Sonntag, 26. Juni 2011

The heat is on!


Sollte sie nun wirklich kommen am morgigen Siebenschläfertag – DIE MONSTERHITZE – sollte man nicht unvorbereitet sein. Und schon gar nicht als dicke Dame. Schüsseln mit Eiswasser für die Füße dürfen auf dem Balkon nicht fehlen, ebenso wie der Fächer und das Gesichtsspray in der Handtasche.

In der Zwischenzeit habe mich entschieden, wieder abzunehmen. Ich werde also nicht dick bleiben. Obwohl es viele gute Gründe gibt, die dafür sprächen. Wie ich zu dieser Entscheidung gelangt bin, erzähle ich in einem anderen Post.

Die Konsequenz ist, dass ich wieder Diät machen werde, und das wiederum hat mich gleich dazu veranlasst, mal wieder einen Smoothie zu erfinden – diesmal eine Art Erste-Hilfe-Cocktail für die heißen Tage.


The Big Apple

4 knackige Äpfel
ca. 30g frischer Ingwer
½ Galiamelone
2 Bananen
2-3 wilde Pfirsiche
ca. ¼ Liter Ginger Ale (Ja, ich weiß – Zucker und "Chemie", ist hier aber absolut notwendig!)*
2 Hände Crushed Ice

(für 4 - 5 Portionen)

NH


*Jahaaa, kannst du mir schon glauben! ; )

Mittwoch, 22. Juni 2011

Zwischenruf: Performance-Kunst


Katzensport ist wie "Katzenwäsche". Der Kater re-interpretiert die Turngeräte. ; )

NH

Samstag, 18. Juni 2011

Vom anderen Planeten


Und wo wir gerade davon sprachen: Ein Püppchen / Fetisch aus Stein oder Ton, das das Körperideal des Künstlers und seiner Zeit wiederspiegelt?...Ich habe bei Ausgrabungen / beim Aufräumen in meinem Keller MEINE persönliche Venus von Willendorf wiedergefunden. Sie ein Relikt aus den späten 80ern. Und das war VOR Kate Moss und Heroin Chic. Von mir im Kunstunterricht erstellt. Das Thema war vermutlich: „Nehmt mal einen Klumpen Ton und macht was Schönes damit.“ Und das habe ich getan. Ich weiß, dass es eine weibliche Figur ist, auch wenn man es im Prinzip nicht sieht. Allerdings wäre es mir als Teenager nie in den Sinn gekommen, bei freier Aufgabenstellung ein Kunstwerk zu fabrizieren, das sich nicht mit MIR, MIR, MIR beschäftigt hätte. Dafür wird überdeutlich, dass ich etwas für lange, dünne Hälse und knochige Schultern übrig hatte. (Kann auch nicht sagen, dass es heute ganz und gar anders wäre.)




Erst war ich erschüttert, als ich sie auspackte. Garantiert war ich auch gerade wieder dabei, eine Diät zu machen, als die Figur entstanden ist, denn ich habe als junges Mädchen immer irgendwie Diät gemacht. Zumindest im Kopf. Und ich musste natürlich sofort an Pro Ana Ästhetik denken. Die Verherrlichung von sich dahinschleppendem, ausgemergeltem Weltschmerz. Und ich bin überzeugt, dass die Figur eine unbeabsichtigte, aber umso deutlichere Darstellung einer vorhandenen Essstörung sowie des ewigen Kampfes mit dem eigenen Körper und nicht erfüllten Idealen ist. Und sie ist bereits über 20 Jahre alt.


Aber: Obwohl die Figur wie die Venus von Willendorf kein Gesicht hat, scheint sie erstaunlicherweise trotzdem einen Ausdruck zu haben, vielleicht sogar mehrere. Und sie hat Arme, die ihren langen, dünnen Oberkörper nach außen hin definieren und abgrenzen. Dafür verfügt sie weder über einen Unterleib (genau genommen knickt sie gerade an der Stelle besonders weit ein), noch über echte Beine. Sie hat eine Art Sockel – auf dem sie jedoch erstens recht stabil steht, und in dem zweitens eine unbestreitbare Dynamik steckt. Sie scheint sich trotz allem vorwärts zu bewegen. Möglichweise schwebt oder wabert sie aber auch eher, als dass sie wirklich einen Fuß vor den anderen setzt. Glücklicherweise marschiert sie zumindest nicht. ; ) Sie hat Richtung, Ernsthaftigkeit, Haltung und irgendwie – Bestimmtheit. In der Hinsicht ist in der Tat das, was ich immer sein wollte. Und insofern erzählt sie die uralte Geschichte von dem Leben und dem Ich, für das das Dünnsein immer als symbolischer Platzhalter herhalten musste.


