Sonntag, 27. September 2015

Follow me around 32: Haul


Schon wieder Samstagabend. Nicola allein zu Hause. Wenigstens habe ich vorher eingekauft. So habe ich nun trotz allem Trott was zu erzählen. Wenn meine Mutter und ich früher zusammen einkaufen gegangen sind, gab es hinterher immer beim Kaffee eine Runde "Schätze herzeigen". So etwas Ähnliches sind ja auch die "Hauls" im Internet heute.

Zunächst einmal würde ich gern sagen, dass die veganen Reissirup Schoko Flakes mit Zartbitterschokolade von 3 PAULY nichts, ABER AUCH NICHTS mit herkömmlichen Choco-Crossies zu tun haben. Eigentlich, wenn man mir eine Pistole auf die Brust setzen und mich zu rückhaltloser Ehrlichkeit zwingen würde, müsste ich sagen, dass sie meiner Ansicht nach noch nicht einmal viel mit Nahrung zu tun haben. Und, oooh ja, sie sind verdammt bitter.

Was auch vegan, aber natürlich ausgesprochen essbar ist, ist meine (zumindest bei mir selbst) allseits beliebte, alljährliche Kürbissuppe. Zum Kürbis habe ich mir in diesem Jahr ein schickes, scharfes Messer gekauft, um nicht, wie vormals, Stunden damit zu verbringen, ihn in der Mitte zu spalten. Mit dem richtigen Messer könnte ich das nun den ganzen Tag über tun. Sozusagen als Prelude zu Halloween und als Hommage an Michael Myers. Und als Ventil, um schnaubende Wut über die kleinen Dinge abzulassen.

Denn "die kleinen Dinge" im Leben, sind nicht immer die, die sprichwörtlich Freunde bereiten. Wenn ihr mich fragt, sind ihr Einfluss und Ruf in dem Bereich komplett überbewertet. Denn die "kleinen Dinge" sind es auch, die einen absolut fertig machen können. Dauernd klemmt was. Dauernd fällt was. Dauernd ist irgendetwas im Weg oder ganz anders als gedacht. Aber ich nehme an, Gemüse kleinzuhämmern, wäre vermutlich die bessere Wahl als...na, sagen wir mal, als auf den Computer einzudreschen, nachdem er zum hundertsten Mal abgestürzt ist. Es war nicht wirklich seine Schuld. Was ihm zugesetzt hat, waren die abgegrabbelten DVDs, die ich aus der Zentralbibliothek ausgeliehen habe. 

Ja, zum ersten Mal seit dem Studium bin ich wieder Mitglied einer öffentlichen Leihbücherei. Das Konzept, Bücher und Medien nicht mehr kaufen und dann auch noch auf meinen 62 Quadratmetern permanent lagern zu müssen, schien mir plötzlich eine himmlische Lösung für viele Probleme zu sein -  und die ruhigen Hallen voller Bücher kamen mir natürlich ohnehin paradiesisch vor. Zu meinem Entzücken hat die hamburger Zentralbibliothek sogar ein Parkhaus!

Das ändert nichts daran, dass ich schon Probleme beim Ausleihen der Medien hatte, weil erst der dritte Automat sie erkannt und freigegeben hat. Und nun kann mein Computer sie nicht störungsfrei abspielen, und die vierte Staffel von "Parks and Recreation" schlingert bereits zum x-ten Mal im Laufwerk. Ich kann so nicht arbeiten... wünscht mir und Bette Davis für den Rest des Abends Glück. 

Ganz habe ich natürlich nicht damit aufgehört, Bücher zu erwerben. Insbesondere was Bilderbücher für meine Sammlung angeht, ist der Besitzerstolz natürlich Teil des Deals. Und meine Liebe für Mäuse, die in Baumwurzeln wohnen, ist ungebrochen. Das antiquarische Bilderbuch, das ich letzte Woche bestellt habe, kam mir plötzlich merkwürdig bekannt vor, als ich es ausgepackt hatte...jupp, das passiert mir übrigens mit Büchern öfter mal. Was das beweißt ist aber auch, dass man auf vielen Feldern keine großen Wandlungen durchmacht / durchmachen kann, bzw. im Kern erstaunlich konsistent ist. 


