kommentaren sind (meistens) erwünscht. 

Was mich an dieser Stelle noch zum Begriff "Selbstsabotage" bringt. Da hieß es vor einiger Zeit in den Kommentaren, dass ich meine Kraft (die vermutlich schon besäße) gegen mich "selbst drehe". Das war als Ratschlag gegen meine "lebenslange Selbstsabotage" gemeint. Auf Nachfrage wurde noch ausgeführt, dass es sich hierbei nicht um einen Vorwurf handle, sondern um einen "sanften Hinweis" dass, wenn bei einer Person, die, so wie ich, über vermeintlich viele Ressourcen verfügt und einen "sehr privilegierten Start ins Leben" hatte, im Leben dann alles so schief läuft bzw. sie so unglücklich ist über den Verlauf der eigenen Biographie, hier eine innere Verweigerung bzw. Blödheit im Spiel sein muss, die verhindert hat, dass die dumme Nuss eben jene überreichen Ressourcen hat nutzen können.

Es mag ja sein, dass in manchen Kreisen unwissenschaftlicher Motivationsscharlatanerie der Begriff "Selbstsabotage" noch modern ist, aber kein*e Therapeut*in, die ihr Geld wert sind, würde damit arbeiten, weil es sich hier natürlich um nichts anderes, als um eine verächtliche Umdeutung mit eingebauter Schuldzuweisung handelt. Natürlich kann ich es Selbstsabotage nennen, wenn ich unglückliche und/oder erfolglose Menschen nicht mag. Alle anderen reden hier wohl lieber von Trauma und Depression. Und darüber haben wir wiederum nur bedingt Kontrolle. Mitunter, frau mag es kaum glauben, fast genauso wenig Kontrolle, wie über Schicksalsschläge, Erkrankungen, Wetterkatastrophen, Todesfälle, unsere Eltern und andere dumme Zufälle. 

Wie frau auf die Idee kommt, dass Privilegien vor Unglück retten, ist mir zusätzlich schleierhaft. Ich kriege jeden Tag Werbe-E-Mails von der Firma, die Kate Spade einst gegründet hat. Erstens, weil ich ihre Taschen gerne ansehe. Und zweitens, weil mich ihre Geschichte berührt hat. Sie hat sich im Alter von 55 Jahren in einem Luxusapartment in Manhattan erhängt, obwohl sie wirklich alles zu haben schien, was wir gemeinhin als Zeichen eines erfolgreichen Lebens deuten würden. Vielleicht sollte frau sich lieber noch einmal gründlicher in der Welt umschauen, bevor sie anderen als Rat getarnte Zurechtweisungen in die Kommentare schreibt.


*Generalisierte Angststörung


PS: Zum Thema Geld und Bloggen fiel mir dieser Post von Ragen Chastain wieder ein - nicht komplett zur Thematik oben passend, aber dennoch interessant, finde ich.


NH