Nun steht sie also auch auf dem Schreibtisch, neben der kleinen, dicken Venus (die, wenn man ehrlich ist, allein auf ihren Füßchen ja gar nicht stehen kann). Ich finde, sie sind ein interessantes Paar. Aber wer bin ich?

NH

Dienstag, 14. Juni 2011

Zwischenruf: Menschen bei Maischberger

Shushan hat mich auf eine Fernsehdiskussion zum Thema - Dick bleiben?/Dünn werden? - aufmerksam gemacht, die heute Abend in der ARD läuft:

Menschen bei Maischberger
14. JUNI 2011, 23.45 UHR
Schluss mit schlank: Lieber dick als auf Diät?


NACHTRAG:

Ja, da staunt man. Was für ein Reigen. Was für eine Leere. Nicht, dass einen das jetzt groß überrascht hätte. Eine sinnvolle, ergiebige Zusammenstellung der Gäste ist halt nicht jedes Redakteurs Sache. Aber lernen kann man ja immer was. Zum Beispiel scheint es nunmehr Gewissheit – im Land der Brigitte-Diät, in dem 50% aller jungen Frauen bis 18 bereits mindestens eine Diät gemacht haben, macht in Wirklichkeit gar keiner mehr Diät. Weil Diäten nichts bringen und sogar ungesund sind, das weiß doch inzwischen jeder – sogar beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Klingt ja auch so freudlos: „Ich mache Diät. Und darum bin ich nicht dick.“ Da könnte man sich genauso gut vor eine Kamera setzen und verkünden: „Der Grund für mein frisches Aussehen ist schlicht, dass ich bis unter die Mütze mit Botox vollgepumpt bin.“ Aber das ist eine BILD-Schlagzeile, die keiner will. Zu oberflächlich. Zu schroff. Zu ehrlich.

Nun wissen wir also: Beate Wedekind wurde in jungen Jahren ein Opfer der Buttercremetorte, die in den 50ern offenbar auf jedem Nierentisch herumstand, hatte seitdem immer enorme Gewichtsschwankungen und ist nun gerade wieder dick. Das will sie aber nicht bleiben, denn Größe 46 ist doof. Eine Diät will sie auch nicht. Jetzt ändert sie wohl irgendwas an ihrer Ernährung. Was genau, ist mir entgangen.

Barbara Becker (Fitnessexpertin aus Florida ; )) isst „alles, aber langsam.“ Sie hält sich NATÜRLICH auch an keinen Diätplan, um schlank zu bleiben, sondern achtet eben einfach nur auf ihr Gewicht und ihre Ernährung – und macht sich dann zwischendrin wohl mal gern einen „grünen Saft. Oder einen Shake“ - ah ja…

Und dann ist da Klausi Beimer, der ja nun so schön tanzen kann, OBWOHL er ein Moppel ist. Der will auch abnehmen. Aber nicht extrem. Und auch nicht mit einer Diät. Sondern irgendwie. Mit Bewegung oder so. Und weniger Stress will er halt haben, denn der bringt ihn dazu, zu viel zu essen.

Bernhardt Ludwig ist ein Diät-Kabarettist, aber leider kein besonders lustiger. Dafür ist er wandelnde Satire. Er schlägt vor, nur jeden zweiten Tag zu essen, damit „der Muskel am Fett nascht.“ Das ist halt auch ne‘ Art der Nahrungsumstellung.

