Man könnte es so sehen: Dafür, dass sie uns beim Ullstein Verlag unlängst das antifeministsche, gegen Fettakzeptanz wetternde Werk "Fettlogik" beschert haben, schulden die uns jetzt auch etwas. Magda Albrecht ist Feministin und Fettaktivistin und ihr Buch über Fettakzeptanz ist, weil von einer deutschsprachigen Autorin, eine absolute Rarität. Es ist ein ok Buch. Für Einsteigerinnen als freundlicher Denkanstoß und lockere Einführung in die Thematik auf jeden Fall zu empfehlen. Für alle anderen, (aber wo gibt es die hierzulande ohnehin schon groß), steht vermutlich eher nicht viel Neues drin.
Es gibt einen Abriss der persönlichen dicken Biographie, Hinweise zu Diäten und Vorurteilen, was die Gesundheit von Dicken betrifft, eine ausführliche Schilderung der Entstehung des BMI, Betrachtungen über die mediale Darstellung von Dicken, die Diskriminierung im öffentlichen Leben sowie die Hindernisse im öffentlichen Raum (z.B. beim Fliegen). Magda Albrecht thematisiert Adipositaschirurgie, intuitives Essen, Schönheitsnormen und liefert eine kurze Geschichte der Fettakzeptanzbewegung. Sie beschreibt ihren Weg zu mehr Selbstliebe und dickem Selbstbewusstsein (mit Rückschlägen) und betont, dass dicke Selbstakzeptanz in einer Welt, in der Dicksein so negativ besetzt ist, ein ausgesprochen schwieriges Unterfangen ist.
Und dann sind da das Recht der Dicken auf Mode und die Rolle von Fatshion in der Bewegung, die, wie der Titel auch vermuten lässt, viel Raum einnehmen. Die Autorin deckt im Plauderton und mit Humor alles Grundlegende irgendwie ab, was zur Basisausstattung gehört (bis hin zur Venus von Willendorf und Rubens), und kann so bestimmt Aha-Erlebnisse liefern und so mancher Mut machen.
Nur mir halt nicht.
Denn ich bin freudlos und streng, wenn es um meine Diskriminierung geht. Ich spürte schon ein leises Verzagen beim Lesen des schmissigen Untertitels ("Rund und glücklich durchs Leben"), und als ich entdeckte, dass sie der Autorin für das Coverfoto allen Ernstes einen Schokoriegel auf das Notebook gelegt hatten, schnappte ich natürlich bereits nach Luft.
Ich verstehe, dass für den Verkauf eines Produktes Kompromisse gemacht werden müssen. Aber in ähnlicher Fluffigkeit geht es zwischen den Buchdeckeln dann tatsächlich auch weitgehend weiter. Magda Albrecht schreibt in weiten Teilen ihres Buches als lustige, putzige Dicke gegen das Klischee der lustigen Dicken an. Dass sich das beißt, liegt auf der Hand. Nicht einmal bei der abschließenden Formulierung ihrer "Wünsche und Forderungen" entwickelt sie besonders viel Feuer oder auch nur durchgängig größere Genauigkeit. Sie "möchte" etwas mehr davon, etwas weniger hiervon und offenbar auch "selbstorganisierte Kleidertauschpartys, Flohmärkte und Nähklubs", sowie "Frauenzeitschriften, die Frauen in ihrer Vielfalt stärken". (S. 308)
Im Kapitel über dicken Sex wird (gefühlt) hauptsächlich gekichert und sich zugeprostet. Die tatsächliche Erörterung des Themas erschien mir mithin unangebracht zurückhaltend. Dafür ist das Kapitel darüber, wie frau ihre wahre BH-Größe ermittelt und vermutlich ein viel größeres Körbchen braucht als gedacht, eines der längsten im Buch (13,5 Seiten und damit genauso lang wie das über die Geschichte der Fettakzeptanz-Bewegung). Für die zwischendrin ausgetragenen "Outfitdramen" bin ich definitiv zu alt. Eine genauere Betrachtung der Verbindung zwischen Fettakzeptanz und Feminismus muss ich irgendwie überlesen haben.
