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Freitag, 6. Dezember 2019

Adventsblog 4: Ich komme nicht ins Fernsehen


Weil ich zu dünn bin. Ungelogen. In der Redaktion, die verantwortlich zeichnet für "Dickes Deutschland - Unser Leben mit Übergewicht" (ein Sendeformat für RTL2), hatte man offenbar meinen BMI ausgerechnet, und um eine geeignete Kandidatin für die sogenannte "Sozialreportage" zu sein, hätte er bei 50 liegen müssen. War aber nur 39.

Ich hatte mithin nicht darum gebeten, überhaupt in die Auswahl zu kommen. Bevor ich eine Anfrage von der Redaktion bekam, hatte ich noch nie etwas von der Sendung gehört. Die Mail versprach: "Kein Drehbuch, kein Scripting - nur die wahre Geschichte." Und ich dachte, ihr habt doch schon wieder nicht die leiseste Vorstellung, mit wem ihr es zu tun bekämt, wenn ihr euch wirklich dafür entscheiden würdet, mit mir zusammenzuarbeiten. Denn das ist in der Regel so: Die meisten, die eine Kooperation vorschlagen, haben vorher sehr wahrscheinlich nicht viel mehr von mir gelesen und gesehen als den Titel des Blogs. Da steht etwas von "dicker Dame". Auf dem Foto daneben ist eine dicke Frau - das muss reichen. Die Dicke schreibt mit uns bestimmt gern ein Buch über "Gewichtsmanagement" oder rezensiert garantiert gern mein Buch über Esssucht. Und bestimmt lässt sie sich gern dabei filmen, wie sie sich morgens halbnackt aus dem Bett rollt, mitten in der Fußgängerzone in Mieder und BH für Fotos posiert oder sich ein Magenband einsetzen lässt. Oft sind Anfragende beleidigt, wenn ich Ihnen erkläre, dass sie sich vertan haben. Überrascht sind sie immer.

Im Falle von "Dickes Deutschland" rief ich allerdings zurück und sagte, ich würde mitmachen - unter der Voraussetzung, dass ich im Blog ganz genau über die Dreharbeiten berichten könne. Angeblich hätte ich das gedurft. Auch als ich anklingen ließ, dass ich gern dabei wäre, weil ihrem ausbeuterischen und voyeuristischen Format etwas Fettaktivismus und Medienkritik durchaus gut zu Gesicht stünden, war die Unterhaltung keinesfalls schlagartig beendet. Vielmehr folgte noch das lange Abarbeiten eines Fragebogens. Gehen Sie gern schwimmen?  Eher selten. Gehen Sie tanzen? Nie. Haben Sie gesundheitliche Probleme? Nein. Würde Ihr Partner mitmachen? Eher friert die Hölle ein. Was essen Sie gern? Gemüse. Würden Sie eine Magen-OP für sich in Betracht ziehen? Nein. Erstaunt war ich über die Frage, ob ich finanzielle Probleme hätte...dick und arm? Ernsthaft? Ist das wirklich noch immer die Erwartung der Zielgruppe?

Na schön, im Rückblick lässt sich leicht erkennen, dass mein Plan der halboffenen Unterwanderung nicht erst an meinem BMI scheiterte. So offen und menschenfreundlich-progressiv die nette Frau aus der Redaktion vielleicht auch sein wollte (sie war neu in dem Team und fürchterlich nett sind die Anfang immer alle) - natürlich war ich für ihre Zwecke kein Material für störungsfreie Drehtage. Vielleicht lag es aber auch schlicht daran, dass ich mich im Bewerbungsvideo, das ich dann doch zusätzlich noch einreichen sollte, nicht mehr an den Titel der Serie erinnern konnte...wer weiß. ; )

NH


Samstag, 7. Oktober 2017

Zwischenmeldung: Ich glaube, ich war im Fernsehen



Und zwar am letzten Mittwoch. Als Teil des RTL-Formats "Die 25" mit Sonja Zietlow lief dort ein kurzes Segment über mich und meine Lieblingsthemen: Fettakzeptanz und Swimming-Pools.