Dr. Gunter Frank, dem offenbar „die Übergewichtigen vertrauen“, rauft sich sichtlich innerlich die Haare, ist aber zu höflich, um WIRKLICH dazwischen zu gehen. Insbesondere die ARD-hauseigene, ewig die Zähne fletschende Ernährungsexpertin Dagmar von Cramm kann er auf den letzten Metern der Phrasendrescherei nicht mehr stoppen, so dass diese dann auch noch Werbung für ihr Werk „Ab 50 in Form“ machen kann, denn (und ich paraphrasiere hier total unzulässig), „wenn dann endlich die Kinder aus dem Haus sind, wird es ja auch mal Zeit, etwas gegen diese unmöglichen Rettungsringe zu unternehmen.“

Ich habe es schon immer gesagt, und ich sage es noch einmal: Ich WEISS, dass Diäten was bringen. Wer eine einhält, wird dünner. Wer mehr Energie verbraucht, als er hinzufüttert, der nimmt ab. Wer sein Essen reguliert, einschränkt, zuteilt – der wird oder BLEIBT dünn. Und all diese Leute, die ab jetzt keine Diät mehr machen, sondern nur „bewusster essen und Sport treiben“ machen trotzdem eine. Bei Diäten muss man auf etwas verzichten. Auf was, kommt auf die Glaubensrichtung an. Zucker. Fett. Was auch immer. Auf jeden Fall muss man sich Energieeinheiten verkneifen. Das ist natürlich nicht für jeden gleich schmerzhaft. Vielleicht kann man den Verzicht für sich abmildern, weil der Diätplan gut zu einem passt. Den meisten fällt es verdammt schwer. Ach und noch etwas, was ich sicher weiß: Diäten sind für immer. Ein „normal essen“ gibt es nach einer Diät nicht mehr. Entweder man zügelt und reguliert auf die eine oder andere Weise weiterhin, oder man wird wieder dick. Wie die Frau Wedekind. Na, oder wie ich halt… ; ).

Will man das noch? Will man doch noch eine Runde drehen und wieder hoffen, dass man am Regal mit der Schokolade in Zukunft nicht aus der Kurve fliegt?

Das ist sie ja – meine große Frage. Und obendrein: Die Chancen, dass man nicht nur wieder das zunimmt, was man verloren hat, sondern noch dicker wird, als man vorher war, stehen nicht schlecht. Und ehrlich – DAS kann ich meinen Knien nun erst recht nicht mehr zumuten.

NH

Montag, 13. Juni 2011

Vorher - Nachher

Ja, was denn nun?


Vorher/Nachher – das Lieblingsthema aller Diätgeplagten! Nichts demonstriert die Wucht einer dünnen Neugeburt wirkungsvoller, als eine alte Hose, in die man jetzt zehnmal reinpasst. Und vor einigen Wochen dachte ich mir auch noch, dass es für eben solch eine Gegenüberstellung toll wäre, das GLEICHE Kleid in zwei Größen zu haben. Fündig wurde ich bei H&M. Das kleine Schwarze gab es in 46 und 38. Hätte es auch noch in 36 am Ständer gehangen, ich hätte die 38 vermutlich umgangen. Größe 46 ist außerhalb der Abteilung für große Größen bei H&M übrigens auch nicht selbstverständlich. Und was ist das da noch? Das Gepunktete da hinten? DAS ist eine Größe 32, eine SIZE 0, meine Herrschaften! Kommen Sie und staunen Sie! (War übrigens genauso schwer zu finden wie die 46.) Gut, da krieg' ich jetzt noch nicht einmal einen Oberschenkel rein, aber was soll ich sagen…ich dachte mir THINK SMALL. Wo ich jetzt schon mal dabei war, mich wieder aufs Abspecken vorzubereiten…warum nicht nach den Sternen greifen? Oder war es doch ein Griff ins Klo? Dabei wäre es absolut nicht sicher, welche Größe am Ende am besten aussehen würde. Würde ich es tatsächlich schaffen, mich zurück in eine 38 zu hungern, ist die große Frage natürlich nach wie vor, wie meine strapazierte Haut mit der Situation umgehen würde. Würde sie sich schlicht seufzend selbst zusammenfalten, wie ein geplatztes Gummiboot?


Schiffbruch? In Größe 38? Ist das denn überhaupt möglich? Mein Gott, mein Leben lang schien mir alles besser als Fett…Da gab es ja auch mal eine Studie…lasst mich mal kurz nachsehen…Genau, so war es: 5% aller dort Befragten würden lieber einen Arm oder ein Bein verlieren, als dick zu sein (Rudd Center for Food Policy and Obesity at Yale, 2006).


