Sonntag, 28. Juni 2015

THE UGLY GIRL PROJECT: Gartenschlauch / Garden hose










© Nicola Hinz 2015

Follow me around 27: Presseschau


"Und hast du in letzter Zeit etwas 
Schönes gelesen?"

Hat Theo gefragt. Aber nur, um von einem anderen Thema abzulenken. Aber na gut, falls es jemanden doch interessiert - wobei, schön war es eher nicht.


Bravo Girl! 
Nr. 13 (17.6.2015)

Denn ich kann mir ja nicht helfen - während ich in letzter Zeit an Kassen stand und der Blick über die Zeitschriften glitt, blieb er natürlich immer wieder an sowas hier hängen: "Schummel dich schlank!" Seitdem ich so voll im Thema bin, kann ich ja nicht mehr wegsehen, so fasziniert und entsetzt bin ich von der perfiden Allgegenwart von auf Frauen (und in diesem Fall sehr junge Frauen und Mädchen) abgefeuerten, negativen Körperbotschaften, die mir vorher in ihrem vollen Ausmaß schlicht nicht bewusst war. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich bisher immer dachte, es müsse heißen "Schummle dich schlank"...aber was ist schon Grammatik, wenn es darum geht, dünner auszusehen?

Es war die erste Bravo Girl!, die ich gekauft und durchgeblättert habe, und ich gebe weder an noch versuche ich unnötig dramatisch zu sein - mir wurde tatsächlich vor Ärger erst ein wenig schwindelig und dann regelrecht übel. Erst wollte ich auch gar nicht mehr darüber schreiben, denn ich wollte den Kram eigentlich nur noch in die Tonne pfeffern, aber Drecksarbeiten müssen bekanntlich auch erledigt werden. Der Artikel zur Schlagzeile auf dem Titelblatt beginnt auf Seite 8 und endet auf Seite 13. Es geht um Bikinis und welchen man mit welcher Problemzone tragen sollte, wenn man sich fürs Schwimmbad eine "schönere, schlankere und knackigere" Traumfigur erschummeln will. Beim ersten Model dachte ich für einen Augenblick erschrocken, sie streckt den Arm hoch zum Hitlergruß...aber wahrscheinlich bin ich wieder die einzige, die solch verdrehte Assoziationen hat.

Natürlich impliziert schon das Wort "schummeln" in diesem Zusammenhang nichts anderes als schuldhafte Hässlichkeit. Wer ES nicht wirklich hat, hat Pech und ist im Prinzip selber Schuld. Und muss halt ein wenig betrügen. Denn Hässlichkeit ist natürlich noch immer um Einiges schlimmer als Unehrlichkeit. Darum verteilt die Bravo Girl! schließlich auch großzügig solche Schummeltipps an die Bedürftigen, aber eigentlich hätte man sich ja auch mal mehr zusammenreißen können, und insgesamt schöner geboren worden sein.

Die folgenden 12 Mädchen in Bikinis repräsentieren 12 körperliche "Mängel", die durch die Wahl des richtigen Bikinis abgemildert werden können:

1) Großer Busen / Kleine Brüste

2) Zierliche Figur / Kurvige Silhouette / Groß und schlaksig

3) Wenig Taille und großer Po / Flacher Popo

4) Volle Oberschenkel

6) Breite Schultern (?!)

7) Etwas Bäuchlein

8) Breite Hüften

Zusätzlich gibt es eine Liste für Dos und Don'ts - wiederum für wenig Busen, viel Busen, kleine Pos, große Pos sowie für kräftige Beine. Was bei dieser Gegenüberstellung mal wieder klar wird, ist, dass es in der absurden Welt der Frauenzeitschriften schier unmöglich ist, einen "richtigen" Körper zu haben, der keiner Nachhilfe bedarf - kein Körper ist ok. ALLES muss korrigiert werden. Und das Gegenteil von allem eben auch: "Bikinitops mit Rüschen tricksen dir eine größere Oberweite." Aber: "Tief ausgeschnittene Neckholder (...) lassen deine Oberweite kleiner erscheinen." Es gibt kein Gewinnen.

Auf der letzten Seite ist eine Galerie von Leserinnen zu bewundern, die ihre Bilder per Instagram oder Mail an die Redaktion geschickt haben. Die meisten von ihnen dürften, wenn überhaupt, gerade eben so die Pubertät erreicht haben...ich frage mich, was man als Mutter überhaupt tun könnte, um seine Tochter wirksam vor so viel Gift und Angriffen auf ihren Selbstwert und ihre Gesundheit zu schützen.

