Donnerstag, 23. April 2015

Theo und die Maskulisten

"If you're not outraged, you're not paying attention."*

(Die Damen vom Women & Women First Book Shop, Portlandia, Staffel 1, Episode 1)


Erster Buchtipp der Woche


Schrift wird ohnehin komplett überbewertet. ; ) www.hotguysandbabyanimals.com

Die Maskulisten

Maskulisten oder Aktivisten/Anhänger der modernen Männerrechtsbewegung, betrachten Männer als Opfer in einer Welt, die mittlerweile von Frauen dominiert wird. Ihr Ziel ist es, die "feministische Unterwanderung" der Gesellschaft zu stoppen und die Rechte von Männern zu stärken. Die Subkultur der Maskulisten überlappt deutlich mit denen von Familienfundamentalisten, Hobbybiologisten, Homophobikern, Rassisten und Neonazis.

Ihr Hauptaktionsfeld ist noch immer das Internet, wo Maskulisten sich gern in den Kommentarspalten oder bei Twitter tummeln, um die eigene Weltanschauung zu verbreiten und zu verteidigen. Zwei der wichtigsten Anlaufstellen im Netz sind "Wie viel Gleichberechtigung verträgt das Land" und "WikiMANNia".

Zu den bekanntesten Vertretern der Bewegung in Deutschland zählen u.a. der Autor Arne Hoffmann, Bernhard Lassahn (ja genau - der hat Käpt'n Blaubär erfunden) und Eugen Maus (Gründer von "MANNdat").

Und es kam schlimmer: Die dicke Feministin. 

Das maskulistische Weltbild ist zum Bersten vollgestopft mit Feindbildern - neben gierigen Exfrauen und herrischen Kindsmüttern, sind da nicht nur Feministinnen an sich, sondern gern auch mal Schwule und "Ausländer" und...andere Männer im Allgemeinen. Denn Männer die nicht gegen eine Gleichstellung der Geschlechter sind, werden in der Szene u.a als "lila Pudel" bezeichnet.


Ein neueres, aber selbstverständlich nur allzu offensichtliches Feindbild ist die Fettakzeptanz-Bewegung. Die dazugehörige Gleichung ist keine Überraschung: Dicke Frau = hässlich = erfolglos bei Männern = Lesbe = Feministin. In den USA, wo Fat Pride und Fat Feminism natürlich öffentlich ohnehin viel sichtbarer sind, als hier, nimmt auch der maskulistische Widerstand in diese Richtung verstärkt zu. Fast amüsant finde ich die Tatsache, dass die Argumente der Wahl oft ausgerechnet auf die angebliche Gesundheitsgefährdung der fetten Feministin abstellen. Andere bemühen gar kulturgeschichtliche Betrachtungen oder die Evolution als Kampfmittel.


"Wenn der Staat Gleichberechtigung verordnen will, 
sollte er (...) mit gutem Beispiel vorangehen" 

Das war eine Unterüberschrift zu einem Artikel in der Zeit (Nr. 11, 12.03.2015) von Elisabeth Niejahr. Es ging um gleiche Bezahlung für Männer und Frauen, und nur um das klar zu sagen: Die Elisabeth ist schon dafür. Was mir als ehemaliger und genervter Zeitleserin nur gleich wieder auffiel, war der trotzige Seitenhieb beim Einstieg...

Denn das Lamentieren und Sticheln über "staatlich verordneten Feminismus" und den drohenden Untergang der Männlichkeit/Männer in unserer Gesellschaft wurden in der Zeit in den letzten Jahren so vehement betrieben, dass ich bekanntlich auf die Lektüre der "Bravo für Abiturienten" (Volker Pispers - ja ich wiederhole es immer wieder gern;)) mittlerweile komplett verzichte und auf dem Klo nur noch das manager magazin (kein Witz übrigens) lese, denn das ist nicht ganz so anti-feministisch und reaktionär.

Außerdem kann man das Elend ja irgendwann nicht mehr mit ansehen, auch nicht in der wöchentlichen Zeitung...Jungen versagen grundsätzlich alle in der Schule, weil die Lehrerinnen sie hassen, und die, die danach nicht durch eine feministische Opferkultur verunglimpft als Vergewaltiger im Knast landen, schuften sich zu Tode, um den Unterhalt für Ex-Ehefrauen und Kinder zu sichern, wobei sie ihre letzte Energie im Kampf ums Besuchsrecht lassen und dann im zarten Durchschnittsalter von 78 Jahren und ewig lange vor den Frauen (die werden im Durchschnitt 83 Jahre) verglühen. Und dann will ihnen Alice Schwarzer auch noch das Recht streitig machen, sich zwischendurch gelegentlich eine Zwangsprostituierte zu kaufen.