Und als ich vor einer Woche in Berlin war, habe ich mir in einem Museumsshop einen Venus-von-Willendorf-Briefbeschwerer gekauft. Ich dachte, das passt und gibt mir Kraft. Auf dem Weg zur Kasse ist sie mir runtergefallen, so dass ihr eines der hängenden Brüstchen abgeplatzt ist. Das war schon mal kein guter Start. Übrigens – nennt mich Dumpfbacke – aber ich habe jetzt erst begriffen, dass die Figur tatsächlich Arme hat. Zweigdünne, angewinkelte Ärmchen, die auf dem Brustansatz ruhen. Ich hatte sie immer für eine Art Verzierung gehalten. Proportional gesehen hat die Venus natürlich einen riesigen Kopf. Gesichtslos zwar, weil mit starren Locken umwickelt, aber immerhin…was bleibt dicken Damen auch anderes übrig, als was im Kopf zu haben, nicht wahr? ; ) Und WAS man so alles im Kopf hat! Seit ich versuche, mein Fett zu akzeptieren, fällt mir zum ersten Mal auf, wie ungehalten ich tatsächlich auf das Fett anderer reagiere. Ich wandere durch sommerliche Innenstädte, sehe runde Knie und Arme und ziehe pausenlos entsetzt (natürlich nur gedanklich) Luft durch die Zähne und denke, was ich vermutlich schon immer gedacht habe: Der Rock könnte aber länger sein. – Die hat aber Mut. – Au weia. – Muss das denn sein? So blöd das klingen mag, aber wirklich bewusst war es mir nicht, dass ich meine innere Heidi Klum stets bei mir trage und kritischer durch die Welt laufe, als jeder Model-Scout. Das war dann auch der Punkt, an dem meine Therapeutin die Stirn kräuselte und sagte: „Ja, das ist auch genau der Grund, warum Sie denken, alle anderen sehen dicke Menschen genauso negativ. Dabei wissen Sie gar nicht, ob das auch stimmt!“ Klar bin ich neidisch auf alle, die sich „trauen“. Und klar sehe ich durch die Brille der Selbstverachtung. Sie ist festgewachsen und bewertet pausenlos – hauptsächlich und zu allererst jedoch mein eigenes Spiegelbild. Wer hätte gedacht, dass das wahre Ausmaß der Abscheu vor dem eigenen Fett und dem anderer Menschen just in dem Augenblick so klar zutage tritt, in dem man versucht, es endlich zu akzeptieren? Aber dass ich ein Einzelfall mit einem isolierten Problem bin, glaube ich im Leben nicht. Nicht in der Welt des Fetts. Da jemanden zu finden, der der Sache komplett emotions- und/oder meinungslos gegenübersteht – ha, den würde ich gerne treffen!

Habe ich schon erwähnt, dass der Pro-Ana Post mittlerweile der meistgelesene dieses Blogs ist?

Wenn ich erzähle, dass ich mich in diesen Tagen mit der Frage herumschlage, ob ich dünn werden oder dick bleiben soll, gibt es keine geteilten Meinungen. Abnehmen ist besser! Da scheinen sich alle einig zu sein. Eigentlich nicht überraschend. Die einhellige Meinung unter den Befragten: Zur Fett-Aktivistin kann man auch dünn(er) noch werden - wenn man das UNBEDINGT will. Genauso gut könnte man offenbar eine Umfrgae starten, ob man sich die Biene Maja auf die Stirn tätowieren lassen soll. ; ) Eine kernige, achtzigjährige Verwandte sagte zu mir: "Nu' hab' dich doch nicht so Mädchen. Zieh' doch mal die Jacke aus, das ist doch viel zu warm!" Und ich sagte: "Ja, aber meine Oberarme..." Und sie rief: "Wozu willst du denn deine Arme verstecken - das sind doch ganz und gar vernünftige Arme!" Als ich sie später fragte, ob ich ihrer Meinung nach abnehmen oder so bleiben sollte, wie ich bin, antwortete sie: "Ich finde, du solltest abnehmen. Nicht weil du so nicht absolut in Ordnung wärst, sondern weil du selbst so ein Problem damit hast. Es hält dich einfach zurück."