 Und dann sah ich im Schaufenster Ohrringe, die ich wirklich nicht brauche und dachte, dass ich sie ganz dringend brauche, um mich für irgendeinen zukünftigen Anlass hübsch zu machen. Es war das Swimming-Pool-Blau und dass das scheinbar opake Glas doch Licht hindurch lässt und bricht, wenn es im richtigen Winkel einfällt. Anprobiert habe ich sie im Laden nicht. Wer kommt denn auch auf die Idee, dass die Hänger für meine fleischigen und langen Ohrläppchen (wie bereits berichtet, vom Vater geerbt) zu kurz sind? Und da sie nicht angedrahtet sondern angelötet sind, kann ich sie nun zum Juwelier tragen, und ändern lassen. In Ohrring-Hänger könnte man sich vermutlich nicht hineinhungern, selbst wenn man es vorhätte.


Durch puren Zufall und in Begleitung einer lauferfahrenen Person fand ich mich letzte Woche in einem Marken-Outlet in Neumünster wieder. Dass ich große Pläne habe, was meinen Fitness-Level angeht, aber bisher wenig bis nichts unternommen habe, um ihn zu steigern, erzähle ich ja immer gern jedem der es hören oder nicht hören will. Und obwohl ich natürlich über Turnschuhe verfüge, habe ich noch nie zuvor ein Paar ausgewiesene High-Tech-Laufschuhe besessen. Jetzt schon. Quasi wie die Jungfrau zum Kinde.Und preiswert geschossen.

Ich tue mich mit der unruhigen Optik der meisten modernen Sportschuhe schwer. Sie sehen fast alle aus, wie grelle Omagesundheitsschuhe. Am Fuß allerdings sind die, die ich dann doch mitgenommen habe (asics, GEL-Super J33 in Purple/Lime/Raspberry (!!!)), fast nicht zu spüren. Es fühlt sich an, als wäre man irgendwie barfuß, aber mit einem Luftpolster zwischen Fußsohle und dem Boden. Sie sehen schrill und wirr aus, aber das Laufgefühl ist wirklich ziemlich gut. Jetzt müsste ich also wirklich nur noch losschweben.


Samstag, 26. September 2015

Die dicken Damen des Herrn Hongfei

Ein Bekannter hat mir Fotos von Skulpturen des chinesischen Künstlers XU Hongfei geschickt, die bis zum 13. September im Lustgarten in Berlin und auf dem Potsdamer Platz zu sehen waren. Offenbar sind die Werke unter dem Titel "Chubby Women" (In Berlin hießen sie offenbar "Fat Ladies" (?)) seit 2013 auf Welttour und sind u.a. bereits in Singapur, Melbourne, London, Paris und Mailand ausgestellt worden. Die Austellung war Teil des Kulturaustausches zwischen Berlin und der chinesischen Provinz Guangdong. 

Im Flyer zur Ausstellung stand, dass Hongfei mit seinen dicken Frauen genau das vermitteln will, was wahrscheinlich auch jeder auf den ersten Blick vermuten würde: "Jeder Mensch hat das Recht, sich und seinen Körper zu mögen." Somit haben die Arbeiten Hongfeis künstlerischer Absicht zufolge weder einen doppelten Boden noch eine unerwartete Botschaft. Und schon gar keine unterliegende Ironie. Hongfei fordert das Publikum übrigens im Flyer explizit dazu auf, die Skulpturen anzufassen und zu fotografieren.

Er hat (halb)nackte, runde Frauenfiguren kreiert, die offenkundig (auch/trotzdem) sexuelle Wesen sind. Und die selbstbewusst und mit großer Bestimmtheit, körperlicher Kraft und Energie, sowie Freude öffentlichen Raum einnehmen und sich so gegen Weiblichkeits- und Schönheitsstandards stemmen. Mir haben sie wirklich gefallen, obwohl einige von ihnen natürlich haarscharf an fettem Kitsch vorbeischrammen. Leider habe ich es nicht rechtzeitig in die Hauptstadt geschafft, aber umso mehr habe ich mich über die Fotos und den Hinweis auf die Ausstellung gefreut. 