Was ich andererseits schlicht nicht ignorieren konnte, waren die vielen - scheinbar augenzwinkernden (?) Hinweise darauf, wie schrecklich gern die Autorin isst. ("Ich war ein hungriges Mädchen...", "...ich liebe Essen!", "Ich gestehe...", "Der Löffel in der Hand und ich - wir sind ein echtes Dreamteam!", "...ausgestattet mit Snacks zur Beruhigung der Nerven...", "...ich stolz den Laufsteg des Lebens begehe, und sei es nur zur nächsten Bäckerei...", "Da lohnt es sich (...) ihn (Anmerkung: den Körper) ab und zu zum Eis einzuladen. Mit Streuseln. Und Sahne.") Mit der zuletzt aufgeführten Bemerkung endet übrigens auch das Buch. Sich im Dienste der Fettakzeptanz als fröhliche Dicke zu präsentieren, die außerdem angeblich immerzu unbekümmert Nahrung zu sich nimmt, führt zwangsläufig auf dünnes Eis. Das Bild der fortwährend essenden Dicken hat sogar eine zweischneidige Klinge - entweder bedient sie das Klischee der übermäßig lustvoll-instinktiven, (oftmals leicht unzivilisierten) Lebensfreude oder das von dicker Disziplinlosigkeit und Unwissenheit. Beides ist nicht wirklich schön. Denn wie vielen Märchen über Dicke möchte man als Fettaktivistin denn noch auf einen Schlag Gültigkeit zuschustern?
Und dann ist da diese merkwürdige und gehäufte Verwendung von im Grunde milde herabsetzenden bzw. tadelnden Beschreibungen von dicken Körpern sowie dem Vorgang des Essens selbst. ("wegmampfen", "schob mir den Riegel komplett in die Backen", "meine (...) Spitzendisziplin Löffelstemmen", "Schwabbel", "Speckrollen", "Schwergewichte", "speckig", "Dickerchen", "wegschmatzen", "Schleckermaul", "stattliche 90 Kilo", "...das fette Schlemmen..., "...der Schrecken jedes Kuchentischs...", "Moppeln", "Moppelchen", "ausladend", "Wampe", "spachteln", etc.) War das nun auch augenzwinkernd gedacht? Und wenn ja, warum all das überhaupt? Ist das nicht genau das, was "gute Dicke" tun? Hat sich all das nur unbewusst eingeschlichen? Oder sollen all diese Begriffe quasi im Laufen spontan positiv umdefiniert werden? Das wird dann aber ganz schön anstrengend.
Auch hier bleibt...na sagen wir mal...ein wenig erschrockene Verwunderung.
NH
Es gibt einen Abriss der persönlichen dicken Biographie, Hinweise zu Diäten und Vorurteilen, was die Gesundheit von Dicken betrifft, eine ausführliche Schilderung der Entstehung des BMI, Betrachtungen über die mediale Darstellung von Dicken, die Diskriminierung im öffentlichen Leben sowie die Hindernisse im öffentlichen Raum (z.B. beim Fliegen). Magda Albrecht thematisiert Adipositaschirurgie, intuitives Essen, Schönheitsnormen und liefert eine kurze Geschichte der Fettakzeptanzbewegung. Sie beschreibt ihren Weg zu mehr Selbstliebe und dickem Selbstbewusstsein (mit Rückschlägen) und betont, dass dicke Selbstakzeptanz in einer Welt, in der Dicksein so negativ besetzt ist, ein ausgesprochen schwieriges Unterfangen ist.
Und dann sind da das Recht der Dicken auf Mode und die Rolle von Fatshion in der Bewegung, die, wie der Titel auch vermuten lässt, viel Raum einnehmen. Die Autorin deckt im Plauderton und mit Humor alles Grundlegende irgendwie ab, was zur Basisausstattung gehört (bis hin zur Venus von Willendorf und Rubens), und kann so bestimmt Aha-Erlebnisse liefern und so mancher Mut machen.
Nur mir halt nicht.
Denn ich bin freudlos und streng, wenn es um meine Diskriminierung geht. Ich spürte schon ein leises Verzagen beim Lesen des schmissigen Untertitels ("Rund und glücklich durchs Leben"), und als ich entdeckte, dass sie der Autorin für das Coverfoto allen Ernstes einen Schokoriegel auf das Notebook gelegt hatten, schnappte ich natürlich bereits nach Luft.