Und wofür ist eigentlich das lächerliche Ausrufezeichen da? Offenbar, um die Mädchen pausenlos anzuschreien und anzufeuern, alles nur nicht sie selbst zu sein: "Fit und sexy!", "Schummel dich schlank!", "Mund auf, Augen zu!", "Sexy aussehen!", "Aber wer braucht Rettungsringe um die Taille?!", "(...) zarte Strähnchen herausziehen!", "Nach dem Baden neu eincremen!", "Schüttle die negativen Gedanken ab!", "Süße Looks, die jeden Jungen sofort verzaubern!"...

...überhaupt ist es offenbar von erstaunlicher Bedeutung, was Jungs so gut finden. Auf Seite 48 lernen wir, dass "Jungs sich ruckzuck in dich verlieben", wenn frau nur genug - Achtung! - lächelt. "Du bekommst alles, was du willst - ohne Worte."

Ohne Worte.


Brigitte
Nr. 12, 27.05.2015

Auch da sollte ich ja zu meinem eigenen Besten die Finger weglassen, und konnte es doch nicht, als ich gesehen habe, dass in dem Heft ein Artikel über Frauen in Mauretanien war. "Dick und geschieden" stand auf dem Titel. Mir schwante Schlimmes...und ich behielt Recht. Denn wenn die Brigitte über Frauen in einer anderen Kultur berichtet, verlieren ihre Autorinnen selbstverständlich niemals den Blick auf das Wesentliche: Dicksein ist schlecht, schlecht, schlecht. Und die Frauen in Mauretanien werden gemästet, um dick, dick, dick zu werden - weil das da das herrschende (für Brigitte-Redakteurinnen selbstverständlich total abwegige) Schönheitsideal ist. "So jedenfalls erzählt man sich von den Frauen in Mauretanien." Hoppla!?

Dass nicht eine jener gemästeten, mythischen Monsterfrauen der Fotografin vor die Linse gekommen ist, weil die Frauen in Mauretanien gar nicht mehr zwangsgemästet werden, hat die Autorin dann zwangsläufig auch mitbekommen. Das hindert sie nicht daran, sich immer weiter abfällig über die Praxis und über aus ihrer Sicht zu dicke Körper auszulassen: "(...) dick, das hat sich herumgesprochen, heißt auch: unbeweglich und krank.", "Fette Frauen gibt es nur wenige. (...) viel weniger als beispielsweise in den USA.", "(Es) wird gezeigt, wie eine sehr dicke Frau (...) äußerst unästhetisch versucht (...) aufzustehen.", "(...) Elys Kampagnen (...) erreichen (die), die schon vernünftig sind."

Die Ironie, dass eine Diät hier mitunter als emanzipatorischer Akt verstanden werden kann, geht an der Autorin offenbar komplett vorbei, und obwohl sie sogar die mauretanische Frauenrechtlerin Ely Aminetou zitiert, die ausführt, dass die heute nur noch freiwillig stattfindende absichtliche Gewichtszunahme unter jungen Frauen auf Männerfang nichts anderes ist, als der "Magerwahn im Westen", kann sie ihre Abneigung für Frauen, die ihr Gewicht gezielt erhöhen, um so ihre Normschönheit zu steigern und über möglichst viele Ehen und Scheidungen wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erlangen, nur schlecht verbergen: Die zwanzigjährige Belkiss ist "verwöhnt", "killt" ihre Zeit mit Facebook und Instagram, schwänzt die Schule, um shoppen zu gehen und ist somit schon dreimal durch den Schulabschluss gefallen. Die 54jährige Horya Mint Nana hat "sich achtmal mit Tabletten vollgestopft", um dick zu werden, zusammen mit ihrer Schwester hat sie bereits über ein Dutzend Ehemänner "entsorgt" und sie "kommandiert" ihre "Diener" mit "herrischen Worten".

Unter dem Artikel behauptet ein kleiner Absatz, dass die Autorin Andrea Jeska es nicht leiden kann, "wenn Frauen sich kleinmachen oder dünn hungern". Darum war sie angeblich "sehr beeindruckt von der Präsenz (...) und dem Stolz (...) der mauretanischen Frauen."

Tsss...could have fooled me.*


Micky Maus
vom 12.06.2015

Und dann endlich aufatmen und basteln. Wo wir doch gerade von Monstern sprachen... ; )





*Das ist aus dem Artikel weiß Göttin nicht ersichtlich - darum: Fast hätte sie mich an der Nase herumgeführt. Da dachte ich doch für einen Augenblick, sie hat was gegen Fett...

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