Ich frage mich, ob sie wohl für viele der Betrachter eine sehr große ästhetische Herausforderung gewesen sind. Und wie viele die dicken Frauen einfach nur für "lustig" oder, andererseits, schlicht "ekelhaft" oder "anstößig" fanden. "Lustige" Dicke sind natürlich kein besonders innovatives Konzept und im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit ihrer gesellschaftlichen Herabsetzung und die Veränderung von Sehgewohnheiten nicht wirklich hilfreich. Trotzdem: Am Ende kriegt weibliches Fett natürlich nur selten eine solch öffentliche Bühne.









NH

Liebster Award

Ich habe von Dani von Danjeschkas Tests einen Preis verliehen bekommen! 

Das ist, glaube ich, mein zweiter, und ich freue mich natürlich sehr über die Anerkennung. Teil der Awards ist ja immer ein kleiner Fragekatalog und hier sind Danis Fragen an die von ihr Nominierten:

1. Warum bloggst du?

Weil ich gern schreibe, ein Showgirl bin und platzen würde, wenn ich nicht meine vielen Meinungen, Ansichten und Überzeugungen über die Welt in eben jene hinausschicken könnte. Der Göttin sei Dank für das Internet!

2. Was motiviert dich neue Posts zu schreiben?

Ich brauche keine Motivation, um zu schreiben. Ich brauche aber natürlich Zeit - und das ist leider immer wieder das größte Hindernis.

3. Würdest du deinen eigentlichen Job kündigen, wenn du vom Bloggen leben könntest?

Ja. Ich würde mir selbst kündigen. ; )

4. Bist du rundum zufrieden mit deinem Blog oder würdest du gerne was ändern?

Ich bin schon zufrieden mit den meisten Aspekten meines Blog. Obwohl ich natürlich auch Pläne für Weiterentwicklung und Veränderungen habe.

5. Was wäre dein Traum-Thema über das du mal gerne bloggen würdest?

Eigentlich blogge ich schon genau über das, was mich am meisten interessiert/persönlich umtreibt. Aber jetzt, wo ich so darüber nachdenke - vielleicht gäbe es auch noch andere Themen für ein anderes Blog...hm...

6. Welcher deiner Posts ist dir der liebste?

Ich habe alle meine Post lieb. ; ) Für gewöhnlich ist mir der zuletzt veröffentlichte am liebsten. Vielleicht finde ich diese hier aber doch besonders gelungen/relevant:




7. Wenn du ein Buntstift wärst, welche Farbe wärst du?

Pink.

8. Kuchen oder Kekse?

Na beides! Ist doch wohl klar! ; )

9. Welches ist dein Lieblingsblog, neben deinem eigenen?

Das ist ganz schwer zu sagen, denn da gibt es viele, bei denen ich gleich gern vorbeischaue. Eines meiner Lieblingsblogs ist sicherlich das englischsprachige Fettakzeptanz-Blog Just me, Leah

10. Cola oder Cocktails?

Ich lebe ja die meiste Zeit des Tages von von Diet Coke/Coke Zero. Also Ersteres.

11. Wo würdest du am liebsten mal ein Jahr lang leben?

Hm...ich denke, wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich noch mal ein Jahr in Los Angeles verbringen. Wenn ich einen völlig neuen Ort wählen müsste, wäre es noch immer Tokio. Das steht auch als Reiseziel schon so lange auf meiner Liste.