Und was macht die aufgewühlte dicke Dame jetzt? Ich dachte mir, ich suche mir andere dicke Damen zur Beratschlagung. Möglicherweise eine Selbsthilfegruppe. Vielleicht muss man auch selbst eine gründen…

NH

Donnerstag, 2. Juni 2011

Märchenstunde

In ihrem Blogpost „The Fantasy of Being Thin“ beschreibt Kate Harding, dass sie sich Jahre nach ihrer Entscheidung, keine Diät mehr zu machen, gar nicht mehr daran erinnern kann, wie es war, zwischen dem Wunsch, dünn zu werden und dem, endlich mit dem eigenen dicken Körper Frieden zu schließen, hin- und hergerissen zu sein. (Hier habe ich an den Rand geschrieben „Aber an eben jenem Punkt bin jetzt.“) Kate Harding ist eine Fett-Aktivistin, Bloggerin und Mitautorin eines Buches über Fett-Akzeptanz (Lessons from the Fat-o-Sphere: Quit Dieting and Declare a Truce with Your Body).

Warte nicht auf schlanke Zeiten blablabla. Schiebe nicht dein Leben auf blablabla. Lebe so, als wärst du dünn BLA!BLA!BLA! Ganz neu dürfte den meisten von uns solch kerniges Aufmunterungsgerassel nicht mehr sein. Alles gut gemeint und vielleicht sogar irgendwie richtig. Und alles verdammt leicht gesagt. Und was dabei immer mitschwingt, ist das kleine böse Wörtchen „trotzdem“. „Trotzdem“ heißt aufzugeben, und nicht, sich klar zu entscheiden.

Hardings Ansicht nach ist es so verdammt schwer, diese endgültige Entscheidung gegen weitere Diäten zu treffen, weil man sich damit auch gleichzeitig gegen das Fantasie-Ich entscheidet, das von der Hoffnung auf die nächste Diät lebt. Unser dünnes Fantasie-Ich dient u. a. als hervorragende Entschuldigung, wenn die Dinge im wahren, dicken Leben nicht so richtig laufen. Und das tun sie ja oft nicht. Zumindest nicht so gut, wie erhofft. Das wiederum dürfte bei den meisten Menschen so sein. Aber als dicke Dame hat man die vermeintliche Ursache des Versagens an Bauch und Hüften immer gleich bei sich. Das ist praktisch. Und verhindert laut Harding gleichzeitig, dass man ernsthaft nach Problemlösungen abseits der Gewichtsabnahme sucht. Oder akzeptiert, dass es hier und da einfach keine Lösung gibt, weil man schlicht nicht in der Lage ist, bestimmte Probleme zu beseitigen oder gewisse Ziele zu erreichen. Das stellt sich spätestens dann heraus, wenn man dünner wird. Hardings These ist: Was man als dicker Mensch nicht auf die Beine stellt, wird man auch nicht wahrmachen, wenn man erst einmal dünn ist. Das sind fürwahr rosige Aussichten.

Freudvoll oder nicht – eine Überprüfung dieser Theorie anhand der eigenen Diätgeschichte ist ja nicht so schwer. Wenn ich zurückdenke - wie viel zufriedener und erfolgreicher war ich eigentlich in dünnen Zeiten? (In Zeiten mit einer Kleidergröße von 36-38…Ja, die gab es.)

War das Körpergefühl besser? – Ja. Doch. Schon. Man hatte halt weniger zu tragen und passte problemlos in jeden Flugzeugsitz. Und wie war es mit Beziehungen? – Naja…wenigstens hatte ich welche. Richtig lang gehalten hat keine. War mein Selbstbewusstsein größer? – Wenn ich es recht überlege – nein. Selbstbewusstsein und Mut kommen meiner Erfahrung nach eher mit zunehmendem Alter als mit schwindenden Kilos. Hat es wenigstens mehr Spaß gemacht, Kleider zu kaufen? – Ja. Und fand ich mich schön? War ich mit meinem Körper zufrieden? – Das kann ich sogar ganz klar beantworten: Nein. Ich war NIE wirklich zufrieden mit meinem Aussehen. Ich fange auch in dieser Hinsicht erst jetzt an, gnädiger mit mir zu werden. Und wie war es mit dem beruflichen Erfolg in dünnen Tagen? War ich klüger, berühmter, reicher? – Erm…Nö. Es stimmt schon, was Harding sagt. Wenn man kein Buch schreibt, kann man auch keins verkaufen. Und am meisten geschrieben habe ich beispielsweise in der Zeit, in der mein Gewicht seinen absoluten Höchststand erreichte.