Gesehen habe ich es noch nicht. 

Obwohl mir der Redakteur es natürlich versprochen hatte, hat mich dann selbstverständlich doch keiner vorgewarnt, wann der Sendetermin sein würde. Ich habe nur an der plötzlichen Flut der Nachrichten von Zuschauerinnen und der in die Höhe schnellenden Klickzahlen im Blog gemerkt, dass etwas passiert sein musste. Einer der benutzen Suchbegriffe war doch tatsächlich "Nicola Hinz nackt".

Das obskure Thema der Sendung, "Die 25 unvorstellbarsten Situationen, in denen man nie landen möchte", war mir nur als Arbeitstitel angekündigt worden - und ist dann offenbar doch nicht mehr verändert worden. Es hatte bei mir und ebenso bei allen, mit denen ich im Vorfeld darüber gesprochen habe, für hohe Augenbrauen und gekräuselte Stirnen gesorgt. Dicksein als "unvorstellbare Situation, in der man nie landen will"? Echt jetzt?

Aber ich habe mir gesagt, die Chance, Fettakzeptanz im Fernsehen (und zu guter Sendezeit) mal wieder etwas Raum zu verschaffen, ist wichtiger, als ein bescheuerter Titel. Es wird schon gut gehen. Es wird schon nicht zu platt werden...Hoffen wir das Beste...

Danke für all das positive Feedback! 

Wenn ich den fast ausschließlich positiven Rückmeldungen glauben darf, die ich hinterher persönlich erhalten habe ( und warum auch nicht? : )), dann ist in der Tat auch alles gut gegangen. Ich werde mich morgen, am 8.10. zwischen 13:30 und 15:30 Uhr selbst davon überzeugen können - da wird die verpasste Sendung bei RTL wiederholt. 

NACHTRAG 8.10.2017: 

Doch, ich fand den Beitrag wirklich anständig - buchstäblich. Besser, freundlicher und aussagekräftiger als gedacht/gehofft. Ist alles gut gegangen, und das freut mich sehr. Vielen Dank für eure Nachrichten und Willkommen an all die neuen LeserInnen und Follower. : )


NIH
NH

Samstag, 24. Juni 2017

Follow me around 55: Ich komme jetzt ins Fernsehen


Um genau zu sein, am 29. Juni um 22.10 Uhr im WDR - bei Frau tv.

Die Dreharbeiten mit Katharina Wolff und ihrem Team waren sehr schön und haben mir unheimlich viel Spaß gemacht. Ich möchte mich ganz herzlich dafür bedanken, die Chance bekommen zu haben, mit den Zuschauerinnen von Frau tv über Fettakzeptanz sprechen. Natürlich muss man mich nicht lange bitten, wenn es darum geht, etwas über meinen Kampf um Selbstakzeptanz zu erzählen. Und während man seine eigene Geschichte präsentiert, lernt man als Bonus ja oft auch noch etwas über sich selbst, das einem noch gar nicht so klar war. Das heißt alles jedoch nicht, dass es sich hier nicht auch um eine Mutprobe handelt...eine kleine zumindest.

Dabei geht es nicht darum, sich als dicke Frau vor eine Fernsehkamera zu wagen - das habe ich ja schon öfter mal. Allerdings sind die meisten Auftritte nun bereits länger her (ca. 10 Jahre), und haben hauptsächlich in meiner damaligen Eigenschaft als "akzeptable" Dicke stattgefunden. Denn damals wusste ich noch, was sich gehört und habe mich pflichtbewusst auf meinem Diätblog selbst durch den Kakao gezogen. Als lustige Dicke, die sich ordnungsgemäß vorauseilend herabsetzt, bevor andere das übernehmen, und obendrein danach strebt, endlich wieder dünn zu werden, erntet man vorwiegend Freundlichkeit und Milde. Mitunter gar Begeisterung.