NH


Sonntag, 20. September 2015

Follow me around 31: Saturday Night Life


Ich hab's getan. Ich habe mir bei Penny eben die ersten Weihnachtskekse des Jahres gekauft. Außerdem eine Geburtstagskarte mit einem Leoparden drauf. Die schicke ich mir dann in drei Monaten selbst. Dann noch einen "glitzernden Prinzessinnen-Pack" von Lillifee, sowie zweimal die selbe Ausgabe von Wendy, weil ich bitteschön gleich ZWEI von den beiliegenden Fashion Cats haben wollte, denn die tragen auch Krone und bringen sogar ihr eigenes Schloss jeweils gleich mit. Erst hatte ich die Eingabe, heute Abend noch eine ganze Stadt aus Fashion Cat Schlössern zu errichten, aber dann dachte ich an all die Entrümpelungsarbeiten der letzten Jahre und hielt mich zurück. Obwohl - was könnte es Besseres geben, als Katzen in Fertigbauschlössern? Überhaupt sagt mir die Vorstellung, dass der magische Status und das Leben einer "Prinzessin" sozusagen im praktischen Starter-Kit zu bekommen ist, wirklich zu. Wie cool wäre das? Und als vermutlich ziemlich radikale Feministin habe ich bekanntlich trotzdem mit Pinkifizierung kein Problem whatsoever. Schon gar nicht mit meiner eigenen.

Die Dicke Dame Dating Tour - Teil 1

Was uns zur Suche nach einem "König" bringt. Wenigstens habe ich mich nun endlich zum Speed Dating angemeldet - und der Gründlichkeit halber für gleich zwei Veranstaltungen. Am 11.10.2015 sitze ich ab 21 Uhr in der Turmbar in Hamburg (der Veranstalter ist DateYork) einer Hand voll wildfremden Männern gegenüber und hoffe wirklich nur das Beste, bzw. dass das Ganze nicht auch wieder in komischer Tragik endet. Und für den Fall, dass beim allerersten Daten am laufenden Band keiner abfällt, habe ich auch noch eine zweite Buchung für den 25.10.2015, um ab 16 Uhr in der Gecko Bar (der Veranstalter ist speeddating.de) Kandidaten auf den Zahn zu fühlen. Wobei ich bei meiner Altersgruppe (40 bis 54 bzw. 56) nur hoffen kann, dass da noch alle Teilnehmer die meisten ihrer Zähne haben. Herrje, wann bin ich eigentlich so alt geworden...

Rettet die Wale




Vorsicht bei diesem Bild: Satire!

Vor ca. 10 Jahren habe ich mal in einer Talkshow gesessen, und Frank Elstner auf seine Nachfrage hin erklärt, dass es sehr wohl möglich ist, Vegetarierin und dick zu sein. Denn ich war immerhin ein ziemlich deutliches Beispiel dafür.

Der Grund, warum ich dieser Tage immer mal wieder einen Anlauf unternehme, mich weitgehend vegan zu ernähren, ist, dass ich es für eine plausible, ethische  Entscheidung halte. Auf Fleisch und jetzt auch auf andere Tierprodukte zu verzichten, ist nichts, was ich aus primär gesundheitlichen Gründen unternehme. Meine Motive waren und sind in erster Linie moralisch. Als ich mit ca. 12 Jahren aufhörte, Fleisch zu essen, war es nicht schick, vegetarisch zu sein. Es war eher dünnlippig, freudlos und auf ausgewaschene und ungekämmte Weise "alternativ". Zumindest ist das die Atmosphäre, die meine Erinnerung noch so hergibt.

Der Veganismus, der mir heute so begegnet, hat mehrere Ausläufer, von denen die Mehrzahl mir mitunter unerträglich eitel und durch elitäres Gehabe geprägt zu sein scheint. Es ist selbstverständlich im Augenblick super stylish, vegan zu sein. Und während es Tieren natürlich egal sein kann, warum sie verschont bleiben, so ist doch fraglich, ob die "Mode" Veganismus nicht womöglich, wie alle Moden, am bitteren Ende ein klares Verfallsdatum hat.