Ich verstehe, dass für den Verkauf eines Produktes Kompromisse gemacht werden müssen. Aber in ähnlicher Fluffigkeit geht es zwischen den Buchdeckeln dann tatsächlich auch weitgehend weiter. Magda Albrecht schreibt in weiten Teilen ihres Buches als lustige, putzige Dicke gegen das Klischee der lustigen Dicken an. Dass sich das beißt, liegt auf der Hand. Nicht einmal bei der abschließenden Formulierung ihrer "Wünsche und Forderungen" entwickelt sie besonders viel Feuer oder auch nur durchgängig größere Genauigkeit. Sie "möchte" etwas mehr davon, etwas weniger hiervon und offenbar auch "selbstorganisierte Kleidertauschpartys, Flohmärkte und Nähklubs", sowie "Frauenzeitschriften, die Frauen in ihrer Vielfalt stärken". (S. 308)
Im Kapitel über dicken Sex wird (gefühlt) hauptsächlich gekichert und sich zugeprostet. Die tatsächliche Erörterung des Themas erschien mir mithin unangebracht zurückhaltend. Dafür ist das Kapitel darüber, wie frau ihre wahre BH-Größe ermittelt und vermutlich ein viel größeres Körbchen braucht als gedacht, eines der längsten im Buch (13,5 Seiten und damit genauso lang wie das über die Geschichte der Fettakzeptanz-Bewegung). Für die zwischendrin ausgetragenen "Outfitdramen" bin ich definitiv zu alt. Eine genauere Betrachtung der Verbindung zwischen Fettakzeptanz und Feminismus muss ich irgendwie überlesen haben.
Was ich andererseits schlicht nicht ignorieren konnte, waren die vielen - scheinbar augenzwinkernden (?) Hinweise darauf, wie schrecklich gern die Autorin isst. ("Ich war ein hungriges Mädchen...", "...ich liebe Essen!", "Ich gestehe...", "Der Löffel in der Hand und ich - wir sind ein echtes Dreamteam!", "...ausgestattet mit Snacks zur Beruhigung der Nerven...", "...ich stolz den Laufsteg des Lebens begehe, und sei es nur zur nächsten Bäckerei...", "Da lohnt es sich (...) ihn (Anmerkung: den Körper) ab und zu zum Eis einzuladen. Mit Streuseln. Und Sahne.") Mit der zuletzt aufgeführten Bemerkung endet übrigens auch das Buch. Sich im Dienste der Fettakzeptanz als fröhliche Dicke zu präsentieren, die außerdem angeblich immerzu unbekümmert Nahrung zu sich nimmt, führt zwangsläufig auf dünnes Eis. Das Bild der fortwährend essenden Dicken hat sogar eine zweischneidige Klinge - entweder bedient sie das Klischee der übermäßig lustvoll-instinktiven, (oftmals leicht unzivilisierten) Lebensfreude oder das von dicker Disziplinlosigkeit und Unwissenheit. Beides ist nicht wirklich schön. Denn wie vielen Märchen über Dicke möchte man als Fettaktivistin denn noch auf einen Schlag Gültigkeit zuschustern?
Und dann ist da diese merkwürdige und gehäufte Verwendung von im Grunde milde herabsetzenden bzw. tadelnden Beschreibungen von dicken Körpern sowie dem Vorgang des Essens selbst. ("wegmampfen", "schob mir den Riegel komplett in die Backen", "meine (...) Spitzendisziplin Löffelstemmen", "Schwabbel", "Speckrollen", "Schwergewichte", "speckig", "Dickerchen", "wegschmatzen", "Schleckermaul", "stattliche 90 Kilo", "...das fette Schlemmen..., "...der Schrecken jedes Kuchentischs...", "Moppeln", "Moppelchen", "ausladend", "Wampe", "spachteln", etc.) War das nun auch augenzwinkernd gedacht? Und wenn ja, warum all das überhaupt? Ist das nicht genau das, was "gute Dicke" tun? Hat sich all das nur unbewusst eingeschlichen? Oder sollen all diese Begriffe quasi im Laufen spontan positiv umdefiniert werden? Das wird dann aber ganz schön anstrengend.
Auch hier bleibt...na sagen wir mal...ein wenig erschrockene Verwunderung.
NH