Als rebellische Diätbloggerin, die plötzlich Zweifel am Sinn von Diäten anmeldet, muss man sich zunächst einmal keine großen Hoffnungen mehr auf tosenden Beifall machen. Ein Großteil der bisherigen Leserinnenschaft ist erst verunsichert, dann enttäuscht und bleibt schließlich weg. Dafür kommt plötzlich immer öfter ein ganz anderes Publikum vorbei, das für Fettaktivismus nun so gar nichts übrig hat, und der Ton in den Kommentaren und Mails, die man bekommt, wird mitunter erstaunlich rau. Ich kriege immer noch regelmäßig Nachrichten, in denen mir vorgehalten wird, wie verbittert und resigniert ich rüberkomme. Ach ja, und vor allem bin ich offenbar komplett zerfressen vom Neid auf alle, die es schaffen, erfolgreich abzunehmen.

Ooooh bitte...

Tatsächlich schaffen es die meisten Dicken im Leben verdammt oft, erfolgreich abzunehmen. Meistens schaffen sie es allerdings nicht, erfolgreich dünn zu bleiben. Das schaffen sie nicht, weil es normal ist, das nicht zu schaffen. Sie sind nicht zu faul, zu dumm oder zu wenig erleuchtet. Sie sind in dieser Angelegenheit lediglich Teil einer absoluten und unbestreitbaren Mehrheit. So wie die meisten Leute eben nicht siegreich mit Alligatoren catchen.

Es hat absolut nichts mit Resignation zu tun, endlich die Notbremse zu ziehen und die Prioritäten im Leben neu zu ordnen, bevor das Leben vorbei ist. Es ist vielmehr eine Art Selbstverteidigung. Zugleich eine echte Mutprobe. Und ein Aufbruch.

Nach und nach fanden im Zuge der Verwandlung des Diätblogs in ein Projekt für Selbstakzeptanz dann natürlich auch wieder Leserinnen und Leser zum Blog, die sich neugierig und interessiert mit auf die Reise gemacht haben, um auch endlich Frieden mit ihren Körpern zu schließen. Von ihren Ideen, Fortschritten und Erfolgen dabei zu hören, ist immer das Schönste für mich. : )

An alle, die zum ersten Mal vorbeikommen - willkommen am Strand! Wie schön, euch zu treffen! : )

NH

Sonntag, 9. August 2015

Noch eine Runde BODY SHAMING BULLSHIT BINGO!

Irgendwie lustlos vor mich hindümpelnd bin ich beim Surfen auf YouTube auf Fernsehsendungen zum Thema Diäten gestoßen, was natürlich nicht sehr schwer ist. Weil ich ja keinen Fernseher habe, und mir damit in den letzten Jahren so ziemlich alles entgangen ist, was in dem Kasten passiert, wurde ich plötzlich wach und hellhörig, als mir das systematische, unbelehrbare und perfide Body Shaming zu Augen und vor allem zu Ohren kam, dass da offenbar in sogenannten Reportagen und Dokumentationen stattfindet.


Also habe ich einfach mal gesammelt - despektierliche, herabsetzende Textfragmente nur aus den Off-Kommentaren (das, was die gezeigten Personen gesagt haben, habe ich gleich gar nicht berücksichtigt, denn das hätte jeden Rahmen deutlich gesprengt).

Ich habe mir jeweils nur die ersten zehn Minuten (!) von drei Programmen zum Thema Diät angesehen, wobei die Erwartung gewesen wäre, dass das "Niveau" der Quellen von eins (Pro 7) über zwei (SAT 1) bis drei (ZDF) steigt. Es hat sich herausgestellt, dass das nur bedingt so ist. Beim Thema Körperfett schenken sich die Kanäle und Formate im Bullshit Bingo und beim Body Shaming nicht wirklich viel.