Das gilt besonders im Hinblick auf die Tatsache, dass Veganismus auch deshalb boomt, weil er angeblich dünn macht. Für viele ist er lediglich ein neuer Diätversuch. Und als solcher, wird er bei Scharen von Vegan-for-Fit-Anhängern scheitern und abgebrochen werden. Attila Hildmans vegane Fitnessratgeber und Kochbücher (mit ihrem grammatikalisch eigentümlich abwegigen Titel) werden womöglich in ihrer Mehrheit zusammen mit der "Dukan Diät" und "Schlank im Schlaf" auf Regalen verstauben, während ihre Käufer schon längst wieder zu alten, tier-un-freundlichen Ernährungsweisen zurückgekehrt sein werden.

Besonders ärgerlich wird die Verbindung von Veganismus und Body Shaming natürlich, wenn sie ausgerechnet von einer Tierschutzvereinigung gezielt und bewusst instrumentalisiert wird. PETA hat sich hier in den vergangenen Jahren einen berühmt-berüchtigt fiesen Ruf erworben. Und müsste, wenn alles mit rechten Dingen zuginge, mehr potentielle Mitglieder verschreckt als gewonnen haben. Auch hat  PETA natürlich wiederholt das deutlichste Beispiel dafür präsentiert, was passiert, wenn Tierschutz keine Überzeugung, sondern nur ein Accessoire ist: Mehrere der prominenten Frauen, die sich für PETAs Anti-Pelz-Kampagnen über die Jahre hinweg nackig gemacht haben, wurden später selbstverständlich wieder im Pelzmantel gesichtet. PETA basht bekanntlich nicht nur systematisch dicke Menschen, sondern erstaunt auch immer wieder mit grellem Sexismus. Von halbnackten Frauen in Ketten bis zur Verharmlosung von sexueller Gewalt - die Tierschützer schrecken werbetechnisch so leicht vor nichts zurück. Schließlich sind sie kein Club für die "ethische Behandlung von Frauen". Darum können sich dann ja andere kümmern.

Unter der Überschrift "Vegan for Fat" hat Ulrich Bender im Vegan Magazin (April/Mai 2015) darüber geschrieben, dass vegane Ernährung mitnichten automatisch schlank und straff macht. Er muss es wissen, denn er ist ein dicker Veganer, der vegane Diätprogramme versucht, aufgegeben und sich dann entschieden hat, nun doch dick zu bleiben, obleich er als dicker Veganer mitunter mit besonderem Unverständnis konfrontiert wird, weil er doch eigentlich und dem veganen Klischee zufolge gar nicht dick sein kann. Er überlegt, einen  Verein zu gründen: "Die anonymen fetten Veganer". "...wir werden (...) darüber sprechen, wie wir es schaffen, trotz fantastischer tierleidfreier und vitaminberstender Nahrung mit schlechtem Gewissen und Übergewicht durchs Leben zu watscheln."

NH

Sonntag, 13. September 2015

DER HIMMEL WAR SO BLAU...

...wie eine blaue Kaffeekanne.*

Diese großen Wendungen des Herzens, bei denen jemand plötzlich einem fahrenden Zug hinterher hetzt oder in letzter Sekunde auf den Flughafen stürmt - die gibt es nicht. Nur in Büchern und Filmen. Dort natürlich haufenweise, weil wir sie uns so sehr wünschen. Wir wünschen uns Wunder im Bewusstsein des anderen zu unseren Gunsten. Aber sie passieren einfach nicht. Oder so schleppend und zögerlich, dass man sich wirklich niemals sicher sein und die gefühlte Musik zum Ereignis auch unmöglich so lang anschwellen kann. Es ist zum Verzweifeln. Die Realität schweigt und beißt. Liebe beißt. 

Ich arbeite noch immer am Plan für die DICKE DAME DATING TOUR 2015. Speed Dating und Barhocken und so. So recht mag ich mich noch immer nicht aufraffen. Mit einer erfolglosen Tanzveranstaltung und einem weiteren grotesken Date aus der Hölle auf dem Konto der Fehlschläge, gab es in den letzten Wochen wirklich keine Zeichen, die dazu geeignet wären, eine zu ermutigen. Trotzdem weiß ich natürlich, dass mir kein Partner vor die Füße fallen wird. Ich kann mich nicht auf glückliche Zufälle verlassen - davon gab es in meinem Leben so gut wie keine. Ich muss immer was machen, damit was passiert. Und selbst dann ist kaum etwas jemals leicht. 