Ich hatte also eine dünne Realität. So besonders schillernd war sie, wie eben gesehen, eigentlich nicht. Nicht gemessen an dem, was meine Vorstellungskraft auch jetzt noch imstande ist, sich auszumalen – so bunt, prächtig und in 3D, dass man es tatsächlich noch immer für eine wahre Option hält. Wenn man nur wieder dünn wird, wird diesmal alles anders...

Meine 6 Lieblingsfantasien vom dünnen Leben:

PLATZ 6: Ich lasse mir ein Leoparden-Tattoo machen, das sich vom Beckenknochen bis über den (superstraffen) Oberschenkel erstreckt.

PLATZ 5: Ich schmettere in einer Karaoke-Bar einem vor Verblüffung starren Publikum „My Heart Will Go On“ entgegen, und meine Haare wehen dabei dekorativ in der Brise einer Windmaschine.

PLATZ 4: Ich spreche fließend Japanisch. Und sehe großartig dabei aus. (Wie kommt es, dass mein dünnes Ich plötzlich Japanisch kann?...Ja, was weiß ich denn. Wer wird denn da anfangen, Erbsen zu zählen? Es ist ja schließlich nicht…real…hm.)

PLATZ 3: Ich sitze als Expertin in einer politischen Talkshow. Und bin SOWAS von schön.

PLATZ 2: Hunderte von Frauen stehen in Schlangen stundenlang um den Block, um eine signierte Kopie meines Kriminalromans zu bekommen. Und ich sehe toll aus.

Und schließlich PLATZ 1 (Trommelwirbel): Hunderte von Männern drängeln sich, um mein Autogramm zu bekommen - auf MEINEM PLAYBOY-COVER!

Über meinem Schreibtisch hängt seit Jahren das berühmte Zitat von George Eliot: „Es ist nie zu spät, das zu sein, was man hätte sein können.“ Ich habe es bestimmt schon einmal erwähnt, denn bis vor Kurzem hätte ich auch immer noch behauptet, dass es im Kern wahr ist. ALLES IST MÖGLICH, wenn man nur WILL, oder? Aber Kate Harding zufolge wird es erst möglich, sein dickes Ich zu akzeptieren, wenn man sein dünnes Fantasie-Ich in die Wüste schickt. Wenn man akzeptiert, dass man DAS nie sein wird. Man wird gegebenenfalls nicht nur nicht dünn sein, man wird womöglich auch keinen Oscar gewinnen, kein zweites Facebook erfinden und auch nicht Bundeskanzlerin werden. Womöglich ist im Leben NICHT alles immerzu möglich, egal wie stark man es will. (Und wenn ich mir so meine Oberschenkel ansehe, dann wird es vermutlich Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen.) Aber das bedeutet nicht, dass gar nichts möglich ist und dass das Leben nicht doch immer noch erheblich besser werden kann, als es ist. Wenn man sich nicht dauernd für das, was man nicht erreicht, bestraft. Und/Oder wenn man etwas unternimmt. Und dafür könnte mehr Energie zur Verfügung stehen, wenn für den Kampf gegen das Fett nicht mehr so viele Ressourcen draufgehen würden.


Wir Sind Helden - Müssen Nur Wollen von EMI_Music

Und selbst wenn man sich entschließt, das Gewicht wieder zu verlieren, ist eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen dünnen Märchenwelt notwendig. Denn Abnehmen allein ist höchstwahrscheinlich nicht die Lösung (wofür auch immer) – und der Effekt, wenn man von der kurzlebigen Euphorie beim Schließen des Reißverschlusses absieht, vielleicht bei Weitem nicht so dramatisch und umfassend, wie ausgemalt.

Kate Harding verabschiedete sich auf ihrer persönlichen Reise zur Selbst-Akzeptanz von der Vorstellung, eine Alpaka-Farm zu betreiben und George Clooney zu heiraten. Einen Fantasie-Heiratskandidaten habe ich übrigens auch:…na, das verrate ich jetzt doch nicht. Man weiß ja nie ; ).

NH