Alle Ausschnitte waren schon ein paar Jahre alt - ich bin nicht sehr optimistisch, dass es im Fernsehen inzwischen anders aussieht.

1. Pro 7 - U20 - "Deutsche übergewichtige Teenies" 

Massives Übergewicht, schämt sich, Frustfressen, gute Vorsätze mal wieder über Bord, verputzt munter fettige Pizza, Molly-Maße, angewidert, unförmiger Körper, überall quellen dicke Fettringe hervor, Gewabbel, Kalorienbomben, Walross in Baumwolle, quetscht sich in das Oberteil, jeder Versuch endet im Desaster, strapaziert die Nähte, Fresslust im Bauch, Frust in Fett ertränken, Fressattacke, das schlechte Gewissen, Abspeckkur, kann ihren Schweinehund nicht überlisten, faul vor dem Computer geflätzt.

2. SAT 1 - Akte 07 - "Schlank im Schlaf"

Schämt sich, Überwindung, Problemzone, leidet an Übergewicht, isst angeblich wenig, unkontrollierte Heißhungerattacken, auch wenn sie es nur ungern zugeben, literweise Limonade, noch dicker, wieder Hoffnung, schlank werden und dann endlich ganz normal leben.

3. ZDF Info - "Fett weg!"

Stark übergewichtig (94kg, Anm. d. Dicken Dame), großes Problem, deutlich zu dick, hoffen auf ein Wunder, durch starkes Übergewicht entstehen jährlich Kosten in Höhe von, Fettleibigkeit, ein gesellschaftliches Problem, wird dick und dicker, deutlich zu viel, was er da so in sich reinstopft, schiebt seinen gewaltigen Bauch stolz vor sich her, viel zu reichlich, gewaltiges Übergewicht, Ehefrau nicht gerade begeistert, ebenfalls ein Schwergewicht.

Und dann stand ich doch gestern vor dem Süßigkeitenregal und stellte fest: Sogar Schokolade betreibt heutzutage Body Shaming bzw. moralisiert!

Wie sagte Peter Lustig immer: "Ihr könntet also genauso gut schon mal abschalten."

NH

Freitag, 21. März 2014

Breitbild


Vor einiger Zeit vermachte mir Frau E. aus B. eine DVD mit dem Hinweis, dass sie selbst den Film noch nicht gesehen hätte, aber an meiner Meinung interessiert sei. ; ) Es handelte sich um "Die Friseuse" (2009) von Doris Dörrie. Die Filmbewertungsstelle in Wiesbaden (was es alles gibt), hält ihn für "wertvoll". Ich halte ihn für stellenweise amüsant und streckenweise originell, und vielleicht würde er mir besser gefallen, wenn die Heldin nicht dick wäre. Denn worüber ich mich von der ersten Sekunde an ärgerte, war der absurde Fatsuit, den die Hauptdarstellerin tragen musste, um überhaupt eine dicke Frau darstellen zu können. Kathi König, die Protagonistin,  hat also zwei abwegige Rettungsringe über die Hüften geschnallt und sieht aus, als ob all ihr Fett in den Hintern gerutscht ist. Zu Musik wie aus der Augsburger Puppenkiste stapft sie auf ihren ECHTEN Stockbeinchen in ihre Wohnung im Plattenbau und beschmiert sich nach einem Streit mit ihrer heranwachsenden Tochter ein Butterbrot fingerdick mit Leberwurst - in Nahaufnahme.