Im Ernst: Die Männerrechtsbewegung (Maskulismus) ist vielleicht hauptsächlich, aber eben nicht nur eine Subkultur zutiefst verstörter und wütender (zumeist weißer, heterosexueller) Männer, die sich im Zuge ihres privaten, verzweifelten Ringens um Identität und männliche Selbsteinordnung vor dem Bildschirm (zumeist anonym) Luft machen. Die Weltbilder und die Wut der Frauenhasser (ja, das sind sie - und nicht vorrangig Männerechtler) schwappen auch zunehmend wieder in den Mainstream, in Form von mehr oder weniger vorsichtig dosierter Feminismuskritik. Die Zeit macht mit, der Spiegel macht mit, der Focus macht mit, die FAZ macht mit, die Welt macht erst recht mit. Die Uni Düsseldorf macht mit und richtet "Männerkongresse" aus, auf denen es eher maskulistisch als wissenschaftlich zugeht. Und damit das Ganze dann gar nicht so frauenfeindlich wirkt, werden gern weibliche Antifeministen vorgeschickt.

Theo

Vielleicht sollte frau einfach mal einen Mann fragen, wie es sich aus seiner Sicht mit der voranschreitenden Entrechtung des männlichen Geschlechts verhält.

Um genau zu sein, sollte frau Theo fragen, denn frau kann sich darauf verlassen, dass er eine Meinung hat. Außerdem gehört Theo natürlich zu der Bevölkerungsgruppe, die weltweit augenscheinlich am allerwenigsten (soll heißen so gut wie nie - außer vielleicht im Damenklo oder bei einer Stillgruppe) Diskriminierung erfährt. Er ist männlich, weiß, Westeuropäer, heterosexuell, mittelalt, akademisch gebildet, wirtschaftlich stabil, groß, hatte insgesamt viel Glück im Hinblick auf das Erfüllen geltender körperlicher Attraktivitätsstandards und hat keine Behinderung. Dennoch ist er einer, für dessen Rechte Arne Hoffmann et. al. "kämpfen".



Ich: Willst du denn, dass die für deine Rechte kämpfen?

Theo: Für welche Rechte?

Ich: Zum Beispiel dein Recht auf blaue Überraschungseier.

Theo: Also, von der Häsin hier wirst du nicht viel abkriegen.

Ich: Wie findest du das, dass es spezielle Überraschungseier für Mädchen gibt?

Theo: Kommt darauf an, was drin ist...Oh, das ist ne Katze! Mit so einer kleinen Schleife im Haar!...Oder ist das ein Fuchs? Das könnte auch ein Fuchs sein!

Ich : Auf jeden Fall ist es ein Ring.

Theo: Ach, das ist ja toll!...Ist mir aber zu klein. Wie ich das finde, dass es Mädcheneier gibt?

Ich: Als sie vor ein paar Jahren auf den Markt kamen, gab es eine Protestwelle von Feministinnen. Die haben gegen die systematische "Pinkisierung" von Mädchen protestiert. Dann hat die Feministin Antje Schrupp eine sehr interessante Analyse geschrieben, die besagt, dass das pinkfarbene Ei für Mädchen nur eine"zusätzliche" Option ist. Sie können beides - "Mädchen" und "Für alle". Jungs nicht. Das pinkfarbene Ei ist eher so ein Warnschild für sie, denn wer sich als Junge in Mädchenwelten begibt, muss mit erheblichem Spott rechnen.

Theo: Aber Jungs können sich die Eier doch auch kaufen, wenn sie wollen. 

Ich: Das werden sich die meisten nicht trauen.

Theo: Das sollte man schon ihnen überlassen. Vielleicht ja irgendwann doch.

Ich: Es gab, soweit ich weiß, bisher kein blaues Überraschungsei - jedenfalls nicht durchgängig. Ist das unfair?

Theo: Ja, natürlich ist es das.

Ich: Ich habe dich ja vorhin schon gefragt, ob du von der Männerrechtsbewegung eigentlich schon mal gehört hast, und du hast gesagt...

Theo:...nein. Aber von einer Bewegung von Vätern, die keine Rechte an ihren Kindern haben, und sich zur gegenseitigen Unterstützung organisieren. Ich nehme an, deren Anliegen haben schon ihre Berechtigung.

Ich: Leider gibt es oft recht deutliche Verbindungen zwischen Väterrechtlern und Maskulisten. Und beide Gruppen stilisieren sich gern zu Opfern. Bist du Maskulisten noch nie im Internet begegnet?