Hokuspokus

Ich habe hier bereits öfter erzählt, dass ich vor 20 Jahren eine große Anhängerin des "positiven Denkens" war. Als ich vor ein paar Wochen mal wieder im esoterischen Buchladen Wrage im Uni-Viertel war, habe ich, fast wie aus alter Gewohnheit, ein, zwei Bücher zum gleichen Thema mitgenommen. Tatsächlich sind Bestellungen beim Universum und das Gesetz der Anziehung offenbar auch nach Jahrzehnten noch immer Goldesel auf dem Esoterik-Markt. Allerdings natürlich nur für die AutorInnen und Gurus. 

Das Gesetzt der Anziehung besagt, dass Menschen die Dinge im Leben anziehen, bzw. "manifestieren", mit denen sie sich gedanklich am intensivsten beschäftigen, denn Gedanken sind angeblich eine Form von Energie, die Umstände und Gegenstände erschaffen kann. Wissenschaftlich ist das Konzept nicht. Und darüber hinaus ist es auch noch zutiefst bösartig und destruktiv, weil es Menschen auch für alles Schlechte, das ihnen im Leben geschieht, die Verantwortung zuschiebt. Wer krank ist, Opfer einer Straftat oder einer Naturkatastrophe, betrogen oder entlassen wird und keine Prada-Tasche hat, hat seine Gedanken einfach nicht unter Kontrolle, denn während positive Gedanken gute Dinge manifestieren, sind negative Gedanken genauso kreativ und führen zu Tod und Teufel. Und wenn es dazu kommt: Selbst Schuld!

Die Autorin Pam Grout schlägt in ihrem Buch E² (Ullstein, 2013) neun "Experimente" vor, die die Leserin selbst durchführen kann und die Zweiflern beweisen sollen, dass das Gesetz der Anziehung doch funktioniert. Ich habe ganz offenbar viel zu viel Zeit - auf jeden Fall habe ich das 1., 2., 4., 5. und 8. Experiment gemacht. Tatsächlich habe ich auch zu jedem brav ein "Laborprotokoll" ausgefüllt. Zwar habe ich davon abgesehen, mir eine Wünschelrute aus Kleiderbügeln zu basteln. Und ich habe auch nicht über meinem Essen gebetet und so versucht, innerhalb von 72 Stunden ein Pfund abzunehmen. Aber ich habe mich darauf konzentriert, einen Tag lang so viele gelbe Autos wie möglich wahrzunehmen, und habe es tatsächlich auf 38 gebracht. Aber obwohl es so schön gewesen wäre, sich eines Besseren belehren zu lassen, so traf doch, wie früher, nichts ein, auf das ich mich für jeweils 48 Stunden konzentriert habe. Das Universum blieb stumm und selbst Antworten auf ganz einfache Fragen schuldig, gab keinen Laut von sich und verteilte ebenso wenig auch nur die kleinsten, wahrscheinlichsten Geschenke (eine Aufgabe war, sich zu wünschen, dass innerhalb von zwei Tagen IRGENDETWAS Bemerkenswertes oder Unerwartetes passieren würde). Selbst das, worauf die Autorin natürlich zählt und was den meisten LeserInnen des Buches zumindest bei einigen der absichtlich höchst allgemein gehaltenen Experimente entgegen kommen und zu einem ansatzweise positiven Ergebnis führen dürfte, half mir in keinem der Versuche weiter - der glückliche Zufall. Innerhalb einer Woche geschah nicht ein einziges Mal zufällig irgendetwas, das ich mit viel Wohlwollen als Lächeln der universellen Energie hätte deuten können.

Schöne Scheiße.

Was mich am meisten ärgerte und im Übrigen auch erschreckte, war das starke, mir sehr vertraute Gefühl der Frustration und des Versagens, dass das Scheitern der sinnlosen und natürlich komplett verrückten "Experimente" in mir hervorrief. Wider besseres Wissen. Wir sind nur begrenzt in der Lage, unsere Angelegenheiten zu steuern. Aber es ist so verdammt schwer, das zu akzeptieren.