Der Film ist bunt und Kathi ist laut und ruppig-fidel. Allerdings unterliegt der Geschichte und Darstellung eine im Verlauf immer bleischwerer werdende Tragik, von der ich nicht glaube, dass sie so beabsichtigt war, wie ich sie wahrgenommen habe. Und diese Tragik speist sich aus dem Dicksein. Eigentlich passiert der Michelin-Kathi, die zu Anfang des Filmes verkündet "Freundlichkeit und gute Laune, det ist det halbe Leben für dick", nur Scheiße. Sie ist geschieden und arbeitslos. Sie ist ihrer Tochter peinlich. Sie bekommt keine Stelle als Friseurin weil sie "nicht ästhetisch" ist. Sie bleibt in Stühlen hängen und muss sich morgens an einem Seil aus dem Bett ziehen. Der Traum vom eigenen Salon platzt und am Ende stellt sich noch heraus, dass sie Multiple Sklerose hat. Zwischendrin macht sie noch Bekanntschaft mit einer Gruppe vietnamesischer Flüchtlinge und hat eine Affaire mit dem Mann, den sie bei sich vorübergehend aufgenommen hat. Das ist der originelle Teil. Und das nackte dicke Körperdouble, das man immer wieder präsentiert bekommt, ist wirklich schön anzusehen. Aber Leider: Da gibt es mal einen Film mit einer dicken Heldin, und dann erfüllt diese alle Klischees. Wer wissen will, was Doris Dörrie über Dicke denkt, kann es hier erfahren. Was sie denkt, ist entweder nicht sehr nett, oder vielleicht auch nur naiv. Oder doch beides. Obwohl sie das sicher weit von sich weisen würde.

Es gibt nun einmal nicht viele dicke Frauen auf Bildschirm und Leinwand. Schon gar nicht in deutschen Produktionen - wenn man mal von so Flops wie "Es kommt noch dicker" mit Wolke Hegenbarth absieht. Die trug natürlich auch einen Fatsuit. Aber sie war zumindest nicht so nassforsch und anstrengend, wie Dörries falsche Dicke. Unter denen, die es gibt, ist Melissa McCarthy ("Mike and Molly") im Augenblick eine meiner Lieblingsdarstellerinnen. Meine Empfehlung wäre "The Heat" - da spielt sie eine raubeinige Polizistin an der Seite von Sandra Bullock. Auch Gabourey Sidibe ist in "Precious" eine Offenbarung, ebenso wie America Ferrera in "Echte Frauen haben Kurven". Das war, bevor sie zu "Ugly Betty" wurde. Ich sehe ja auch wirklich gern Brooke Elliott als hochintelligente Anwältin in "Drop Dead Diva". Hier läuft die Serie auf Sixx, aber ich sehe ja immer lieber das Original. Mittlerweile hat auch Kathy Bates ihre eigene Anwaltskanzelei ("Harry's Law", SAT 1). Kirstie Alleys satirische, trockene Aufarbeitung der eigenen Situation als "Fat Actress" (2005) in Hollywood hat es zwar nicht bis zu einer zweiten Staffel geschafft, aber ich finde, es ist trotzdem das Beste, was ich von ihr gesehen habe. Ich persönlich bin kein so großer Fan von Rebel Wilson und Nikki Blonsky ("Hairspray") - aber auch sie sind mehr oder weniger erfolgreiche dicke Frauen in Hollywood.

Das englische Fernsehen hat ja auch schon lange eine ganze Anzahl von interessanten dicken/nicht herkömmlich schlanken Frauen in Hauptrollen zu bieten. Dawn Frenchs "The Vicar of Dibley" kann ich fast auswendig. Außerdem gibt es da Jo Brand ("Getting On"), Katy Brand, Catherine Tate ("Wild West"), Miranda Hart ("Miranda") und Sharon Rooney ("My Mad Fat Diary"). Alle einen Blick wert - insbesondere, wenn man Wert darauf legt, auch mal Frauen in Hauptrollen zu sehen, mit dessen Körperlichkeit man sich so richtig identifizieren kann. Und natürlich auch sonst.