Theo: Nein, nicht bewusst.

Ich: Und bist du bisher überhaupt groß mit Feministinnen in Berührung gekommen?

Theo:...Naja...Mit einer Feministin zumindest. Und wenn das alles so extreme Tanten sind, wie du...

Ich: Sind Feministinnen Männerhasserinnen?

Theo: Ich könnte mir schon vorstellen, dass es verschiedene Strömungen und dass es auch durchaus Männerhass unter einigen Feministinnen gibt. Grundsätzlich ist es mein Eindruck, dass die Botschaft oft schon sehr unlocker bis aggressiv rüberkommt. Aber nicht jeder Rezipient ist schlau genug, um zu begreifen, dass Ton und Botschaft nicht das Gleiche sind. Und dann erreicht man die Dummen wohl noch schlechter, als vermutlich ohnehin schon.

Ich: Fühlst du dich Frauen gegenüber in unserer Gesellschaft benachteiligt?

Theo: Nein.

Ich: Hast du dich aufgrund deines Mannseins jemals diskriminiert gefühlt?

Theo: Nein. Und es bringt auch nichts, auf alten Privilegien herumzureiten. 

Ich: Dann brauchst du auch keine Männerechtsbewegung, die für deine Rechte kämpft? Und es braucht keine Gegenbewegung zum Feminismus für Ausgewogenheit?

Theo: Nein. Der Feminismus gehört unterstützt. Bis auf so Männerhasserinnen wie dich.

Ich: Schau mal auf diese Website und sag mir, ob du nun womöglich ein "lila Pudel" bist?

Theo: Nein, bin ich nicht. Sich für Frauenrechte auszusprechen, ohne allerdings aktiv irgendwas beizutragen, ggf. mit Ausnahme dieses Interviews, macht noch keinen Pudel. Des Weiteren bin ich durchaus "pro Mann" - als Mitglied dieses Geschlechts. Das ist aber nicht gleich "gegen Frau".

Ich: Wie viel Gleichberechtigung verträgt das Land?

Theo (spielt mit dem Ring aus dem Ei):...Was?...Wie viel Gleichberechtigung verdient das Land?

Ich: ...VERTRÄGT das Land. Das ist der Titel einer maskulistischen Plattform im Netz.

Theo: Na, so viel wie nötig, oder? Wenn es darum geht, Diskriminerung durch eine entsprechende Gesetzgebung zu verhindern, dann kann man aufhören, wenn alle gleich wenig diskriminiert werden. Es wäre natürlich schöner, Menschen könnten so etwas ohne Vorschriften regeln. Mir scheint allerdings, die Frage selbst dient ohnehin nur dazu, Unfrieden zu stiften.

Ich: Du hast mal gesagt, du würdest dich gern mal mit Alice Schwarzer unterhalten.

Theo: Oh Gott, hast du etwa ihre Telefonnummer? Ich fand sie früher richtig gut - als Kind schon. Als ich sie immer in Talkshows gesehen habe. Heute ist sie ja leider durch so ein paar Entwicklungen doch eher ein beschädigter Popstar. Wie man hört, macht sie sich wohl heute auch viele Feinde im eigenen Lager. Aber sie war natürlich auch schon immer so eine Kampflesbe wie du...

Ich: (sehe mir einfach wieder Theos Bizeps an und stelle mir vor, wie aufregend er erst mit einem flauschigen Katzenkind auf dem Arm aussähe...Hoppla, war das jetzt etwa männerfeindlich? ; ))

Letzter Buchtipp der Woche


The Guy's Guide To Feminism von zwei Männern:  Michael Kaufmann und Michael Kimmel (Seal Press,  2011)

Das "Feminismus-Handbuch für Männer" ist eine  humorvolle, schnelle und klar aufgebaute Aufstellung von zum Feminismus gehörenden Stichworten: Sex, Berufswelt, Religion, Gewalt, Männerrechte, etc. Die Erläuterungen und Überlegungen sollen Männern im Prinzip vermitteln, dass sie selbst in ihrem Leben und Alltag von der Gleichstellung von Frauen durchaus  profitieren. 

Das Buch enthält einen Fragebogen, mit dem Mann überprüfen kann, ob er sich womöglich bereits mit Feminismus "angesteckt" hat, ohne es zu wissen. Denn die Definition von "Feminist" ist einfach: Jemand, der für die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Gleichheit der Geschlechter ist. Das kann fast jeden treffen. ; )


*"Wenn du nicht empört bist, passt du nicht gut genug auf."

NH