What would you do today if you didn't despise yourself?**

Inzwischen lese ich mir nun selbst laut Bücher vor. Unworthy (Penguin, 2015) von Anneli Rufus liest sich stellenweise tatsächlich wie ein Selbstgespräch. Es geht um Selbsthass und um Strategien, ihn schrittweise zu überwinden und hinter sich zu lassen. Ich kann nun meine eigene Stimme an einigen Stellen vor Betroffenheit kippen hören. Rufus weiß, wovon sie redet.Und wir sind Mitglieder im gleichen Club. Obwohl ich nun schon so lange als dicke Frau an meiner Selbstakzeptanz arbeite, musste ich feststellen, dass ich auf die Frage auf dem Cover (s. o.) noch immer so gar keine rechte Antwort habe. 

Genauso wenig verspüre ich aber offenbar den Impuls, automatisch einzuwenden: "Aber ich hasse mich doch gar nicht!" Weil die Sache wirklich nicht so eindeutig ist. Man kommt von so weit her und kommt doch noch immer nicht an. Und Rückfälle sind auch heute noch keine Seltenheit. Anneli Rufus hat zehn Fallen für Selbsthasser identifiziert: Nicht zu wissen, was man will; Probleme, die eigene Identität zu finden; Bedauern; Angst vor der Welt; Schweigen; Probleme, wirklich erwachsen zu werden; zu leicht aufzugeben, übermäßige Loyalität mit denen, die uns schaden; Zweifel am eigenen Potential - und harsche Selbstkritik. 

Ich muss mich genauer im Blick behalten. Denn eine ambivalente und vorsichtige Einstellung zu mir selbst fühlt sich für mich noch immer sehr viel natürlicher und stimmiger an, als rosarote Selbstliebe. Und dabei geht es nicht nur um Fett. Ich habe mich in den letzten Jahren auf mein Fett und seinen Platz in der Welt konzentriert, aber dabei sind vermutlich weitere Gründe für ein geringes Selbstwertgefühl eher unbearbeitet geblieben. Dabei wüsste ich wirklich gern, was ich in kompletter Abwesenheit von Selbstablehnung tun würde.


NH

* Frau Entes großer Tag (Pixi Buch 64)

** Was würdest du heute tun, wenn du dich nicht verachten würdest? (Unworthy, Anneli Rufus)

Dienstag, 1. September 2015

THE UGLY GIRL PROJECT: Finale

Das Ugly Girl Project kommt nun zu einem Ende. Die folgenden Bilder sind sicher nicht meine letzten Selfies, aber die letzten aus einer Reihe experimenteller Inszenierungen.

Dicke wollen bekanntlich oft nicht gern mit aufs Bild. Weil sie glauben, hässlich und monströs zu sein, und ihren eigenen Anblick nicht ertragen. Ganz genau so ging es mir die meiste Zeit meines Lebens. Das Ugly Girl Projekt war Teil meiner Selbstakzeptanz-Reise. Ich nahm mein Selbstbild buchstäblich in die eigenen Hände, und machte mir selbst ein Bild - eins, auf dem ich mich zunehmend gut ertragen und am Ende wirklich ganz OK finden konnte.

Das Projekt begann 2010. Damals hatte ich nur so eine Ahnung, dass Selfies eine Strategie sein könnten, einen frischen Zugang zum eigenen Selbstbild zu entwickeln. Am Anfang hatte ich es gern ein wenig körnig und unscharf, aber es ist mir im Verlauf der letzten Jahre gelungen, mich aus der Unschärfe herauszuschälen - und gleichzeitig habe ich gelernt, mich mit meinem dicken Körper mit sehr viel größerer Selbstverständlichkeit und zunehmender Sichtbarkeit im öffentlichen Raum zu bewegen.

Einen abschließenden Zusammenschnitt der Selbstportraits aus den Jahren 2010 bis heute gibt es HIER.


Krone zurechtrücken...







© Nicola Hinz 2015