NH
 

Mittwoch, 27. Juli 2011

Zwischenruf: Der blanke Sommer

Darum sag' ich ja auch immer, man soll sich tunlichst von Fernsehern fernhalten, denn es führt unweigerlich ins Verderben, wenn man die Höllenmaschinen einschaltet. Naja, jedenfalls stehen die Chancen für Schrecken und Chaos ziemlich gut. Wobei das natürlich wie alles eine Frage der Einstellung ist. Wer Freude daran hat zu beobachten, wie Frauen in großer seelischer Not ausgebeutet werden, um auf möglichst billige Art und Weise Sendezeit zu füllen, für den gibt es offenbar bereits schon seit 4 Staffeln eine echte Alternative zu Bauer sucht Frau ; ): Extrem Schön bei RTL2, dienstags um 22:10.

Ich hatte ja mal wieder keine Ahnung, was alles möglich ist, bis mir jemand davon erzählte. Und das hier ist beileibe kein Fernsehtipp. Es ist mehr eine Art Erfahrungsbericht. Immerhin kann man sich mit dem Thema Selbsthass und Körperbild kaum drastischer auseinandersetzen, als den Körper in einer nicht unblutigen Monsteroperation unter Einsatz seiner Gesundheit bzw. seines Lebens und von Kameras festgehalten umformen zu lassen. Ich erinnere mich, wie beeindruckt ich von der Radikalität der Operations-Inszenierungen der Künstlerin Orlan war, deren Erhöhungen über den Augen nach wie vor ein Symbol für die Konflikte und Möglichkeiten der Selbstgestaltung sind. Eine ihrer Feststellungen war, dass die Haut in der man steckt, ohnehin nie zum dem passt, was man gerade sein will.



Die Möglichkeiten, sein Körperbild selbst zu bestimmen, sind heute scheinbar beinahe unendlich. Ich kann mit meiner Erscheinung machen, was ich will - vorausgesetzt ich habe einen freien Willen. Warum gehen eigentlich nicht mehr Leute zum Chirurgen, um sich Spock-Ohren machen zu lassen? Oder um auszusehen, wie ihre Großmutter, die sie sehr bewundert haben - und die eine richtig große, stolze Adlernase hatte? Naja, weil man das eben nicht macht. Alle würden denken, man spinnt! Der Chirurg würde den Eingriff ablehnen! Und in die Bewerbung zur Teilnahme an "Extrem schön" sollte man das auch nicht schreiben. Wir sind nicht frei. Wir bekommen dauernd gesagt, was "extrem schön" ist. Und den Kandidatinnen wird offenbar gleich "ein neues Leben" mitgeliefert - implantiert, wenn man so will.

Was man zunächst sieht, sind geschundene Körper. Dass es schorfig und anstrengend werden würde, hatte ich vermutet. Ich sehe Nicole dabei zu, wie sie sich windet und "vor Schmerzen kaum atmen kann", während die Musik mit grotesker Theatralik immer weiter anschwillt. Und mir geht aus irgendeinem Grund die biblische Drohung "unter Schmerzen sollst du (...) gebären"* durch den Kopf. Dann schwant mir Übles: Hier wird jemand für seine Hässlichkeit bestraft und gleichzeitig errettet. Aber kein Zuschauer soll auf die Idee kommen, eine Errettung sei so einfach zu haben.
*(Ich sehe gerade, Orlan verwendet die Bibelstelle in ihren Ausführungen auch - vermutlich war sie mir deshalb so präsent. Auf jeden Fall bezeichnet Orlan sie als das, was sie auch ist - als lächerlich.)

Während Nicoles Ehemann dafür ist, die Sache abzubrechen, macht Nicole tapfer weiter und verdient und erleidet sich so am Ende eine neue Nasenspitze, einen Po, der mit Fett aus ihrer eigenen Taille aufgepolstert wurde, ein neues Kinn, gestraffte Augenlider, Silikonkissen in der Brust, einen gestraften Bauch sowie - man höre und staune "weibliche" Zähne. Überhaupt ist jetzt endlich alles an ihr weiblich, weiblich, weiblich! Man fragt sich, was die mehrfache Mutter vorher war - eine gigantische Arbeiterameise vom Planeten Zuberon?

Nicole hat vor, von nun an durch das Leben zu tanzen. Man wünscht es ihr. Und trotzdem wünscht man sich viel mehr, man hätte das alles lieber nicht miterlebt. Man wünscht sich, Nicole hätte sich selbst einfach mal die Haare gewaschen und sich einen neuen Zahnarzt gesucht. Und hätte dann gesagt "ihr könnt mich alle mal". Und man hätte sich niemals in ihre Wiedergeburt im Operationssaal hineingezappt. Man versteht den Selbsthass und die Selbstzweifel der Kandidatinnen so erschreckend gut - und fühlt gleichzeitig, dass es höchste Zeit ist für einen Aufstand der Hässlichen...nur selber anführen möchte man ihn lieber auch nicht...

Mein neues Lieblingswort ist übrigens "Fettverteilungsstörung".

Und wo ich nun schon auf Krawall gebürstet bin: Sollte jemand gerade die Bunte letzter Woche zur Hand haben?...Ja?...Ist es nicht fabelhaft, wie unverkrampft die Redaktion die Begriffe "Schlankheitswahn" und "lustvoll" miteinander verknüpft? Die in sonnengelben Lettern gestellte Frage "Macht dünn glücklich?" kann man damit wohl getrost als beantwortet betrachten. Klar, Hungern ist die pure Freude. Fast so schön, wie sich lustvoll die Haare auszureißen. Oder sich lustvoll vor einen Zug zu werfen. Die Chefredakteurin Riekel gibt in ihrem "Bild der Woche" dann noch zu bedenken, dass Dünnsein das "Ticket in die Society" sei. Ebenfalls bemerkenswert - der kleine Beitrag über Frauen-Fußball auf Seite 71. Alice Schwarzer erklärt im Kasten links: "Am besten, eine Fußballerin erregt Aufsehen mit dem Ball - und nicht mit dem Busen." Und rechts kürt die Bunte dann die "fünf attraktivsten Spielerinnen". Mit Verlaub - im Sommerloch kann es doch immer noch ein wenig schwärzer werden, als man denkt.

Und das Abendessen steinreich:


Ja doch, ich mache weiterhin Diät...Mal sehen, in was für Gesellschaft ich da noch gerate.

NH

Dienstag, 14. Juni 2011

Zwischenruf: Menschen bei Maischberger

Shushan hat mich auf eine Fernsehdiskussion zum Thema - Dick bleiben?/Dünn werden? - aufmerksam gemacht, die heute Abend in der ARD läuft:

Menschen bei Maischberger
14. JUNI 2011, 23.45 UHR
Schluss mit schlank: Lieber dick als auf Diät?


NACHTRAG:

Ja, da staunt man. Was für ein Reigen. Was für eine Leere. Nicht, dass einen das jetzt groß überrascht hätte. Eine sinnvolle, ergiebige Zusammenstellung der Gäste ist halt nicht jedes Redakteurs Sache. Aber lernen kann man ja immer was. Zum Beispiel scheint es nunmehr Gewissheit – im Land der Brigitte-Diät, in dem 50% aller jungen Frauen bis 18 bereits mindestens eine Diät gemacht haben, macht in Wirklichkeit gar keiner mehr Diät. Weil Diäten nichts bringen und sogar ungesund sind, das weiß doch inzwischen jeder – sogar beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Klingt ja auch so freudlos: „Ich mache Diät. Und darum bin ich nicht dick.“ Da könnte man sich genauso gut vor eine Kamera setzen und verkünden: „Der Grund für mein frisches Aussehen ist schlicht, dass ich bis unter die Mütze mit Botox vollgepumpt bin.“ Aber das ist eine BILD-Schlagzeile, die keiner will. Zu oberflächlich. Zu schroff. Zu ehrlich.

Nun wissen wir also: Beate Wedekind wurde in jungen Jahren ein Opfer der Buttercremetorte, die in den 50ern offenbar auf jedem Nierentisch herumstand, hatte seitdem immer enorme Gewichtsschwankungen und ist nun gerade wieder dick. Das will sie aber nicht bleiben, denn Größe 46 ist doof. Eine Diät will sie auch nicht. Jetzt ändert sie wohl irgendwas an ihrer Ernährung. Was genau, ist mir entgangen.

Barbara Becker (Fitnessexpertin aus Florida ; )) isst „alles, aber langsam.“ Sie hält sich NATÜRLICH auch an keinen Diätplan, um schlank zu bleiben, sondern achtet eben einfach nur auf ihr Gewicht und ihre Ernährung – und macht sich dann zwischendrin wohl mal gern einen „grünen Saft. Oder einen Shake“ - ah ja…

Und dann ist da Klausi Beimer, der ja nun so schön tanzen kann, OBWOHL er ein Moppel ist. Der will auch abnehmen. Aber nicht extrem. Und auch nicht mit einer Diät. Sondern irgendwie. Mit Bewegung oder so. Und weniger Stress will er halt haben, denn der bringt ihn dazu, zu viel zu essen.

Bernhardt Ludwig ist ein Diät-Kabarettist, aber leider kein besonders lustiger. Dafür ist er wandelnde Satire. Er schlägt vor, nur jeden zweiten Tag zu essen, damit „der Muskel am Fett nascht.“ Das ist halt auch ne‘ Art der Nahrungsumstellung.

Dr. Gunter Frank, dem offenbar „die Übergewichtigen vertrauen“, rauft sich sichtlich innerlich die Haare, ist aber zu höflich, um WIRKLICH dazwischen zu gehen. Insbesondere die ARD-hauseigene, ewig die Zähne fletschende Ernährungsexpertin Dagmar von Cramm kann er auf den letzten Metern der Phrasendrescherei nicht mehr stoppen, so dass diese dann auch noch Werbung für ihr Werk „Ab 50 in Form“ machen kann, denn (und ich paraphrasiere hier total unzulässig), „wenn dann endlich die Kinder aus dem Haus sind, wird es ja auch mal Zeit, etwas gegen diese unmöglichen Rettungsringe zu unternehmen.“

Ich habe es schon immer gesagt, und ich sage es noch einmal: Ich WEISS, dass Diäten was bringen. Wer eine einhält, wird dünner. Wer mehr Energie verbraucht, als er hinzufüttert, der nimmt ab. Wer sein Essen reguliert, einschränkt, zuteilt – der wird oder BLEIBT dünn. Und all diese Leute, die ab jetzt keine Diät mehr machen, sondern nur „bewusster essen und Sport treiben“ machen trotzdem eine. Bei Diäten muss man auf etwas verzichten. Auf was, kommt auf die Glaubensrichtung an. Zucker. Fett. Was auch immer. Auf jeden Fall muss man sich Energieeinheiten verkneifen. Das ist natürlich nicht für jeden gleich schmerzhaft. Vielleicht kann man den Verzicht für sich abmildern, weil der Diätplan gut zu einem passt. Den meisten fällt es verdammt schwer. Ach und noch etwas, was ich sicher weiß: Diäten sind für immer. Ein „normal essen“ gibt es nach einer Diät nicht mehr. Entweder man zügelt und reguliert auf die eine oder andere Weise weiterhin, oder man wird wieder dick. Wie die Frau Wedekind. Na, oder wie ich halt… ; ).

Will man das noch? Will man doch noch eine Runde drehen und wieder hoffen, dass man am Regal mit der Schokolade in Zukunft nicht aus der Kurve fliegt?

Das ist sie ja – meine große Frage. Und obendrein: Die Chancen, dass man nicht nur wieder das zunimmt, was man verloren hat, sondern noch dicker wird, als man vorher war, stehen nicht schlecht. Und ehrlich – DAS kann ich meinen Knien nun erst recht nicht mehr zumuten.

NH